Forum "Barbarossa": Beitrag 1 - 2005

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Paul Carells "Unternehmen Barbarossa".
Ribbentrops Pressechef Paul K. Schmidt als Protagonist der „sauberen“ Wehrmacht und „präventiven“ Kriegführung 1941 bis 1995

von Wigbert Benz


1. Vorbemerkung zu Person und Wirken

In meiner aktuell erschienenen Buchveröffentlichung zu Paul Karl Schmidt alias Paul Carell, der mit seinen Bestsellern zum Zweiten Weltkrieg das Bild vom Krieg der Wehrmacht als sauberen, kameradschaftlichen und heldenhaften Kampf geprägt hat, wird anhand verschiedenster Quellen - u.a. dessen SS-Akte, der „Interrogations“ in Nürnberg 1947, erstmals im Herbst 2003 vom Verfasser recherchierter Unterlagen der Zentralstelle zur Verfolgung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, die in Zusammenhang mit einem 1965-1971 durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren wegen Mordes gegen Schmidt stehen, sowie zahlreicher Artikel, die dieser unter verschiedenen Pseudonymen in Zeitungen und Zeitschriften verfasst hat – das Wirken Schmidts beginnend vom NS-Studentenführer und „Leiter des Kampfausschusses wider den undeutschen Geist“ in den 30er Jahren bis zu dessen publizistischen Aktivitäten in die 90er Jahre hinein analysiert.(1)
Als politischer Journalist schrieb er u.a. am 2. September 1954 in der ZEIT zu den Ursachen beider Weltkriege, am 16. Januar 1957 im SPIEGEL zum Reichstagsbrandprozess und am 21. Oktober 1979 in der WELT am SONNTAG zur Verteidigungsdoktrin der Bundeswehr; hier forderte er eine Wandlung in Richtung einer angeblich wünschenswerten präventiven Kriegführung. Bis zum Tode des Verlegers Axel Springer 1985 war er dessen enger Berater und Sicherheitschef. Vor 1945 agierte Schmidt als jüngster Gesandter I. Klasse bzw. Ministerialdirigent im NS-Regime. Er leitete seit 1939/40 die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes und hatte wesentlichen Anteil an der Auslandspropaganda des Regimes. In diesem Zusammenhang machte er propagandistische Vorschläge zur Rechtfertigung der Deportation der Budapester Juden 1944.


2. Mit Horst Mahnke von Augstein zu Springer

Aufgrund seiner propagandistischen Initiative zur Rechtfertigung des Judenmords vom 27. Mai 1944, bei der Schmidt u.a. vorschlug, jüdischen Synagogen in Budapest „Sprengstofffunde“ unterzuschieben, um die von ihm antizipierten späteren Deportationen als Akt der Verteidigung darstellen zu können, ermittelte die Staatsanwaltschaft Verden von 1965 bis 1971 wegen Mordes gegen den ehemaligen Pressechef Ribbentrops.(2) Im Rahmen dieser staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen hatte Schmidt am 23. März 1965 „zur Person“ seine Berufstätigkeit als „Schriftsteller und Journalist“ angegeben und vermerken lassen: „Einkommen geregelt“.(3) Zu diesem Zeitpunkt war sein Einkommen mehr als „geregelt“, denn mit dem ehemaligen „Spiegel“-Ressortleiter Horst Mahnke wurde im Sommer 1960 ein Partner Chefredakteur der Springer-Zeitschrift „Kristall“, der schon im „Spiegel“ mit dem Serienautor Schmidt zusammengearbeitet hatte.(4) Mit Mahnke als verantwortlichem Redakteur für die „Spiegel“-Serien konnte der Autor Paul K. Schmidt im „Spiegel“ vom 16. Januar 1957, also fast drei Jahre vor der Reichstagsbrandserie von Fritz Tobias, in Augsteins Nachrichtenmagazin die These der Alleintäterschaft van der Lubbes beim Reichstagsbrand propagieren.(5) In Kooperation mit dem neuen von Augstein zu Springer gewechselten „Kristall“-Chefredakteur Mahnke ging nun Paul Carells „Marsch nach Russland“ in Serie, zunächst als „Unternehmen Barbarossa“, dann als „Verbrannte Erde“. Aus diesen Serien wurden 1963 und 1966 Buchbestseller (6) in Axel Springers Ullstein-Verlag mit Millionenauflage und Übersetzungen in ca. ein Dutzend Sprachen.(7)


3. Heldenhafte Wehrmacht ohne Verbrechen

Der frühere „Spiegel“-Kolumnist und Publizist Otto Köhler betont, dass Schmidt alias Carell das Bild des Krieges gegen die Sowjetunion geprägt habe, und zwar als sauberen, anständigen und kameradschaftlichen Feldzug, in dem es „deutsches Heldentum und keine deutschen Massenmorde gab“.(8) Die Feststellung Christian Streits zu dem ersten Band, „Schmidt, ehemals Pressechef im NS-Außenministerium, verliert über die Ausrottungspolitik kein Wort“(9), gilt für beide Bücher, wie im folgenden nachzuweisen sein wird.(10)
Bei Carell existiert die SS nur als kämpfende Truppe – eine grausame SS gibt es nur bei den Sowjets: „NKWD-Truppen und NKWD-Pioniere haben Rostow verbarrikadiert, und sie verteidigen die Stadt auch bis zur letzten Patrone. Das sagt alles. Diese Schutztruppe des bolschewistischen Regimes, Stalins ‚SS’, Rückgrat der Staatspolizei und des Geheimdienstes, ist auf ihre Art eine Elite: fanatisch, glänzend ausgebildet, hart bis zur Grausamkeit.“(11) Bei der Wehrmacht oder Waffen SS sucht man solche Definitionen vergeblich. Ihr angeblich heldenhafter Kampf – abgesehen von einzelnen Fehlern Hitlers, Geheimnisverrat von Spionen etc. – wird von dem Bestsellerautor nicht nur im „Unternehmen Barbarossa“, sondern in seinen anderen Kriegsbüchern beschworen, zuletzt in seinem Vorwort 1994 zur erweiterten Neuauflage seiner Darstellung der alliierten Invasion (12): „Denn die deutsche Fronttruppe kämpfte, obwohl im fünften Kriegsjahr und oft in aussichtsloser Lage, immer noch entschlossen und mit taktischer Überlegenheit. Kühne Kommandeure vereitelten mit ihren Regimentern, Kampftruppen und in ihren Widerstandsnestern den alliierten Fahrplan.“(13)
Im „Unternehmen Barbarossa“ instrumentalisiert der Autor u.a. auch den Oberst a.D. Heinrich Nolte für seine Darstellung des Krieges als Heldengeschichte. Carell bedauert zunächst, dass im November 1941 die „kühne deutsche Panzeroperation, (die) auf die Vereinigung mit den Finnen am Swir hinzielte“, nicht gelang: „Alle Tapferkeit half nichts.“(14) Dann bemüht er den damaligen ersten Generalstabsoffizier der 18. Infanteriedivision Nolte als Kronzeugen für die „beispiellose (...) Leistung der Bataillone“ in diesem Zusammenhang: „Der spätere Oberst i.(m) G.(eneralstab) Nolte stellt dazu fest: ‚Es gibt nicht viele, die zum Führer von Vorausabteilungen taugen. Und doch ist es eine einfache Sache verglichen mit der Aufgabe des Führers der Nachhutkompanie. Der eine hat seine Sache auf alles, der andere auf nichts gestellt. Der Schwung der Tausende treibt den einen vorwärts, die Sorge, die Not der Geschlagenen drückt den anderen darnieder.’“(15) So wird die Sorge eines Offiziers in Carells Tapferkeits- und Heldendarstellung integriert und zudem als hochrangige Quelle für die Glaubwürdigkeit seiner Kriegsgeschichte angegeben.(16)


