31.08.2011


Howard Hill

Auszug aus "Legends in Archery - Abenteurer mit Bogen und Pfeil", Peter O. Stecher, Vorderegger Bogensportverlag, 2008, Copyright by Vorderegger Bogensportverlag.

Howard Hill Trick Shoot

1948, USO-Veranstaltung, Militärstützpunkt, San Diego, Kalifornien. Ein kräftiger Mann in weißem Polohemd und weißer Hose mit einem Menjou-Bärtchen betritt die Bühne. Der Saal ist voll. Einen einfachen Rückenköcher voll weißer Pfeile hat er über der rechten Schulter hängen und einen schlanken Langbogen in der linken Hand. „Das ist Gran´pa, mein 85 Pfund Split-Bamboo-Langbogen, mein Baby. Mal sehen was der Bogen so kann.“
Der Bogenschütze nimmt einen Pfeil aus dem Köcher und schießt ihn genau in das winzige schwarze Kreuz in der Mitte der Scheibe, mitten ins Gold. Der Pfeil verschwindet zur Gänze und schlägt hinter der Scheibe in die Wand. Der Bogenschütze lächelt, blickt ungläubig- verwundert auf den Bogen wendet sich dem Publikum zu und sagt: „Gut, ich sehe es gibt hier keinen passenden Pfeilfang für Gran´Pa, mal sehen, ich werde meinen 65-Pfünder, Gran´ma nehmen müssen, sorry Gran´pa!“ Die GIs lachen. Der Mann nimmt einen anderen Bogen und stellt sich vor die ca. 15 Meter entfernte Zielscheibe. In unglaublicher Geschwindigkeit und Präzision schlagen weißbefiederte Pfeile in das Gold der Scheibe. In 26 Sekunden schießt Howard Hill zwölf Pfeile, bei zwei Pfeilen zerschießt er die Nocken, so eng ist die Gruppe. Noch während Hill schießt beginnen die Soldaten zu applaudieren, ein Pfeil, der letzte, reißt die Linie zu den roten Ringen an. Hill wendet sich dem Publikum zu und sagt: „Oh, I forgot to figure on the wind you made with your applause, fellas“! Die GIs lachen lauthals. Hill wendet sich wieder der Scheibe zu, kniet nieder, schießt einen Pfeil ins Gold, legt sich auf eine kleine Bank, schießt auf dem Bauch liegend und auf dem Rücken liegend in die Mitte der Scheibe.

Dann steht er auf einem Bein, hält den Bogen mit dem linken Schuh, zieht mit der rechten Hand  und schießt, wieder splittert eine Nocke. Hill ruft einen Assistenten, der wirft für Howard Holzscheiben in die Luft, jeder der Bluntpfeile trifft, zersplittert eine Holzscheibe. Dann wird ein kurzes Brett, eine Art kleine Rampe auf den Boden der Bühne gelegt, Howard schießt auf das schräge Brett, der Pfeil prallt ab und trifft einen Luftballon.Howard Hill

Howard Hill wendet sich wieder den Marines zu, fragt nach einem Freiwilligen aus dem Publikum. Ein junger GI meldet sich, kommt vor auf die Bühne. Hill fragt den Soldaten nach seinem Namen, wo er bereits stationiert war und ein paar andere Small-Talk-Fragen. Danach fragt Hill den Marine: “You´re no one to become frightened, are you?“  “No, Sir,” antwortet der Soldat. Howard führt den Mann zur Zielscheibe, sagt zum Publikum: ”We´ll see what this boy´s made of.“ Hill nimmt aus einer Schachtel einen Apfel und legt ihn vorsichtig auf den Kopf des Soldaten, dann geht er 18 oder 20 Schritte zurück, fixiert die Augen des Freiwilligen und sagt warnend: „Now don´t move a muscle,“ der Marine steht stramm. Howard hebt seinen Bogen und nagelt den Pfeil durch die Mitte des Apfels. Hill wendet sich dem Publikum zu und sagt anerkennend: „Not bad!“

