Mesquita 1

Cordoba im muslimisch beherrschten Spanien, Sitz der omajadischen Kalifen,
war nach Konstantinopel im 10. Jahrhundert die bevölkerungsreichste
Stadt Europas. Der Minister Almanzor (gestorben 1002) begann mit dem Ausbau
der dortigen Moschee.

Das 10. Jahrhundert

Zergliederung des Karolingerreichs und äußere Gefahren

Aus dem das christianisierte Kontinentaleuropa umfassenden Karolingerreich der Zeit Karls des Großen und Ludwigs des Frommen waren bis zum Ende des 9. Jahrhunderts fünf Königreiche (regna) hervorgegangen: das westfränkische Reich bis zur Grenze von Schelde, Maas, Saône und Rhône, die Königreiche Hochburgund (um den Genfer See) und Niederburgund (Provence, Arelat), das Königreich Italien (Nord- und Mittelitalien ohne den Kirchenstaat) und das ostfränkische Reich, dem auch Lotharingien, das ehemalige Mittelreich zugehörte und das bis zur slavischen Siedlungsgrenze an Elbe, Saale, Böhmerwald und in Karantanien reichte. In den beiden burgundischen Reichen und im regnum Italien herrschten nicht-karolingische Könige, während das westfränkische Reich seit 893/898 wieder unter der Herrschaft eines Karolingers, Karls des Einfältigen, stand, und auch das ostfränkische Reich von einem karolingischen Königskind, Ludwig "dem Kind", Sohn Arnolfs "regiert" wurde. In allen Teilen des einstigen Großreiches hatten Adelsfamilien, reich an Eigenbesitz (Allod) und Lehen, an Einfluss in Kirche und Öffentlichkeit, mächtige Positionen aufgebaut und traten als Heerführer und Häupter von Adels- und Freienverbänden auf. Den äußeren Gefahren, vor allem den Plünderungen und Heerzügen der verschiedenen normannischen Gruppen hatten sich die karolingischen Könige letztlich nicht gewachsen gezeigt. Immerhin hatten die beiden, noch karolingischen Königen unterstehenden Teilreiche, das westfränkische und das ostfränkische, letztlich weitere Teilungen vermieden und ihre jeweilige Einheit bewahrt. Mit Recht wurde gemutmaßt (B. Kasten), dass die reduzierten königlichen Ressourcen weitere Teilungen nicht mehr zuließen.

Angesichts der Teilungen wurde der Kaisertitel mit der Herrschaft über das regnum Italien verbunden, bedurfte freilich stets der Krönung durch den Papst in Rom. Mit dem Kaisertitel war keine Oberherrschaft über die anderen Teile des Frankenreiches verbunden. Zweimal, unter Arnolf und Lambert von Spoleto (996 bis 998) und wieder unter Ludwig "dem Blinden" von Niederburgund und Berengar (915 bis 924) wurde der Kaisertitel doppelt beansprucht. Mit dem Tod des Königs (und seit 915 Kaiser) Berengar von Italien 924 - sein Rivale Ludwig von Niederburgund starb zwar wohl erst 928, war aber seit seiner Blendung 905 ohne politische Bedeutung - erlosch zunächst das westliche Kaisertum. Schon zur Zeit Berengars entschied der Einfluss stadtrömischer Adelsfamilien über die Einsetzung des Papstes.

Die christlichen Fürsten der Spanischen Mark im Gebiet am südlichen Pyrenäensaum, die die Karolinger seit Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen zu ihrem Herrschaftsraum zählten, waren seit der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts auf sich gestellt. Die christlichen langobardischen Fürsten im südlichen Italien hatten trotz der von Karl dem Großen erzwungenen Treuebindung faktisch immer ihre Selbständigkeit gegenüber dem Frankenreich gewahrt und die eigenständige langobardische Rechtstradition gehütet. Unter den Angriffen und Überfällen der Sarazenen, die - von Nordafrika kommend - seit 830 Sizilien nach und nach ihrer Herrschaft unterworfen hatten, hatte sich das langobardische Fürstentum Benevent der Zeit Karls des Großen freilich in mehrere Fürstentümer aufgegliedert (Benevent, Salerno, Capua, Apulien). Neben diesen trugen die Byzantiner in ihren Restbesitzungen im südlichen Apulien und Kalabrien die Last der Sarazenenabwehr. Zwischen den langobardischen Fürstentümern, aber auch zwischen ihnen und den Byzantinern herrschten wechselnde Bündnisse und Feindschaften.

Seit den neunziger Jahren des 9. Jahrhunderts trat zunächst an der Nordostgrenze Italiens, dann an der gesamten Ostgrenze des ostfränkischen Reiches eine neue Gefahr in Erscheinung, gegen die für die folgenden 30-50 Jahre keine effiziente Gegenwehr gefunden wurde: das Reitervolk der Ungarn. Von den Historiographen der fränkischen Teilreiche wurden sie zunächst als Hunnen und Avaren bezeichnet. Damit wurde ihre Herkunft aus dem Osten assoziiert, ihre Reit- und Kriegskunst, ihr Heidentum und die ihnen zugeschriebene Grausamkeit und Beutegier. In Wahrheit hatten sie mit diesen für Europa seit dem Ende des 5. (Hunnen) bzw. Anfang des 9. Jahrhunderts (Avaren) bedeutungslosen Ethnien nichts zu tun. Bei den Ungarn handelte es sich um ethnisch durchaus nicht einheitliche, aus dem ural-altaischen Raum nach Westen gezogene kämpferische Gruppen; die Magyaren, die der finno-ugrischen Sprachgruppe zugehörten, stellten bei ihnen einen vor allem in der Führung wichtigen Anteil. In kleinen, beweglichen, unabhängig von einander operierenden Reiterkontingenten kämpfend, erregten ihre Ausdauer, ihre Fertigkeit als Bogenschützen, vor allem aber ihre Plünderungen und Brandschatzungen - die letzten waren Mittel, um Verfolgungen zu verhindern - Angst und Schrecken. Weder die norditalienischen Städte, deren Mauern offenbar in schlechtem Zustand waren, noch bewehrte kirchliche Zentren waren vor ihnen sicher.

Die angelsächsischen Könige und der skandinavische Norden

Die erfolgreiche Normannenabwehr des Königs Alfred des Großen aus dem Haus der Könige von Wessex (gest. 899/901) hatte die Vorherrschaft dieses angelsächsischen Königshauses durch Siege über die Dänen 871 und 878 und einen mit ihnen geschlossenen Vertrag (885/86) weiter gefestigt und eine Verlagerung der Normannenangriffe auf den Kontinent bewirkt. An der dänischen Ansiedlung nördlich der Themse änderte das nichts. Die dänischen Siedler brachten auf lange Zeit wirksame eigene Rechtsgewohnheiten mit. Unter Alfreds Sohn Edward (gestorben 924) und dessen Sohn Athelstan (gestorben 939), wurden die Kontakte zum Kontinent durch dynastische Verbindungen intensiviert. Schwestern Athelstans wurden mit dem westfränkischen Karolinger Karl dem Einfältigen, dem mächtigen westfränkischen Adligen Herzog Hugo von Franzien und mit Otto (I.), dem Sohn des ostfränkisch-deutschen Königs Heinrich I., verheiratet. Nach dem noch zu erörternden Sturz des westfränkischen Königs Karl des Einfältigen 923, floh dessen Frau mit dem kleinen Sohn Ludwig an den angelsächsischen Hof ihres Vaters und Bruders. Von dort wurde Ludwig "der Überseeische" 936 mit dem Einverständnis seines Onkels Hugo von Franzien ins Westfrankenreich zurückgerufen und dort als König etabliert. Die Könige Edward und Athelstan festigten ihre Herrschaft gegen neue dänische Angriffe durch Burgenbau und dehnten sie durch erfolgreiche kriegerische Aktionen auch über die mittlerweile stark von Dänen besiedelten Gebiete nördlich der Themse bis zum Humber aus. Athelstan nannte sich "König der Angelsachsen und Dänen" und "König von ganz Britannien". Trotz schnell wechselnder Königsherrschaften infolge früher Todesfälle, trotz des zum Teil jugendlichen Alters der angelsächsischen Könige, trotz dadurch bedingter Hofintrigen konnten die Nachfolger Athelstans im ganzen die Stellung gegenüber den Dä nen bis zum Anfang der neunziger Jahre bewahren. Erst dann setzten neue Skandinaviereinfälle unter geänderten Vorzeichen in England ein.

