Dom in Naumburg
Dom in Naumburg 13. Jh.
Im 13. Jh. setzt sich in ganz Europa der gotische Baustil durch,
für den die Westtürme des Naumburger Domes ein frühes
Beispiel sind. Charakteristisch ist die Brechung der Bögen und die
Längendehnung der Bauelemente.

Das 13. Jahrhundert

Die erste Hälfte des 13. Jahrhunderts brachte für verschiedene Teile Europas entscheidende Einschnitte. Für Deutschland lässt man traditionell mit dem 13. Jahrhundert oder dessen Mitte das Spätmittelalter beginnen. Der dynastische Einschnitt, Ende der staufischen Herrschaft mit dem Tod Friedrichs II. 1250, ist dabei ein rein äußerliches Kriterium. Gravierender sind die internen Veränderungen seit dem Thronstreit 1198-1215. Der deutsche Thronstreit ist von Anfang an mit den kriegerischen Auseindersetzungen zwischen den französischen und englischen Königen verbunden, die mit dem endgültigen Verlust des größten Teils der Festlandbesitzungen und mit der Schwächung des englischen Königtums enden, und den franzö sischen Königen alle Möglichkeiten für die Festigung und den Ausbau ihrer Herrscherstellung geben. Erheblich sind bis zur Mitte des Jahrhunderts die Eroberungserfolge der christlichen Könige auf der iberischen Halbinsel gegen die Mauren, deren Herrschaftsbereich auf den äußersten Süden der Halbinsel reduziert wird. Osteuropa erfährt die Einfälle der Mongolen, die ihre Herrschaft seit 1240 über die verschiedenen russischen Fürstentümer in Form von Tributforderungen und mehr oder weniger starken Eingriffen etablieren. Das Byzantinische Kaiserreich wird durch den sogenannten 4. Kreuzzug auf die beiden Reststaaten im mittleren Kleinasien (Kaiserreich Nikäa) und in Epirus reduziert. In der Hauptstadt Konstantinopel, in den Landstrichen rund um das Marmarameer, in Thrakien, Makedonien und Griechenland etablieren sich lateinische Kreuzfahrerherrschaften. Die Republik Venedig gewinnt die dalmatinische Küste, verschiedene Häfen in Griechenland, Kreta, die meisten Inseln der Ägäis und einen erheblichen Anteil an Konstantinopel. Dies wird die Grundlage der Seeherrschaft Venedigs im östlichen Mittelmeer, die freilich immer wieder von Pisa und vor allem Genua beeinträchtigt wurde. Zwar können die Byzantiner 1261 Konstantinopel zurückerobern, aber dem im Osten Anatoliens seit ca. 1270 einsetzenden Vordringen der osmanischen Türken haben sie keinen nennenswerten Widerstand mehr entgegenzusetzen.

