Mittwoch, 12. Oktober 2011

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Trauer um Otto Tausig

Otto Tausig starb mit 89 Jahren in Wien. Er war ein wichtiger Künstler und der liebste "Schnorrer" für arme Kinder.

Letztes Update am 11.10.2011, 11:36


otto tausig Fotostrecke: 24 Bilder Der Schauspieler Otto Tausig ist am Montag, kurz nach Mitternacht, gestorben – nach langer, schwerer Krankheit im Kreise seiner Familie
Es gibt viele Schauspieler, die Charme haben. Es gibt aber ganz wenige, die einnehmend sind wie Otto Tausig. Wer ihm auch nur einmal begegnet ist, vergisst ihn nie. Seine Art zu sprechen. Seine Art zu lächeln. Seine Fähigkeit zuzuhören. Seine warmen Augen. Seine Begeisterungsfähigkeit. Seine Ehrlichkeit.

Otto Tausig war - seit gestern muss man leider in der Vergangenheit von ihm sprechen - das, was man einen guten Menschen nennt. Die Naivität, die dazu gehört, der kindliche Zugang waren ihm bewusst. Er sammelte in den vergangenen Jahren bei jedem seiner Auftritte Geld. Egal, ob nach Aufführungen in großen Theatern. Oder bei der Verleihung des "Nestroy", den er 2009 für sein Lebenswerk bekam. Überreicht, passend für ihn, im Zirkuszelt.


Seine vielen Kinder

Geld für seine Sozialprojekte war es, das er sammelte. Entwicklungshilfeprojekte in der Dritten Welt. Für arme Kinder, zum Beispiel in Indien. Stolz zeigte er dann Alben mit Fotos von ihnen her.

"Oberschnorrer" nannte er sich selbst, und es war ihm nicht im geringsten peinlich. Einen Großteil seiner Schauspielkunst stellte er, der zuletzt schon sehr Kranke, auch in den Dienst der Sache, die ihm so wichtig war. Er nahm Rollen an, um die Gage gleich weiterzuleiten.

Otto Tausig, am 13. Februar 1922 in Wien geboren, war aber nicht nur allseits beliebter "Oberschnorrer", er bezeichnete sich in seiner Autobiografie auch als "Kasperl, Kummerl, Jud" (so der Titel des Buch im Mandelbaum-Verlag).

"Ich bin ein Kasperl, ich spiele gern", sagte er anlässlich der "Nestroy"-Verleihung im KURIER-Interview. "Aber nur spielend mein Leben zu verbringen, war mir stets zu wenig."

"Kummerl": Er hegte lange Zeit Sympathie für den Kommunismus und war stets überzeugt, dass unser Wirtschaftssystem auf Gier basiere. Der einzige Dr. Lenin, dem er zuletzt vertraute, war aber ein Mann dieses Namens, der bei einem Hilfsprojekt für indische Kinder mitarbeitete.

"Jud": Otto Tausig musste 1938 nach England flüchten, kehrte aber schon 1946 nach Österreich zurück und war fortan ein Kämpfer für Menschenrechte und gegen Faschismus.

Theaterkarriere machte er in Wien (Neues Theater in der Scala, Volkstheater, von 1970 bis 1983 am Burgtheater), in Berlin, in Zürich. Fabelhaft waren u. a. seine Nestroy-Darstellungen.

Er wirkte auch als Drehbuchautor und Regisseur, im Film- und Fernsehbereich war er in unzähligen Rollen zu sehen, von der "Alpensaga" über "Jedermanns Fest" bis zu "Soko Donau". Zuletzt im Udo-Jürgens-Film als Aljoscha Kasajev.


Reaktionen

Kulturministerin Claudia Schmied (S) zeigte sich in einer ersten Reaktion tief betroffen vom Ableben des Schauspielers Otto Tausig: "Otto Tausig gehörte zu den herausragendsten Schauspielern Österreichs. Er verstand es, durch seine Sprachmächtigkeit das Publikum zu fesseln. Otto Tausig war aber mehr als nur ein begnadeter Künstler. Er verstand seine eigene Biografie als Auftrag, Menschen zu helfen, für die Flucht die einzige Möglichkeit war, zu überleben."