4. Politische Kriegsgeschichte

Dass die Kriegsgeschichte, die Paul Carell seinen Lesern zu erzählen hatte, eine politische ist, wird gleich in der ersten Serie „Die dramatischen Höhepunkte im 2. Weltkrieg“ erkennbar, die er schon 1952 für „Kristall“ schrieb, also ein Jahrzehnt vor seiner bekannteren Serie zum „Unternehmen Barbarossa“. In der 2. Folge dieser ersten Serie von „Paul Karell“ geht es um den Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen, der als eine von der öffentlichen Meinung des Auslands erwartete, ja sogar begrüßte militärische Maßnahme des Deutschen Reiches dargestellt wird. Der Autor bemüht ein Beispiel der Auslandspresse und schreibt: „Wenn Hitler jetzt gegen Polen vorgeht, rufe ich Sieg Heil! – Das sagte nicht etwa ein Nazi; das schrieb Stephan King Hall, britischer – bestimmt nicht nazifreundlicher – Publizist im Frühjahr 1939. Der Grund für diese Stimmung war Polens Teilnahme an der Aufteilung der Erbmasse der Tschechoslowakei im Zuge der Sudetenkrise. Polnische Truppen waren so eifrig im Besetzen gewesen, dass sie nicht nur die Polen zuerkannten Kreise, sondern auch noch zusätzlich zwei Gemeinden besetzten. Adolf Hitler war diese Stimmung sehr recht. Er hatte sie sogar einkalkuliert, als er die Polen animierte, bei der tschechischen Beuteverteilung mitzuernten.“(17) Im Folgenden führt „Paul Karell“ aus, wie groß die Bereitschaft der deutschen politischen und militärischen Führung gewesen sei, im Interesse einer diplomatischen Lösung in letzter Minute alles nur Erdenkliche zu tun, um einen großen Krieg zu vermeiden. Er lobt Generaloberst v. Brauchitschs „grandiose Disziplin“ als Oberbefehlshaber des Heers, die am 25. August schon „seit drei Stunden marschierende Armee“ zurückzubeordern, eine Leistung, die es in der Geschichte noch nicht gegeben habe. Und er macht die polnische Regierung hauptsächlich verantwortlich für das Scheitern der diplomatischen Friedensbemühungen, weil sie keinen Anlass sah, sich „für Noten oder Angebote von deutscher Seite zu interessieren“, sondern sich im Gegenteil „davon überzeugt“ zeigte, dass in Deutschland „im Falle eines Krieges Unruhen ausbrechen und die polnischen Truppen erfolgreich gegen Berlin marschieren werden“.(18) Eine ähnliche Deutung des 1. September 1939 findet sich aktuell bei dem Historiker Stefan Scheil, der ebenfalls polnische Aggressionsabsichten gegen Deutschland sehr hoch gewichtet und Hitler-Deutschlands Politik gegen Polen eher in Richtung Kriegsvermeidung ausgerichtet sieht.(19)


4.1 Thesen zur deutschen Kriegs(un)schuld 1914/1939 in DIE ZEIT vom 2.9.1954

Die Verbindung der beiden Weltkriegsanfänge 1914 und 1939 im Sinne einer weitgehenden Entschuldung der deutschen Mit- oder Hauptverantwortung am Ausbruch der jeweiligen Weltkriege gelingt Schmidt 1954 in einem langen „Zeit“-Artikel anlässlich des 15. bzw. 40. Jahrestags zum Kriegsbeginn.(20) Als Ursache der Weltkriege macht er eine Kette von Fehleinschätzungen der Regierungen verschiedener Großmächte wesentlich verantwortlich. Für den Ersten Weltkrieg proklamiert er, in “der historischen Forschung“ gelte es „als Wahrheit, dass der Krieg von 1914 von niemand wirklich gewollt wurde. Die Ursachen seines Ausbruchs lagen tiefer als im bösen Willen von Herrschern, Politikern und Diplomaten. Der Krieg war eine Kurzschlusserscheinung.“ Soweit erinnert die Analyse an die bekannte These, die Großmächte seien mehr oder weniger in den Krieg „hineingeschlittert“. Doch dann fährt er fort: „Statt zu fragen: ‚Wer wollte ihn?’, ist es richtiger nachzuforschen: ‚Wer tat nicht alles, um ihn zu verhindern?’ Die Antwort darauf enthüllt in Wien so viele Schuldige wie in Petersburg, in London und Berlin so viele wie in Paris und Belgrad. Dabei steht Berlin in der ‚Schuldliste’ auf keinen Fall an erster, eher an letzter Stelle.“ Nachdem Deutschland beim Kriegsausbruch 1914 also „eher an letzter Stelle“ der „Schuldliste“ steht und danach im Versailler Friedensvertrag der Keim für einen weiteren Krieg gesehen wird, benennt Schmidt den Unterschied zum Kriegsausbruch 1939 gleich im ersten Satz seiner Ausführungen zum Zweiten Weltkrieg: „Niemand und nichts kann Hitlers Verantwortung für den Krieg schmälern.“ Damit ist, entsprechend dem Untertitel des „Zeit“-Artikels, „der Krieg, den Hitler vom Zaun brach“, dieser Aspekt der Verantwortung Hitlers für den letzten der beiden Weltkrieg abgehakt und die weiteren Ausführungen des Autors konzentrieren sich im Wesentlichen auf die Zurückweisung der These von der Alleinschuld Hitler-Deutschlands am Zweiten Weltkrieg sowie das Aufzeigen der weltpolitischen Verwicklungen, die zur Kriegsgefahr 1939 geführt hätten: „Aber falsch ist die Konstruktion von Nürnberg, dass der Kriegsausbruch vor 15 Jahren die Spitze eines logisch und zielsicher aufgebauten Weltkriegs-Planes der deutschen Naziführung unter mehr oder weniger bereitwilliger Teilnahme der militärischen Führung gewesen sei. So einfach war die Sache nicht. Hitler wollte Polen schlagen. Als Vorwand diente ihm das Versailler Korridor-Erbe. Die Westmächte waren bereit, Versailles auch in Osteuropa zu liquidieren, aber nicht auf Kosten einer Eroberung Polens a la Prag. Das war das Problem. Es war nur mit diplomatischer Geduld zu bewältigen. Und es war auf keinen Fall elf Monate nach der Münchener Konferenz zu lösen. Die Bereitschaft der Westmächte, den Frieden zu retten, war zwar 1939 größer als 1914 (...).“ Diesem Lob an die im Verhältnis zu 1914 friedensbereiteren Westmächte stellt Schmidt dann die Kritik an der Unfähigkeit und ideologischen Befangenheit Hitlers sowie die Schlauheit Stalins und dessen Plan, einen Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern entfesseln zu wollen, gegenüber. Insofern sei nicht Hitler, sondern Stalin der Hauptschuldige am Ausbruch des letzten Weltkrieges: „Nur einer irrte sich nicht. Vorerst jedenfalls noch nicht. Das war Josef Stalin. Sein Beitrag zum Krieg, nämlich der deutsch-sowjetische Pakt vom 23. August 1939, war wohl der entscheidendste Faktor. Ohne diesen Pakt hätte die seit Bismarcks Wirken im Volksbewusstsein so lebendige und im ersten Weltkrieg so erwiesenermaßen tödliche Gefahr eines Zweifrontenkrieges auch von Hitler nicht ignoriert werden können. Man stellt den deutsch-sowjetischen Pakt gern als Hitlers große diabolische Leistung hin. Das ist eine Verkennung der Tatsachen und der historischen Hintergründe. Wer die Vorgeschichte und das Zustandekommen dieses Paktes wirklich studiert, muss zu der Einsicht gelangen, dass nicht Hitler, sondern Stalin der Initiator war. Für ihn war dieser Pakt die richtig kalkulierte Beihilfe zum Ausbruch eines ‚selbstzerfleischenden Krieges der kapitalistischen Welt’. Und so kam es.“
Die geschichtspolitische Botschaft Schmidts ist klar: Mit dem Beginn des Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 hat Stalin sein erstes Ziel erreicht, die kapitalistischen Mächte in einen Krieg gegeneinander zu manövrieren. Während die Westmächte eher auf Kriegsvermeidung ausgerichtet waren, schufen die wechselseitig feindseligen Einstellungen zwischen Polen und Deutschland, die – so in Schmidts oben erörtertem „Kristall“-Artikel – in erster Linie von Polens fehlender diplomatischer Verhandlungsbereitschaft, militärischer Aggressivität und Selbstüberschätzung ausgingen, die Voraussetzung, Stalins Kalkül zunächst einmal aufgehen zu lassen.