In der Zwischenzeit war auf dem Kontinent im Seinemündungsbereich ein expandierendes Zentrum skandinavischer Ansiedlung entstanden. Der westfränkische König Karl der Einfältige hatte 911 dem Normannenführer Rollo (norwegischer Herkunft, aber in seiner Gefolgschaft befanden sich viele Dänen) vertraglich diesen Raum überlassen, ihn lehnrechtlich an sich gebunden und ihn und seine Leute zum Christentum verpflichtet. Das so ins Leben gerufene Herzogtum Normandie band die kriegerische Abenteuerlust der Normannen nur allmählich. Die Herzöge erweiterten die ihnen zugestandenen Grenzen nach und nach erheblich. Junge Kämpfer und Neusiedler aus Skandinavien zogen nach. Längerfristig brachte die Schaffung des Herzogtums Normandie jedoch dem westfränkischen Reich und dem Kontinent überhaupt eine Beruhigung. Die christianisierten Krieger des Nordens heirateten westfränkische Frauen; schon die nächste Generation war "französisiert" und in das Westfrankenreich integriert. Lediglich in einem beträchtlichen Teil des nautischen Wortschatzes hat die französische Sprache bis zum heutigen Tag das Erbe der Nordmänner bewahrt.

Die Nordmänner- bzw. Wikingereinfälle (vor allem Dänen) des 9. und frühen 10. Jahrhunderts in England waren Einzelkriegszüge wechselnder Gefolgschaften gewesen. Seit 991 wurden die Wikingereinfälle in England zu dänisch-norwegischen Großexpeditionen unter Anführern königlicher Herkunft.

Im skandinavischen Raum hat sich am frühesten in Dänemark eine Königsherrschaft etablieren können, die sich (bis ins 17. Jahrhundert!) auch über Schonen, Blekinge und Halland (die heute zu Schweden gehören) erstreckte. Die stärkere landschaftliche Untergliederung begünstigte dagegen im späteren Norwegen und Schweden ein längeres Bestehen von zahlreichen Kleinkönigreichen. Das Christentum wurde seit dem 9. Jahrhundert in Dänemark verbreitet. Der Dänenfürst Harald und seine Frau ließen sich 826 im Frankenreich taufen; Ludwig der Fromme und seine Frau Judith waren die Taufpaten. Da Harald sich in Dänemark nicht durchsetzen konnte, traf der Skandinavien-Missionar und Bischof von Hamburg Ansgar bei seinen Missionsreisen dort noch auf zahlreiche Heiden. Für Dänemark ist im 9. Jahrhundert die Herrschaftszersplitterung charakteristisch, die wir im 10. Jahrhundert für Norwegen und Schweden kennen. Vom Ende des 9. Jahrhunderts bis 934 konnten sich in Jütland und Schleswig mit dem wichtigen Handelszentrum Haithabu über drei Generationen schwedische Könige durchsetzen, deren Herrschaft erst durch einen gemeinsamen Kriegszug des ostfränkisch-deutschen Königs Heinrich I. und des dänisch-jütischen Fürsten Gorm beendet wurde. Gorms Sohn und Nachfolger Harald Blauzahn ließ sich taufen und öffnete sein Land der christlichen Mission. Mit Unterstützung des ostfränkisch-deutschen Königs Otto I. entstanden die Bistümer Aarhus, Ripen und Schleswig. Gelegentlich (für die Jahre 973 und 974) sind Tributleistungen des Dänenkönigs gegenüber den Ottonen bezeugt. Die Grenze zwischen Dänemark und dem ostfränkischen Reich bildete seit hochkarolingischer Zeit die Befestigungsanlage des von den Dänen errichteten und instandgehaltenen Danewerk. Erst im Zuge des großen Slavenaufstandes von 983 konnte Harald Blauzahn sein Reich bis zur Eider ausdehnen und die ottonische Vormacht abschütteln.

Haralds Sohn Sven Gabelbart verdrängte 986 den Vater. Der norwegische Fürst, dann König, Olaf Tryggvasson leitete mit einem großen Angriff auf England 991 eine neue Phase von Skandinaviereinfällen im angelsächsischen Königreich ein. Der junge Dänenkönig Sven Gabelbart richtete sein Expansionsbestreben zunächst im Bündnis mit dem Norwegerkönig 994 gegen England, dann gegen den Norwegerkönig im Bündnis mit dem Schwedenkönig. Im Jahr 1000 gewann Sven die Oberherrschaft über Norwegen. 1013 unterlag ihm der angelsächsische König. Die Früchte dieser Eroberungen konnte dann allerdings erst nach Svens Tod (1014) dessen Sohn Knut ernten, der neben den Königsherrschaften in Dänemark und Norwegen 1016 auch die in England übernahm.

Karolingische Tradition und neue Elemente im westfränkischen und ostfränkischen Reich der 1. Hälfte des 10. Jahrhunderts

Die Frage des Übergangs vom (ost)fränkischen zum deutschen Reich (regnum) wurde viel und kontrovers diskutiert; in Frankreich wurden bis in die 1960iger Jahre selbst die westfränkischen Karolinger des 9. Jahrhunderts als "rois de France" verstanden. Wenn ein Einschnitt zwischen dem karolingischen Frankenreich und dem mittelalterlichen Frankreich gesetzt wird, dann aus dynastischer Sicht mit der Ablösung der Karolinger durch die Kapetinger 987.

Verschiedene Aspekte haben in der Diskussion um die Entstehung des mittelalterlichen deutschen Reiches eine Rolle gespielt: der dynastische Abbruch 911, der Beginn einer neuen, nicht mehr fränkischen sondern sächsischen Dynastiebildung 919, die politische Rolle der Stämme östlich des Rheins und ihrer Adelsführer (Herzöge) vor allem aber nicht nur bei der "Wahl" des neuen Königs, die Unteilbarkeit des östlichen (wie westlichen) Reiches, die Verwendung des Begriffes Teutonici als Sammelbezeichnung für die Angehörigen der verschiedenen Stämme östlich des Rheins und damit zusammenhängend die Ablösung des älteren, stets auf die Sprache bezogenen Begriffes theodiscus (Wurzel des Wortes "deutsch"), die Verwendung des Adjektivs Teutonicus in der Reichsbezeichnung (regnum teutonicum) oder in der Königsbezeichnung, die unterschiedliche Gewichtung der Rolle des Königs oder des "Volkes" (also mittelalterlich: des Adels) für Zusammenfügung und Zusammengehörigkeit, die Bedeutung der Wiederaufnahme des Kaisertums durch die Ottonen seit 962 für das Zusammenwachsen der Stämme. Überblickt man alle Faktoren, so überwiegen bis in die 50iger Jahre des 10. Jahrhunderts die Elemente der fränkisch-karolingischen Tradition im West- und Ostreich, während in der 2. Jahrhunderthälfte sich die Konturen des mittelalterlichen Frankreich und Deutschland allmählich deutlicher sondern. Entsprechend wurde in dieser Darstellung unterteilt.

Die karolingischen Nachfolgereiche Hochburgund, Niederburgund und Italien erreichten infolge zahlreicher dynastischer Zufälle und äußerer Einwirkungen nicht die Geschlossenheit des West- und des Ostreiches. Die herausragende Bedeutung der beiden burgundischen Reiche lag in der Zugehörigkeit der Passstraßen über die Westalpen zu ihrem Gebiet. Ihre Herrscher kontrollierten damit teilweise die Verbindung nach Italien. Norditalien, das Kerngebiet des früheren regnum Langobardorum wie des karolingischen regnum Italiae war trotz der Verheerungen der Ungarneinfälle und der politischen Zerrissenheit für Heerzüge und Königsherrschaft wirtschaftlich interessant. Außerdem war in der Tradition seit der Mitte des 9. Jahrhunderts mit der Königsherrschaft in Italien der Anspruch auf das Kaisertum verbunden, wenn es denn gelang, den Papst zur Kaiserkrönung zu bewegen.

