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Paul Carells
"Unternehmen Barbarossa".
Ribbentrops Pressechef Paul K. Schmidt als Protagonist der „sauberen“
Wehrmacht und „präventiven“ Kriegführung 1941 bis
1995
von Wigbert Benz
1. Vorbemerkung zu Person und Wirken
In meiner aktuell
erschienenen Buchveröffentlichung zu Paul Karl Schmidt alias Paul
Carell, der mit seinen Bestsellern zum Zweiten Weltkrieg das Bild vom
Krieg der Wehrmacht als sauberen, kameradschaftlichen und heldenhaften
Kampf geprägt hat, wird anhand verschiedenster Quellen - u.a. dessen
SS-Akte, der „Interrogations“ in Nürnberg 1947, erstmals
im Herbst 2003 vom Verfasser recherchierter Unterlagen der Zentralstelle
zur Verfolgung von NS-Verbrechen in Ludwigsburg, die in Zusammenhang mit
einem 1965-1971 durchgeführten staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren
wegen Mordes gegen Schmidt stehen, sowie zahlreicher Artikel, die dieser
unter verschiedenen Pseudonymen in Zeitungen und Zeitschriften verfasst
hat – das Wirken Schmidts beginnend vom NS-Studentenführer
und „Leiter des Kampfausschusses wider den undeutschen Geist“
in den 30er Jahren bis zu dessen publizistischen Aktivitäten in die
90er Jahre hinein analysiert.(1)
Als politischer Journalist schrieb er u.a. am 2. September 1954 in der
ZEIT zu den Ursachen beider Weltkriege, am 16. Januar 1957 im SPIEGEL
zum Reichstagsbrandprozess und am 21. Oktober 1979 in der WELT am SONNTAG
zur Verteidigungsdoktrin der Bundeswehr; hier forderte er eine Wandlung
in Richtung einer angeblich wünschenswerten präventiven Kriegführung.
Bis zum Tode des Verlegers Axel Springer 1985 war er dessen enger Berater
und Sicherheitschef. Vor 1945 agierte Schmidt als jüngster Gesandter
I. Klasse bzw. Ministerialdirigent im NS-Regime. Er leitete seit 1939/40
die Presseabteilung des Auswärtigen Amtes und hatte wesentlichen
Anteil an der Auslandspropaganda des Regimes. In diesem Zusammenhang machte
er propagandistische Vorschläge zur Rechtfertigung der Deportation
der Budapester Juden 1944.
2. Mit Horst Mahnke von Augstein zu Springer
Aufgrund seiner propagandistischen
Initiative zur Rechtfertigung des Judenmords vom 27. Mai 1944, bei der
Schmidt u.a. vorschlug, jüdischen Synagogen in Budapest „Sprengstofffunde“
unterzuschieben, um die von ihm antizipierten späteren Deportationen
als Akt der Verteidigung darstellen zu können, ermittelte die Staatsanwaltschaft
Verden von 1965 bis 1971 wegen Mordes gegen den ehemaligen Pressechef
Ribbentrops.(2) Im Rahmen dieser staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen
hatte Schmidt am 23. März 1965 „zur Person“ seine Berufstätigkeit
als „Schriftsteller und Journalist“ angegeben und vermerken
lassen: „Einkommen geregelt“.(3) Zu diesem Zeitpunkt war sein
Einkommen mehr als „geregelt“, denn mit dem ehemaligen „Spiegel“-Ressortleiter
Horst Mahnke wurde im Sommer 1960 ein Partner Chefredakteur der Springer-Zeitschrift
„Kristall“, der schon im „Spiegel“ mit dem Serienautor
Schmidt zusammengearbeitet hatte.(4) Mit Mahnke als verantwortlichem Redakteur
für die „Spiegel“-Serien konnte der Autor Paul K. Schmidt
im „Spiegel“ vom 16. Januar 1957, also fast drei Jahre vor
der Reichstagsbrandserie von Fritz Tobias, in Augsteins Nachrichtenmagazin
die These der Alleintäterschaft van der Lubbes beim Reichstagsbrand
propagieren.(5) In Kooperation mit dem neuen von Augstein zu Springer
gewechselten „Kristall“-Chefredakteur Mahnke ging nun Paul
Carells „Marsch nach Russland“ in Serie, zunächst als
„Unternehmen Barbarossa“, dann als „Verbrannte Erde“.
Aus diesen Serien wurden 1963 und 1966 Buchbestseller (6) in Axel Springers
Ullstein-Verlag mit Millionenauflage und Übersetzungen in ca. ein
Dutzend Sprachen.(7)
3. Heldenhafte Wehrmacht ohne Verbrechen
Der frühere „Spiegel“-Kolumnist
und Publizist Otto Köhler betont, dass Schmidt alias Carell das Bild
des Krieges gegen die Sowjetunion geprägt habe, und zwar als sauberen,
anständigen und kameradschaftlichen Feldzug, in dem es „deutsches
Heldentum und keine deutschen Massenmorde gab“.(8) Die Feststellung
Christian Streits zu dem ersten Band, „Schmidt, ehemals Pressechef
im NS-Außenministerium, verliert über die Ausrottungspolitik
kein Wort“(9), gilt für beide Bücher, wie im folgenden
nachzuweisen sein wird.(10)
Bei Carell existiert die SS nur als kämpfende Truppe – eine
grausame SS gibt es nur bei den Sowjets: „NKWD-Truppen und NKWD-Pioniere
haben Rostow verbarrikadiert, und sie verteidigen die Stadt auch bis zur
letzten Patrone. Das sagt alles. Diese Schutztruppe des bolschewistischen
Regimes, Stalins ‚SS’, Rückgrat der Staatspolizei und
des Geheimdienstes, ist auf ihre Art eine Elite: fanatisch, glänzend
ausgebildet, hart bis zur Grausamkeit.“(11) Bei der Wehrmacht oder
Waffen SS sucht man solche Definitionen vergeblich. Ihr angeblich heldenhafter
Kampf – abgesehen von einzelnen Fehlern Hitlers, Geheimnisverrat
von Spionen etc. – wird von dem Bestsellerautor nicht nur im „Unternehmen
Barbarossa“, sondern in seinen anderen Kriegsbüchern beschworen,
zuletzt in seinem Vorwort 1994 zur erweiterten Neuauflage seiner Darstellung
der alliierten Invasion (12): „Denn die deutsche Fronttruppe kämpfte,
obwohl im fünften Kriegsjahr und oft in aussichtsloser Lage, immer
noch entschlossen und mit taktischer Überlegenheit. Kühne Kommandeure
vereitelten mit ihren Regimentern, Kampftruppen und in ihren Widerstandsnestern
den alliierten Fahrplan.“(13)
Im „Unternehmen Barbarossa“ instrumentalisiert der Autor u.a.
auch den Oberst a.D. Heinrich Nolte für seine Darstellung des Krieges
als Heldengeschichte. Carell bedauert zunächst, dass im November
1941 die „kühne deutsche Panzeroperation, (die) auf die Vereinigung
mit den Finnen am Swir hinzielte“, nicht gelang: „Alle Tapferkeit
half nichts.“(14) Dann bemüht er den damaligen ersten Generalstabsoffizier
der 18. Infanteriedivision Nolte als Kronzeugen für die „beispiellose
(...) Leistung der Bataillone“ in diesem Zusammenhang: „Der
spätere Oberst i.(m) G.(eneralstab) Nolte stellt dazu fest: ‚Es
gibt nicht viele, die zum Führer von Vorausabteilungen taugen. Und
doch ist es eine einfache Sache verglichen mit der Aufgabe des Führers
der Nachhutkompanie. Der eine hat seine Sache auf alles, der andere auf
nichts gestellt. Der Schwung der Tausende treibt den einen vorwärts,
die Sorge, die Not der Geschlagenen drückt den anderen darnieder.’“(15)
So wird die Sorge eines Offiziers in Carells Tapferkeits- und Heldendarstellung
integriert und zudem als hochrangige Quelle für die Glaubwürdigkeit
seiner Kriegsgeschichte angegeben.(16)
4. Politische Kriegsgeschichte
Dass die Kriegsgeschichte,
die Paul Carell seinen Lesern zu erzählen hatte, eine politische
ist, wird gleich in der ersten Serie „Die dramatischen Höhepunkte
im 2. Weltkrieg“ erkennbar, die er schon 1952 für „Kristall“
schrieb, also ein Jahrzehnt vor seiner bekannteren Serie zum „Unternehmen
Barbarossa“. In der 2. Folge dieser ersten Serie von „Paul
Karell“ geht es um den Überfall Hitlerdeutschlands auf Polen,
der als eine von der öffentlichen Meinung des Auslands erwartete,
ja sogar begrüßte militärische Maßnahme des Deutschen
Reiches dargestellt wird. Der Autor bemüht ein Beispiel der Auslandspresse
und schreibt: „Wenn Hitler jetzt gegen Polen vorgeht, rufe ich Sieg
Heil! – Das sagte nicht etwa ein Nazi; das schrieb Stephan King
Hall, britischer – bestimmt nicht nazifreundlicher – Publizist
im Frühjahr 1939. Der Grund für diese Stimmung war Polens Teilnahme
an der Aufteilung der Erbmasse der Tschechoslowakei im Zuge der Sudetenkrise.