4.2 Fünf fehlende Wochen zum Sieg 1941: Paul Carell in KRISTALL

Allerdings konnte Stalin die rasche Folge der Blitzkriegssiege der Wehrmacht und die Entschlossenheit Hitlers, schon im Frühjahr 1941 die Sowjetunion anzugreifen, nicht vorausberechnen. Und so erklärt Schmidt seinen Hunderttausenden „Kristall“-Lesern in der 8. Folge seiner Serie „Die dramatischen Höhepunkte des 2. Weltkrieges“, dass zumindest der Russlandfeldzug von Hitlers Wehrmacht gegen Stalins Rote Armee nicht verloren worden wäre, wenn er wie geplant Mitte Mai statt Ende Juni 1941 hätte begonnen werden können: „Was wäre geschehen, wenn die Panzer General Guderians nicht erst am 18. November 1941 zum Endstoß gegen Moskau angetreten wären, um zuerst im Schlamm und schließlich im einbrechenden sibirischen Frost steckenzubleiben? Was wäre geschehen, wenn die deutsche Panzerwalze fünf Wochen früher auf die sowjetische Hauptstadt gestoßen wäre? Die Frage nach den verpassten fünf Wochen mag manchem töricht klingen; aber es hing von einem einzelnen Mann ab, dass Hitler nicht – wie er ursprünglich geplant hatte – am 15. Mai, sondern erst am 22. Juni gegen Russland marschierte. Sicher hätte Hitler den zweiten Weltkrieg auch mit diesen fünf Wochen Vorsprung nicht gewonnen; aber hätte er ihn auch gegen Russland verloren?“(21)
„Paul Karell“ ließ eines der zahlreichen Fotos, mit denen er seinen Artikel anreicherte, mit der folgenden Bildlegende betexten: „Der jugoslawische Ministerpräsident Zwetkowitsch unterschieb am 25.März 1941 mit Schweißperlen auf der Stirn in Wien den Dreimächtepakt.“ Wäre es beim Beitritt Jugoslawiens zum von Hitler dominierten Dreimächtepakt geblieben und hätte General Dusan Simowitsch nicht wenige Tage nach Cvetkovics Unterschrift geputscht, wäre der Wehrmacht, so die Perspektive, die „Karell“ seinen Lesern nahe bringen will, die Niederwerfung Jugoslawiens erspart geblieben, der Russlandfeldzug hätte ohne diesen Zeitverlust schon Mitte Mai 1941 beginnen und Moskau vor Wintereinbruch erobert werden können. Im redaktionellen Nachtrag zu dem Beitrag steht die Aussage: „Unserem heutigen Bericht liegen (...) persönliche Erfahrungen des Verfassers (...) zugrunde.“(22) Diese Feststellung ist schon fast ein Understatement. Denn Schmidt hatte an den diplomatischen Vorbereitungen der Unterschrift Cvetkovics unter den Dreimächtepakt, wie anhand einer Auswertung der Akten zur deutschen Auswärtigen Politik in Kapitel III/2 „Sondierungsaufgaben und diplomatische Aktivitäten“ meiner Monografie zu Paul Carell gezeigt wird, einen nicht zu vernachlässigenden Anteil.


5. Paul Carells Kernthesen zum „Unternehmen Barbarossa“ 1941

Typisch für das Bild des „Unternehmens Barbarossa“, das der Autor seinen Lesern in den verschiedenen Kriegsserien und -büchern nahe bringt, sind folgende Merkmale der Darstellung:
- Der Krieg war Hitler und der Wehrmacht aufgezwungen. Er wurde präventiv geführt, um Stalins Roter Armee zuvorzukommen.
- Es handelte sich nicht nur um einen deutschen, sondern einen europäischen Abwehrkampf gegen die bolschewistische Bedrohung, und zwar bis zur Schlacht um Berlin.
- Weniger Fehler Hitlers, als vielmehr Spionage und vor allem Stalins für die deutsche Abwehr unerkannt gebliebene materielle Überlegenheit wurden zur „Schicksalsfrage des Krieges“ und führten zur Niederlage der Wehrmacht.
Paul Carells „Unternehmen Barbarossa“ zitiert auf den ersten Seiten seiner Darstellung ausführlich aus Hitlers Tagesbefehl zum Angriff, in dem die Lüge vom Präventivkrieg, bei dem es angeblich galt, einem drohenden Angriff Stalins zuvorzukommen, aufgetischt wird.(23) Von dieser Rechtfertigung Hitlers, die den Quellen widerspricht (24), distanziert sich der Autor nicht. Im Gegenteil. In seinem zuletzt verfassten Werk zu Stalingrad 1992, dem er den signifikanten Untertitel „Sieg (sic!, d.Vf.) und Untergang der 6. Armee“ gibt, spitzt er zu: „Der deutsche Angriff am 21. Juni 1941 war objektiv ein Präventivschlag.“(25) Diese Behauptung hatte auch Schmidts enger Mitarbeiter Rudolf Fischer kurz nach dem deutschen Überfall 1941 in der Auslandsillustrierten „Signal“ propagiert.(26)
Für den Leser besonders emotional packend wird der behauptete Charakter des europäischen Abwehrkampfes gegen den Bolschewismus bei Carells Darstellung des Kampfes um Berlin kurz vor Hitlers Ende geschildert: „Auch am Tirpitzufer, dort wo General Weidling sein Hauptquartier hatte, verlief bereits die Hauptkampflinie. Am Shell-Haus sprangen die Männer von ‚GD’ (= SS-Division Großdeutschlandland, d. Vf.) zusammen mit bärtigen Soldaten von Ruine zu Ruine. Sie verständigten sich auf merkwürdige Weise: ‚Gardez!’ rief der eine und ließ seine MPi bellen. ‚Gut Kumpel’, antwortete Leutnant Thater von ‚GD’. Französische Freiwillige kämpften hier zusammen mit Männern des Wachregiments und der Division ‚Müncheberg’, deren Kompanien überall Feuerwehr spielen mussten. Am Zoo schlugen sich Holländer, Belgier, Dänen, Letten und Litauer. Freiwillige der 11. SS-Panzer-Grenadierdivision ‚Nordland’ neben den letzten Kampftrupps der 18. Panzer-Grenadierdivision, die in den schweren Kämpfen um Wilmersdorf und am Reichssportfeld zerschlagen worden war. Auch Reste der spanischen Kompanie unter Hauptsturmführer Roca und eine Kampftruppe Schweizer Freiwilliger kämpften in den letzten Verteidigungsstellungen im Regierungsviertel Berlins. In allen Sprachen Europas erschallten die Kommandos im Schlachtengetümmel zwischen Brandenburger Tor und Wilhelmplatz (...).“(27)Verständnisvoller kann der Schulterschluss europäischer Freiwilliger bei ihrem gemeinsamen „Abwehrkampf“ nicht mehr geschildert werden. Um so schonungsloser zielen die beiden Schlusssätze des Artikels auf die Grausamkeit des Feindes gegen unschuldige Deutsche: „Deprimiert und voll böser Erwartungen zogen die grauen Kolonnen der geschlagenen Armee durch die Straßen der Ruinenstadt in die Gefangenschaft. Zurück blieben in Schrecken und Angst vor dem ungewissen Schicksal Millionen Frauen, Greise und Kinder. Weiße Tücher wurden aus den Fenstern gehängt. ‚Gnade’ flehten sie! Aber ‚Gnade’ stand nicht im Operationsbefehl des Siegers.“(28) Mit der Darstellung dieser sich gegen die Russen verteidigenden europäischen Völkerfamilie führt Carell 1965 zu Ende, was 1942 in „Signal“ begonnen wurde. In einem namentlich nicht gekennzeichneten Artikel dieser unter Schmidts Einfluss stehenden Zeitschrift wurde behauptet, der „Sinn des Feldzuges gegen den Bolschewismus“ bestünde in der „Daseinsfrage ganz Europas. Männer aus fast allen Nationen des Kontinents haben die harte Notwendigkeit der Stunde erkannt und sich zur Tat bereit gefunden. Sie kämpfen mit Deutschland.“(29) Die Abbildungen zeigen „germanische Freiwillige“ aus europäischen Ländern, u.a. Norweger und Dänen mit dem Bildtext: „Der Geist dieser Männer spricht aus dem Wort eines ihrer Führer: 'Es geht um Europa - wir können es nicht ertragen, tatenlos zuzusehen."(30)