Neben diesen politisch-militärischen Wandlungen verändern seit Beginn des 13. Jahrhunderts wirtschaftliche, soziale, kulturelle und kirchliche Entwicklungen das Leben der Menschen in ganz Europa. Zunahme des Handels, Spezialisierung des Handwerks, Wachstum und steigende Zahl der Städte werden begleitet von neuem Reichtum und jetzt in den Städten deutlicher hervortretenden Führungsschichten, daneben aber auch von einer steigenden Zahl von Armen und Kranken, die ohne den sozialen Rückhalt einer bäuerlichen Familie überleben müssen. Gerade in den Städten wächst die Nachfrage nach sozialen Einrichtungen, Hospitälern, Armenspeisung, Altenversorgung aber auch nach Schulen, da Schrift- und Rechenfähigkeit mehr als zuvor Voraussetzung für wirtschaftliche Tätigkeit werden. Die schriftliche Fixierung der Volkssprache, in Texten des alltäglichen Bedarfs, des Rechts, der Literatur, der Geschichtsschreibung explodiert in allen Ländern Europas. Die Kluft zwischen Armen und Reichen betrifft alle Gesellschaftsschichten, Adel, Klerus und städtische Einwohnerschaften. Der nur über einen kleinen Besitz verfügende pikardische Ritter Robert de Clari beklagt sich in seiner Schrift über die Eroberung Konstantinopels auf dem 4. Kreuzzug, an dem er teilnahm, bitter über die ungleiche Behandlung von reichen und armen Adligen bei der Verteilung der Kriegsbeute. Invektiven gegen den Reichtum des hohen Klerus häufen sich seit dem 12. Jahrhundert; als Gegenbild wird das Ideal der vita apostolica, das Leben in Besitzlosigkeit und mit dem Ziel der Verkündigung, wie es die Apostelgeschichte von den Jüngern Christi schildert, nicht nur formuliert sondern in neu gebildeten Gemeinschaften gelebt, die nicht ohne Mühe und auch nur zum Teil von der institutionellen Kirche akzeptiert werden. Die aus der Armutsbewegung Anfang des 13. Jahrhunderts entstandenen neuen Orden der Franziskaner und Dominikaner entwickeln eine neue, flexible Ordensstruktur, die nicht (wie das ältere Benediktinertum) die Bindung an das Kloster und die Kommunität, sondern die Bindung an den Orden und seinen Auftrag in den Vordergrund stellen. Nicht asketischer Rückzug aus der Welt, sondern asketisch-karitatives oder lehrendes Wirken in der Welt sind ihr Ziel. Besonders die Franziskaner nahmen die dringend notwendigen sozialen Aufgaben in den Städten wahr und Dominikaner stellten die berühmtesten theologischen Köpfe des 13. Jahrhunderts, z. B. Albertus Magnus und Thomas von Aquin. Auch adlige und bürgerliche Laien, zumal Frauen, öffneten sich den Idealen der Armutsbewegung. Das berühmteste Beispiel in Deutschland ist Elisabeth von Thüringen. Aber auch die Anfänge des Beginentums liegen im 13. Jahrhundert.

Grundbesitz als Gradmesser des Reichtums verliert gegenüber Barvermögen und den Gewinnen aus Handel und Gewerbe an Bedeutung. In den Grundherrschaften schreitet die Ablösung von Naturalleistungen und Frondiensten durch Zinszahlungen fort. Auch die Vielzahl der Münzherren fördert die Zunahme ausgemünzten Geldes. Noch immer werden die Produkte des täglichen Bedarfs überwiegend im Nahhandel vertrieben. Das Preisgefüge im Fernhandel ist infolge der Transportkosten und -risiken sowie der zahlreichen zu passierenden Zollstellen unübersichtlich. Die kurzfristig immer wieder eintretende Geldnot einzelner Unternehmer begünstigt das Kreditgewerbe, in dem Juden stark (aber nicht allein) vertreten sind, da ihnen das zünftisch organisierte Handwerk und die Kaufmannsgilden verschlossen sind. Korporative Organisationsformen herrschen im Handwerk wie im Fernhandel vor. Im Handwerk ermöglichen sie Preis- und Qualitätskontrolle und garantieren den einzelnen Betrieben ihr Auskommen. Im Fernhandel minimieren sie das Risiko und vergrößern die Kapitaleinlagen.

Frankreich, England und die iberische Halbinsel

Nach dem Tod Ludwigs VII. geht in Frankreich die Königswürde erstmals in reiner Erbfolge, ohne irgendeine Mitwirkung des Adels in Form einer wie auch immer gearteten "Königswahl", an dessen Sohn Philipp II. "Augustus" (1180-1223) über, bestärkt freilich durch kirchliche Krönung und Salbung. Damit hat sich die Erblichkeit beim kapetingischen Königtum genauso durchgesetzt wie in den französischen Lehnsfürstentümern. Die kluge Nutzung der Krondomäne, deren Ausbau und Reorganisation, sowie die (auch fiskalisch) rigorose Handhabung königlicher Lehnshoheit (mit königlicher Lehnsvormundschaft im Fall von Frauen- und Unmündigen-Erbe und mit Abgaben beim Wechsel des Lehnsträgers) bilden Rückgrat und Basis königlicher Stellung. Die Wahrnehmung königlicher Rechte und die Verwaltung der Krondomäne werden von zunehmender Schriftlichkeit begleitet, die in der königlichen Kanzlei mit konsequenter Registerführung (Registrierung der ausgehenden Schreiben) verbunden ist. Die sorgsam gepflegten Kontakte zu den Päpsten verstärken den sakralen Charakter des französischen Königtums und sein Ansehen als Schützer von Kirche und Christenheit. Gegenläufig sinkt das Ansehen des Kaisertums durch die permanenten Konflikte mit den Päpsten.

