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© Stephanscom.at

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Die neue Pummerin erinnerte am 12. April an den Absturz der alten Glocke 1945.

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Wenn die Pummerin läutet, bleiben die Menschen stehen und lauschen.

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Die große Glocke wiegt 22 Tonnen.

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Augenzeugenbericht über "Stefflbrand"
(12.04.2005) Der spätere "Passionsspiel-Pfarrer", Prälat Kodeischka, war Augenzeuge und hielt die Geschehnisse rund um den Dombrand des Jahres 1945 fest. Die Pummerin erklang am Dienstag zum Gedenken an die Geschehnisse vor 60 Jahren.

Am Wiener Stephansdom wurde am Dienstag, 12. April 2005, um 14.30 Uhr für die Dauer von drei Minuten die Pummerin geläutet, um an das Herabstürzen der Vorgängerglocke ("alte Pummerin") beim Dombrand vor 60 Jahren - am 12. April 1945 um 14.30 Uhr - zu erinnern. Im Gespräch mit "Kathpress" erinnerte Diözesanarchivarin Anne Marie Fenzl daran, dass sie von Prälat Lothar Kodeischka (1905-1994) einen Augenzeugenbericht zum Dombrand erhalten hatte, den sie vor zehn Jahren im "Wiener Diözesanblatt" (Ausgabe 1. Mai 1995) publizierte.

Dieser Bericht Kodeischkas, der in den Jahren 1944/45 Sakristeidirektor von St. Stephan war, sei "selbstverständlich subjektiv gefärbt", so Fenzl: "Von so einem gewaltigen Ereignis gibt es unvermeidlicherweise immer verschiedene und oft gegensätzliche Geschichten". Die Sichtweise Kodeischkas werde aber etwa auch durch jüngste Recherchen von Hugo Portisch bestätigt.

Allein versuchte Kodeischka den Brandherd zu löschen

Als am 11. April 1945 Waffen-SS und Rote Armee einander am Donaukanal gegenüberstanden, war laut Kodeischka die Nachricht aufgetaucht, SS-Einheiten würden einen Gegenstoß über die Augartenbrücke unternehmen. Teile der sowjetischen Artillerie wurden daraufhin vom Stephansplatz abgezogen. Für einige Stunden sei der zentrale Bereich der Innenstadt "ohne Besatzung, welcher Art auch immer" gewesen. Da seien "Banden von Plünderern herumgezogen", berichtete Kodeischka. Sie hätten Feuer in den geplünderten Geschäften gelegt. Es habe Funkenflug und einen starken Südwestwind gegeben, sodass "brennende Fetzen bis hoch über den Südturm wehten". Kodeischka habe am Abend und in der Nacht "immer wieder neue Brandherde entdeckt und löschen können". Er sei allein und ohne Hilfe gewesen.

Mit grauenhaftem Getöse zerschellt

Um Mitternacht habe jedoch das Gerüst auf dem Nordturm Feuer gefangen. Der Glockenstuhl habe zu brennen begonnen, die zweitgrößte Glocke des Doms, die zehn Tonnen schwere "Halbpummerin" im Nordturm, sei in das linke Querhaus gefallen. Dort sei das Wimpassinger Kreuz, eine monumentale toskanische Arbeit des Mittelalters, ein Raub der Flammen geworden. "Ich kann aber bezeugen, dass die ganze Zeit hindurch kein einziger Granattreffer, schon gar nicht eine Brandbombe, den Dom traf - entgegen der sonst oft gehörten Ansicht, die Deutschen hätten den Dom in Brand geschossen", heißt es in dem Kodeischka-Bericht.

Gegen 11.00 Uhr habe das Dach zwischen den Türmen gebrannt. Um 14.30 Uhr sei die Pummerin, mit 20.000 Kilogramm die schwerste Glocke Österreichs, "mit grauenhaftem Getöse" in die Tiefe gesaust und zerschellt.

Der große Brand im Stephansdom

Am Abend hätten alle den Stephansdom verlassen müssen, weil er von den Sowjets zur Kampfzone erklärt worden sei. In der Nacht schien es Kodeischka, dass das Feuer unter Kontrolle sei. Doch da sei am 13. April um 4.15 Uhr "völlig unerwartet die Katastrophe erfolgt": Das Gewölbe stürzte ein. Die Dachbalken setzten das gotische Chorgestühl in Brand, das vollständig verkohlte.
Nicht vom Feuer erfasst wurde der Chorschluss mit dem Chorgestühl von 1647 und der Hochaltar. Doch im November 1947 stürzten die Reste des Chorgewölbes im Friedrichschor ein.
Das Langhaus blieb unbeschädigt. Unwiederbringlich verloren gingen hingegen das "Wimpassinger Kreuz", das Triumphbogen-Kreuz und das gotische Chorgestühl sowie das 1640 von Johann Josef Pock geschaffene kaiserliche Oratorium. Auch die beiden Orgeln von 1720 beziehungsweise 1707 waren verloren.

Prälat Lothar Kodeischka

Augenzeuge Kodeischka starb 1994 nach langer Krankheit im Heim der Salvatorianerinnen in Pitten (Niederösterreich). Er gehörte dem Domkapitel seit 1961 an, 1989 wurde er emeritiert. Von 1961 bis 1969 war er Ordinariatskanzler der Erzdiözese Wien, von 1984 bis 1987 Rektor des Wiener "Hauses der Barmherzigkeit", von 1974 bis 1989 auch Kirchenrektor der Hofburgkapelle.
Seine geistliche Laufbahn hatte Kodeischka 1933 als Domvikar am Stephansdom begonnen, von 1945 bis 1961 war er Pfarrer in Kirchschlag (Niederösterreich). Dort führte er 1950 die Passionsspiele wieder ein. Sie werden mittlerweile im Fünf-Jahres-Rhythmus aufgeführt; in diesem Jahr sind sie wieder zu sehen und starten am 22. Mai.

Radiotipp:

Der Stefflbrand ist am Dienstagabend, 12. April 2005, auch Thema auf Radio Stephansdom. Martin Paul gestaltete die Perspektive mit den Interviewpartnern Annemarie Fenzl und Karl Schubert. Auf 107,3 um 19.00 Uhr.

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Pummerin läutet zum Gedenken an Steffelbrand 1945

(red/KAP)



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