5.1 Rationalisierung und Exkulpation von Hitlers Kriegführung

Für die Niederlage, so wird von Otto Köhler behauptet, mache Schmidt-Carell alleine Hitler verantwortlich und konkret den Umstand, dass dieser seinen Generälen die volle Konzentration auf die militärische Einnahme Moskaus ohne Wenn und Aber verweigert und statt dessen in seiner „Führerweisung“ vom 21.8.1941 noch wirtschaftlich motivierte Ziele habe verfolgen lassen.(31) Zwar stellt der Autor Paul Carell in seiner Barbarossa-Darstellung immer wieder die Generäle als Sympathieträger und Gewinner militärischer Schlachten dem Kriegsverlierer Hitler und dessen Entscheidungen gegenüber, so auch auf den von Köhler angegebenen Seiten (32), doch im selben Kapitel wirbt derselbe Paul Carell eben auch um Verständnis für Hitlers Entscheidung: „Da war sie nun, die Entscheidung. Die Generale hatten sie immer gefürchtet, aber sie hatten doch alle gehofft, dass sie nicht kommen würde. Nun war sie ausgesprochen. Man hat diese Abwendung Hitlers von Moskau oft und gern als eigentliche Fehlentscheidung des Sommerfeldzuges bezeichnet. Es gibt keinen Beweis für das Gegenteil; aber ich glaube nicht, dass der Entschluss nach Kiew abzudrehen und der dadurch bedingte Zeitverlust allein die spätere Tragödie vor Moskau verschuldete. Eine objektive Betrachtung lässt Hitlers Entscheidung in vielem als begründet und vernünftig erscheinen.“(33) Und Carell zitiert Hitlers „messerscharf“ vorgetragene Begründung: „Meine Generale kennen Clausewitz, aber sie verstehen nichts von Kriegswirtschaft (...) Wir brauchen das Getreide der Ukraine. Das Industriegebiet am Donez muss für uns, statt für Stalin arbeiten. Dem Russen muss die Ölzufuhr aus dem Kaukasus abgeschnitten werden, dann verhungert seine militärische Kraft.“(34)
Wichtiger als Hitler die Verantwortung für die Kriegsniederlage zu geben, ist dem Barbarossachronisten die angebliche Überlegenheit der sowjetischen Spionage und des sowjetischen Kriegsmaterials. Beides stilisiert er zu der „Schicksalsfrage des Krieges“ hoch, deren Beantwortung nicht nur die Niederlage Hitlers und seiner Generäle, sondern auch die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht bzw. das Verhalten Stalins erklären würde:
„Hitlers Geheimnisse lagen offen auf dem Tisch im Kreml, Moskau hätte also das auf Überraschung aufgebaute ‚Unternehmen Barbarossa’ in den ersten vierundzwanzig Stunden zur großen Niederlage Hitlers werden lassen können. Wenn – ja wenn Stalin die richtigen militärischen Konsequenzen aus seinen Nachrichten gezogen hätte. Warum tat er es nicht? Um diese Schicksalsfrage des Krieges beantworten zu können, bedarf es eines kleinen Umweges. Es gilt, sich erst einer anderen Frage zuzuwenden. Wie war es um die deutsche Spionage gegen Russland bestellt? Was wusste die deutsche Führung von den militärischen Geheimnissen der Sowjetunion? Die Antwort ist in zwei Worten gegeben: Sehr wenig! Der deutsche Geheimdienst war in Russland nur kümmerlich vertreten. Er wusste nichts von den wichtigen militärischen Geheimnissen der Russen – sie wussten von uns alles. Sie kannten unsere Waffen, unsere Garnisonen, unsere Exerzierplätze und unsere Rüstungsfabriken. Sie kannten genau unsere Panzerproduktion. Sie hatten klare Vorstellungen über die Zahl unserer Divisionen. Wir aber schätzten zu Beginn des Krieges die Rote Armee auf 200 Divisionen. Sechs Wochen nach Kriegsbeginn mussten wir feststellen, dass es bereits 360 waren. Wir hatten keine Ahnung, dass es in Russland überschwere KW-Panzer oder einen T 34 oder die Salvengeschütze, genannt Stalinorgel, gab.“(35) Aber Stalin hatte, laut Carell, kein Interesse an einer Verteidigung, er wartete noch auf den günstigsten Zeitpunkt zum Angriff: „Ganz offensichtlich passte der gemeldete Angriff Hitlers nicht in Stalins Konzept. Sein Plan war: Die kapitalistischen und faschistischen Kampfhähne sollten sich müde fechten. Dann wollte er die Ernte einfahren. Darauf wartete er. Darauf rüstete er.“(36)


6. Zur Rezeption des Geschichtsbildes Carells

Dass Schmidt-Carells Kriegsbild den Zeitungen des Springer-Verlages zustimmend vermittelt wurde, erscheint wenig überraschend. Am 13. Februar 1967 zitierte Otto Köhler daraus in einem „Spiegel“-Artikel (37):
- "Bild": "In der Eindringlichkeit und Objektivität seiner Darstellung nicht zu übertreffen."
- "Bild am Sonntag": "Atemberaubend ... könnte kaum besser geschrieben sein."
- "Welt": "Trägt zum Abbau von "Ressentiments zwischen Deutschen und Russen bei ... als Historiker qualifiziert".
- "Welt am Sonntag": "Stupendes Quellenmaterial ... Kein Heldenepos, sondern ...Tatsachenbericht."
- "Hamburger Abendblatt" : "Lebt von der Fülle des Materials, vom klaren Stil."
- Düsseldorfer "Mittag": "Einer, dem die Ernsthaftigkeit der Quelle und dem der Dokumentationswert über die Effekthascherei gehen - das ist Paul Carell!"
- "Berliner Morgenpost": "Große Darstellung ... präzise, sachliche und spannende Schilderung."
- „BZ“: „Ein packendes Buch. Spannend bis zur letzten Seite ... neuartige Form populärer Geschichtsdarstellung.“
Zu diesem Zeitpunkt bewertete der „Spiegel“-Kolumnist Köhler die Lobeshymnen auf Paul Carells „Unternehmen Barbarossa“ als peinlichen Gleichklang ausschließlich der Springer-Presse und hielt dem Verleger Axel Springer neben einem Verweis auf Paul Karl Schmidts NS-Vergangenheit, bei dem er auch dessen „Notiz für Herrn Staatssekretär“ vom 27. Mai 1944 zitierte, die Rezension des Historikers Bodo Scheurig in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ entgegen, nach der Carells Darstellung des Russlandfeldzuges „(jene) verdummt, die zu vergessen geneigt sind und (diejenigen) erbittert, die schwer vergessen können und auf der ganzen Wahrheit bestehen“.(38)
Tatsächlich hatte Köhler damals übersehen (39), dass im „Spiegel“ selbst schon am 1. Juli 1964 Carells „Unternehmen Barbarossa“ als „wertvoller Beitrag zu dem Kernproblem unserer Zeit“ vorgestellt worden war (40), und so schaltete der zum Presseimperium Axel Springers gehörende Ullstein-Verlag drei Wochen nach der Köhler-Kolumne eine großformatige Anzeige in Augsteins Nachrichtenmagazin, in der „Pressestimmen zu Paul Carell“ aus folgenden Zeitungen und Zeitschriften zitiert wurden: „Die Zeit“, „Rheinische Post“, „Münchner Merkur“, „Westfälische Nachrichten“, „Westdeutsche Rundschau“, „Deutschlandfunk“, „Rheinischer Merkur“, „Das historisch-politische Buch“, „Der Spiegel“, „The New York Times“ und „The New York Herald Tribune“.(41) Der Superlativ bei der Bewertung von Carells Darstellung zum Russlandfeldzug stellte den Normalfall dar, auch die US-amerikanischen Pressestimmen machten im sich verschärfenden Kalten Krieg keine Ausnahme. „One of the most ingenious accounts of a military campaign ever written!“, schrieben die “New York Times” und “New York Herald Tribune” präzisierte ihr Lob: “A detailed, altogether gripping description of front-line fighting ... Few works of fiction based on the Eastern Front contain comparably vivid descriptions ... Photographic immediacy and impact.”(42) Für die deutsche “Zeit” schrieb Alexander Rost: „Eindringlicher, verständnisvoller und vollständiger als in ‚Verbrannte Erde’ ist das Schicksal dieses Heeres nirgends geschildert worden. Das Buch bewältigt Vergangenheit.“(43)
Zwei ebenfalls in der Anzeige des Ullstein-Verlages zitierte Rezensionen sollen näher beleuchtet werden. Zum einen die Besprechung aus dem wissenschaftlichen Rezensionsjournal „Das historisch-politische Buch“(44) und die schon angemerkte aus dem „Spiegel“.
Augsteins Nachrichtenmagazin stellte in einem redaktionellen Vorspann den Rezensenten, General der Artillerie Walter Warlimont, vor: „Während des Krieges stellvertretender Chef des Wehrmachtführungsstabes. 1948 wurde er im Nürnberger OKW-Prozeß zu lebenslänglichem Gefängnis verurteilt, 1957 aus der Haft entlassen.“(45) Einleitend stellt Warlimont ein knappes Jahr nach Erscheinen des „Unternehmens Barbarossa“ fest: „Das neue Buch Carells über den deutschen Feldzug in Russland kann mit ähnlich großem Erfolg aufwarten wie seine Vorgänger ‚Die Wüstenfüchse’(46) und ‚Sie kommen’(47), Bücher, die inzwischen in aller Welt verbreitet sind.“(48) Der für den „Spiegel“ rezensierende Ex-Wehrmachtsgeneral zeigt sich mit der Darstellung als „(Lob-)Preis eines tapferen, opferbereiten und über weite Strecken überlegenen deutschen Soldatentums“ einverstanden, sieht aber den eigentlichen „Vorbild“-Charakter von Carells Kriegsdarstellung in dessen Gegenwartsbedeutung als „wertvollen Beitrag zu dem Kernproblem unserer Zeit, das auf dem Hintergrund einer weltumspannenden Angst und Unrast viele politische Denker, am tiefsten bisher wohl einen Raymond Aron, beschäftigt, nämlich die Anwendung bewaffneter Gewalt für immer aus dem Register zwischenstaatlicher Beziehungen zu tilgen. Da jedoch statt dessen bisher noch nichts Besseres ersonnen worden ist als die Drohung mit der bewaffneten Gewalt und da diese ‚Abschreckung’ glaubhaft sein muss, wenn die ‚Freie Welt’ sich vor dem Kriege schützen, aber auch vor dem Absinken in die Tyrannei bewahren soll, will uns ein Soldatentum, wie Carell es schildert, bis auf weiteres als verpflichtendes Vorbild erscheinen.“(49) Übte der ehemalige stellvertretende Chef des Wehrmachtsführungsstabes, der für die Ausarbeitung der verbrecherischen Befehle (50) - des Kommissarbefehls, der die Ermordung der politischen Kommissare der Roten Armee forderte, sowie des Kriegsgerichtsbarkeitserlasses, der die sowjetische Zivilbevölkerung faktisch für vogelfrei erklärte – mitverantwortlich war, keine Kritik an Carells „Unternehmen Barbarossa“? Doch. Es genügt ihm nicht, dass der Autor die Ausarbeitung und Durchführung dieser Befehle mit keinem Wort erwähnt. Er vermisst die alleinige Abwälzung der Schuld auf Hitler sowie die Darstellung der Gegenwehr seiner Generäle: „Der Verfasser verwirrt im Gegenteil an vielen Stellen die Grundlagen und selbst die Begriffe noch weiter, wenn er beispielsweise neben dem ‚Führer und Obersten Befehlshaber’ das ‚Oberkommando der Wehrmacht’ (OKW) als eine selbständig wirkende und befehlende Instanz statt als Hitlers militärischen Stab hinstellt, wenn er die unermüdlichen Versuche der Generalstäbe der Wehrmacht- und der Heeresführung, auf Hitlers Entscheidungen einzuwirken, fast gänzlich unerwähnt lässt und wenn er diese beiden, keineswegs immer miteinander einigen Stäbe und ihre Verantwortlichkeiten in entscheidenden Situationen nicht auseinanderhält.“(51)
Das „historisch-politische Buch“, ein anerkanntes wissenschaftliches Rezensionsjournal, präsentierte als Rezensenten des „Unternehmens Barbarossa“ Hartwig Pohlmann (52), im „Verzeichnis der Mitarbeiter“ als „Oberst a.D.“ vorgestellt.(53) Carells Buch „liest (man)“, nach Pohlmann, „in atemloser Spannung und legt es erschüttert aus der Hand (...) Sorgfältige Forschung und saubere Geschichtsschreibung verbindet er mit lebendiger, anschaulicher Darstellungskraft in dem Bemühen, die Wahrheit zu finden. Er verherrlicht nicht den Krieg, aber er wird Führern und Soldaten, Freund und Feind gerecht (...) Der Aufbau des Buches in den einzelnen Abschnitten ist sehr übersichtlich, die großen Linien der einzelnen Feldzüge und Operationen sind ungemein anschaulich untermalt von Einzeldarstellungen von Kämpfen an der Front bei Regimentern, Bataillonen bis zu kleinsten Kampfgruppen, so dass ein sehr breiter Leserkreis angesprochenen wird. Man erkennt hier den Wert der Divisionsgeschichten für die Geschichtsschreibung. Das Buch schließt mit der erschütternden Tragödie von Stalingrad.“(54) Der Rezensent kritisiert, „Mansteins 1. Ladogaschlacht im Spätsommer 1942, die das endgültige Scheitern der Pläne zur Einnahme Leningrads brachte, hätte mehr als nur einige Zeilen verdient“ und bemängelt, dass der Autor den Charakter der Wehrmacht nicht defensiv genug dargestellt habe: „Ferner muss betont werden, dass das Denken der Offiziere der Reichswehr und der Wehrmacht gegenüber dem Westen (S. 185) niemals von 1920 bis 39 offensiv, sondern rein defensiv war.“(55)