Polnische Truppen waren so eifrig im Besetzen gewesen, dass sie nicht
nur die Polen zuerkannten Kreise, sondern auch noch zusätzlich zwei
Gemeinden besetzten. Adolf Hitler war diese Stimmung sehr recht. Er hatte
sie sogar einkalkuliert, als er die Polen animierte, bei der tschechischen
Beuteverteilung mitzuernten.“(17) Im Folgenden führt „Paul
Karell“ aus, wie groß die Bereitschaft der deutschen politischen
und militärischen Führung gewesen sei, im Interesse einer diplomatischen
Lösung in letzter Minute alles nur Erdenkliche zu tun, um einen großen
Krieg zu vermeiden. Er lobt Generaloberst v. Brauchitschs „grandiose
Disziplin“ als Oberbefehlshaber des Heers, die am 25. August schon
„seit drei Stunden marschierende Armee“ zurückzubeordern,
eine Leistung, die es in der Geschichte noch nicht gegeben habe. Und er
macht die polnische Regierung hauptsächlich verantwortlich für
das Scheitern der diplomatischen Friedensbemühungen, weil sie keinen
Anlass sah, sich „für Noten oder Angebote von deutscher Seite
zu interessieren“, sondern sich im Gegenteil „davon überzeugt“
zeigte, dass in Deutschland „im Falle eines Krieges Unruhen ausbrechen
und die polnischen Truppen erfolgreich gegen Berlin marschieren werden“.(18)
Eine ähnliche Deutung des 1. September 1939 findet sich aktuell bei
dem Historiker Stefan Scheil, der ebenfalls polnische Aggressionsabsichten
gegen Deutschland sehr hoch gewichtet und Hitler-Deutschlands Politik
gegen Polen eher in Richtung Kriegsvermeidung ausgerichtet sieht.(19)
4.1 Thesen zur deutschen Kriegs(un)schuld 1914/1939 in DIE ZEIT vom 2.9.1954
Die Verbindung der
beiden Weltkriegsanfänge 1914 und 1939 im Sinne einer weitgehenden
Entschuldung der deutschen Mit- oder Hauptverantwortung am Ausbruch der
jeweiligen Weltkriege gelingt Schmidt 1954 in einem langen „Zeit“-Artikel
anlässlich des 15. bzw. 40. Jahrestags zum Kriegsbeginn.(20) Als
Ursache der Weltkriege macht er eine Kette von Fehleinschätzungen
der Regierungen verschiedener Großmächte wesentlich verantwortlich.
Für den Ersten Weltkrieg proklamiert er, in “der historischen
Forschung“ gelte es „als Wahrheit, dass der Krieg von 1914
von niemand wirklich gewollt wurde. Die Ursachen seines Ausbruchs lagen
tiefer als im bösen Willen von Herrschern, Politikern und Diplomaten.
Der Krieg war eine Kurzschlusserscheinung.“ Soweit erinnert die
Analyse an die bekannte These, die Großmächte seien mehr oder
weniger in den Krieg „hineingeschlittert“. Doch dann fährt
er fort: „Statt zu fragen: ‚Wer wollte ihn?’, ist es
richtiger nachzuforschen: ‚Wer tat nicht alles, um ihn zu verhindern?’
Die Antwort darauf enthüllt in Wien so viele Schuldige wie in Petersburg,
in London und Berlin so viele wie in Paris und Belgrad. Dabei steht Berlin
in der ‚Schuldliste’ auf keinen Fall an erster, eher an letzter
Stelle.“ Nachdem Deutschland beim Kriegsausbruch 1914 also „eher
an letzter Stelle“ der „Schuldliste“ steht und danach
im Versailler Friedensvertrag der Keim für einen weiteren Krieg gesehen
wird, benennt Schmidt den Unterschied zum Kriegsausbruch 1939 gleich im
ersten Satz seiner Ausführungen zum Zweiten Weltkrieg: „Niemand
und nichts kann Hitlers Verantwortung für den Krieg schmälern.“
Damit ist, entsprechend dem Untertitel des „Zeit“-Artikels,
„der Krieg, den Hitler vom Zaun brach“, dieser Aspekt der
Verantwortung Hitlers für den letzten der beiden Weltkrieg abgehakt
und die weiteren Ausführungen des Autors konzentrieren sich im Wesentlichen
auf die Zurückweisung der These von der Alleinschuld Hitler-Deutschlands
am Zweiten Weltkrieg sowie das Aufzeigen der weltpolitischen Verwicklungen,
die zur Kriegsgefahr 1939 geführt hätten: „Aber falsch
ist die Konstruktion von Nürnberg, dass der Kriegsausbruch vor 15
Jahren die Spitze eines logisch und zielsicher aufgebauten Weltkriegs-Planes
der deutschen Naziführung unter mehr oder weniger bereitwilliger
Teilnahme der militärischen Führung gewesen sei. So einfach
war die Sache nicht. Hitler wollte Polen schlagen. Als Vorwand diente
ihm das Versailler Korridor-Erbe. Die Westmächte waren bereit, Versailles
auch in Osteuropa zu liquidieren, aber nicht auf Kosten einer Eroberung
Polens a la Prag. Das war das Problem. Es war nur mit diplomatischer Geduld
zu bewältigen. Und es war auf keinen Fall elf Monate nach der Münchener
Konferenz zu lösen. Die Bereitschaft der Westmächte, den Frieden
zu retten, war zwar 1939 größer als 1914 (...).“ Diesem
Lob an die im Verhältnis zu 1914 friedensbereiteren Westmächte
stellt Schmidt dann die Kritik an der Unfähigkeit und ideologischen
Befangenheit Hitlers sowie die Schlauheit Stalins und dessen Plan, einen
Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern entfesseln zu wollen,
gegenüber. Insofern sei nicht Hitler, sondern Stalin der Hauptschuldige
am Ausbruch des letzten Weltkrieges: „Nur einer irrte sich nicht.
Vorerst jedenfalls noch nicht. Das war Josef Stalin. Sein Beitrag zum
Krieg, nämlich der deutsch-sowjetische Pakt vom 23. August 1939,
war wohl der entscheidendste Faktor. Ohne diesen Pakt hätte die seit
Bismarcks Wirken im Volksbewusstsein so lebendige und im ersten Weltkrieg
so erwiesenermaßen tödliche Gefahr eines Zweifrontenkrieges
auch von Hitler nicht ignoriert werden können. Man stellt den deutsch-sowjetischen
Pakt gern als Hitlers große diabolische Leistung hin. Das ist eine
Verkennung der Tatsachen und der historischen Hintergründe. Wer die
Vorgeschichte und das Zustandekommen dieses Paktes wirklich studiert,
muss zu der Einsicht gelangen, dass nicht Hitler, sondern Stalin der Initiator
war. Für ihn war dieser Pakt die richtig kalkulierte Beihilfe zum
Ausbruch eines ‚selbstzerfleischenden Krieges der kapitalistischen
Welt’. Und so kam es.“
Die geschichtspolitische Botschaft Schmidts ist klar: Mit dem Beginn des
Zweiten Weltkrieges am 1. September 1939 hat Stalin sein erstes Ziel erreicht,
die kapitalistischen Mächte in einen Krieg gegeneinander zu manövrieren.
Während die Westmächte eher auf Kriegsvermeidung ausgerichtet
waren, schufen die wechselseitig feindseligen Einstellungen zwischen Polen
und Deutschland, die – so in Schmidts oben erörtertem „Kristall“-Artikel
– in erster Linie von Polens fehlender diplomatischer Verhandlungsbereitschaft,
militärischer Aggressivität und Selbstüberschätzung
ausgingen, die Voraussetzung, Stalins Kalkül zunächst einmal
aufgehen zu lassen.
4.2 Fünf fehlende Wochen zum Sieg 1941: Paul Carell in KRISTALL
Allerdings konnte
Stalin die rasche Folge der Blitzkriegssiege der Wehrmacht und die Entschlossenheit
Hitlers, schon im Frühjahr 1941 die Sowjetunion anzugreifen, nicht
vorausberechnen. Und so erklärt Schmidt seinen Hunderttausenden „Kristall“-Lesern
in der 8. Folge seiner Serie „Die dramatischen Höhepunkte des
2. Weltkrieges“, dass zumindest der Russlandfeldzug von Hitlers
Wehrmacht gegen Stalins Rote Armee nicht verloren worden wäre, wenn
er wie geplant Mitte Mai statt Ende Juni 1941 hätte begonnen werden
können: „Was wäre geschehen, wenn die Panzer General Guderians
nicht erst am 18. November 1941 zum Endstoß gegen Moskau angetreten
wären, um zuerst im Schlamm und schließlich im einbrechenden
sibirischen Frost steckenzubleiben? Was wäre geschehen, wenn die
deutsche Panzerwalze fünf Wochen früher auf die sowjetische
Hauptstadt gestoßen wäre? Die Frage nach den verpassten fünf
Wochen mag manchem töricht klingen; aber es hing von einem einzelnen
Mann ab, dass Hitler nicht – wie er ursprünglich geplant hatte
– am 15. Mai, sondern erst am 22. Juni gegen Russland marschierte.