In den deutschen Thronstreit nach 1198 schaltet sich Philipp II. von Frankreich konsequent zugunsten der staufischen Kandidaten, erst Philipps von Schwaben, dann Friedrichs II. ein, da das Königtum des Welfen (Otto IV.) von den englischen Königen gestützt wird. Die gegen die königlich-französische Lehnshoheit verstoßenden Eigenmächtigkeiten des englischen Königs Johann ( "Ohne Land") im Fall der Einbehaltung des Herzogtums Bretagne durch Johann nach dem mysteriösen Tod seines Neffen Arthur und im Fall seiner durch den französischen Lehnsherrn nicht genehmigten Eheschließung mit Isabella, der Erbin der Grafschaft Angoulême, nutzt Philipp II. von Frankreich zu gerichtlichem und dann auch militärischem Vorgehen gegen Johann. Bei allen militärischen Aktionen ist das französische Heer erfolgreich, und die Niederlage Johanns besiegelt schließlich 1214 den Verlust aller englischen Festlandlehen bis auf die Gascogne. Diese werden an getreue Anhänger des französischen Königs neu vergeben, wobei Philipp besonders von der Normandie Teile einbehält, die er der Krondomäne zuschlägt. Noch während der Kriege mit dem englischen König beginnt Philipp im Süden die Kämpfe gegen die Katharer/Albigenser, die freilich noch unter seinem Sohn und Nachfolger Ludwig VIII. (1223-1226) sowie während der Regentschaft für seinen Enkel Ludwig IX. (1226-1270) andauern werden. Am Ende dieser mit harter Konsequenz geführten Kriege stand nicht nur die Zerstörung der meisten katharischen Gemeinden (Reste hielten sich in den Pyrenäen bis zum Beginn des 14. Jahrhunderts), sondern auch die Entmachtung und Auswechselung der Adelsschicht in der Provence und im Languedoc. Die Bindung der neuen Feudalherren an die Krone wurde verstärkt. Wirtschaftlicher Wohlstand und kulturelle Blüte des Südens wurden durch die verheerenden Kriege dauerhaft beeinträchtigt. Das Provenzalische (die "langue d'oc"), eine hochentwickelte, eigenständige romanische Sprache, in der u. a. Meisterwerke der Troubadours verfasst worden waren, verlor nach und nach den Charakter einer selbständigen Schriftsprache. Im Süden setzte sich im Verlauf des 13. Jahrhunderts als Schriftsprache die "langue d'oil", die Sprache des Nordens durch. Erst mit dem Regionalismus des 19. Jahrhunderts gewann die als gesprochene Sprache weiter entwickelte "langue d'oc" ihren Schriftsprachencharakter zurück.

Die kulturelle Vorreiterstellung des Königreiches Frankreich spiegelt sich in der großen Zahl volkssprachlicher literarischer Werke, in den vielen gotischen Kirchenbauten, in der herausragenden Rolle der Pariser Universität für die scholastische Theologie.

Ludwig IX. "der Heilige" ist, nachdem er seit Ende der 30iger Jahre die Herrschaftsausübung zunehmend selbständiger übernahm, eine der eindrucksvollsten Herrscherpersönlichkeiten des Mittelalters. Aus tief religiösem Herrscherverständnis sorgte er für die Kontrolle der königlichen Beamten, der "baillis", Beseitigung ihrer Eigenmächtigkeiten und Besserung der Mißstände. Energisch betrieb er die Friedenswahrung und Eingrenzung der Fehde. Das Ansehen des Königtums wurde so gestärkt, dass er, ohne von Adelsrevolten überrascht zu werden, seine beiden Kreuzzüge unternehmen konnte. Wenn sie auch im Hinblick auf ihre Zielsetzung - Wiedergewinnung christlicher Herrschaft im Nahen Osten - erfolglos waren, gaben sie doch noch einmal der französischen Ritterschaft ein gemeinsames religiöses Ziel. Sein Sohn und Nachfolger Philipp III. (1270-1285) fand ein solides Herrschaftsfundament vor, auf dem er die Politik des Vaters fortsetzen konnte.