7. Barbarossa-Chronist, Berater und Autor Axel Springers

In den späteren Jahrzehnten erlebten die Kriegsbücher Paul Carells über dessen Tod 1997 hinaus immer neue Ausgaben und Auflagen: „Unternehmen Barbarossa“ und „Verbrannte Erde“ als Neuausgaben 2002 bei Ullstein, „Die Wüstenfüchse“ 2003 und „Sie kommen!“ 2004 jeweils im Herbig Verlag.(56) Der prägende Einfluss dieser Darstellungen auf das Kriegsbild von Millionen Menschen mehrerer Generationen wurde in beiden sog. „Wehrmachtsausstellungen“, die sich ja explizit mit den Verbrechen der Wehrmacht und deren öffentlicher wie privater Rezeption befassen wollten, mit keinem Wort thematisiert.(57)
In dieser Situation wirkte Schmidt, der mit Mahnke schon seit dessen Tagen als Six-Assistent im Auswärtigen Amt bekannt war und sowohl beim „Spiegel“ als auch bei „Kristall“(58) zunehmend enger mit ihm zusammengearbeitet hatte, in folgenden Funktionen für den Verleger:
- politischer Berater;
- nationaler Redenschreiber;
- historisch-politischer Autor und Sicherheitschef.(59)
Als politischer Berater suchte er während der Großen Koalition von 1966 bis 1969 zwischen den Ambitionen Axel Springers, der mit dem Amt des Außenministers liebäugelte und den Befürchtungen des damaligen Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger, der ein solches Ansinnen ob der unberechenbaren Folgen in den Springer-Medien für den Fall der Ablehnung fürchtete, zu vermitteln. Schmidts Vorschlag an seinen ehemaligen Kollegen im Auswärtigen Amt und nunmehrigen Bundeskanzler, Axel Springer „als deutschen Sonderbotschafter nach New York zur UNO zu schicken, für die Einheit werben zu lassen, leuchtete Kiesinger ein, wurde aber im Kabinett von Herbert Wehner torpediert“.(60) Nachdem die CDU-geführte Bundesregierung erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik von einer SPD-geführten Regierung unter Willy Brandt abgelöst worden war und 1972 Bundestagswahlen anstanden, wurde Schmidt zusammen mit dem ehemaligen „Revue“-Chefredakteur Ewald Struwe nach Bonn abgestellt, um „für die CDU/CSU sowie ihr nahestehende Arbeitsgemeinschaften Anzeigentexte und Wahlempfehlungen (zu) entwerfen“.(61)
Seinen Verleger begleitete Schmidt nicht auf dessen Israel-Reisen. Axel Springer hatte als Grundlage sowohl seiner verlegerischen wie auch der redaktionellen Arbeit in seinem Hause folgende unverrückbare Grundsätze verfügt: „1. Eintreten für die Wiedervereinigung; 2. Aussöhnung zwischen Deutschen und Juden; 3. Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus; 4. Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft.“(62) Schmidts Aufgabe bestand in der Förderung der publizistischen Durchsetzung des ersten und dritten Grundsatzes, nachdem ja durch das Ende der NS-Herrschaft in den Augen des Verlegers die volle Konzentration auf die Niederringung des Kommunismus gelegt werden konnte. Zusammen mit Claus Dieter Nagel verfasste Schmidt die Entwürfe für Springers nationale Reden, in deren Zentrum das Thema der deutschen Einheit bzw. der anzustrebenden Wiedervereinigung stand, so z.B. 1966 die Eröffnungsansprache Axel Springers „für sein neues Verlagshaus direkt an der Berliner Mauer“, die dieser „mit dem patriotischen Bekenntnis, das er aus seiner Schulzeit kannte“, beschloss: „Ich hab mich ergeben / Mit Herz und Hand / Dir Land voll Lieb und Leben / Mein deutsches Vaterland.“(63)
Ab Ende der sechziger Jahre bis zu dessen Tod 1985 war Schmidt in erster Linie für die Sicherheit des Verlegers zuständig.(64) Auf der Todesliste der terroristischen RAF stand Springer weit oben. Bei einer Explosion zweier Bomben am Nachmittag des 19. Mai 1972 im dritten und sechsten Stock des Verlagshauses in der Hamburger Innenstadt wurden siebzehn Mitarbeiter verletzt. Das „Kommando 2. Juni“ drohte mit weiteren Terroranschlägen. 1973 wurde von Unbekannten Springers Gästehaus auf Sylt in Brand gesetzt und 1975 brannte sein Berghaus im Berner Oberland ab. Die Täter hatten an die Hauswand gesprüht: „Tötet Springer.“(65) Auf den Verleger selbst wurde nie direkt ein Anschlag ausgeführt. Axel Springer hatte jedoch nicht nur berechtigte Angst vor terroristischen Anschlägen gegen seine Person oder Familienangehörige, sondern noch größere Befürchtungen, die bolschewistische Sowjetunion könne einen Krieg anfangen und die Rote Armee nach Deutschland einfallen. Diese Gefahr hielt er für real. Schmidt hatte für ihn detaillierte Fluchtwege auszuarbeiten und alle Vorkehrungen für diesen Fall zu treffen.(66)
Der Tod traf Axel Springer oder einen seiner Familienangehörigen weder durch Terroristen im Innern noch durch die Rote Armee von außen, sondern im Rahmen einer familiären und persönlichen Katastrophe: den Suizid Axel Springers jun. am 3. Januar 1980. Er wurde am Morgen dieses Tages tot auf einer Parkbank an der Hamburger Alster gefunden, nachdem er sich in die Stirn geschossen hatte: „Die Polizei riet Friede und Axel Springer davon ab, den Toten zu identifizieren. Der Leichnam böte ein Bild des Grauens, das Antlitz des Sohnes sei durch den Schuss in die Stirn entstellt. Die traurige Aufgabe der Identifikation sollte ein anderer übernehmen.“(67) Dieser „andere“ war Paul Karl Schmidt. Er hatte schon vorher die Hamburger Polizeiberichte über die Besonderheiten der letzten 24 Stunden durchgearbeitet und war dabei auf einen „unbekannten Mann, zwischen 35 und 40, Selbstmord“, gestoßen: „Er fährt ins Polizeipräsidium und dann ins Gerichtsmedizinische Institut, identifiziert den Toten als Sohn seines Verlegers.“(68)
Der Selbstmord des Sohnes traf den Verleger im Kern seiner Identität. Er litt nun selbst häufiger an Schwermut und suchte nach Aufgaben, die er noch zu erledigen hatte. Er überlegte, ob er nicht noch entschiedener für die Wiedervereinigung Deutschlands und gegen den Sozialismus jenseits der Mauer kämpfen solle. Laut ihrer Biografin Inge Kloepfer suchte Friede Springer ihren Mann in dieser Hinsicht zu beruhigen: „Du hast genug getan, du hast gegen den Kommunismus gekämpft. Er ist unrecht und wird zu Ende gehen.“(69)