Sicher hätte Hitler den zweiten Weltkrieg auch mit diesen fünf
Wochen Vorsprung nicht gewonnen; aber hätte er ihn auch gegen Russland
verloren?“(21)
„Paul Karell“ ließ eines der zahlreichen Fotos, mit
denen er seinen Artikel anreicherte, mit der folgenden Bildlegende betexten:
„Der jugoslawische Ministerpräsident Zwetkowitsch unterschieb
am 25.März 1941 mit Schweißperlen auf der Stirn in Wien den
Dreimächtepakt.“ Wäre es beim Beitritt Jugoslawiens zum
von Hitler dominierten Dreimächtepakt geblieben und hätte General
Dusan Simowitsch nicht wenige Tage nach Cvetkovics Unterschrift geputscht,
wäre der Wehrmacht, so die Perspektive, die „Karell“
seinen Lesern nahe bringen will, die Niederwerfung Jugoslawiens erspart
geblieben, der Russlandfeldzug hätte ohne diesen Zeitverlust schon
Mitte Mai 1941 beginnen und Moskau vor Wintereinbruch erobert werden können.
Im redaktionellen Nachtrag zu dem Beitrag steht die Aussage: „Unserem
heutigen Bericht liegen (...) persönliche Erfahrungen des Verfassers
(...) zugrunde.“(22) Diese Feststellung ist schon fast ein Understatement.
Denn Schmidt hatte an den diplomatischen Vorbereitungen der Unterschrift
Cvetkovics unter den Dreimächtepakt, wie anhand einer Auswertung
der Akten zur deutschen Auswärtigen Politik in Kapitel III/2 „Sondierungsaufgaben
und diplomatische Aktivitäten“ meiner Monografie zu Paul Carell
gezeigt wird, einen nicht zu vernachlässigenden Anteil.
5. Paul Carells Kernthesen zum „Unternehmen Barbarossa“ 1941
Typisch für das
Bild des „Unternehmens Barbarossa“, das der Autor seinen Lesern
in den verschiedenen Kriegsserien und -büchern nahe bringt, sind
folgende Merkmale der Darstellung:
- Der Krieg war Hitler und der Wehrmacht aufgezwungen. Er wurde präventiv
geführt, um Stalins Roter Armee zuvorzukommen.
- Es handelte sich nicht nur um einen deutschen, sondern einen europäischen
Abwehrkampf gegen die bolschewistische Bedrohung, und zwar bis zur Schlacht
um Berlin.
- Weniger Fehler Hitlers, als vielmehr Spionage und vor allem Stalins
für die deutsche Abwehr unerkannt gebliebene materielle Überlegenheit
wurden zur „Schicksalsfrage des Krieges“ und führten
zur Niederlage der Wehrmacht.
Paul Carells „Unternehmen Barbarossa“ zitiert auf den ersten
Seiten seiner Darstellung ausführlich aus Hitlers Tagesbefehl zum
Angriff, in dem die Lüge vom Präventivkrieg, bei dem es angeblich
galt, einem drohenden Angriff Stalins zuvorzukommen, aufgetischt wird.(23)
Von dieser Rechtfertigung Hitlers, die den Quellen widerspricht (24),
distanziert sich der Autor nicht. Im Gegenteil. In seinem zuletzt verfassten
Werk zu Stalingrad 1992, dem er den signifikanten Untertitel „Sieg
(sic!, d.Vf.) und Untergang der 6. Armee“ gibt, spitzt er zu: „Der
deutsche Angriff am 21. Juni 1941 war objektiv ein Präventivschlag.“(25)
Diese Behauptung hatte auch Schmidts enger Mitarbeiter Rudolf Fischer
kurz nach dem deutschen Überfall 1941 in der Auslandsillustrierten
„Signal“ propagiert.(26)
Für den Leser besonders emotional packend wird der behauptete Charakter
des europäischen Abwehrkampfes gegen den Bolschewismus bei Carells
Darstellung des Kampfes um Berlin kurz vor Hitlers Ende geschildert: „Auch
am Tirpitzufer, dort wo General Weidling sein Hauptquartier hatte, verlief
bereits die Hauptkampflinie. Am Shell-Haus sprangen die Männer von
‚GD’ (= SS-Division Großdeutschlandland, d. Vf.) zusammen
mit bärtigen Soldaten von Ruine zu Ruine. Sie verständigten
sich auf merkwürdige Weise: ‚Gardez!’ rief der eine und
ließ seine MPi bellen. ‚Gut Kumpel’, antwortete Leutnant
Thater von ‚GD’. Französische Freiwillige kämpften
hier zusammen mit Männern des Wachregiments und der Division ‚Müncheberg’,
deren Kompanien überall Feuerwehr spielen mussten. Am Zoo schlugen
sich Holländer, Belgier, Dänen, Letten und Litauer. Freiwillige
der 11. SS-Panzer-Grenadierdivision ‚Nordland’ neben den letzten
Kampftrupps der 18. Panzer-Grenadierdivision, die in den schweren Kämpfen
um Wilmersdorf und am Reichssportfeld zerschlagen worden war. Auch Reste
der spanischen Kompanie unter Hauptsturmführer Roca und eine Kampftruppe
Schweizer Freiwilliger kämpften in den letzten Verteidigungsstellungen
im Regierungsviertel Berlins. In allen Sprachen Europas erschallten die
Kommandos im Schlachtengetümmel zwischen Brandenburger Tor und Wilhelmplatz
(...).“(27)Verständnisvoller kann der Schulterschluss europäischer
Freiwilliger bei ihrem gemeinsamen „Abwehrkampf“ nicht mehr
geschildert werden. Um so schonungsloser zielen die beiden Schlusssätze
des Artikels auf die Grausamkeit des Feindes gegen unschuldige Deutsche:
„Deprimiert und voll böser Erwartungen zogen die grauen Kolonnen
der geschlagenen Armee durch die Straßen der Ruinenstadt in die
Gefangenschaft. Zurück blieben in Schrecken und Angst vor dem ungewissen
Schicksal Millionen Frauen, Greise und Kinder. Weiße Tücher
wurden aus den Fenstern gehängt. ‚Gnade’ flehten sie!
Aber ‚Gnade’ stand nicht im Operationsbefehl des Siegers.“(28)
Mit der Darstellung dieser sich gegen die Russen verteidigenden europäischen
Völkerfamilie führt Carell 1965 zu Ende, was 1942 in „Signal“
begonnen wurde. In einem namentlich nicht gekennzeichneten Artikel dieser
unter Schmidts Einfluss stehenden Zeitschrift wurde behauptet, der „Sinn
des Feldzuges gegen den Bolschewismus“ bestünde in der „Daseinsfrage
ganz Europas. Männer aus fast allen Nationen des Kontinents haben
die harte Notwendigkeit der Stunde erkannt und sich zur Tat bereit gefunden.
Sie kämpfen mit Deutschland.“(29) Die Abbildungen zeigen „germanische
Freiwillige“ aus europäischen Ländern, u.a. Norweger und
Dänen mit dem Bildtext: „Der Geist dieser Männer spricht
aus dem Wort eines ihrer Führer: 'Es geht um Europa - wir können
es nicht ertragen, tatenlos zuzusehen."(30)
5.1 Rationalisierung und Exkulpation von Hitlers Kriegführung
Für die Niederlage,
so wird von Otto Köhler behauptet, mache Schmidt-Carell alleine Hitler
verantwortlich und konkret den Umstand, dass dieser seinen Generälen
die volle Konzentration auf die militärische Einnahme Moskaus ohne
Wenn und Aber verweigert und statt dessen in seiner „Führerweisung“
vom 21.8.1941 noch wirtschaftlich motivierte Ziele habe verfolgen lassen.(31)
Zwar stellt der Autor Paul Carell in seiner Barbarossa-Darstellung immer
wieder die Generäle als Sympathieträger und Gewinner militärischer
Schlachten dem Kriegsverlierer Hitler und dessen Entscheidungen gegenüber,
so auch auf den von Köhler angegebenen Seiten (32), doch im selben
Kapitel wirbt derselbe Paul Carell eben auch um Verständnis für
Hitlers Entscheidung: „Da war sie nun, die Entscheidung. Die Generale
hatten sie immer gefürchtet, aber sie hatten doch alle gehofft, dass
sie nicht kommen würde. Nun war sie ausgesprochen. Man hat diese
Abwendung Hitlers von Moskau oft und gern als eigentliche Fehlentscheidung
des Sommerfeldzuges bezeichnet. Es gibt keinen Beweis für das Gegenteil;
aber ich glaube nicht, dass der Entschluss nach Kiew abzudrehen und der
dadurch bedingte Zeitverlust allein die spätere Tragödie vor
Moskau verschuldete. Eine objektive Betrachtung lässt Hitlers Entscheidung
in vielem als begründet und vernünftig erscheinen.“(33)
Und Carell zitiert Hitlers „messerscharf“ vorgetragene Begründung:
„Meine Generale kennen Clausewitz, aber sie verstehen nichts von
Kriegswirtschaft (...) Wir brauchen das Getreide der Ukraine. Das Industriegebiet
am Donez muss für uns, statt für Stalin arbeiten. Dem Russen
muss die Ölzufuhr aus dem Kaukasus abgeschnitten werden, dann verhungert
seine militärische Kraft.“(34)
Wichtiger als Hitler die Verantwortung für die Kriegsniederlage zu
geben, ist dem Barbarossachronisten die angebliche Überlegenheit
der sowjetischen Spionage und des sowjetischen Kriegsmaterials. Beides
stilisiert er zu der „Schicksalsfrage des Krieges“ hoch, deren
Beantwortung nicht nur die Niederlage Hitlers und seiner Generäle,
sondern auch die anfänglichen Erfolge der Wehrmacht bzw. das Verhalten
Stalins erklären würde:
„Hitlers Geheimnisse lagen offen auf dem Tisch im Kreml, Moskau
hätte also das auf Überraschung aufgebaute ‚Unternehmen
Barbarossa’ in den ersten vierundzwanzig Stunden zur großen
Niederlage Hitlers werden lassen können. Wenn – ja wenn Stalin
die richtigen militärischen Konsequenzen aus seinen Nachrichten gezogen
hätte. Warum tat er es nicht? Um diese Schicksalsfrage des Krieges
beantworten zu können, bedarf es eines kleinen Umweges. Es gilt,
sich erst einer anderen Frage zuzuwenden. Wie war es um die deutsche Spionage
gegen Russland bestellt? Was wusste die deutsche Führung von den
militärischen Geheimnissen der Sowjetunion? Die Antwort ist in zwei
Worten gegeben: Sehr wenig! Der deutsche Geheimdienst war in Russland
nur kümmerlich vertreten. Er wusste nichts von den wichtigen militärischen
Geheimnissen der Russen – sie wussten von uns alles. Sie kannten
unsere Waffen, unsere Garnisonen, unsere Exerzierplätze und unsere
Rüstungsfabriken. Sie kannten genau unsere Panzerproduktion. Sie
hatten klare Vorstellungen über die Zahl unserer Divisionen. Wir
aber schätzten zu Beginn des Krieges die Rote Armee auf 200 Divisionen.
