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Merken   Drucken   14.12.2008, 18:21 Schriftgröße: AAA

Agenda: Staatsanwältin im Krieg

Dossier Sie hat Post-Chef Klaus Zumwinkel verhaften lassen - nun soll kurz vor Beginn des Prozesses Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen strafversetzt werden. Der Steuerfall des Jahres verkommt zu einem Schmierenstück aus Mobbing und Intrigen.
von Jens Brambusch (Hamburg)

Jugenddezernat! Am Dienstagmittag vergangener Woche bricht für die Bochumer Staatsanwältin Margrit Lichtinghagen  eine Welt zusammen. Sie, die leitende Ermittlerin in den Verfahren um die Liechtensteiner Steuersünder, soll nur wenige Wochen vor dem spektakulären Prozessauftakt gegen den ehemaligen Post-Chef Klaus Zumwinkel  von ihren Fällen abgezogen werden. Deutschlands prominenteste Wirtschaftsstaatsanwältin - abgeschoben ins Jugendstrafrecht. Zu einem Zeitpunkt, da die Aufarbeitung der Liechtenstein-Affäre gerade ins Rollen kommt und Hunderte weitere Verfahren anstehen. Was ist da los? Warum opfert die Bochumer Staatsanwaltschaft ihre Dame, bevor das Schachspiel richtig losgeht?

Lichtinghagens Chefs stützen ihre Exekution auf zwei eher schwammige Argumente: "Ungebührliches Verhalten" und Hinterhältigkeit" werfen sie ihrer Staranwältin am Dienstag vor. Die fühlt sich gemobbt und schaltet das Justizministerium in Düsseldorf ein. Die Ministerin konstatiert ein "zerrüttetes Verhältnis" zwischen Lichtinghagen und ihren Chefs - und schlägt am Freitag vor, Lichtinghagen solle mitsamt ihren Fällen zur Staatsanwaltschaft Köln umsiedeln. Eine schallende Ohrfeige für die Bochumer Behördenspitze.

Der Tag, der Margrit Lichtinghagen bekannt machte: Die ...   Der Tag, der Margrit Lichtinghagen bekannt machte: Die Staatsanwältin bei der Verhaftung von Klaus Zumwinkel

Also laden die ihre Geschütze nach. Lichtinghagens Vorgesetzte wollen um jeden Preis verhindern, dass die Staatsanwältin die Liechtensteiner Steuerfälle weiter betreut. Die Vorwürfe werden konkreter - und drastischer: Lichtinghagen soll bei Geldzuweisungen gemauschelt haben, verlautet am Freitag aus dem Bochumer Umfeld. Das sichere Karriere-Ende für einen Ermittler - falls die Vorwürfe stimmen.

Die Causa Lichtinghagen ist symptomatisch für das Klima, das in der Behörde herrscht. In der Öffentlichkeit genießt die Schwerpunktabteilung 35 für Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität einen legendären Ruf. "Harte Hunde" werden sie genannt, eine "Mentalität von Großwildjägern" wird ihnen nachgesagt, schnell lande auch mal ein Manager in Untersuchungshaft, um gefügig gemacht zu werden, so die Mär. In Berlin blickt man stolz auf die Staatsanwälte, die bereits Hunderte Millionen Euro in die Staatskassen gespült haben.

Doch der vermeintliche Eindruck trügt, hat mit der Realität schon lange nichts mehr zu tun. Im Haus herrsche "Krieg", sagt einer, der die Zustände bestens kennt. Mobbing, Durchstechereien und ein Kasernenhofton vergiften das Klima in der vermeintlichen Vorzeigebehörde. Hoch qualifizierte Mitarbeiter vegetieren in einer Art künstlichem Koma und ducken sich resigniert weg. Die meisten haben Angst, sind zerbrochen an dem System, das das Haus beherrscht. "Wissen Sie, wie viele hier an der Flasche hängen, weil sie mit dem Mobbing nicht fertig werden?", fragt ein Mitarbeiter. Erwachsene Männer brechen am Telefon in Tränen aus.

"Die letzten großen Fälle hat alle Frau Lichtinghagen an Land gezogen. Sonst war da nichts mehr", sagt ein ehemaliger Staatsanwalt der Behörde. Dass die streitbare Staatsanwältin jetzt abgesägt werden soll, wundert ihn nicht. "In Bochum arbeiten nur noch im Windkanal erprobte Leute. Querdenker werden rausgemobbt."

Ein Sprecher des Justizministeriums in Nordrhein-Westfalen spricht nebulös von "hohen Interessen", die bei solchen Ermittlungen dahinter stehen. "Da wird alles versucht." Bis spätestens Dienstag will das Ressort klären, was hinter den Anschuldigungen gegen Lichtinghagen wirklich steckt.

An persönlichen Animositäten zwischen Lichtinghagen und der Behördenspitze allein kann die versuchte Absetzung nicht liegen. Zu brisant der Fall, zu heikel der Zeitpunkt, zu intelligent die Beteiligten. Kurz vor der Eröffnung des mit Spannung erwarteten Zumwinkel-Prozesses am 22. Januar wäre eine solche Personalentscheidung medialer Selbstmord. Da muss unheimlich Druck hinter sein", sagt ein Steuerfahnder.

Teil 2: Ermittlungen gegen mehrere Firmen

  • Aus der FTD vom 15.12.2008
    © 2008 Financial Times Deutschland
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