7.1 Päventivkriegs-PR für die Bundeswehr in WELT am SONNTAG vom 21.10.1979

Einen entsprechenden Anteil an diesem Kampf gegen den Kommunismus auf der publizistischen bzw. meinungsbildenden Ebene hatte auch Schmidt als politischer Autor des Verlegers. Zwar verfasste er nicht, wie das von Journalisten häufig nachgefragte „Munzinger-Archiv“ auch noch in seiner überarbeiteten Biografie zu Paul K. Schmidt 2003 behauptet, ein „Buch“ mit dem Titel "Der tabuierte Ernstfall Krieg" (1978)“, mit dem er sich „an der Diskussion über den drohenden Atomkrieg und eine Erosion des NATO-Bündnisses (beteiligte)“.(70) Doch mit Vorträgen und Artikeln hat Schmidt in der Tat seine Position in diese Diskussion eingebracht. Programmatisch für die publizistische Aktivität Schmidts steht sein Artikel „Die Rote Erpressung“ im unmittelbaren Vorfeld des Nato-Doppelbeschlusses vom Dezember 1979 zur Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen (71), den er am 21. Oktober 1979 in Axel Springers „Welt am Sonntag“ publizierte.(72)
In einem redaktionellen Vorspann wird der Autor, sein Artikel und dessen Aktualität vorgestellt: „Zum erstenmal seit der Kuba-Krise von 1962 wird in der Bundesrepublik Deutschland wieder vom Ernstfall gesprochen – vom möglichen Krieg. Was wollen die Russen wirklich? Paul Carell analysiert die sowjetische Strategie. Er, der mit 32 Jahren Gesandter des Deutschen Reiches war und dessen Bücher eine Auflage von mehreren Millionen erreichten, ist der bekannteste deutsche Militärschriftsteller.“
Der ehemalige Gesandte beginnt seine Ausführungen mit dem Hinweis auf ein bestehendes Tabu: „Alte Volksweisheit hat das Wort geprägt: ‚Im Hause des Gehenkten spricht man nicht vom Strick.’ Eine Tabu-Regel! Nach jedem Krieg triumphiert die Parole: ‚Nie wieder.’ Pazifismus bewegt die Herzen. Pazifismus ist ein legitimes Kind der Niederlage.“ Schmidt-Carell bemüht die Amtsautorität des damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel, der erkannt habe, dass eine „positive Beziehung“ zur Bundeswehr notwendig sei. Er zitiert den Bundespräsidenten: „Die Bundeswehr kann ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie für den Ernstfall gerüstet ist. Das heißt, wenn wir den Frieden erhalten wollen, dann müssen wir unsere Soldaten im Hinblick auf einen möglichen Krieg ausbilden. Der Soldat kann nur den Frieden sichern, wenn er für den Krieg bereit ist. Der Krieg aber hat mit dem Tode zu tun.“ Der Autor führt nun aus, wie sehr in unserer Gesellschaft die Erkenntnis Arnold Gehlens von der „militärische(n) Verteidigung der Lebensansprüche der Nation als zwingende Existenzäußerung des Menschen“ verloren gegangen sei und auch bei den Überlegungen Scheels keinen Platz mehr habe.
Erschwerend für die Verteidigungsbereitschaft sei zudem, dass die Bundeswehr „nur der Form nach ein nationales Instrument“ darstelle: „Sie ist in die Nato integriert, untersteht im Kriege Nato-Befehl, und die Nato ist ein uneingeschränktes Verteidigungsbündnis, ein Notstandsinstrument mit kompliziertem politischem Krisenmanagement, sogar ohne präzise und zwingende militärische Beistandspflicht eines jeden Partners.“
Dazu diagnostiziert er eine überzogene Fixierung auf die reine Defensive. Der Leser der folgenden Zeilen des promovierten Psychologen Dr. Paul K. Schmidt konnte den Eindruck gewinnen, dass die Deutschen Opfer einer Art Verteidigungsneurose wurden. Schmidt schreibt: „Wir haben einen Verteidigungsminister, eine Verteidigungsstrategie. Eine Verteidigungslogistik. Eine Verteidigungsrüstung mit Verteidigungswaffen – und Verteidigungsweltanschauung. Wir kennen keine ‚drohende Kriegsgefahr’, sondern nur Spannungsfall; und im Falle der Kriegsgefahr wird nach erfolgtem Angriff der Verteidigungsfall verkündet. Nach parlamentarischer Mehrheitsfindung.“
Dieser fast schon pazifistisch anmutenden zwanghaften Verteidigungshaltung steht nach den gesicherten Erkenntnissen des Militärschriftstellers der bedingungslose Wille Sowjetrusslands zum Angriff gegenüber: „Nach unbestreitbar gültiger militärwissenschaftlicher Analyse ist die sowjetische Militärstrategie geprägt durch ihren Offensivcharakter und ihren absoluten Feindbegriff, womit sie zur Strategie des Bolschewismus wird.“ Der „Welt“-Autor bedauert, dass durch die fehlende Erlaubnis zum Präventivschlag die Initiative dem Gegner, der Roten Armee, überlassen bleibe: „Unsere strategische Defensiv-Doktrin schließt ein Konzept aus, das den Präventivschlag gegen die zum Angriff bereitgestellten feindlichen Verbände vorsieht. Auch Operationen in das Gebiet des Gegners zu tragen, um Raum für die Verteidigung zu gewinnen, ist kein erlaubtes Konzept für die Nato. Der Gegner bestimmt Art, Umfang und Zeitpunkt des Angriffs.“
„Wann wissen wir ganz genau, dass ernste Gefahr droht?“, fragt Paul Carell. Und er antwortet: „Wer wartet, bis die gegnerische Absicht klar und zweifelsfrei erkennbar ist, der wird zwangsläufig dem Überraschungseffekt ausgesetzt. Vorbereitungszeit brauchen wir, und Vorbereitungszeit werden wir nur haben, wenn rechtzeitig politische Entscheidungen fallen; auch wenn der letzte Beweis für die gegnerischen Absichten noch nicht erkennbar besteht. Hier muss das Tabu fallen, das von der politischen Führung aus Überschätzung des Krisenmanagements und aus Misstrauen gegen das Militär errichtet worden ist.“
Damit überwindet Paul Karl Schmidt alias Paul Carell das eingangs seines „Welt“-Artikels zitierte Verlierer-Trauma: „Eine Tabu-Regel! Nach jedem Krieg triumphiert die Parole: ‚Nie wieder.’“ Er plädiert für die Option, militärische Maßnahmen gegen die Rote Armee zu ergreifen, „auch wenn der letzte Beweis für die gegnerischen Absichten noch nicht besteht“. Aus „Nie wieder Krieg!“ wird das Recht zum Präventivschlag.
Die Bundeswehr sollte von der Präventivkriegsdoktrin der Wehrmacht 1941 lernen. 1995, zwei Jahre vor seinem Tod, spitzte Schmidt-Carell seine Rechtfertigung des „Unternehmens Barbarossa“ am 22. Juni 1941 als Präventivkrieg in einem „Geleitwort“ für den revisionistischen Historiker Walter Post zu. Er schreibt: „Die Wehrmacht schlug früher als erwartet, bereits am 22. Juni, mit voller Wucht los, mitten in den sowjetischen Offensivaufmarsch, so dass die Rote Armee in ein Chaos gestürzt wurde.“(73) Der über viele Jahrzehnte einflussreiche Barbarossa-Chronist und Publizist leugnet die in der Forschung seit Jahrzehnten nachgewiesenen Fakten zum Charakter des Russlandfeldzuges als von vornherein geplantem Eroberungs- , Ausbeutungs- und Vernichtungskrieg, der eben keine präventive Abwehrmaßnahme darstellte. (74)