Entsprechend dem Untertitel sei das Augenmerk zunächst auf die Elemente der Kontinuität und Diskontinuität im Ostreich gelenkt. Als Arnolfs Sohn Ludwig im Alter von achtzehn Jahren 911 kinderlos starb, gab es im Ostfrankenreich keinen nachfolgefähigen Karolinger mehr. Die Option der adligen Führungsgruppen, sich für den amtierenden westfränkischen Karolinger Karl den Einfältigen als König auszusprechen, wurde nur in Lotharingien realisiert, das geographisch dem Westreich am nächsten und traditionell den Karolingern am stärksten verbunden war; schließlich war es ihr Herkunftsgebiet. Eine weitere Option, nämlich ohne König zu bleiben, zogen die führenden Adligen der Stämme östlich des Rheins offenbar gar nicht in Betracht: sie widersprach wohl zu sehr der in der historischen Tradition (der Karolinger) etablierten politischen Zusammengehörigkeit dieser Stämme. Die äußeren Gefahren mögen ein übriges getan haben, einen übergeordneten König zu wünschen. Die politischen und militärischen Führer der Stämme östlich des Rheins erhoben den Mainfranken Konrad in Forchheim, einer Königspfalz in Ostfranken, zu ihrem König: kein Karolinger aber ein Franke, der in Franken erhoben wurde. Die Traditionselemente sind offensichtlich. Das in den Quellen für die Erhebung gebrauchte Verb eligere, wählen, das für alle Königserhebungen der Folgezeit Standard wird, drückt die aktive Mitwirkung der führenden Adelsgruppen an der Königserhebung aus, unterstreicht, dass nicht einfach Erblichkeit praktiziert wurde (wie bei den Karolingern üblich, wenn auch ergänzt durch Adelskonsens), hat aber nichts mit dem modernen Verständnis von "wählen" im Sinne von auswählen, abstimmen zu tun. Bei der hier 911 etablierten, in archaischen Traditionen wurzelnden mittelalterlichen "Kö nigswahl" handelt es sich um einen komplizierten Vorgang der Meinungsbildung des Führungsadels, der nach Kriterien der Vornehmheit und Eignung schließlich zu einer öffentlichen Benennung und förmlichen Akklamation des neuen "Königs" führte, den man vor allem als Heerführer und obersten Richter akzeptierte.

Konrads kurze Königsherrschaft, er starb Ende 918, war wenig erfolgreich. Er erfocht keinen Sieg gegen die Ungarn und verbrauchte sich in Konflikten mit dem Adel in Mainfranken; vor allem der Herzog Heinrich von Sachsen machte ihm Probleme. Mit den hohen kirchlichen Amtsträgern suchte er in karolingischer Tradition zusammenzuarbeiten. Sein nächster männlicher Verwandter war zum Zeitpunkt seines Todes sein Bruder Eberhard. Nicht auf diesen sondern auf den Sachsenherzog Heinrich, Gegner Konrads zumindest bis 915, fiel nach langen und offenbar schwierigen Verhandlungen im Mai 919 die "Königswahl" der Mainfranken und Sachsen in Fritzlar, also im fränkischen Stammesgebiet aber nahe der Grenze zu Sachsen. Schwaben und Bayern blieben der Wahl fern. Für Bayern habe wir sogar die Nachricht, dass der Herzog Arnulf von seinen bayerischen Stammesgenossen zum König erhoben wurde - fraglich ist, ob nur im regnum Bayern oder im gesamten ostfränkischen Reich. Irgend welche Herrschaftsansprüche außerhalb Bayerns sind für Arnulf in den folgenden Jahren freilich nicht bezeugt. Der sächsische Geschichtsschreiber Widukind von Corvey, der seine Res gestae Saxonicae in einer ersten Fassung 967 fertigstellte und Mathilde, der Tochter Ottos I. und Enkelin Heinrichs I., widmete, berichtet, dass Konrad Heinrich aufgrund seiner fortuna und mores, seiner Begünstigung durch eine höhere Macht und seiner Eignung, zum Nachfolger designiert und durch seinen Bruder Eberhard mit den Insignien der Königswürde ausgestattet habe. Bedenkenlos akzeptieren kann man den (nicht zeitgenössischen) Bericht nicht, da er ein Mosaikstein in Widukinds Konzeption vom durch göttliche und kö nigliche Autorität vorbestimmten Wechsel der Vormacht im Gefüge eines von Franken und Sachsen getragenen Reiches von den ersteren zu den letzteren sein könnte. Widukind bezeugt weiter, dass Heinrich eine ihm angebotene Salbung abgelehnt habe. Die Salbung ist zwar für die Erhebung des ersten karolingischen Königs Pippin ausführlich bezeugt, bei weitem aber nicht für alle karolingischen Königserhebungen des 9. Jahrhunderts.

Die Königserhebung von 919 bedeutete nicht nur eine weitere "Entfrankung" des Ostreiches, sie schuf bis zur Einigung Heinrichs mit den Schwaben und schließlich 921 auch mit Arnulf von Bayern Probleme der Anerkennung für sein Königtum. Trotz der schwierigen Anfänge behielt Heinrich aber von Anfang an Lotharingien und das Westfrankenreich im Auge. Die Anerkennung durch die drei Stammesherzöge östlich des Rheins (außer Sachsen, woher er kam) honorierte er dadurch, dass er ihnen innerhalb ihrer Herzogtümer weitgehend freie Hand ließ. Mit dem Westfrankenkönig Karl dem Einfältigen schloss er 921 einen Vertrag, durch den beide sich gegenseitig als rechtmäßige Könige des ostfränkischen und westfränkischen Reiches anerkannten (noch ist keine Rede vom "deutschen Reich"). Heinrich akzeptierte auch die seit 911 bestehende Herrschaft Karls des Einfältigen über Lotharingien. Der Vertrag steht in der Tradition der amicitia-Bündnisse karolingischer Familienmitglieder des 9. Jahrhunderts und wurde wie dort durch die Zustimmung zahlreicher Großer beider Reiche bekräftigt.

Der Umschwung im Westfrankenreich überrollte auch den Vertrag von 921. Im Zuge eines Aufruhrs wurde 922 Robert von Neustrien gegen Karl den Einfältigen zum König erhoben, ein Jahr später nach Roberts Tod sein Schwiegersohn Rudolf. Karl verlor nicht nur die militärischen Auseinandersetzungen mit beiden, sondern wurde 923 sogar gefangen gesetzt. Seine angelsächsische Frau floh mit dem gemeinsamen Sohn Ludwig nach England. Zwar kam Karl noch einmal kurzfristig frei, doch starb er 929, ohne seine Königsherrschaft wirklich wieder erlangt zu haben. Erst Rudolfs Tod 936 öffnete, zusammen mit der Unterstützung Hugos von Franzien, Karls jungem Sohn Ludwig wieder den Zugang zum Königtum.

Die Wirren im Westfrankenreich begünstigten seit 923 Heinrichs neuerliches Eingreifen in Lotharingien. Er konnte schließlich den führenden Adligen Giselbert für sich gewinnen, der 925 in ein Treueverhältnis zu Kö nig Heinrich trat und 929 Heinrichs Tochter Gerberga heiratete. Mit dem Gewinn Lotharingiens, der sich für das gesamte Mittelalter als dauerhaft erwies, hatte König Heinrich nicht nur das Ostfrankenreich in dem Umfang wiederhergestellt, den es zur Zeit der letzten Karolinger, Arnolf und Ludwig gehabt hatte, sondern vor allem die wichtigen karolingischen Königsgutbezirke um Aachen und Thionville als wirtschaftliche Grundlage seiner Herrschaft in diesem Raum gewonnen. Ohne auf Gegenwehr zu treffen, beanspruchte er in Lotharingien wie in Sachsen und Franken den Kirchenschutz und die Mitsprache bei der Besetzung hoher kirchlicher Stellen. Auch in Schwaben setzte er dies zunehmend durch; als einziger der Herzöge bewahrte der Bayernherzog Arnulf die Kirchenhoheit in seinem Herzogtum.