Sechs Wochen nach Kriegsbeginn mussten wir feststellen, dass es bereits
360 waren. Wir hatten keine Ahnung, dass es in Russland überschwere
KW-Panzer oder einen T 34 oder die Salvengeschütze, genannt Stalinorgel,
gab.“(35) Aber Stalin hatte, laut Carell, kein Interesse an einer
Verteidigung, er wartete noch auf den günstigsten Zeitpunkt zum Angriff:
„Ganz offensichtlich passte der gemeldete Angriff Hitlers nicht
in Stalins Konzept. Sein Plan war: Die kapitalistischen und faschistischen
Kampfhähne sollten sich müde fechten. Dann wollte er die Ernte
einfahren. Darauf wartete er. Darauf rüstete er.“(36)
6. Zur Rezeption des Geschichtsbildes Carells
Dass Schmidt-Carells
Kriegsbild den Zeitungen des Springer-Verlages zustimmend vermittelt wurde,
erscheint wenig überraschend. Am 13. Februar 1967 zitierte Otto Köhler
daraus in einem „Spiegel“-Artikel (37):
- "Bild": "In der Eindringlichkeit und Objektivität
seiner Darstellung nicht zu übertreffen."
- "Bild am Sonntag": "Atemberaubend ... könnte kaum
besser geschrieben sein."
- "Welt": "Trägt zum Abbau von "Ressentiments
zwischen Deutschen und Russen bei ... als Historiker qualifiziert".
- "Welt am Sonntag": "Stupendes Quellenmaterial ... Kein
Heldenepos, sondern ...Tatsachenbericht."
- "Hamburger Abendblatt" : "Lebt von der Fülle des
Materials, vom klaren Stil."
- Düsseldorfer "Mittag": "Einer, dem die Ernsthaftigkeit
der Quelle und dem der Dokumentationswert über die Effekthascherei
gehen - das ist Paul Carell!"
- "Berliner Morgenpost": "Große Darstellung ... präzise,
sachliche und spannende Schilderung."
- „BZ“: „Ein packendes Buch. Spannend bis zur letzten
Seite ... neuartige Form populärer Geschichtsdarstellung.“
Zu diesem Zeitpunkt bewertete der „Spiegel“-Kolumnist Köhler
die Lobeshymnen auf Paul Carells „Unternehmen Barbarossa“
als peinlichen Gleichklang ausschließlich der Springer-Presse und
hielt dem Verleger Axel Springer neben einem Verweis auf Paul Karl Schmidts
NS-Vergangenheit, bei dem er auch dessen „Notiz für Herrn Staatssekretär“
vom 27. Mai 1944 zitierte, die Rezension des Historikers Bodo Scheurig
in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ entgegen, nach der
Carells Darstellung des Russlandfeldzuges „(jene) verdummt, die
zu vergessen geneigt sind und (diejenigen) erbittert, die schwer vergessen
können und auf der ganzen Wahrheit bestehen“.(38)
Tatsächlich hatte Köhler damals übersehen (39), dass im
„Spiegel“ selbst schon am 1. Juli 1964 Carells „Unternehmen
Barbarossa“ als „wertvoller Beitrag zu dem Kernproblem unserer
Zeit“ vorgestellt worden war (40), und so schaltete der zum Presseimperium
Axel Springers gehörende Ullstein-Verlag drei Wochen nach der Köhler-Kolumne
eine großformatige Anzeige in Augsteins Nachrichtenmagazin, in der
„Pressestimmen zu Paul Carell“ aus folgenden Zeitungen und
Zeitschriften zitiert wurden: „Die Zeit“, „Rheinische
Post“, „Münchner Merkur“, „Westfälische
Nachrichten“, „Westdeutsche Rundschau“, „Deutschlandfunk“,
„Rheinischer Merkur“, „Das historisch-politische Buch“,
„Der Spiegel“, „The New York Times“ und „The
New York Herald Tribune“.(41) Der Superlativ bei der Bewertung von
Carells Darstellung zum Russlandfeldzug stellte den Normalfall dar, auch
die US-amerikanischen Pressestimmen machten im sich verschärfenden
Kalten Krieg keine Ausnahme. „One of the most ingenious accounts
of a military campaign ever written!“, schrieben die “New
York Times” und “New York Herald Tribune” präzisierte
ihr Lob: “A detailed, altogether gripping description of front-line
fighting ... Few works of fiction based on the Eastern Front contain comparably
vivid descriptions ... Photographic immediacy and impact.”(42) Für
die deutsche “Zeit” schrieb Alexander Rost: „Eindringlicher,
verständnisvoller und vollständiger als in ‚Verbrannte
Erde’ ist das Schicksal dieses Heeres nirgends geschildert worden.
Das Buch bewältigt Vergangenheit.“(43)
Zwei ebenfalls in der Anzeige des Ullstein-Verlages zitierte Rezensionen
sollen näher beleuchtet werden. Zum einen die Besprechung aus dem
wissenschaftlichen Rezensionsjournal „Das historisch-politische
Buch“(44) und die schon angemerkte aus dem „Spiegel“.
Augsteins Nachrichtenmagazin stellte in einem redaktionellen Vorspann
den Rezensenten, General der Artillerie Walter Warlimont, vor: „Während
des Krieges stellvertretender Chef des Wehrmachtführungsstabes. 1948
wurde er im Nürnberger OKW-Prozeß zu lebenslänglichem
Gefängnis verurteilt, 1957 aus der Haft entlassen.“(45) Einleitend
stellt Warlimont ein knappes Jahr nach Erscheinen des „Unternehmens
Barbarossa“ fest: „Das neue Buch Carells über den deutschen
Feldzug in Russland kann mit ähnlich großem Erfolg aufwarten
wie seine Vorgänger ‚Die Wüstenfüchse’(46)
und ‚Sie kommen’(47), Bücher, die inzwischen in aller
Welt verbreitet sind.“(48) Der für den „Spiegel“
rezensierende Ex-Wehrmachtsgeneral zeigt sich mit der Darstellung als
„(Lob-)Preis eines tapferen, opferbereiten und über weite Strecken
überlegenen deutschen Soldatentums“ einverstanden, sieht aber
den eigentlichen „Vorbild“-Charakter von Carells Kriegsdarstellung
in dessen Gegenwartsbedeutung als „wertvollen Beitrag zu dem Kernproblem
unserer Zeit, das auf dem Hintergrund einer weltumspannenden Angst und
Unrast viele politische Denker, am tiefsten bisher wohl einen Raymond
Aron, beschäftigt, nämlich die Anwendung bewaffneter Gewalt
für immer aus dem Register zwischenstaatlicher Beziehungen zu tilgen.