"Anstatt bequem das Leben eines prominenten Künstlers zu leben, scheute er nicht unbequem als ständiger Mahner für Mitmenschlichkeit aufzutreten", so Schmied in einer schriftlichen Stellungnahme. "Otto Tausig war ein politisch denkender und handelnder Mensch, der Kunst als Mittel zur Veränderung der Welt verstand. Dies ist auch ein bleibender Auftrag an uns. Sein Tod ist für uns alle ein schmerzlicher Verlust." 2009 war Tausig das Bundesehrenzeichen für ehrenamtliche unentgeltliche Leistung, mit dem Schwerpunkt "Toleranz und Menschenrechte" verliehen worden.

Der Entwicklungshilfeklub trauert um seinen "lieber Weggefährten": "Jahrzehntelang hat er sich unermüdlich für Menschen eingesetzt, die keine Chance hatten, ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Sein großes Herz, sein tiefes Mitgefühl und sein wunderbarer Humor haben ihm dabei geholfen. Immer, wenn Otto spielen konnte, lebte er auf, aber es ging ihm schon lange Zeit nicht gut. Jammern haben wir ihn freilich nie gehört, selbst über seine Gebrechen konnte er noch scherzen", heißt es in einer Mail von Geschäftsführerin Gabriele Tabatabai. "'Ich habe Glück gehabt im Leben' war einer der Leitsprüche dieses großen Mannes, der in seinem langen Leben selbst unglaublich viel durchzumachen hatte. Wir haben Glück gehabt und sind dankbar, lieber Otto, dass wir mit dir so viele Jahre gemeinsam arbeiten durften. Du wirst uns fehlen! Wo immer du auch bist, es möge dir gut gehen!"

"Otto Tausig verkörperte ein Stück österreichischer Theatergeschichte", reagierte Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny tief betroffen auf den Tod des Schauspielers und Regisseurs. "In seiner Branche genoss er den Ruf eines der wahrhaft Großen. Er hat sich aber auch zeitlebens politisch engagiert. Sein Herz schlug dabei für die Armen dieser Welt, denen er seit vielen Jahren seine Gagen spendete. Otto Tausig bleibt uns als überaus mutiger Mensch in Erinnerung, der nach einer wechselvollen Geschichte, seiner Vertreibung aus Wien und Jahren der Emigration, letztlich hier wieder seinen Lebensmittelpunkt fand. Er hat über die Zeiten seine Glaubwürdigkeit bewahrt und mit seinem humanitären Einsatz die Welt ein Stück besser gemacht", so Mailath abschließend.

Mit Betroffenheit und reagierte auch der Klubobmann der Grünen Wien, David Ellensohn, auf den Tod von Otto Tausig. "Tausig war ein bekannter Künstler - für mich und viele Menschen bei den Wiener Grünen war er aber auch ein vorbildhafter Vertreter der Zivilgesellschaft. Er ist selbstlos für Gerechtigkeit und Zivilcourage und gegen Unterdrückung aufgetreten," so Ellensohn.

"Otto Tausig stand beispielhaft dafür, dass künstlerische Exzellenz auch bedeutet, moralisch und politisch aus der Masse zu treten und gegen Widerstände und soziale Ungerechtigkeiten anzukämpfen", ergänzt der Kultur- und Menschenrechtssprecher der Grünen Wien, Klaus Werner-Lobo. Durch die Gräuel des Naziregimes geprägt, hat er sich zeitlebens bedingungslos für Schwächere eingesetzt. So hat er zuletzt nicht nur seine Gagen für Entwicklungsprojekte gespendet, sondern ist auch aktiv gegen rassistische Hetze - auch seitens der österreichischen Bundesregierung - aufgetreten. "Ich war mein ganzes Leben lang ein Roter. Und deswegen wähl ich jetzt grün", sagte er im letzten Nationalratswahlkampf und engagierte sich anlässlich der drohenden Abschiebung von Arigona Zogaj aktiv für ein Bleiberecht für AsylwerberInnen. "Wir trauern um Otto Tausig als Mensch, als Mitstreiter und als Künstler", so Ellensohn und Werner-Lobo abschließend. "Seinen Angehörigen gilt unser tief empfundenes Mitgefühl."

Letztes Update am 11.10.2011, 11:36

Artikel vom 10.10.2011 18:00 | apa | mich | « zurück zu KULTUR


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