Neue Ansätze werden unter Philipp IV. "dem Schönen" (1285-1314) deutlich, der in größerem Umfang als seine Vorgänger römisch-rechtlich geschulte Berater heranzieht (u. a. Nogaret). Diese formulieren und vertreten die Vorstellungen vom königlichen Vorrang auch gegenüber den Amtsträgern der französischen Kirche und gegenüber dem Papst Bonifaz VIII. (1294-1303) bis zum offenen Konflikt. Die königlichen Forderungen nach Besteuerung des Klerus und nach königlicher Gerichtshoheit über den Klerus in bestimmten Fällen eskalieren bis zur Gefangennahme des Papstes durch Nogaret. Im Gegenzug formuliert Bonifaz VIII. die päpstlichen Primatsansprüche in schärfster Form.

Hintergrund der Besteuerungsforderungen Philipps IV. war die Wiederaufnahme des Krieges gegen England, bei dem es auch um die Rivalitäten beider Könige um den Einfluss in Flandern ging. Zu seiner Unterstützung berief Philipp IV. erstmals eine Versammlung der Stände (Adel, Geistlichkeit, Vertreter der königlichen Städte) nach Paris. Ständeversammlungen auf Provinzebene gab es schon früher. Das Beispiel dieser ersten Generalstände sollte Schule machen. Der Krieg mit England wurde ohne Veränderung des Status quo aber mit einer zusätzlichen Vereinbarung einer dynastischen Verbindung beendet, die schwerwiegende Folgen haben sollte: Philipps IV. Tochter Isabella heiratete den englischen Kronprinzen, den späteren Eduard II.

Zumindest zwei der großen französischen Lehnsfürstentümer verdienen eine gesonderte Erwähnung, die Grafschaften Champagne und Flandern. Die Bedeutung der Großgrafschaft Champagne ist nicht nur offenkundig in der umfangreichen literarischen Produktion höfischer Ausrichtung seit dem 12. Jahrhundert, in der Rolle ihrer Ritterschaft für die Ausläufer der Kreuzzugsbewegung (Godefroy de Villehardouin, Geschichtsschreiber des 4. Kreuzzugs, und seine Familie), sondern auch in der wirtschaftlichen Geltung der Landschaft als Durchzugsgebiet für den Süd-Nord-Handel von der Lombardei nach Flandern und umgekehrt. Die von den Grafen geschützten vier Handelsmessen der Champagne in Bar-sur-Aube, Lagny, Provins und Troyes, die einander in festem Rythmus über das Jahr ablösten, waren Zentralorte für den Warenaustausch im 13. Jahrhundert. Zu mindestens ebenso großer wirtschaftlicher Bedeutung stieg zur gleichen Zeit die Grafschaft Flandern auf. Mit der Unterstellung der Grafschaft Champagne unter die Kronverwaltung seit König Philipp IV. sank die politische Bedeutung des Fürstentums und die wirtschaftliche Funktion der Champagne-Messen verringerte sich seit Beginn des 14. Jahrhunderts. Die verfeinerte und spezialisierte Verarbeitung der aus England importierten hochwertigen Wolle in den flandrischen Städten, vor allem Gent, Brügge, Ypern, und der Vertrieb der in ganz Europa hochgeschätzten flandrischen Tuche durch die einheimische Kaufmannschaft verhalfen nicht nur einzelnen Familien zu großem Reichtum, sondern transformierten ganz Flandern in eine spezialisierte Gewerbelandschaft, die für die Versorgung ihrer Bevölkerung auf die Zufuhr von Naturalien aus anderen Teilen Europas angewiesen war - z. B. Getreide aus dem Gebiet des deutschen Ritterordens in Preußen. Auch die Grafen von Flandern profitierten über Wege- und Hafenzölle, Münzhoheit und verschiedene Schutzrechte von dem Wirtschaftsaufschwung. Die Grafen von Flandern mit ihrer Ritterschaft und ihren gut ausgebildeten Bogen- und Armbrustschützen spielten für die Ausläufer der Kreuzzugsbewegung eine noch größere Rolle als der Adel der Champagne. Mit Balduin von Flandern stellten sie den ersten Lateinischen Kaiser von Konstantinopel. Die Kaufmannschaften und reichen Zünfte der flandrischen Städte wurden jedoch auch politisch selbstbewußter. Sie setzten den Geldforderungen und Rechtsansprüchen der flandrischen Grafen, die dabei vom französischen König unterstützt wurden, immer mehr auch bewaffneten Widerstand entgegen und fanden dabei Rückhalt beim englischen König, der den Wollhandel protegierte.