Bei der Ungarnabwehr war Heinrich zunächst nicht erfolgreich. Die Jahre zwischen 919 und 926 sind durch Ungarneinfälle in verschiedene Regionen des Ostreiches geprägt. Immerhin konnte die Gefangennahme eines vornehmen ungarischen Anführers für Verhandlungen genutzt werden, in denen Heinrich zwar einen Jahrestribut gegenüber den Ungarn zusagen musste, zugleich aber einen Waffenstillstand mit ihnen erreichte. Die gewonnene Ruhezeit nutzte er zur Instandsetzung von Befestigungen und zur Schulung eines größeren Reiterheeres. Die Aufkündigung der Tributzahlungen 932 hatte ein Jahr später den nunmehr erwarteten Einfall der Ungarn zur Folge. Sie konnten bis Thüringen vordringen, wurden dann aber an der Unstrut von Heinrichs sächsischen und thüringischen Kontingenten, denen sich auch Lotharingier und Bayern anschlossen, geschlagen. Zwar war dies keine vernichtende Niederlage der Ungarn, aber doch erstmals ein Sieg des ostfränkischen Herrschers, der dessen Vormachtstellung im ganzen östlichen Reich befestigte. Die Ereignisse seit 925, dem Jahr der Gewinnung Lotharingiens, dokumentieren die immer unangefochtenere Position Heinrichs. 926 suchte ihn König Rudolf II. von Hochburgund in Worms auf und übergab Heinrich gegen Abtretungen südlich von Basel die von Heinrich begehrte Heilige Lanze, einen Reliquienträger der bald zum Heerzeichen wurde. Im Jahr 929 traf Heinrich mit Zustimmung des Hochadels und der hohen Geistlichkeit seines ganzen Reiches wichtige familiäre Regelungen, die zumindest teilweise auch politischen Charakter hatten: seine Frau Mathilde wurde für den Fall seines Todes mit Besitz abgesichert, sein ältester Sohn aus der Ehe mit Mathilde, Otto, wurde offensichtlich als einziger Königssohn für die Nachfolge vorgesehen und mit einer angelsächsischen Königstochter verheiratet, der jüngste Sohn Brun für eine geistliche Laufbahn bestimmt, die älteste Tochter mit dem Herzog Giselbert von Lotharingien verheiratet. Kontakte zwischen König Heinrich und bedeutenden westfränkischen Adligen, dem Grafen von Vermandois und Herzog Hugo von Franzien sind zu 931 bezeugt. 935 kam es infolge der Interventionen Heinrichs in die inner-westfränkischen Auseinandersetzungen um den Einfluss in der Francia zum Treffen der drei Könige Rudolf von Westfranken, Rudolf II. von Burgund und Heinrich in einem Grenzort zwischen Lotharingien und dem Westreich. All dies zeigt, dass Heinrich politisch durchaus noch in den Traditionen des Karolingerreiches dachte und handelte.

Vergleicht man die innere Situation des West- und des Ostreiches in den Jahren zwischen 920 und 935, werden schwerwiegende Unterschiede deutlich: Heinrich gelang der Aufbau einer festeren, sogar schon dynastisch abgesicherten Königsstellung durch eine Kombination von Zusammenarbeit und Gewährenlassen gegenüber den mächtige (Stammes-)Herzögen des Ostreiches. Seine im liudolfingischen Hausgut und im karolingischen Königsgut wurzelnde finanzielle Stellung baute er konsequent aus: durch seine beiden Ehen erwarb er Güter im östlichen Sachsen um Merseburg (1. Ehe) und im Weserland (2. Ehe), er gewann das verbliebene karolingische Königsgut in Lotharingien zurück und besserte seine finanzielle Situation durch die elbslavischen Tribute. Bei den Abwehrkämpfen gegen die Ungarn und bei seinen dynastischen Plänen wurde er durch die Herzöge unterstützt. Im Westfrankenreich dagegen gelang es weder dem Karolinger Karl dem Einfältigen noch seinen Nachfolgern Robert und Rudolf eine starke Königsstellung aufzubauen. Nachdem 911 das Seinemündungsgebiet an die Normannen abgetreten worden war, die im übrigen in den folgenden Jahren die Grenzen ihres Herzogtums Normandie noch erweiterten, wurde die Francia, die zentrale fränkische Königslandschaft seit der Merowingerzeit, der Raum vom Pariser Becken bis Laon, zum Streitpunkt rivalisierender Fürsten. Mit dem Sturz Karls des Einfältigen 922 wurden die Karolinger definitiv aus dem Pariser Becken verdrängt. Die Herzöge von Franzien, die Robertiner oder wie sie später genannt wurden Kapetinger, rivalisierten um die Vorherrschaft in diesem Bereich mit den Fürsten von Neustrien und vor allem den Grafen von Vermandois. Der Hochadel der Loiregrafschaften und des südlichen Westfrankenreich ging ohnehin eigene Wege.

Im Januar 936 starb der westfränkische König Rudolf. Herzog Hugo von Franzien rief den fünfzehnjährigen Karolinger Ludwig (IV.) aus dem angelsächsischen Exil zurück und veranlasste seine Königskrönung, die im Juni 936 in Laon stattfand. Dies war auch ein Schachzug gegen Hugos Rivalen, den Grafen von Vermandois. Der König des Ostreiches Heinrich starb im Juli 936 in Sachsen. Wie er es vorbereitet hatte, wurde sein ältester Sohn aus zweiter Ehe, Otto, von den Herzögen der Stämme des Ostreiches als Nachfolger anerkannt und in ihrer Anwesenheit im August 936 in Aachen gekrönt und gesalbt. Deutlicher als mit der Wahl Aachens zum Ort des hochpolitischen Geschehens konnte der Anspruch des Ostreich-Herrschers auf Lotharingien, die karolingische Kernlandschaft, und auf die karolingische Tradition nicht dokumentiert werden. Die vom Mainzer Erzbischof dominierte kirchliche Handlung machte zugleich deutlich, dass der neue König gewillt war, der Kirche eine wichtige Rolle in seiner Herrschaft einzuräumen.

Das in Aachen demonstrierte Einvernehmen zwischen dem jungen König und den Stammesherzögen, das auch in der Tatsache zum Ausdruck kam, dass diese ihm beim Krönungsmahl die traditionellen Hofdienste, Kämmerer, Truchsess, Marschall und Mundschenk als Ehrenämter leisteten (das heißt für die entsprechenden Funktionen verantwortlich waren, sie aber nicht selbst ausführten), was zugleich ihre Auszeichnung gegenüber den anderen Adligen dokumentierte, hielt nicht lange an. Eberhard von Franken, Bruder des früheren Königs Konrad, und Giselbert von Lotharingien, Schwager Ottos, unternahmen seit 937 einen Aufstand, an dem auch der ältere Halbbruder Ottos und der jüngere Bruder Ottos, Heinrich, Anteil hatten; Konflikte um die Nachfolge im bayerischen Herzogtum kamen hinzu. Die Kämpfe, deren Motive teils Unzufriedenheit der Brüder mit der Nachfolgeregelung, teils Unmut des Adels über die im Vergleich mit dem Vater autoritärere Herrschaftsweise Ottos gewesen sein können, zogen sich bis in die 40iger Jahre hinein. Giselbert, Eberhard und der Halbbruder Ottos starben in ihrem Verlauf. Die definitive Regelung brachte ein prinzipielles Revirement an der Spitze der Stammesherzogtümer: Franken erhielt keinen neuen Herzog mehr, sondern blieb fortan dem König direkt verbunden, in Lotharingien wurde Ottos Schwiegersohn Konrad (der Rote) als Herzog eingesetzt, in Schwaben sein Sohn Liudolf, der mit einer Angehörigen der schwäbischen Herzogsfamilie verheiratet wurde, in Bayern, ebenfalls durch Einheirat in das Herzogshaus abgesichert, der jüngere Bruder des Kö nigs, Heinrich. Alle Herzogspositionen in den Stämmen wurden also wie Ämter durch den König an Familienangehörige vergeben: Otto hoffte offenbar, auf diese Art ihre Loyalität zu sichern.

Die älteste Schwester Ottos Gerberga, nach dem Tod Giselberts von Lothringen verwitwet, wurde sicher nicht ohne Ottos Zustimmung mit dem westfränkischen König Ludwig IV. verheiratet. Eine zweite Schwester, Hadwig, wurde die zweite Frau Hugos von Franzien nach dem Tod von dessen angelsächsischer Gemahlin. An den dynastischen Verbindungen wird deutlich, dass Otto wie sein Vater die westfränkischen Angelegenheiten im Auge behielt. Der Streit zwischen Ludwig IV. und Hugo von Franzien um die Besetzung des Erzbistums Reims wurde auf Einladung Ottos auf einer 948 in Ingelheim tagenden Synode beigelegt: Könige und Kirche beider Reiche hatten sich noch nicht aus der gemeinsamen karolingischen Tradition gelöst. Auch in Burgund, wo 937 König Rudolf II. starb, griff Otto ein, brachte Rudolfs unmündigen Sohn Konrad an seinen Hof, um ihm so die Nachfolge gegen Ansprüche des Königs Hugo von Italien zu sichern. In Italien selbst gewann Otto Anfang der 40iger Jahre Einfluss durch seine Verbindung mit dem Markgrafen Berengar von Ivrea, Opponent gegen die Herrschaft Hugos. Auf die burgundischen und italienischen Ereignisse kommen wir im übernächsten Abschnitt zurück. Die genannten Aktivitäten Ottos zeigen seine Verankerung in den politischen Vorstellungen der Karolingerzeit.