That´s my favourite method to produce apple juice,“ fügt er mit einem Augenzwinkern hinzu. Dann geht er zur Schachtel, nimmt eine größere Pflaume heraus und legt sie dem fragend dreinschauenden Jungen auf den Kopf. Hill geht zurück, sagt wieder: “Don´t move a muscle!“, hebt den Bogen und schießt durch die Mitte der Frucht. Zum Publikum sagt Howard: „Not bad!“
Howard Hill
Als Hill dann eine Preiselbeere aus der Schachtel nimmt, sie dem Freiwilligen aufs Haupt legt, zuversichtlich die übliche Distanz zurückgeht und sich dem Marine  erneut zuwendet, gerade rechtzeitig um zu sehen wie der Soldat schnell die kleine Frucht vom Kopf nimmt, sie zu Boden wirft und schleunigst von der Bühne springt, sagt Howard Hill mit einem verständnisvollem Lächeln zum Publikum: “Not too dumb, either!“ Die Zuschauer im Saal johlen und lachen…

Für eine Performance von 30 Minuten verlangte Howard Hill ca. USD 2000, in den 40er Jahren und das zur damaligen Zeit, in der heutigen Zeit wäre der Betrag um ein Vielfaches höher - und bekam sie.  In Grant Park, Chicago schoss er vor 35 000 Zuschauern, sein Hemd, sein Bogen und seine Pfeile wurden ihm als Souveniers vom Publikum entrissen.
Hill prägte einen Stil der Generationen von Bogenschützen beeinflusste. Er veranlasste seriöse, vernünftige Leute die bis dahin Pfeil und Bogen als Kinderkram betrachteten, einen Langbogen zu kaufen, sich einen Rückenköcher umzuhängen und auf wirkliche große Tiere zu schießen. Howard Hill war es, der den Bogen als ernstzunehmende Jagdwaffe weltweit bekannt machte. Pope, Young, Bear etc. waren bei weitem nicht solche Showmen wie Hill, der es hervorragend verstand sich in Szene zu setzen. Ich denke Hill war der einzige der ausschließlich vom Bogenschießen lebte, ohne einer der großen Bogenproduzenten zu sein.

Howard HillDenke ich an Howard Hill, kommt mir ein Satz des Ur-Amerikaners  Sitting Bull in den Sinn: „When the buffalo are gone, we will hunt mice, for we are hunters and we want our freedom.“ Howard Hill behauptete oft, indianische Vorfahren gehabt zu haben und ich meine etwas vom Geiste des alten Sitting Bull war in ihm. Mich fasziniert, neben aller Schießkunst Hills, vor allem wie er es verstand seine Passion zu leben. Howard Hill war und ist eine Ikone des Bogensports und der Bogenjagd. Hill verkörperte den perfekten Sportsman seiner Ära. Jenen Typ Abenteurer, der Menschen begeistern konnte, der Gentleman und zugleich Rauhbein war. Man konnte Howard Hill auf Hollywood-Parties antreffen; umgeben von Filmstars die andächtig einer Alabama-Slang-Hill-Story lauschen – wie er diesen Bären oben in Wyoming mit dem Lasso fing oder wie er jenen gefährlichen Hai, ein verschlagenes Biest auch, unter Wasser mit dem Langbogen erlegte Mit einer selbst entworfenen, homemade Tauchausrüstung. Errol Flynn bediente die Pumpe. Man konnte Hill auch auf Catalina Island begegnen, nach einer haarstäubenden Wildschweinjagd, am Lagerfeuer „Hill-Stew“ für seine Jagdkumpel zubereitend - um sich einen Jux zu machen und die Gesichter der der Kameraden zu sehen, wenn sie es herausfanden, hatte Howard einen Fuchs den er nebenbei erlegte, mitverkocht. Ein bezeichnender Hill-Scherz.