Anmerkungen:

(1) Benz, Wigbert: Paul Carell. Ribbentrops Pressechef Paul Karl Schmidt vor und nach 1945. Berlin 2005.
(2) Vgl. ebd., S. 88 ff.
(3) Vernehmungsprotokoll vom 23. März 1965, Ermittlungsverfahren wegen Mordes, B 162 AR 650 1082, Bundesarchiv Außenstelle Ludwigsburg (= ehemalige Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung von NS-Verbrechen), Bl. 25. Das Verfahren wurde am 2.6.1971 eingestellt, da nach Ablehnung der propagandistischen Vorschläge Schmidts durch den Reichsbevollmächtigten für Ungarn, Edmund Veesenmayer, „auf den Vorschlag des Beschuldigten darauf nichts unternommen (wurde)“, ebd., Bl. 53.
(4) Dr. Horst Mahnke wird erstmals im Impressum der Nr. 18/1960 von Kristall als Chefredakteur genannt.
(5) In einem Brief v. 14.3.1958 an den Mitarbeiter des SPD-Parteivorstandes in Bonn, Willi Peters, nennt Fritz Tobias, der Verfasser der Reichstagsbrandserie des SPIEGEL (1959/60), Paul K. Schmidt als Autor der SPIEGEL-Serie „Ich bin ein Lump, Herr Staatsanwalt“. Die 9. Folge dieser Serie (DER SPIEGEL v. 16.1.1957, S. 28-35) behauptet dezidiert die Alleintäterschaft van der Lubbes beim Reichstagsbrand. Im Impressum dieser SPIEGEL-Ausgabe werden Paul K. Schmidt als Mitarbeiter und Horst Mahnke, ehemaliger SS-Offizier und Assistent des SS-Brigadeführers Franz Alfred Six, als verantwortlicher Redakteur für die Serie genannt. Vgl. dazu ausführlich Benz, Paul Carell, S. 69-75.
(6) Carell, Paul: Unternehmen Barbarossa. Der Marsch nach Russland. Berlin - Frankfurt/M. 1963 (jüngste Ausgabe: Berlin – Frankfurt/M., Ullstein Verlag, 2002); ders.: Verbrannte Erde. Schlacht zwischen Wolga und Weichsel. Berlin – Frankfurt/M. 1966 (jüngste Ausgabe: Berlin – Frankfurt/M., Ullstein Verlag, 2002).
(7) Vgl. Köhler, Otto: Unheimliche Publizisten. Die verdrängte Macht der Medienmacher. München 1995 (zuerst erschienen unter dem Titel: Wir Schreibmaschinentäter. Köln 1989), S. 194.
(8) Ebd., S. 198.
(9) Streit, Christian: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen Kriegsgefangenen 1941-1945. Neuausgabe Bonn 1991, S. 303 f.
(10) Der Verfasser konnte nach gründlicher Lektüre sowohl des „Unternehmen(s) Barbarossa“ als auch der „Verbrannte(n) Erde“ keine Textstelle finden, die Verbrechen der Wehrmacht erwähnt.
(11) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 439.
(12) Dieser Buchbestseller basiert auf seiner entsprechenden „Kristall“-Serie 1959, die zur Kündigung von vier Redakteuren dieser Zeitschrift führte, vgl. Benz, Paul Carell, S. 81-87.
(13) Carell, Paul: Sie kommen! Die Invasion 1944. 17. Auflage der erweiterten Neuausgabe 1994. Berlin - Frankfurt/M.(Ullstein Verlag) 1997, S. 10 (erste Ausgabe: Oldenburg, Stalling Verlag, 1960; jüngste Ausgabe: München, Herbig Verlag, 2004).
(14) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 239 f.
(15) Ebd., S. 240.
(16) Ebd., S. 562, hebt der Autor zwei Dutzend hohe Offiziere, darunter auch „Oberst a.D. Heinrich Nolte“, als Informanten hervor, und zwar unter der Überschrift: „Unveröffentlichte Manuskripte, Studien und Vorträge stellten zur Verfügung“. Auf S. 550 dankte er schon vorher „fast tausend freiwilligen Mitarbeitern“. Diese Angaben und sein bis ins letzte Regiment reichendes Sachregister erhöhten die Akzeptanz des mit mehr als angedeutetem Insider-Wissen aufbereiteten Bandes.
(17) Die dramatischen Höhepunkte im 2. Weltkrieg. 2. Folge. Die Diplomatie verlor – Vernunft war abgenutzt. Von Paul Karell. In: Kristall 7. Jg. 1952, H. 26, S. 852. Schmidt ließ sein Pseudonym damals noch mit „K“ statt „C“ beginnen.
(18) Ebd., S. 854.
(19) Vgl. Scheil, Stefan: Fünf plus Zwei. Die europäischen Nationalstaaten, die Weltmächte und die vereinte Entfesselung des Zweiten Weltkrieges. Berlin 2003, S. 44 ff. u. S. 127 ff.
(20) Düsteres September-Gedenken. Der Krieg, in den die Welt „schlitterte“ und der Krieg, den Hitler vom Zaun brach. In: DIE ZEIT v. 2. September 1954, S. 3, von P.C. Holm (= Paul Karl Schmidt); daraus die folgenden Zitate.
(21) Die dramatischen Höhepunkte im 2. Weltkrieg. 8. Folge. Simowitsch besiegte Hitler. Von Paul Karell. In: Kristall 8. Jg. 1953, H.6, S. 176 ff. Im Folgenden wird aus diesem Artikel zitiert.
(22) Ebd., S.178.
(23) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 13 f.
(24) Tatsächlich ging die deutsche politische und militärische Führung aufgrund der Lageberichte der für die Feindaufklärung zuständigen Abteilung Fremde Heere Ost vom 15. März bis 13. Juni 1941 von im Wesentlichen defensivem Verhalten der Roten Armee aus. Zum Forschungsstand vgl. Ueberschär, Gerd. R. / Lev A. Bezymenskij (Hg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse um die Präventivkriegsthese. Darmstadt 1998. Die Lageberichte sind dort auf S. 276-280 abgedruckt.
(25) Carell, Paul: Stalingrad. Sieg und Untergang der 6. Armee. Berlin (Ullstein Verlag) 1992, S.336. (jüngste Ausgabe: München, Herbig Verlag, 2003). Es müsste statt „21. Juni“ richtig „22. Juni“ heißen.
(26) In: Signal 15/2 (1. Augustheft 1941), abgedruckt auch in SIGNAL. Bd.II. 1941/42. Eine kommentierte Auswahl abgeschlossener, völlig unveränderter Beiträge aus der Propagandazeitschrift der Deutschen Wehrmacht, S.36 f.; siehe Kapitel III/4.
(27) Carell, Paul: Schlacht um Berlin. In: Kristall. 20. Jg. (1965), H. 9, S. 6-34, Zitat S. 32 ff. – Die Darstellung dieser Schlacht war in die laufende “Verbrannte-Erde”-Serie eingeschoben: “Paul Carells Dokumentarserie (sic!, d.Vf.) ‚Verbrannte Erde’, die in diesem Heft anlässlich des 20. Jahrestages der ‚Schlacht um Berlin’ unterbrochen worden ist, wird in Heft Nr. 10 über die Kämpfe vor Leningrad fortgesetzt.“, ebd., S. 34.
(28) Ebd.
(29) Die Front gegen den Bolschewismus – Verbündete, Legionäre und Freiwilligen-Verbände der Waffen-SS, in: Signal Nr. 23/24 (Dezember-Heft 1942). Abgedruckt in: SIGNAL. Bd.III. 1942/1943. Eine kommentierte Auswahl abgeschlossener, völlig unveränderter Beiträge aus der Propagandazeitschrift der Deutschen Wehrmacht, S. 70 ff.
(30) Ebd., S. 72.; zu den dänischen Freiwilligen für den „Kreuzzug gegen den Bolschewismus“ vgl. auch die Magisterarbeit von Steffen Werther: Dänische Freiwillige in der Waffen-SS. Berlin 2004, S. 64-83.
(31) Vgl. Köhler, Unheimliche Publizisten, S. 196 ff. Köhler bezieht sich dabei auf: Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 80-93. Er zitiert daraus allerdings ohne genaue Angabe nur aus S. 93.
(32) Ebd.
(33) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 89.
(34) Ebd., S. 92.
(35) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 52.
(36) Ebd., S.58. – Carell nimmt hier für sich in Anspruch, Generalfeldmarschall von Manstein sowie Generaloberst Hoth zum sowjetischen Aufmarsch befragt zu haben (Manstein: „Man wird der Wahrheit wohl am nächsten kommen, wenn man den sowjetischen Aufmarsch als einen ‚Aufmarsch für alle Fälle’ bezeichnet.“) und deutet deren Aussagen so, die Rote Armee sei am 22. Juni 1941 noch nicht, wohl aber später zum Angriff befähigt und gewillt gewesen.