Die Westslaven

Für den Sachsen Heinrich hatten die Vorgänge an der Ostgrenze besonderen Rang. Die kriegerischen Auseinandersetzungen mit mehreren elbslavischen Stämmen führten zu deren Tributpflichtigkeit gegenüber Heinrich. In Böhmen versuchten sowohl König Heinrich als auch der Bayernherzog Arnulf Einfluß zu gewinnen. Der christliche Böhmenherzog Wenzel trat in ein Lehnsverhältnis zu Heinrich; Wenzels Nachfolger aus dem Geschlecht der Przemisliden orientierten sich an diesem Vorbild. Die Lehnsabhängigkeit der böhmischen Herzöge, seit dem Anfang des 13. Jahrhunderts dann Könige, begründete während des ganzen Mittelalters die Zuordnung Böhmens zum Reich (imperium), auch wenn das Land Böhmen slavisch blieb und bis zum 13. Jahrhundert einheimischen slavischen Herzögen unterstand, der ostfränkisch-deutsche König (später Kaiser) dort kein Reichsgut besaß, das Land bei seinen Reisen aussparte und kaum Urkunden für böhmische Empfänger ausstellte. Schon 955 stellten die Böhmen Otto I. Kontingente für die Abwehr des Ungarneinfalls. Das Christentum erhielt erst am Ende der Regierungszeit Ottos I. in Böhmen mit der Einrichtung des Bistums Prag, das der Kirchenprovinz Mainz zugeordnet wurde, eine feste Organisation.

Eine direktere Oberherrschaft über die Elbslaven als Heinrich I. strebte sein Sohn Otto I. an. Die sächsischen Grafen Hermann Billung und Gero nahmen nach karolingischem Vorbild markgräfliche Funktionen wahr. Die Befestigungen im Grenzraum vor allem an der Saale wurden verstärkt, Burgwardbezirke eingerichtet, die Missionierung der Slaven vorangetrieben. Nach Eroberung der slavischen Burgorte Havelberg und Brandenburg wurden hier sowohl sächsische Besatzungen als auch Bischöfe etabliert (948 zuerst bezeugt). Den Plan, den Grenzort Magdeburg zu einem Missionszentrum für den slavischen Siedlungsraum auszubauen, verfolgte Otto seit 937. Er gründete hier zuerst das mit Grundbesitz, Handelsrechten und Anspruch auf Zinszahlungen der Slaven großzügig ausgestattete Mauritius-Kloster, dessen Ausbau zum Erzbistum er seit den 50iger Jahren betrieb. Wegen des Widerstands des Bischofs von Halberstadt, der zugunsten Magdeburgs Besitz abgeben sollte, und des Erzbischofs von Mainz, der das gesamte missionierte Slavenland für seine Kirchenprovinz beanspruchte (wie die Bistümer Havelberg und Brandenburg auch zunächst der Mainzer Kirchenprovinz zugehörten), verzögerte sich die Erhebung Magdeburgs zum Erzbistum, der der Papst zustimmen musste, bis 968. Als das neue Erzbistum, dem als Suffraganbischöfe Havelberg, Brandenburg, Meißen, Merseburg und Zeitz (später nach Naumburg verlegt) zugeordnet wurden, 968 ins Leben trat, hatte sich aber ein grundlegender Wandel im westslavischen Bereich vollzogen: im Gebiet um Warthe (Warta) und Netze (Notec) mit den Herrschaftssitzen Posen (Poznan) und Gnesen (Gniezno) hatte der Fürst Miseco eine mehrere Kleinstämme, deren wichtigster die Polanen waren, übergreifende Herrschaft aufgebaut. Er heiratete eine christliche böhmische Fürstentochter, ließ sich 966 taufen, unterhielt bald enge Beziehungen zu den Päpsten und leitete die Christianisierung der ihm unterstehenden Stämme, die erst später als Polen bezeichnet wurden, ein. Sächsische Missionshilfe nahm er an aber verhinderte die Einbeziehungen Polens in die Kirchenprovinz Magdeburg. Sein Ziel war die kirchliche Selbständigkeit seines Herrschaftsbereiches.

Erst unter Ottos I. Enkel Otto III. und Misecos Sohn Boleslav Chrobry wurde mit Zustimmung von Papst und Kaiser eine eigene polnische Kirchenprovinz mit Zentrum Gnesen/Gniezno (heute Erzbischof von Warschau/Gnesen) und den zugeordneten Suffraganbistümern Breslau/Wroclav in Schlesien, Krakau/Krakow an der oberen Weichsel und Kolberg/Colobrega in Pommern eingerichtet. Der Umfang dieser polnischen Kirchenprovinz umschreibt den durch Eroberungen erheblich erweiterten Herrschaftsbereich Boleslavs. Diese kirchliche Einheit hat über alle politischen Zersplitterungen der folgenden Jahrhunderte den Zusammenhalt Polens gewährleistet. Die enge Bindung dieses Grenzlandes der lateinischen Christenheit an Rom blieb bis in unsere Zeit erhalten.

Die Situation bei den elbslavischen Stämmen änderte sich grundlegend durch ihren großen Aufstand 983, im letzten Regierungsjahr Ottos II. Während die südlichen Elbmarken Meißen, Merseburg und Lausitz vom sächsischen Adel und den Königen mühevoll gehalten werden konnten, gingen die Marken an der mittleren und nördlichen Elbe verloren und mit ihnen die Bischofssitze Havelberg und Brandenburg. Der Anspruch wurde zwar aufrecht erhalten, aber die Bischöfe von Havelberg und Brandenburg residierten bis zur ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts bei Amtsbrüdern im Exil. Die slavischen Stämme dieses Raumes streiften das lästige, mit Zinszahlungen verbundene Christentum ab und verehrten wieder ihre angestammten Gottheiten. Zwischen dem christlichen Sachsen und dem christlichen Polen existierte fortan ein heidnischer elbslavischer Keil, auf den die Sachsen Anspruch erhoben und die polnischen Herzöge ihre Eroberungsabsichten richteten.

Burgund, Italien und die Wiedererrichtung des westlichen Kaisertums

Der Tod des Königs Berengar von Italien im Jahr 924, der als letzter der italienischen Könige der ausgehenden Karolingerzeit 915 vom Papst in Rom zum Kaiser gekrönt worden war, eröffnete heftige Kämpfe um die Nachfolge in der Italienischen Königswürde. Hauptbewerber waren der Graf Hugo von Arles, der für den seit 905 geblendeten karolingischen König Ludwig das Königreich Niederburgund verwaltete, und König Rudolf II. von Hochburgund, dieser im Bündnis mit seinem Schwiegervater, dem Schwabenherzog. Die Kriegshandlungen fanden 926 zunächst durch einen Vertrag ein Ende, mit dem Rudolf Hugo als König von Italien akzeptierte, Hugo dagegen zugunsten Rudolfs auf die Herrschaft in seinem Herkunftsgebiet Niederburgund verzichtete. Zwar haben beide in den folgenden Jahren versucht, diese Lösung wieder umzustürzen; letztlich blieb es jedoch dabei. Die beiden burgundischen Königreiche waren damit unter einer Herrschaft vereinigt. Hugos Stellung als König von Italien blieb im regnum Italien nur schwach verankert; keinesfalls hatte er Chancen, die Kaiserkrönung oder eine Schutzherrschaft über den Kirchenstaat anzustreben, und immer hatte er mit opponierenden Adligen in Norditalien zu kämpfen. Als 937 Rudolf II. von Burgund starb, sah Hugo die Möglichkeit, auf seine (nieder)burgundischen Ansprüche zurückzukommen. Den (unmündigen) burgundischen Königssohn Konrad hatte freilich Otto I. in seine Obhut gebracht; Hugo "sicherte" sich die Damen des Königshauses, die Königin-Witwe Berta und deren Tochter Adelheid. Selbst verwitwet, vollzog er die Ehe mit Berta und verlobte Adelheid mit seinem Sohn Lothar aus früherer Ehe. Otto I. wahrte in der Folgezeit nicht nur die Interessen des jungen Konrad von Burgund, sondern schuf durch sein Bündnis mit dem Markgrafen Berengar von Ivrea, dem Gegner Hugos, diesem weitere Schwierigkeiten. Der Markgraf von Ivrea kontrollierte die Passstraßen über den Großen und Kleinen St. Bernhard und damit zwei wichtige Verbindungsstraßen zwischen Italien und Burgund. Der Querelen müde, trat Hugo schließlich 947 die Herrschaft an seinen Sohn Lothar ab, der Adelheid heiratete, und starb 948. Als Lothar überraschend 950 starb, seine junge Witwe und eine kleine Tochter hinterließ, setzte Berengar von Ivrea Adelheid gefangen und ließ sich von Anhängern zum König von Italien erheben. Diese Ereignisse und ein Hilferuf Adelheids, die der Gefangenschaft entkommen konnte, waren der Anlass für Ottos I. Italienzug, mit dem er eigenen Operationen des Herzogs Liudolf von Schwaben, seines Sohnes, und des Herzogs Heinrich von Bayern, seines Bruders, zuvorkam. Angesichts des herannahenden Heeres wich Berengar aus Pavia. Otto konnte sich dort mit Unterstützung von norditalienischen Gegnern Berengars 951 zum König von Italien erheben lassen und heiratete - seine erste, angelsächsische Frau war 946 gestorben - Adelheid. Mit dem Papst nahm er zwar Kontakt auf, aber ohne auf einem Romzug zu bestehen. Die Regelung der Stellung Berengars, der ja nur ausgewichen war aber seinen Anspruch nicht aufgegeben hatte, überließ Otto nach seinem Rückzug über die Alpen seinem Schwiegersohn Konrad von Lotharingien, den er in Italien zurückließ.