In England hatten die Niederlagen des Plantagenet-Königs Johann "Ohne Land" und sein Konflikt mit Papst Innozenz III. um die Besetzung des Erzbischofssitzes von Canterbury Auswirkungen auf das Verhältnis zwischen König, Adel und Kirche. Der Verlust der Festlandlehen traf nicht nur den König sondern auch viele seiner Kronvasallen. Die verlustreichen Kriege hatte Johann mit immer wieder von seinen Lehnsleuten eingeforderten Hilfsgeldern finanziert, und nach dem Debakel von 1214 trat er mit neuen Forderungen an sie heran. Die Folge war ein sich schnell ausbreitender Lehnsaufstand, dem sich auch die Kirche und die reichen Kaufmannschaften vor allem die aus London anschlossen. Eine königliche Burg nach der andern wurde von den Aufständischen gebrochen und der König so in die Enge getrieben, dass er sich schließlich auf die schriftlich fixierten Bedingungen der Aufständischen einließ: die "Magna Carta" von 1215 begrenzte die lehnherrlichen Rechte des Königs, hielt die gerichtlichen Privilegien und Lehnsabgaben der Barone fest, formulierte die Freiheiten bei den Bischofseinsetzungen in der englischen Kirche (der "ecclesia anglicana" ), traf Bestimmungen hinsichtlich eines freien Handels und der Vereinheitlichung von Maßen und Gewichten und garantierte allen Kronvasallen ein Mitspracherecht bei der Entscheidung über königliche Hilfsforderungen. Sie war ein Lehnsvertrag, der nicht prinzipiell neues Recht schuf, und stand in der Tradition der Krönungscartae des 12. Jahrhunderts. Aber dadurch, dass auch die Rechte von Kirche und Bürgertum in ihr garantiert wurden und sie im Laufe des 13. Jahrhunderts bei Thronwechseln von den neuen Herrschern neu beschworen und auch erweitert wurde, vor allem aber dadurch, dass der Rat der Kronvasallen sein Beratungs- und Zustimmungsrecht bei königlichen Finanzforderungen wahrnahm und institutionalisierte, wurde sie zur Grundlage für die Entwicklung Englands in Richtung auf eine durch Adel und schließlich auch Bürgertum kontrollierte Monarchie.