Da jedoch statt dessen bisher noch nichts Besseres ersonnen worden ist
als die Drohung mit der bewaffneten Gewalt und da diese ‚Abschreckung’
glaubhaft sein muss, wenn die ‚Freie Welt’ sich vor dem Kriege
schützen, aber auch vor dem Absinken in die Tyrannei bewahren soll,
will uns ein Soldatentum, wie Carell es schildert, bis auf weiteres als
verpflichtendes Vorbild erscheinen.“(49) Übte der ehemalige
stellvertretende Chef des Wehrmachtsführungsstabes, der für
die Ausarbeitung der verbrecherischen Befehle (50) - des Kommissarbefehls,
der die Ermordung der politischen Kommissare der Roten Armee forderte,
sowie des Kriegsgerichtsbarkeitserlasses, der die sowjetische Zivilbevölkerung
faktisch für vogelfrei erklärte – mitverantwortlich war,
keine Kritik an Carells „Unternehmen Barbarossa“? Doch. Es
genügt ihm nicht, dass der Autor die Ausarbeitung und Durchführung
dieser Befehle mit keinem Wort erwähnt. Er vermisst die alleinige
Abwälzung der Schuld auf Hitler sowie die Darstellung der Gegenwehr
seiner Generäle: „Der Verfasser verwirrt im Gegenteil an vielen
Stellen die Grundlagen und selbst die Begriffe noch weiter, wenn er beispielsweise
neben dem ‚Führer und Obersten Befehlshaber’ das ‚Oberkommando
der Wehrmacht’ (OKW) als eine selbständig wirkende und befehlende
Instanz statt als Hitlers militärischen Stab hinstellt, wenn er die
unermüdlichen Versuche der Generalstäbe der Wehrmacht- und der
Heeresführung, auf Hitlers Entscheidungen einzuwirken, fast gänzlich
unerwähnt lässt und wenn er diese beiden, keineswegs immer miteinander
einigen Stäbe und ihre Verantwortlichkeiten in entscheidenden Situationen
nicht auseinanderhält.“(51)
Das „historisch-politische Buch“, ein anerkanntes wissenschaftliches
Rezensionsjournal, präsentierte als Rezensenten des „Unternehmens
Barbarossa“ Hartwig Pohlmann (52), im „Verzeichnis der Mitarbeiter“
als „Oberst a.D.“ vorgestellt.(53) Carells Buch „liest
(man)“, nach Pohlmann, „in atemloser Spannung und legt es
erschüttert aus der Hand (...) Sorgfältige Forschung und saubere
Geschichtsschreibung verbindet er mit lebendiger, anschaulicher Darstellungskraft
in dem Bemühen, die Wahrheit zu finden. Er verherrlicht nicht den
Krieg, aber er wird Führern und Soldaten, Freund und Feind gerecht
(...) Der Aufbau des Buches in den einzelnen Abschnitten ist sehr übersichtlich,
die großen Linien der einzelnen Feldzüge und Operationen sind
ungemein anschaulich untermalt von Einzeldarstellungen von Kämpfen
an der Front bei Regimentern, Bataillonen bis zu kleinsten Kampfgruppen,
so dass ein sehr breiter Leserkreis angesprochenen wird. Man erkennt hier
den Wert der Divisionsgeschichten für die Geschichtsschreibung. Das
Buch schließt mit der erschütternden Tragödie von Stalingrad.“(54)
Der Rezensent kritisiert, „Mansteins 1. Ladogaschlacht im Spätsommer
1942, die das endgültige Scheitern der Pläne zur Einnahme Leningrads
brachte, hätte mehr als nur einige Zeilen verdient“ und bemängelt,
dass der Autor den Charakter der Wehrmacht nicht defensiv genug dargestellt
habe: „Ferner muss betont werden, dass das Denken der Offiziere
der Reichswehr und der Wehrmacht gegenüber dem Westen (S. 185) niemals
von 1920 bis 39 offensiv, sondern rein defensiv war.“(55)
7. Barbarossa-Chronist,
Berater und Autor Axel Springers
In den späteren
Jahrzehnten erlebten die Kriegsbücher Paul Carells über dessen
Tod 1997 hinaus immer neue Ausgaben und Auflagen: „Unternehmen Barbarossa“
und „Verbrannte Erde“ als Neuausgaben 2002 bei Ullstein, „Die
Wüstenfüchse“ 2003 und „Sie kommen!“ 2004
jeweils im Herbig Verlag.(56) Der prägende Einfluss dieser Darstellungen
auf das Kriegsbild von Millionen Menschen mehrerer Generationen wurde
in beiden sog. „Wehrmachtsausstellungen“, die sich ja explizit
mit den Verbrechen der Wehrmacht und deren öffentlicher wie privater
Rezeption befassen wollten, mit keinem Wort thematisiert.(57)
In dieser Situation wirkte Schmidt, der mit Mahnke schon seit dessen Tagen
als Six-Assistent im Auswärtigen Amt bekannt war und sowohl beim
„Spiegel“ als auch bei „Kristall“(58) zunehmend
enger mit ihm zusammengearbeitet hatte, in folgenden Funktionen für
den Verleger:
- politischer Berater;
- nationaler Redenschreiber;
- historisch-politischer Autor und Sicherheitschef.(59)
Als politischer Berater suchte er während der Großen Koalition
von 1966 bis 1969 zwischen den Ambitionen Axel Springers, der mit dem
Amt des Außenministers liebäugelte und den Befürchtungen
des damaligen Bundeskanzlers Kurt Georg Kiesinger, der ein solches Ansinnen
ob der unberechenbaren Folgen in den Springer-Medien für den Fall
der Ablehnung fürchtete, zu vermitteln. Schmidts Vorschlag an seinen
ehemaligen Kollegen im Auswärtigen Amt und nunmehrigen Bundeskanzler,
Axel Springer „als deutschen Sonderbotschafter nach New York zur
UNO zu schicken, für die Einheit werben zu lassen, leuchtete Kiesinger
ein, wurde aber im Kabinett von Herbert Wehner torpediert“.(60)
Nachdem die CDU-geführte Bundesregierung erstmals in der Geschichte
der Bundesrepublik von einer SPD-geführten Regierung unter Willy
Brandt abgelöst worden war und 1972 Bundestagswahlen anstanden, wurde
Schmidt zusammen mit dem ehemaligen „Revue“-Chefredakteur
Ewald Struwe nach Bonn abgestellt, um „für die CDU/CSU sowie
ihr nahestehende Arbeitsgemeinschaften Anzeigentexte und Wahlempfehlungen
(zu) entwerfen“.(61)
Seinen Verleger begleitete Schmidt nicht auf dessen Israel-Reisen. Axel
Springer hatte als Grundlage sowohl seiner verlegerischen wie auch der
redaktionellen Arbeit in seinem Hause folgende unverrückbare Grundsätze
verfügt: „1. Eintreten für die Wiedervereinigung; 2. Aussöhnung
zwischen Deutschen und Juden; 3. Ablehnung jeglicher Art von politischem
Totalitarismus; 4. Verteidigung der sozialen Marktwirtschaft.“(62)
Schmidts Aufgabe bestand in der Förderung der publizistischen Durchsetzung
des ersten und dritten Grundsatzes, nachdem ja durch das Ende der NS-Herrschaft
in den Augen des Verlegers die volle Konzentration auf die Niederringung
des Kommunismus gelegt werden konnte. Zusammen mit Claus Dieter Nagel
verfasste Schmidt die Entwürfe für Springers nationale Reden,
in deren Zentrum das Thema der deutschen Einheit bzw. der anzustrebenden
Wiedervereinigung stand, so z.B. 1966 die Eröffnungsansprache Axel
Springers „für sein neues Verlagshaus direkt an der Berliner
Mauer“, die dieser „mit dem patriotischen Bekenntnis, das
er aus seiner Schulzeit kannte“, beschloss: „Ich hab mich
ergeben / Mit Herz und Hand / Dir Land voll Lieb und Leben / Mein deutsches
Vaterland.“(63)
Ab Ende der sechziger Jahre bis zu dessen Tod 1985 war Schmidt in erster
Linie für die Sicherheit des Verlegers zuständig.(64) Auf der
Todesliste der terroristischen RAF stand Springer weit oben. Bei einer
Explosion zweier Bomben am Nachmittag des 19. Mai 1972 im dritten und
sechsten Stock des Verlagshauses in der Hamburger Innenstadt wurden siebzehn
Mitarbeiter verletzt. Das „Kommando 2. Juni“ drohte mit weiteren
Terroranschlägen. 1973 wurde von Unbekannten Springers Gästehaus
auf Sylt in Brand gesetzt und 1975 brannte sein Berghaus im Berner Oberland
ab. Die Täter hatten an die Hauswand gesprüht: „Tötet
Springer.“(65) Auf den Verleger selbst wurde nie direkt ein Anschlag
ausgeführt. Axel Springer hatte jedoch nicht nur berechtigte Angst
vor terroristischen Anschlägen gegen seine Person oder Familienangehörige,
sondern noch größere Befürchtungen, die bolschewistische
Sowjetunion könne einen Krieg anfangen und die Rote Armee nach Deutschland
einfallen. Diese Gefahr hielt er für real. Schmidt hatte für
ihn detaillierte Fluchtwege auszuarbeiten und alle Vorkehrungen für
diesen Fall zu treffen.(66)
Der Tod traf Axel Springer oder einen seiner Familienangehörigen
weder durch Terroristen im Innern noch durch die Rote Armee von außen,
sondern im Rahmen einer familiären und persönlichen Katastrophe:
den Suizid Axel Springers jun. am 3. Januar 1980. Er wurde am Morgen dieses
Tages tot auf einer Parkbank an der Hamburger Alster gefunden, nachdem
er sich in die Stirn geschossen hatte: „Die Polizei riet Friede
und Axel Springer davon ab, den Toten zu identifizieren. Der Leichnam
böte ein Bild des Grauens, das Antlitz des Sohnes sei durch den Schuss
in die Stirn entstellt. Die traurige Aufgabe der Identifikation sollte
ein anderer übernehmen.“(67) Dieser „andere“ war
Paul Karl Schmidt. Er hatte schon vorher die Hamburger Polizeiberichte
über die Besonderheiten der letzten 24 Stunden durchgearbeitet und
war dabei auf einen „unbekannten Mann, zwischen 35 und 40, Selbstmord“,
gestoßen: „Er fährt ins Polizeipräsidium und dann
ins Gerichtsmedizinische Institut, identifiziert den Toten als Sohn seines
Verlegers.“(68)
Der Selbstmord des Sohnes traf den Verleger im Kern seiner Identität.