Mit den Ereignissen von 951 war eine grundsätzlich neue Situation in den karolingischen Nachfolgereichen eingetreten. Ostfränkisches Reich und Italien waren in Ottos I. Hand vereinigt, der außerdem den jungen Kö nig von Burgund in seiner Obhut hielt und dessen Schwester Adelheid geheiratet hatte. Über seine Schwestern hielt Otto Kontakt zum westfränkischen Königshof und zum Herzog von Franzien. Sein Gewicht im Westfrankenreich sollte sich noch verstärken, als Ludwig IV. 954 und Hugo von Franzien 956 kurz nacheinander starben und Ottos Schwestern die Regentschaften für ihre noch unmündigen Söhne übernahmen. Freilich hatten beide auf ihren jeweiligen Adel Rücksicht zu nehmen.

Erscheint Ottos Stellung nach 951 aus dieser Perspektive auch überwältigend, sie barg deutliche Gefahren: Liudolf, der Königssohn aus erster Ehe, sah seine Position durch die neue Ehe des Vaters und die starke Stellung Adelheids verunsichert. Nicht er, sondern sein Onkel Heinrich von Bayern profitierte direkt vom Gewinn des regnum Italien, weil er vom König die Nordostmarken Italiens erhielt, die an Bayern grenzten. Die Vereinbarungen Konrads von Lotharingien mit Berengar fanden nicht sofort die Zustimmung Ottos, so dass Konrad, Ottos Schwiegersohn, sich brüskiert sah. Letztlich erkannte Otto jedoch Berengar als König von Italien in seinem Auftrag, das heißt als eine Art Unterkönig, an. Andere Unzufriedene schlossen sich Liudolf und Konrad an, so dass es noch einmal zu einem großen Aufstand gegen Otto kam, dem erst das Einlenken der Aufständischen unter der Gefahr des Ungarneinfalls von 955 ein Ende setzte. Die Folge war ein erneutes Revirement in den Herzogtümern. Liudolf wurde als Schwabenherzog abgesetzt, und das ältere (mit der Königin Adelheid verwandte) schwäbische Herzogshaus kam wieder zum Zuge. Liudolf erhielt Kontrollaufgaben gegenüber Berengar in Italien und fiel dort 957. Nicht er sondern der Sohn Ottos und Adelheids sollte die Nachfolge des Vaters antreten. Konrad von Lotharingien fiel 955 im Kampf gegen die Ungarn. Schon vorher hatte Otto Lotharingien seinem zum Geistlichen geweihten, jüngsten Bruder Brun übertragen, der wenig später auch zum Erzbischof von Köln erhoben wurde. Als Inhaber der lotharingischen Herzogsgewalt und als Erzbischof von Köln wahrte Brun in den folgenden Jahren Ottos Interessen gegenüber den beiden Schwestern und Regentinnen im Westreich. Die Gefährdung der Stellung Ottos wurde endgültig durch den großen Ungarnsieg auf dem Lechfeld bei Augsburg beendet, in dessen Folge die fliehenden ungarischen Kontingente verfolgt und teilweise aufgerieben wurden. Große Ungarneinfälle gab es danach nicht mehr. Das Volk wurde sesshaft, begann sich der Mission zu öffnen und die Adelsfamilie der Arpaden baute ihre Führungsstellung aus. Ottos Heer auf dem Lechfeld setzte sich aus allen Stämmen zusammen; auch die Böhmen nahmen teil. Die von Heinrich I. erworbene Heilige Lanze, Träger einer Kreuzreliquie, wurde dem Heer vorangetragen, der Kampf als ein solcher der Christen gegen die Heiden proklamiert. Von Ottos Bekanntheitsgrad im östlichen Europa legt eine 958 bei ihm eintreffende Gesandtschaft der Großfürstin Olga von Kiew Zeugnis ab, die ihn um Entsendung christlicher Missionare bat. Als Verteidiger der Christenheit hatte Otto einen Inhalt der traditionellen Kaiservorstellung erfüllt; der Geschichtsschreiber Widukind von Corvey erzählt, Otto sei nach dem Sieg auf dem Schlachtfeld zum imperator ausgerufen worden.

Die Vorgeschichte der tatsächlichen Kaiserkrönung verlief anders. Berengar hatte sich Adlige Norditaliens zu Feinden gemacht und bedrohte Besitzungen des Kirchenstaates. Der Papst schickte eine Gesandtschaft zu Otto, die ihn um Hilfe bitten sollte. Dieser schlossen sich norditalienische Adlige an. Der zweite Italienzug wurde sorgsam vorbereitet. Adelheid sollte Otto begleiten. Der kleine Sohn aus der zweiten Ehe, Otto (II.) sollte nördlich der Alpen bleiben und wurde mit Zustimmung des Adels zum König erhoben, gekrönt und gesalbt. Der Durchzug durch Norditalien verlief ohne größere Probleme. Berengar zog sich auf eine Festung zurück. Im Februar 962 wurde Otto in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt und gesalbt. In schriftlicher Form bestätigte er in wörtlicher Übernahme der karolingischen Vorlagen dem Papst Umfang und Besitz des Kirchenstaates und sicherte sich nach dem Vorbild von Lothars I. Constitutio Romana (824) Kontrollrechte im Kirchenstaat und einen Treueid des Papstes vor seiner Weihe. Bis 965 blieb Otto in Italien, da Berengar zu unterwerfen war und auch der Papst sich bald gegen Otto wandte. Zu den turbulenten Vorgängen in Rom gehörte die Absetzung des Papstes durch eine von Otto einberufene Synode und die Verstärkung der kaiserlichen Mitwirkung bei der Bestellung des Papstes dadurch, dass Otto schon die Zustimmung des Kaisers zur Wahl des Papstes zur Bedingung machte. Nach 965 gab es in Rom und Norditalien keine gravierenden Probleme mehr. Der dritte Italienzug von 966 bis 972 war durch die Probleme mit Byzanz und das Eingreifen in Süditalien bedingt.

Mit der Wiedererrichtung des westlichen Kaisertums 962 waren für die Ottonen und ihre Nachfolger in Deutschland die Weichen für Jahrhunderte gestellt. Es war ein Kaisertum in karolingischer Tradition, mit dem keine Einwirkungsmöglichkeiten außerhalb der eigenen regna, Deutschland und Norditalien, verbunden waren, das aber einen Dignitätsvorrang brachte und mit dem die Zeitgenossen die Vorstellungen von Schutz über Papst, Stadtrömer und Christenheit in Beziehung setzten. Die Kaiserkrönung musste stets in Rom durch den Papst erfolgen. Das Verhältnis Kaiser-Papst und die Beherrschung des Durchzugslandes Norditalien wurden zu Angelpunkten des Kaisertums. Wie unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen taten sich die byzantinischen Kaiser, die beanspruchten die alleinigen rechtmäßigen Fortsetzer des römischen Kaisertums zu sein, schwer mit der Akzeptanz der Westkaiser. Berührungszonen der Interessengebiete des Ost- und Westkaisers waren Venetien und Süditalien.

Waren mit dem Kaisertum, wie sich schon bei Otto I. zeigte, auch lange Aufenthalte in Italien (von seiner Regierungszeit zwischen 961 bis zu seinem Tod 973 verbrachte Otto 10 Jahre in Italien) und also entsprechende Abwesenheiten aus Deutschland verbunden und barg dies, wie sich längerfristig erweisen sollte, Gefahren für die Stellung des Königs/Kaisers in Deutschland, so ist auf der anderen Seite doch nicht zu verkennen, wie sehr der Dignitätszuwachs die Stellung des Herrschers in Deutschland gerade gegenüber den Stammesherzögen festigte. Die Romzüge wirkten bis in die Stauferzeit auch gemeinschaftsbildend. Nicht zu unterschätzen ist auch der Zugewinn an wirtschaftlicher Basis durch Königsgut und Einnahmen in Italien. Nicht zuletzt stärkte die (manchmal freilich erzwungene) Zusammenarbeit von Kaiser und Papst die Stellung des Herrschers auch gegenüber der Kirche in Deutschland.