Diese Entwicklung wurde unter dem Sohn und Nachfolger König Johanns, Heinrich III. (1216-1272) durch die Konflikte zwischen dem König und einer Oppositionsgruppe unter Simon de Montfort, Graf von Leicester, Schwager des Königs und dann auch Statthalter in der Gascogne, vorangetrieben. Trotz der Lehnsverluste auf dem Kontinent spielten aus dem Poitou stammende Berater unter Heinrich III. eine große Rolle und weckten beim einheimischen Adel Animositäten gegen die "Ausländer". Die Systematisierung des einheimischen Rechts ("Common Law") durch den Kronrichter Heinrich von Bracton erfolgte unter römisch-rechtlichem und kanonistischem Einfluss; sie stärkte zugleich die Eigenständigkeit und Eigenart des "regnum Angliae" aber auch die oberste Gerichtsbarkeitsfunktion des Königs. Die Anfang des 13. Jahrhunderts nach Pariser Vorbild entstandenen Hohen Schulen (Universitäten) in Oxford und Cambridge förderten die Entwicklung der Gelehrsamkeit und eben auch der Rechtswissenschaft in England. Der aus der Beratungs- und Gerichtsbarkeitspraxis der Hoftage hervorgegangene "Große Rat" benannte seine wichtigeren Sitzungen seit Mitte des 13. Jahrhunderts als "Parliamentum". Die sich gegen Heinrich III. unter Führung von Simon de Montfort formierende Opposition strebte eine Mitsprache der Großen im Parliamentum auch bei der Besetzung der hohen Kronämter an (Provisionen von Oxford 1258). In der Folge wurde jedoch auch deutlich, dass der niedere Adel eigene Interessen innerhalb der Opposition vertrat, die sich damit aufspaltete. 1264/65 kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen dem König und Montfort. Der König wahrte zwar letztlich sein Einsetzungsrecht bei den Kronbeamten, zugleich aber institutionalisierte sich das Parlament, in dem die beiden Gruppen der Lords und der Commons deutlicher erkennbar wurden, wenn sie auch noch nicht voneinander geschieden waren. Der Sohn und Nachfolger Heinrichs III., Eduard I. (1272-1307), berief das Parlament in den stürmischen Anfangsjahren seiner Herrschaft, die noch unter den Erfahrungen der vorangegangenen Konflikte standen, zweimal jährlich ein. Die Rolle der Stadtbürgerschaften und des Landadels (Commons) wuchs infolge ihrer finanziellen Mitspracherechte auf dem Hintergrund der kriegerischen Auseinandersetzungen mit dem französischen König im letzten Jahrzehnt des Jahrhunderts. Das Parlament wurde nicht nur zum Ort der Verkündung der "Statutes", der wichtigen (Reform-)Gesetze Eduards I., sondern stärkte auch das Petitionsrecht von Gemeinschaften und Einzelpersonen. In sogenannte "Parliament Rolls" trugen Juristen die an den König gerichteten Bittschriften ein.

In zwei Feldzügen eroberte Eduard I. 1277 und 1284/85 Wales, setzte 1301 seinen Sohn Eduard (II.) als "Prince of Wales" ein und sicherte das Land durch wehrtechnisch und architektonisch hervorragende Festungsbauten. Der walisische Langbogen, eine Waffe großer Reichweite, deren Einsatz ein gründliches Training erforderte, wurde seit etwa 1300 von den Engländern übernommen. Auch in innerschottische Wirren griff Eduard I. ein. Der Krieg mit Philipp IV. von Frankreich entbrannte in den 90iger Jahren um Interessengegensätze in der Gascogne und in Flandern. Im 1297 geschlossenen Frieden wurde die Ehe zwischen dem Thronfolger Eduard (II.) und einer Tochter Philipps IV. von Frankreich vereinbart, was weitreichende Folgen haben sollte.

Auf der iberischen Halbinsel führte die Reconquista nach dem Zerfall der Almohadenherrschaft in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts zu weiteren Erfolgen der christlichen Königreiche des Nordens. Der größte Teil des landwirtschaftlich fruchtbaren Andalusien (Sevilla wurde 1248 gewonnen) kam bis zur Mitte des Jahrhunderts unter kastilische Herrschaft; nur im äußersten Süden, im Königreich Granada hielten sich die Mauren. In Anknüpfung an die westgotische Herrschaft beanspruchten die Könige von Leon/Kastilien ein christliches "imperium", eine Art Oberherrschaft bis hin zu einer förmlichen Kaiserkrönung Alfons VII. in Leon 1135. Da das kastilische "imperium" aber weder Anerkennung noch Bedeutung gewann, wurde es schon im 12. Jahrundert wieder fallen gelassen. 1219 heiratete der kastilische König Ferdinand III. eine staufische Prinzessin (Tochter Philipps von Schwaben). Das Interesse des aus dieser Ehe hervorgegangenen Sohnes Alfons X. "El Sabio" (1252-1284) am Kaisertum und an der diesem zugrunde liegenden römisch-deutschen Königswürde wurde durch die staufische und die kastilische Kaisertradition geweckt. Nach Kastilien/Leon war das Königreich Aragon, seit ihm Mitte des 12. Jahrhunderts eine dynastische Verbindung die Grafschaft Barcelona (Katalonien) eingebracht hatte, die stärkste politische Macht. Zwar verlor es in den Albigenserkriegen den größten Teil der katalanischen Besitzungen und des katalanischen Einflusses nördlich der Pyrenäen, intensivierte jedoch in der Folge die Reconquista entlang der iberischen Mittelmeerküste und gewann die für den Seehandel wichtigen Hafenstädte und Küstenlandschaften bis Alicante. Auch Ibiza und Mallorca kamen bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts unter aragonesische Herrschaft, während die Mauren sich in Teilen Menorcas noch hundert Jahre länger hielten. Das Interesse der Krone von Aragon am westlichen Mittelmeer war eines der Motive, das Peter III. von Aragon (1276-1285), der mit einer Enkelin des Staufers Friedrich II. verheiratet war, veranlasste, sich in die Auseinandersetzungen um das Staufererbe in Sizilien einzuschalten. Mit dem Gewinn der Insel Sizilien 1282 sicherte das aragonesische Königshaus seine Seeherrschaft im westlichen Mittelmeer.