Er litt nun selbst häufiger an Schwermut und suchte nach Aufgaben,
die er noch zu erledigen hatte. Er überlegte, ob er nicht noch entschiedener
für die Wiedervereinigung Deutschlands und gegen den Sozialismus
jenseits der Mauer kämpfen solle. Laut ihrer Biografin Inge Kloepfer
suchte Friede Springer ihren Mann in dieser Hinsicht zu beruhigen: „Du
hast genug getan, du hast gegen den Kommunismus gekämpft. Er ist
unrecht und wird zu Ende gehen.“(69)
7.1 Päventivkriegs-PR für die Bundeswehr in WELT am SONNTAG
vom 21.10.1979
Einen entsprechenden
Anteil an diesem Kampf gegen den Kommunismus auf der publizistischen bzw.
meinungsbildenden Ebene hatte auch Schmidt als politischer Autor des Verlegers.
Zwar verfasste er nicht, wie das von Journalisten häufig nachgefragte
„Munzinger-Archiv“ auch noch in seiner überarbeiteten
Biografie zu Paul K. Schmidt 2003 behauptet, ein „Buch“ mit
dem Titel "Der tabuierte Ernstfall Krieg" (1978)“, mit
dem er sich „an der Diskussion über den drohenden Atomkrieg
und eine Erosion des NATO-Bündnisses (beteiligte)“.(70) Doch
mit Vorträgen und Artikeln hat Schmidt in der Tat seine Position
in diese Diskussion eingebracht. Programmatisch für die publizistische
Aktivität Schmidts steht sein Artikel „Die Rote Erpressung“
im unmittelbaren Vorfeld des Nato-Doppelbeschlusses vom Dezember 1979
zur Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen (71), den er am
21. Oktober 1979 in Axel Springers „Welt am Sonntag“ publizierte.(72)
In einem redaktionellen Vorspann wird der Autor, sein Artikel und dessen
Aktualität vorgestellt: „Zum erstenmal seit der Kuba-Krise
von 1962 wird in der Bundesrepublik Deutschland wieder vom Ernstfall gesprochen
– vom möglichen Krieg. Was wollen die Russen wirklich? Paul
Carell analysiert die sowjetische Strategie. Er, der mit 32 Jahren Gesandter
des Deutschen Reiches war und dessen Bücher eine Auflage von mehreren
Millionen erreichten, ist der bekannteste deutsche Militärschriftsteller.“
Der ehemalige Gesandte beginnt seine Ausführungen mit dem Hinweis
auf ein bestehendes Tabu: „Alte Volksweisheit hat das Wort geprägt:
‚Im Hause des Gehenkten spricht man nicht vom Strick.’ Eine
Tabu-Regel! Nach jedem Krieg triumphiert die Parole: ‚Nie wieder.’
Pazifismus bewegt die Herzen. Pazifismus ist ein legitimes Kind der Niederlage.“
Schmidt-Carell bemüht die Amtsautorität des damaligen Bundespräsidenten
Walter Scheel, der erkannt habe, dass eine „positive Beziehung“
zur Bundeswehr notwendig sei. Er zitiert den Bundespräsidenten: „Die
Bundeswehr kann ihre Funktion nur erfüllen, wenn sie für den
Ernstfall gerüstet ist. Das heißt, wenn wir den Frieden erhalten
wollen, dann müssen wir unsere Soldaten im Hinblick auf einen möglichen
Krieg ausbilden. Der Soldat kann nur den Frieden sichern, wenn er für
den Krieg bereit ist. Der Krieg aber hat mit dem Tode zu tun.“ Der
Autor führt nun aus, wie sehr in unserer Gesellschaft die Erkenntnis
Arnold Gehlens von der „militärische(n) Verteidigung der Lebensansprüche
der Nation als zwingende Existenzäußerung des Menschen“
verloren gegangen sei und auch bei den Überlegungen Scheels keinen
Platz mehr habe.
Erschwerend für die Verteidigungsbereitschaft sei zudem, dass die
Bundeswehr „nur der Form nach ein nationales Instrument“ darstelle:
„Sie ist in die Nato integriert, untersteht im Kriege Nato-Befehl,
und die Nato ist ein uneingeschränktes Verteidigungsbündnis,
ein Notstandsinstrument mit kompliziertem politischem Krisenmanagement,
sogar ohne präzise und zwingende militärische Beistandspflicht
eines jeden Partners.“
Dazu diagnostiziert er eine überzogene Fixierung auf die reine Defensive.
Der Leser der folgenden Zeilen des promovierten Psychologen Dr. Paul K.
Schmidt konnte den Eindruck gewinnen, dass die Deutschen Opfer einer Art
Verteidigungsneurose wurden. Schmidt schreibt: „Wir haben einen
Verteidigungsminister, eine Verteidigungsstrategie. Eine Verteidigungslogistik.
Eine Verteidigungsrüstung mit Verteidigungswaffen – und Verteidigungsweltanschauung.
Wir kennen keine ‚drohende Kriegsgefahr’, sondern nur Spannungsfall;
und im Falle der Kriegsgefahr wird nach erfolgtem Angriff der Verteidigungsfall
verkündet. Nach parlamentarischer Mehrheitsfindung.“
Dieser fast schon pazifistisch anmutenden zwanghaften Verteidigungshaltung
steht nach den gesicherten Erkenntnissen des Militärschriftstellers
der bedingungslose Wille Sowjetrusslands zum Angriff gegenüber: „Nach
unbestreitbar gültiger militärwissenschaftlicher Analyse ist
die sowjetische Militärstrategie geprägt durch ihren Offensivcharakter
und ihren absoluten Feindbegriff, womit sie zur Strategie des Bolschewismus
wird.“ Der „Welt“-Autor bedauert, dass durch die fehlende
Erlaubnis zum Präventivschlag die Initiative dem Gegner, der Roten
Armee, überlassen bleibe: „Unsere strategische Defensiv-Doktrin
schließt ein Konzept aus, das den Präventivschlag gegen die
zum Angriff bereitgestellten feindlichen Verbände vorsieht. Auch
Operationen in das Gebiet des Gegners zu tragen, um Raum für die
Verteidigung zu gewinnen, ist kein erlaubtes Konzept für die Nato.
Der Gegner bestimmt Art, Umfang und Zeitpunkt des Angriffs.“
„Wann wissen wir ganz genau, dass ernste Gefahr droht?“, fragt
Paul Carell. Und er antwortet: „Wer wartet, bis die gegnerische
Absicht klar und zweifelsfrei erkennbar ist, der wird zwangsläufig
dem Überraschungseffekt ausgesetzt. Vorbereitungszeit brauchen wir,
und Vorbereitungszeit werden wir nur haben, wenn rechtzeitig politische
Entscheidungen fallen; auch wenn der letzte Beweis für die gegnerischen
Absichten noch nicht erkennbar besteht. Hier muss das Tabu fallen, das
von der politischen Führung aus Überschätzung des Krisenmanagements
und aus Misstrauen gegen das Militär errichtet worden ist.“
Damit überwindet Paul Karl Schmidt alias Paul Carell das eingangs
seines „Welt“-Artikels zitierte Verlierer-Trauma: „Eine
Tabu-Regel! Nach jedem Krieg triumphiert die Parole: ‚Nie wieder.’“
Er plädiert für die Option, militärische Maßnahmen
gegen die Rote Armee zu ergreifen, „auch wenn der letzte Beweis
für die gegnerischen Absichten noch nicht besteht“. Aus „Nie
wieder Krieg!“ wird das Recht zum Präventivschlag.
Die Bundeswehr sollte von der Präventivkriegsdoktrin der Wehrmacht
1941 lernen. 1995, zwei Jahre vor seinem Tod, spitzte Schmidt-Carell seine
Rechtfertigung des „Unternehmens Barbarossa“ am 22. Juni 1941
als Präventivkrieg in einem „Geleitwort“ für den
revisionistischen Historiker Walter Post zu. Er schreibt: „Die Wehrmacht
schlug früher als erwartet, bereits am 22. Juni, mit voller Wucht
los, mitten in den sowjetischen Offensivaufmarsch, so dass die Rote Armee
in ein Chaos gestürzt wurde.“(73) Der über viele Jahrzehnte
einflussreiche Barbarossa-Chronist und Publizist leugnet die in der Forschung
seit Jahrzehnten nachgewiesenen Fakten zum Charakter des Russlandfeldzuges
als von vornherein geplantem Eroberungs- , Ausbeutungs- und Vernichtungskrieg,
der eben keine präventive Abwehrmaßnahme darstellte. (74)
Anmerkungen:
(1) Benz, Wigbert:
Paul Carell. Ribbentrops Pressechef Paul Karl Schmidt vor und nach 1945.