Die Regelung der Beziehungen zum Ostkaisertum in Byzanz verlief auf zwei Ebenen: durch eine dynastische Verbindung zwischen dem jungen Otto II., der zum Zweck der Rangerhöhung dafür sogar zu Lebzeiten des Vaters, nämlich 967, in Rom zum Kaiser gekrönt wurde und einer Verwandten des byzantinischen Kaisers, Theophanu, und eine Einigung auf Aufteilung der Interessensphären in Süditalien, wobei die nördlicheren Fürstentümer Benevent und Capua als Einflußbereich Ottos, die südlichen, Salerno und Apulien als Einflussbereich der Byzantiner anerkannt wurden. Venedig entwickelte sich immer mehr zum selbständigen Dukat.

Mesquita 2

Unter den Kalifen Abdarrahman III. (912-961) und al-Hakam II. (961-976)
erreichte die muslimische Herrschaft in Spanien ihren militärischen,
wirtschaftlichen und kulturellen Höhepunkt. Cordoba war Kalifensitz.
Innenaufnahme aus Cordobas Mesquita.

Die karolingischen Nachfolgereiche bis zum Ende des 10. Jahrhunderts

Bis zu seinem Tode 973 war Otto I. aufgrund der dynastischen Beziehungen eine Art Senior gegenüber den anderen karolingischen Nachfolgereichen. Seit 942 ist die Herrschaft Konrads, den Otto I. nach dem Tod des Vaters Rudolf II. 937 an seinen Hof geholt hatte, im Königreich Burgund bezeugt. Konrad starb 993 und hielt über seine Schwester Adelheid enge Beziehungen zum ottonischen Hof. Nachfolger wurde in Burgund sein Sohn Rudolf III. (gestorben 1032). Mit seinen ins Westfrankenreich verheirateten Schwestern und ihren Söhnen, dem Karolinger Lothar und dem Herzog Hugo Capet von Franzien, hielt vor allem Ottos Bruder Brun, Erzbischof von Köln, den Kontakt. Er intervenierte mehrfach im Westreich. Die Bande lockerten sich nach Bruns (965), Gerbergas (969) und Ottos Tod.

Die Nachfolge Ottos II. war zwar gründlich vorbereitet, dennoch erwuchsen dem jungen König/Kaiser Probleme mit seinem Vetter Heinrich ( "dem Zänker") aus der nach Bayern verpflanzten Ottonenlinie. 978 kam es zu einem letzten Konflikt um Lotharingien zwischen dem karolingischen König des Westreiches Lothar und Otto II., den der Kaiser für sich entschied. Die Verselbständigung und stärkere Position Lothars zeigte sich auch darin, dass er 979 seinen Sohn Ludwig von den Großen zum Mitkönig akklamieren lassen konnte. Die letzten drei Jahre seines Lebens, 980 bis 983 bemühte sich Otto II. um eine intensivere Wahrnehmung der Kaiserherrschaft in Italien, griff in Süditalien ein und kämpfte dort ohne Erfolg gegen die Sarazenen. Er starb Ende 983 an der Malaria in Rom und wurde auch dort bestattet. Das schwerwiegendste Ereignis dieser letzten Zeit war der schon erwähnte große Aufstand der Elbslaven.

Zu Pfingsten 983 war der einzige Sohn aus der Ehe Ottos II. mit der Byzantinerin Theophanu, Otto (III.) im Alter von drei Jahren in Verona zum König gewählt worden. Weihnachten 983 erfolgte noch in Unkenntnis des Todes des Vaters (7.12.) seine Krönung und Salbung in Aachen. Die faktische Regentschaft der Mutter Theophanu stieß auf den Widerstand des nächsten männlichen Verwandten, Heinrichs "des Zänkers", aber Theophanu, unterstützt von ihrer Schwiegermutter Adelheid, konnte sich durchsetzen. Nach dem Tod des westfränkischen Königs Lothar 986 folgte ihm sein Sohn Ludwig V. Erst dessen unerwarteter Tod in der Folge eines Jagdunfalls 987 beendete die Herrschaft der Karolinger im Westreich. Herzog Hugo Capet von Franzien wurde von seinen Vasallen und einem Teil des Adels zum König gewählt und in Noyon gekrönt. Sowohl die Regentin Theophanu als auch der Erzbischof von Reims, der wichtigste Kirchenmann des Westreichs, unterstützten das Königtum Hugos.

Mit dem Herzog Hugo Capet von Franzien war der Fürst des Westreiches König geworden, dessen Vorfahren seit Odo 888 in Rivalität zu den westfränkischen Karolingern gestanden hatten. Seine Krondomäne im Raum zwischen Orléans, Paris bis Compiègne war zwar nicht sehr umfangreich (kein Vergleich mit dem Reichs- und Eigengut der Ottonen vor allem in Sachsen, Lotharingien, am Main und Rhein!), aber sie war im Unterschied zum gestreuten Reichsgut im Ostreich ein räumlich geschlossener Komplex in der zentralen Verkehrslandschaft des Pariser Beckens. Zwar gab es in den Loiregrafschaften, in Südfrankreich, dem französischen Burgund, in der Normandie und Bretagne mächtige, sehr selbständige Fürsten. Die politische Ausgangsbasis der Kapetinger war bescheiden. Doch gelang es Hugo Capet noch Ende 987, seinen Sohn Robert vom Reimser Erzbischof in Orléans zum Mitkönig krönen zu lassen. Nach den Vorbildern von 979 und 987 sicherten Mitkö nigskrönungen im 11. Jahrhundert die Erbfolge der Kapetinger.

Die Königserhebung des Sohnes zu Lebzeiten des Vaters und die Mitwirkung des Adels dabei ("Wahl") ist bei Ottonen und Kapetingern kein grundsätzlich unterschiedliches Verfahren und unterscheidet sich auch nicht prinzipiell von dem, was die Karolinger im 9. Jahrhundert taten. Für die weitere Entwicklung wurde jedoch entscheidend, dass in Deutschland die dynastische Folge immer wieder (1002, 1024, 1125) abbrach und dadurch die Hochadligen der Stämme ihr Königswahlrecht bekräftigen konnten, während die Kapetinger bis 1316 stets nachfolgefähige Söhne hatten und die "Wahl" so mehr und mehr zu einer Formalie und seit dem Ende des 12. Jahrhunderts schließlich nicht mehr praktiziert wurde. Die dynastische Lösung von den Karolingern im Ost- und Westreich einerseits und die zunehmende Separierung beider Reiche andererseits lassen es berechtigt erscheinen, seit dem Ende des 10. Jahrhunderts vom mittelalterlichen Frankreich und vom mittelalterlichen Deutschland zu sprechen, auch wenn unter Francia von den Zeitgenossen nicht "Frankreich", sondern der engere Bereich zwischen Orléans, Paris und Laon verstanden wurde, und auch wenn Sachsen, Schwaben, Mainfranken und Bayern sich selbst noch als solche verstanden und nur von außen, von den "Italienern" und Westfranken als Teutonici bezeichnet wurden.

Theophanus Tod im Jahr 991 beendete die faktische Regentschaft nicht, da Otto III. immer noch nicht allein regierungsfähig war. Adelheid trat bis 994 an ihre Stelle; dann nahm der junge König die Angelegenheiten relativ schnell selbst in die Hand. Sorgfältig von sächsischen und einem griechischen Lehrer erzogen, mit den römischen und byzantinischen Kaiservorstellungen vertraut, wie seine Eltern und seine Großmutter für geistige und religiöse Anregungen aufgeschlossen, brach er 996 nach Italien auf, wurde in Norditalien ohne Probleme anerkannt, von den Römern entsprechend den Abmachungen aus der Zeit Ottos I. um einen Personalvorschlag für die Papstneuwahl gebeten und von dem von ihm vorgeschlagenen und von den Römern gewählten Papst in Rom zum Kaiser gekrönt. Wenn auch durch neuere Veröffentlichungen (K. Görich, G. Althoff) die Quellengrundlage für die von der älteren Forschung herausgestrichenen Besonderheiten der Kaiserkonzeption Ottos III. kritisch beleuchtet worden sind, so ist doch nicht zu verkennen, dass dieser Kaiser in viel stärkerem Maße als seine Vorgänger die Herrschaftsausübung in Italien und Rom wollte: dies zeigt sich in der umfänglichen Gerichtstätigkeit seiner Beauftragten, in der Errichtung einer Kaiserresidenz in Rom, in dem Verfahren, eigene Vertraute als Päpste vorzuschlagen. Von Teilen des römischen Adels erfuhr der Kaiser Widerstand. Sein unerwartet früher Tod 1002 und der des mit ihm befreundeten und von ihm vorgeschlagenen Papstes Silvester II. 1003 führte zu einem völligen Wandel in Norditalien und Rom: ein Nachfahr Berengars, Arduin von Ivrea, wurde zum König von Italien erhoben, so dass die Verbindung der regna Deutschland und Italien auseinanderzubrechen drohte, und bei den Papstwahlen wurde bis 1046 jeder Einfluss des Kaisers beseitigt.