(37) Köhler, Otto: Wenn Cäsar wüsste. In: DER SPIEGEL 8/1967 (13. Februar 1967), S. 107
(38) Ebd.- Als zweite kritische Stimme zitiert Köhler den „Kölner Stadtanzeiger“, der in Carells Buch „Verbrannte Erde“ die „Logik der Barbarei“ dargestellt sah.
(39) Vgl. Köhler, Unheimliche Publizisten, S. 164 ff.
(40) Walter Warlimont über Paul Carell: „Unternehmen Barbarossa“. Nicht Verrat, Hitlers Hybris! In: DER SPIEGEL 27/1964 (1. Juli 1964), S. 74 f.
(41) Ullstein-Verlagsanzeige: „Darf Anspruch auf größtmögliche Objektivität erheben“, Münchner Merkur, Pressestimmen über Paul Carell. In: DER SPIEGEL 11/1967 (6. März 1967), S. 10. Zitiert wurde ausschließlich aus Rezensionen zu den beiden Büchern Carells zum Russlandfeldzug: „Verbrannte Erde“ (zu diesem Zeitpunkt vom Verlag als Auflage im „71. Tausend“ angegeben) und „Unternehmen Barbarossa“ („222. Tausend“).
(42) Ebd.
(43) Ebd.; Rost, Alexander: Das verratene, verlorene Heer – Der Bericht über den hoffnungslosen Krieg in Russland. In: DIE ZEIT v. 25.11.1966, S. XIII.
(44) Das historisch-politische Buch. Ein Wegweiser durch das Schrifttum. Hrsg. im Auftrage der Ranke-Gesellschaft Vereinigung für Geschichte im öffentlichen Leben v. O. Brunner, E. Forsthoff, G. Franz u.a. 12. Jg (1964), S. 148 f. Rezension von Hartwig Pohlmann zu „Unternehmen Barbarossa“.
(45) DER SPIEGEL v. 1.7.1964, S. 74 (siehe Anm. 40).
(46) Carell Paul: Die Wüstenfüchse. Mit Rommel in Afrika. Hamburg (Nannen Verlag) 1958 (jüngste Ausgabe: München, Herbig Verlag, 2003).
(47) Ders.: Sie kommen ! Die Invasion der Amerikaner und der Briten in der Normandie 1944, (Erstausgabe: Oldenburg, Stalling Verlag, 1960; jüngste Ausgabe: München, Herbig Verlag, 2004).
(48) DER SPIEGEL v. 1.7.1964, S.74 (siehe Anm. 40).
(49) Ebd.
(50) Zu den verbrecherischen Befehlen und Warlimont vgl. Streit, Keine Kameraden, S. 28-61.
(51) DER SPIEGEL v. 1.7.1964, S. 74f. (siehe Anm. 40). Desweiteren kritisiert Warlimont an Carells „Unternehmen Barbarossa“ die Überbetonung der „Gefahr eines sowjetischen Präventivkrieges“ sowie der kriegsentscheidenden Bedeutung der Feindspionage.
(52) Vgl. die folgenden Bücher dieses Rezensenten: Pohlmann, Hartwig: Geschichte der 96.Infanterie-Division. Bad Nauheim 1959; ders.: 900 Tage im Kampf um Leningrad. Bad Nauheim 1962.
(53) Das historisch-politische Buch, 12. Jg (1964), S. 148 f.; Mitarbeiterverzeichnis S.XVII. – Gründer der Ranke-Gesellschaft und einer der Schriftleiter des Rezensionsjournals (siehe Anm. 36) war Günther Franz, 1935 Mitarbeiter im SS-Rasse- und Siedlungshauptamt, 1939 im persönlichen Stab Reichsführer SS, 1943 SS- Hauptsturmführer, vgl. Klee, Ernst: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt/M. 2003, S. 161.
(54) Ebd., S. 148.
(55) Das historisch-politische Buch, 12. Jg (1964), S. 148 f.
(56) Auch Carells zuletzt (1992) verfasstes Buch „Stalingrad. Sieg und Untergang der 6. Armee“ wurde 2003 bei Herbig neu aufgelegt.
(57) Vgl. Heer, Hannes / Naumann, Klaus (Hg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944. Hamburg 1995; Hamburger Institut für Sozialforschung. Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944. Ausstellungskatalog. Hamburg 2002.
(58) Die Zeitschrift „Kristall“ hatte Anfang 1952 eine Auflage von ca. 250.000 Exemplaren, vgl. ebd., S. 70. Die als Tatsachenberichte präsentierten Kriegsserien Paul Carells erbrachten mehr als eine Verdoppelung der Auflage, vgl. Jürgs, Michael: Der Verleger. Der Fall Axel Springer. München 2001, S. 319. Der Springer-Konzern bewarb „Kristall“ zusätzlich auch in der rechtsextremen „Nationalzeitung“. Für den Zeitraum von 1962 bis 1966 war Springer dort der drittgrößte Anzeigenkunde, vgl. Müller, Hans Dieter: Der Springer-Konzern. Eine kritische Studie. München 1968, S. 244. Dennoch musste „Kristall“ 1966 eingestellt werden, vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 428.
(59) Vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 72, 234, 313-326.
(60) Ebd., S. 234.
(61) Springer-Redakteure für CDU/CSU. In: Frankfurter Rundschau v. 18.9.1972. In dem Bericht heißt es weiter: „Der SPD-Bundesgeschäftsführer Holger Börner wies am Wochenende auf die starke Unterstützung der Barzel-Strauß-Opposition durch die publizistischen Großkonzerne Bauer und Springer hin.“
(62) Jürgs, Der Verleger, S. 428 f.; vgl. auch Müller, Der Springer-Konzern, S. 257.
(63) Jürgs, Der Verleger, S. 286 f.; nach Jürgs äußerten sowohl Claus Dieter Nagel als auch Paul K. Schmidt, dass der Verleger vom Glauben an das Vaterland in einem religiösen Sinne durchdrungen war und ihre Redemanuskripte in dieser Hinsicht persönlich bearbeitete. Dass Springer aufgrund solcher Textstellen wie der oben zitierten von Kritikern als „Brandenburger Tor“ verspottet wurde, habe ihn nicht berührt.
(64) Vgl., auch zum Folgenden: Jürgs, Der Verleger, S. 313-331.
(65) Kloepfer, Inge: Friede Springer. Die Biographie. Hamburg 2005, S. 86 f.
(66) Vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 323 ff.
(67) Kloepfer, Friede Springer, S. 105. – Die Autorin äußert sich im Weiteren nicht, wer diese Aufgabe der Identifizierung übernommen hat.
(68) Jürgs, Der Verleger, S. 352. Ein Jahr nach dem Tod seines Sohnes erschien die Schrift: Springer, Axel: An meine Kinder und Kindeskinder. Privatdruck 1981 (ergänzt 1985). Der Autor für Axel Springers Privatschrift war Schmidt, vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 16.
(69) Kloepfer, Friede Springer, S. 107.
(70) Kurzbiografie Paul K. Schmidt, Munzinger-Archiv GmbH / Internationales Biographisches Archiv 48/2003 vom 17. November 2003 (lm). – Immerhin hat der Autor dieser Kurzbiografie und Seniorchef des Archivs, Dr. Ludwig Munzinger (lm), nach Hinweisen des Verfassers Fehler und Versäumnisse der früheren Darstellung des Archivs zu Schmidt (angeblicher „Offizier der Nachrichtentruppe“, der Paul K. Schmidt nie war; fehlende Rezeption seiner Holocaust PR 1944) sachgerecht korrigiert bzw. ergänzt.
(71) Zur Situation der Bundeswehr in dieser Phase vgl. Bald, Detlef: Die Bundeswehr. Eine kritische Geschichte 1955–2005. München 2005, S. 98 ff.
(72) Die Rote Erpressung. Von Paul Carell. In: WELT am SONNTAG Nr.17/1979 v. 21. Oktober 1979. Alle Zitate im Folgenden aus diesem Artikel Paul K. Schmidts.
(73) Geleitwort Paul Carells, in: Post, Walter: Unternehmen Barbarossa. Deutsche und sowjetische Angriffspläne 1940/41. Hamburg 1995, S. 10 f.
(74) Zum Forschungsstand und dessen Entwicklung vgl. Rolf-Dieter Müller / Gerd. R. Ueberschär: Hitlers Krieg im Osten. Ein Forschungsbericht. Darmstadt 2000. – Vgl. die Rezension des Verfassers bei HSozKult: http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/buecher/2000/bewi1100.htm

� Wigbert Benz

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