Berlin 2005.
(2) Vgl. ebd., S. 88 ff.
(3) Vernehmungsprotokoll vom 23. März 1965, Ermittlungsverfahren
wegen Mordes, B 162 AR 650 1082, Bundesarchiv Außenstelle Ludwigsburg
(= ehemalige Zentrale Stelle der Landesjustizverwaltungen zur Aufklärung
von NS-Verbrechen), Bl. 25. Das Verfahren wurde am 2.6.1971 eingestellt,
da nach Ablehnung der propagandistischen Vorschläge Schmidts durch
den Reichsbevollmächtigten für Ungarn, Edmund Veesenmayer, „auf
den Vorschlag des Beschuldigten darauf nichts unternommen (wurde)“,
ebd., Bl. 53.
(4) Dr. Horst Mahnke wird erstmals im Impressum der Nr. 18/1960 von Kristall
als Chefredakteur genannt.
(5) In einem Brief v. 14.3.1958 an den Mitarbeiter des SPD-Parteivorstandes
in Bonn, Willi Peters, nennt Fritz Tobias, der Verfasser der Reichstagsbrandserie
des SPIEGEL (1959/60), Paul K. Schmidt als Autor der SPIEGEL-Serie „Ich
bin ein Lump, Herr Staatsanwalt“. Die 9. Folge dieser Serie (DER
SPIEGEL v. 16.1.1957, S. 28-35) behauptet dezidiert die Alleintäterschaft
van der Lubbes beim Reichstagsbrand. Im Impressum dieser SPIEGEL-Ausgabe
werden Paul K. Schmidt als Mitarbeiter und Horst Mahnke, ehemaliger SS-Offizier
und Assistent des SS-Brigadeführers Franz Alfred Six, als verantwortlicher
Redakteur für die Serie genannt. Vgl. dazu ausführlich Benz,
Paul Carell, S. 69-75.
(6) Carell, Paul: Unternehmen Barbarossa. Der Marsch nach Russland. Berlin
- Frankfurt/M. 1963 (jüngste Ausgabe: Berlin – Frankfurt/M.,
Ullstein Verlag, 2002); ders.: Verbrannte Erde. Schlacht zwischen Wolga
und Weichsel. Berlin – Frankfurt/M. 1966 (jüngste Ausgabe:
Berlin – Frankfurt/M., Ullstein Verlag, 2002).
(7) Vgl. Köhler, Otto: Unheimliche Publizisten. Die verdrängte
Macht der Medienmacher. München 1995 (zuerst erschienen unter dem
Titel: Wir Schreibmaschinentäter. Köln 1989), S. 194.
(8) Ebd., S. 198.
(9) Streit, Christian: Keine Kameraden. Die Wehrmacht und die sowjetischen
Kriegsgefangenen 1941-1945. Neuausgabe Bonn 1991, S. 303 f.
(10) Der Verfasser konnte nach gründlicher Lektüre sowohl des
„Unternehmen(s) Barbarossa“ als auch der „Verbrannte(n)
Erde“ keine Textstelle finden, die Verbrechen der Wehrmacht erwähnt.
(11) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 439.
(12) Dieser Buchbestseller basiert auf seiner entsprechenden „Kristall“-Serie
1959, die zur Kündigung von vier Redakteuren dieser Zeitschrift führte,
vgl. Benz, Paul Carell, S. 81-87.
(13) Carell, Paul: Sie kommen! Die Invasion 1944. 17. Auflage der erweiterten
Neuausgabe 1994. Berlin - Frankfurt/M.(Ullstein Verlag) 1997, S. 10 (erste
Ausgabe: Oldenburg, Stalling Verlag, 1960; jüngste Ausgabe: München,
Herbig Verlag, 2004).
(14) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 239 f.
(15) Ebd., S. 240.
(16) Ebd., S. 562, hebt der Autor zwei Dutzend hohe Offiziere, darunter
auch „Oberst a.D. Heinrich Nolte“, als Informanten hervor,
und zwar unter der Überschrift: „Unveröffentlichte Manuskripte,
Studien und Vorträge stellten zur Verfügung“. Auf S. 550
dankte er schon vorher „fast tausend freiwilligen Mitarbeitern“.
Diese Angaben und sein bis ins letzte Regiment reichendes Sachregister
erhöhten die Akzeptanz des mit mehr als angedeutetem Insider-Wissen
aufbereiteten Bandes.
(17) Die dramatischen Höhepunkte im 2. Weltkrieg. 2. Folge. Die Diplomatie
verlor – Vernunft war abgenutzt. Von Paul Karell. In: Kristall 7.
Jg. 1952, H. 26, S. 852. Schmidt ließ sein Pseudonym damals noch
mit „K“ statt „C“ beginnen.
(18) Ebd., S. 854.
(19) Vgl. Scheil, Stefan: Fünf plus Zwei. Die europäischen Nationalstaaten,
die Weltmächte und die vereinte Entfesselung des Zweiten Weltkrieges.
Berlin 2003, S. 44 ff. u. S. 127 ff.
(20) Düsteres September-Gedenken. Der Krieg, in den die Welt „schlitterte“
und der Krieg, den Hitler vom Zaun brach. In: DIE ZEIT v. 2. September
1954, S. 3, von P.C. Holm (= Paul Karl Schmidt); daraus die folgenden
Zitate.
(21) Die dramatischen Höhepunkte im 2. Weltkrieg. 8. Folge. Simowitsch
besiegte Hitler. Von Paul Karell. In: Kristall 8. Jg. 1953, H.6, S. 176
ff. Im Folgenden wird aus diesem Artikel zitiert.
(22) Ebd., S.178.
(23) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 13 f.
(24) Tatsächlich ging die deutsche politische und militärische
Führung aufgrund der Lageberichte der für die Feindaufklärung
zuständigen Abteilung Fremde Heere Ost vom 15. März bis 13.
Juni 1941 von im Wesentlichen defensivem Verhalten der Roten Armee aus.
Zum Forschungsstand vgl. Ueberschär, Gerd. R. / Lev A. Bezymenskij
(Hg.): Der deutsche Angriff auf die Sowjetunion 1941. Die Kontroverse
um die Präventivkriegsthese. Darmstadt 1998. Die Lageberichte sind
dort auf S. 276-280 abgedruckt.
(25) Carell, Paul: Stalingrad. Sieg und Untergang der 6. Armee. Berlin
(Ullstein Verlag) 1992, S.336. (jüngste Ausgabe: München, Herbig
Verlag, 2003). Es müsste statt „21. Juni“ richtig „22.
Juni“ heißen.
(26) In: Signal 15/2 (1. Augustheft 1941), abgedruckt auch in SIGNAL.
Bd.II. 1941/42. Eine kommentierte Auswahl abgeschlossener, völlig
unveränderter Beiträge aus der Propagandazeitschrift der Deutschen
Wehrmacht, S.36 f.; siehe Kapitel III/4.
(27) Carell, Paul: Schlacht um Berlin. In: Kristall. 20. Jg. (1965), H.
9, S. 6-34, Zitat S. 32 ff. – Die Darstellung dieser Schlacht war
in die laufende “Verbrannte-Erde”-Serie eingeschoben: “Paul
Carells Dokumentarserie (sic!, d.Vf.) ‚Verbrannte Erde’, die
in diesem Heft anlässlich des 20. Jahrestages der ‚Schlacht
um Berlin’ unterbrochen worden ist, wird in Heft Nr. 10 über
die Kämpfe vor Leningrad fortgesetzt.“, ebd., S. 34.
(28) Ebd.
(29) Die Front gegen den Bolschewismus – Verbündete, Legionäre
und Freiwilligen-Verbände der Waffen-SS, in: Signal Nr. 23/24 (Dezember-Heft
1942). Abgedruckt in: SIGNAL. Bd.III. 1942/1943. Eine kommentierte Auswahl
abgeschlossener, völlig unveränderter Beiträge aus der
Propagandazeitschrift der Deutschen Wehrmacht, S. 70 ff.
(30) Ebd., S. 72.; zu den dänischen Freiwilligen für den „Kreuzzug
gegen den Bolschewismus“ vgl. auch die Magisterarbeit von Steffen
Werther: Dänische Freiwillige in der Waffen-SS. Berlin 2004, S. 64-83.
(31) Vgl. Köhler, Unheimliche Publizisten, S. 196 ff. Köhler
bezieht sich dabei auf: Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 80-93. Er zitiert
daraus allerdings ohne genaue Angabe nur aus S. 93.
(32) Ebd.
(33) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 89.
(34) Ebd., S. 92.
(35) Carell, Unternehmen Barbarossa, S. 52.