Die Zeit der drei Ottonen hat einige eindrucksvolle literarische und historiographische Werke aufzuweisen. Erwähnt wurde schon das Geschichtswerk des Widukind von Corvey. Genannt seien zumindest noch die lateinischen Dichtungen der Nonne Hrotsvith von Gandersheim und die Geschichtswerke des Bischofs Liutprand von Cremona einschließlich des Berichts, den er über seine Gesandtschaft zum byzantinischen Kaiser schrieb. Verglichen mit der späten Karolingerzeit ist jedoch das 10. Jahrhundert durch spärliche Schriftlichkeit auch bei Rechtshandlungen des Alltags gekennzeichnet. Für das Westreich ist die Reimser Geschichtsschreibung Flodoards und Richers zu nennen, vor allem aber Gerbert von Reims, aus Aurillac im Süden Frankreichs stammend, im christlichen Nordspanien mit den von den Arabern vermittelten mathematischen Kenntnissen der Antike bekannt geworden, Domschullehrer in Reims (wo seine Wahl zum Erzbischof auf unüberwindliche Widerstände stieß), von Otto II. und Otto III. unter ihre Obhut genommen, zum Erzbischof von Ravenna und schließlich 999 zum Papst erhoben (Silvester II.). Die Sammlung seiner Briefe legt Zeugnis ab von seiner klassischen lateinischen Bildung, seinen geistigen und musikalischen Interessen, seinen politischen Implikationen.

Hingewiesen sei zumindest auf die Ansätze zu reformierten klösterlichen Lebensformen, die von einer Reihe von Klöstern Lotharingiens ausgingen, vor allem aber von dem im französischen Burgund 910 vom Herzog Wilhelm I. von Aquitanien gegründeten Kloster Cluny. Unter herausragenden und lange amtierenden Äbten, in enger Verbindung zu den Päpsten, ausgestattet mit einem sich fort entwickelnden besonderen Rechtsstatus, der den Zugriff laikaler Gewalten ausschloss und dem Kloster die Freiheit gab, auch außerhalb der Kirchenprovinz sich einen weihenden Bischof zu wählen, entwickelte sich Cluny infolge vielfacher Förderung auch durch den Adel zu einem angesehenen geistlichen Mittelpunkt. Nach seinem Vorbild reformierte Klöster gab es bald in ganz Frankreich, Nordspanien, Norditalien und schließlich auch in England. In Deutschland wurden die lotharingischen Reformvorbilder rezipiert, nicht die cluniazensische Reform. Die starke Stellung der Bischöfe in Deutschland verhinderte eine Übernahme der cluniazensischen Exemtionsvorstellungen. Im Zusammenhang mit den Ausführungen zur Kirchenreform kommen wir im Kapitel über das 11. Jahrhundert zu diesen Fragen zurück.

Polen und Ungarn

Die politische und kirchliche Entwicklung in Polen zur Zeit der Fürsten Miseco und Boleslav wurde im Abschnitt über die Westslaven behandelt. Im Jahr 1000 unternahm Otto III. eine Pilgerreise nach Gnesen/Gniezno, in deren Verlauf er Boleslav ehrte und Gnesen zum Erzbischofssitz erhoben wurde. Es sei dahin gestellt, ob dies im Zusammenhang mit der Kaiservorstellung Ottos III. stand, etwa im Sinne einer Boleslav übertragenen stellvertretenden Christianisierungsaufgabe. Parallel zu den Vorgängen in Polen wurde auch die politische und kirchliche Situation in Ungarn neu geordnet.

Wie bereits ausgeführt, hörten die Beutezüge der Ungarn nach ihrer Niederlage von 955 allmählich auf. Sie wurden sesshaft und christliche Priester aus Bayern und aus Venedig erreichten erste Missionserfolge. Aus der Gruppe ungarischer Adliger stieg schon gegen Ende der Regierungszeit Ottos I. Geza aus der Familie der Arpaden zur Führungsposition auf. Sein Sohn und Nachfolger Waik ließ sich 996 taufen, nahm den christlichen Namen Stephan an und heiratete eine Tochter des Bayernherzogs Heinrich "des Zänkers"; dies bedeutete eine Versippung mit den Ottonen. 1001 wurde Gran/Esztergom zum Erzbischofssitz erhoben, Haupt von zehn unter Stephan neu entstandenen ungarischen Suffraganbistümern. Papst und Kaiser statteten Stephan mit einer Königskrone aus. Diese Ehrung ging weiter als das, was für Boleslav von Polen ausdrücklich bezeugt ist. Die Ostgrenzen Polens und Ungarns markierten fortan die Ostgrenze der lateinischen Kirche.

Byzanz und die Ostslaven

Serben und Bulgaren waren bereits Ende des 9. Jahrhunderts von Byzanz her für das Christentum gewonnen worden. Zu den noch nicht christlichen Großfürsten von Kiew hatten die byzantinischen Kaiser die Handelsbeziehungen durch Verträge von 911 und 944/45 gesichert. Nach dem Tod ihres Mannes Igor, in dessen Auftrag der Vertrag von 944/45 geschlossen worden war, übernahm dessen Witwe Olga die Regentschaft für ihren noch unmündigen Sohn Svjatoslav. Sie lernte das ostkirchliche Christentum kennen und ließ sich 954/55 taufen. Ihre Bitte an Otto I. um Entsendung christlicher Missionare im Jahr 958 bezweckte vermutlich die Entwicklung der christlichen russischen Kirche in Distanz zum übermächtigen Einfluss von Byzanz. Otto kam Olgas Bitte zwar nach, aber als der von ihm ausgesuchte und sorgfältig vorbereitete Missionar Adalbert 962 schließlich in Kiew ankam, hatte Svjatoslav, der ungetauft blieb, die Herrschaft übernommen. Adalbert kehrte enttäuscht nach Deutschland zurück; umsonst waren seine slavischen Sprach- und gewonnenen Landeskenntnisse dennoch nicht: er wurde 968 der erste Erzbischof von Magdeburg. Bei den Ostslaven jedoch setzte sich in den folgenden Jahren die byzantinische Mission durch. Nach Svjatoslavs Tod 973 wurde sein Herrschaftsgebiet zunächst unter seine drei Söhne geteilt. Bruderkämpfe brachen aus, aus denen schließlich Wladimir als Sieger hervorging.

An Wladimir wandte sich der byzantinische Kaiser Basileios II. (976-1025) um Hilfe in dem Krieg der Byzantiner gegen die Bulgaren. Wladimir machte die Gewährung einer byzantinischen Prinzessin als Ehefrau zur Bedingung, entsandte ein Hilfskontingent an Basileios und verlieh seiner Forderung durch einen erfolgreichen Angriff auf das byzantinische Cherson (Krim) Nachdruck. So erreichte er sein Ziel, ließ sich 988/89 taufen und heiratete die Byzantinerin. Wie in allen frühmittelalterlichen Reichen vollzog sich die Christianisierung von oben nach unten, vom Herrscher zum Volk. Seit dem Ende des 10. Jahrhunderts unterstand Kirche und Geistlichkeit des Kiewer Reichs dem Patriarchen von Konstantinopel, und die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Kiewer Fürsten und Byzanz endeten. Dies war die Vorausetzung dafür, dass Kaiser Basileios 990 die Unterwerfung des Bulgarenreiches mit voller Härte in Angriff nehmen konnte. In langen grausamen Kämpfen gelang es ihm schließlich bis 1018 den gesamten Balkan wieder byzantinischer Herrschaft zu unterstellen.

Für das byzantinische Reich war das 10. Jahrhundert geprägt durch die Missionserfolge bei den Ostslaven und zugleich eine Blütezeit der Künste und des Handels. In der zweiten Jahrhunderthälfte hatten die Byzantiner überdies große militärische Erfolge bei der Rückeroberung islamisch beherrschter Gebiete aufzuweisen: Kreta wurde 961, Zypern 965 zurückgewonnen. Gleichzeitig konnten die Byzantiner wieder Kilikien und das nördliche Syrien mit der Patriarchenstadt Antiochia zurückerobern.


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