(36) Ebd., S.58. – Carell nimmt hier für sich in Anspruch,
Generalfeldmarschall von Manstein sowie Generaloberst Hoth zum sowjetischen
Aufmarsch befragt zu haben (Manstein: „Man wird der Wahrheit wohl
am nächsten kommen, wenn man den sowjetischen Aufmarsch als einen
‚Aufmarsch für alle Fälle’ bezeichnet.“) und
deutet deren Aussagen so, die Rote Armee sei am 22. Juni 1941 noch nicht,
wohl aber später zum Angriff befähigt und gewillt gewesen.
(37) Köhler, Otto: Wenn Cäsar wüsste. In: DER SPIEGEL 8/1967
(13. Februar 1967), S. 107
(38) Ebd.- Als zweite kritische Stimme zitiert Köhler den „Kölner
Stadtanzeiger“, der in Carells Buch „Verbrannte Erde“
die „Logik der Barbarei“ dargestellt sah.
(39) Vgl. Köhler, Unheimliche Publizisten, S. 164 ff.
(40) Walter Warlimont über Paul Carell: „Unternehmen Barbarossa“.
Nicht Verrat, Hitlers Hybris! In: DER SPIEGEL 27/1964 (1. Juli 1964),
S. 74 f.
(41) Ullstein-Verlagsanzeige: „Darf Anspruch auf größtmögliche
Objektivität erheben“, Münchner Merkur, Pressestimmen
über Paul Carell. In: DER SPIEGEL 11/1967 (6. März 1967), S.
10. Zitiert wurde ausschließlich aus Rezensionen zu den beiden Büchern
Carells zum Russlandfeldzug: „Verbrannte Erde“ (zu diesem
Zeitpunkt vom Verlag als Auflage im „71. Tausend“ angegeben)
und „Unternehmen Barbarossa“ („222. Tausend“).
(42) Ebd.
(43) Ebd.; Rost, Alexander: Das verratene, verlorene Heer – Der
Bericht über den hoffnungslosen Krieg in Russland. In: DIE ZEIT v.
25.11.1966, S. XIII.
(44) Das historisch-politische Buch. Ein Wegweiser durch das Schrifttum.
Hrsg. im Auftrage der Ranke-Gesellschaft Vereinigung für Geschichte
im öffentlichen Leben v. O. Brunner, E. Forsthoff, G. Franz u.a.
12. Jg (1964), S. 148 f. Rezension von Hartwig Pohlmann zu „Unternehmen
Barbarossa“.
(45) DER SPIEGEL v. 1.7.1964, S. 74 (siehe Anm. 40).
(46) Carell Paul: Die Wüstenfüchse. Mit Rommel in Afrika. Hamburg
(Nannen Verlag) 1958 (jüngste Ausgabe: München, Herbig Verlag,
2003).
(47) Ders.: Sie kommen ! Die Invasion der Amerikaner und der Briten in
der Normandie 1944, (Erstausgabe: Oldenburg, Stalling Verlag, 1960; jüngste
Ausgabe: München, Herbig Verlag, 2004).
(48) DER SPIEGEL v. 1.7.1964, S.74 (siehe Anm. 40).
(49) Ebd.
(50) Zu den verbrecherischen Befehlen und Warlimont vgl. Streit, Keine
Kameraden, S. 28-61.
(51) DER SPIEGEL v. 1.7.1964, S. 74f. (siehe Anm. 40). Desweiteren kritisiert
Warlimont an Carells „Unternehmen Barbarossa“ die Überbetonung
der „Gefahr eines sowjetischen Präventivkrieges“ sowie
der kriegsentscheidenden Bedeutung der Feindspionage.
(52) Vgl. die folgenden Bücher dieses Rezensenten: Pohlmann, Hartwig:
Geschichte der 96.Infanterie-Division. Bad Nauheim 1959; ders.: 900 Tage
im Kampf um Leningrad. Bad Nauheim 1962.
(53) Das historisch-politische Buch, 12. Jg (1964), S. 148 f.; Mitarbeiterverzeichnis
S.XVII. – Gründer der Ranke-Gesellschaft und einer der Schriftleiter
des Rezensionsjournals (siehe Anm. 36) war Günther Franz, 1935 Mitarbeiter
im SS-Rasse- und Siedlungshauptamt, 1939 im persönlichen Stab Reichsführer
SS, 1943 SS- Hauptsturmführer, vgl. Klee, Ernst: Das Personenlexikon
zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Frankfurt/M. 2003, S.
161.
(54) Ebd., S. 148.
(55) Das historisch-politische Buch, 12. Jg (1964), S. 148 f.
(56) Auch Carells zuletzt (1992) verfasstes Buch „Stalingrad. Sieg
und Untergang der 6. Armee“ wurde 2003 bei Herbig neu aufgelegt.
(57) Vgl. Heer, Hannes / Naumann, Klaus (Hg.): Vernichtungskrieg. Verbrechen
der Wehrmacht 1941-1944. Hamburg 1995; Hamburger Institut für Sozialforschung.
Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944.
Ausstellungskatalog. Hamburg 2002.
(58) Die Zeitschrift „Kristall“ hatte Anfang 1952 eine Auflage
von ca. 250.000 Exemplaren, vgl. ebd., S. 70. Die als Tatsachenberichte
präsentierten Kriegsserien Paul Carells erbrachten mehr als eine
Verdoppelung der Auflage, vgl. Jürgs, Michael: Der Verleger. Der
Fall Axel Springer. München 2001, S. 319. Der Springer-Konzern bewarb
„Kristall“ zusätzlich auch in der rechtsextremen „Nationalzeitung“.
Für den Zeitraum von 1962 bis 1966 war Springer dort der drittgrößte
Anzeigenkunde, vgl. Müller, Hans Dieter: Der Springer-Konzern. Eine
kritische Studie. München 1968, S. 244. Dennoch musste „Kristall“
1966 eingestellt werden, vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 428.
(59) Vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 72, 234, 313-326.
(60) Ebd., S. 234.
(61) Springer-Redakteure für CDU/CSU. In: Frankfurter Rundschau v.
18.9.1972. In dem Bericht heißt es weiter: „Der SPD-Bundesgeschäftsführer
Holger Börner wies am Wochenende auf die starke Unterstützung
der Barzel-Strauß-Opposition durch die publizistischen Großkonzerne
Bauer und Springer hin.“
(62) Jürgs, Der Verleger, S. 428 f.; vgl. auch Müller, Der Springer-Konzern,
S. 257.
(63) Jürgs, Der Verleger, S. 286 f.; nach Jürgs äußerten
sowohl Claus Dieter Nagel als auch Paul K. Schmidt, dass der Verleger
vom Glauben an das Vaterland in einem religiösen Sinne durchdrungen
war und ihre Redemanuskripte in dieser Hinsicht persönlich bearbeitete.
Dass Springer aufgrund solcher Textstellen wie der oben zitierten von
Kritikern als „Brandenburger Tor“ verspottet wurde, habe ihn
nicht berührt.
(64) Vgl., auch zum Folgenden: Jürgs, Der Verleger, S. 313-331.
(65) Kloepfer, Inge: Friede Springer. Die Biographie. Hamburg 2005, S.
86 f.
(66) Vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 323 ff.
(67) Kloepfer, Friede Springer, S. 105. – Die Autorin äußert
sich im Weiteren nicht, wer diese Aufgabe der Identifizierung übernommen
hat.
(68) Jürgs, Der Verleger, S. 352. Ein Jahr nach dem Tod seines Sohnes
erschien die Schrift: Springer, Axel: An meine Kinder und Kindeskinder.
Privatdruck 1981 (ergänzt 1985). Der Autor für Axel Springers
Privatschrift war Schmidt, vgl. Jürgs, Der Verleger, S. 16.
(69) Kloepfer, Friede Springer, S. 107.
(70) Kurzbiografie Paul K. Schmidt, Munzinger-Archiv GmbH / Internationales
Biographisches Archiv 48/2003 vom 17. November 2003 (lm). – Immerhin
hat der Autor dieser Kurzbiografie und Seniorchef des Archivs, Dr. Ludwig
Munzinger (lm), nach Hinweisen des Verfassers Fehler und Versäumnisse
der früheren Darstellung des Archivs zu Schmidt (angeblicher „Offizier
der Nachrichtentruppe“, der Paul K. Schmidt nie war; fehlende Rezeption
seiner Holocaust PR 1944) sachgerecht korrigiert bzw. ergänzt.
(71) Zur Situation der Bundeswehr in dieser Phase vgl. Bald, Detlef: Die
Bundeswehr. Eine kritische Geschichte 1955–2005. München 2005,
S. 98 ff.
(72) Die Rote Erpressung. Von Paul Carell. In: WELT am SONNTAG Nr.17/1979
v. 21. Oktober 1979. Alle Zitate im Folgenden aus diesem Artikel Paul
K. Schmidts.
(73) Geleitwort Paul Carells, in: Post, Walter: Unternehmen Barbarossa.
Deutsche und sowjetische Angriffspläne 1940/41. Hamburg 1995, S.
10 f.
(74) Zum Forschungsstand und dessen Entwicklung vgl. Rolf-Dieter Müller
/ Gerd. R. Ueberschär: Hitlers Krieg im Osten. Ein Forschungsbericht.
Darmstadt 2000. – Vgl. die Rezension des Verfassers bei HSozKult:
http://hsozkult.geschichte.hu-berlin.de/rezensio/buecher/2000/bewi1100.htm
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