Das Reich (imperium) und Italien

Der Staufer Heinrich VI., der im September 1197 mit 32 Jahren an einer Malariatherapie verstarb, hat möglicherweise - die Echtheit seines "Testaments" ist ungesichert - noch vor seinem Tod Anweisungen zum Einlenken im Konflikt mit dem Papst gegeben. Sein einziges Kind, der kleine Sohn Friedrich (II.), der zum Zeitpunkt des Todes des Vaters zusammen mit seinem Onkel Philipp, Herzog von Schwaben, auf dem Weg nach Deutschland war, um nach der 1196 erfolgten Königswahl des Kindes die Krönung in Aachen zu empfangen, wurde angesichts der in Norditalien ausbrechenden Unruhen von Philipp zurück nach Sizilien zu seiner Mutter Konstanze geschickt. Konstanze verzichtete im Namen des Kindes alsbald auf die Ansprüche des Sohnes in Deutschland aus der Königswahl und sicherte ihm das ehemalige Normannenreich durch Anerkennung der Lehnshoheit des Papstes. Schon 1198 starb auch Konstanze, nachdem sie den gerade neugewählten, jungen Papst Innozenz III. zum Vormund ihres immer noch im Kindesalter stehenden Sohnes Friedrich bestimmt hatte. Dies war ein eher formaler Akt; faktisch wuchs der junge Friedrich in Sizilien im Spannungsfeld zwischen den rivalisierenden Eliten des Normannenreiches auf, Reichsministerialen und normannischen Baronen, und im politischen Zentrum verschiedener kultureller Gruppen, Christen, Juden, sarazenische Muslime, Fernhandelskaufleute aus Genua, Pisa, Venedig, Kunsthandwerker aus dem byzantinischen Reich.

Philipp von Schwaben hatte zunächst das Königtum seines Neffen Friedrich in Deutschland sichern wollen, wurde aber durch dessen Verzicht auf diese Ansprüche selber zum Exponenten der Stauferanhänger für das neu zu vergebende Königtum in Deutschland. Gegen ihn formierte sich eine niederrheinische Oppsoition unter der Führung des Erzbischofs Adolf von Köln, die schließlich den jüngsten Sohn Heinrichs des Löwen, Otto, für die Königswahl propagierte. Philipp von Schwaben wurde im Frühjahr 1198 von mehreren aufeinanderfolgenden Fürsten- und Ministerialenversammlungen zum König "gewählt", der Welfe Otto im Juni 1198 von den niederrheinischen Fürsten. Der niederrheinische Anhang schaffte es freilich schon im Juli 1198, Otto den Einzug in die Krönungsstadt Aachen zu öffnen. Mit der Krönung des Welfen Otto in Aachen durch Erzbischof Adolf von Köln, war die Welfenpartei den Stauferanhängern ein entscheidendes Stück voraus. Für Otto schlug vor allem die finanzielle Unterstützung durch seinen Onkel, den englischen König Richard I. "Löwenherz", zu Buche. Philipp von Schwaben, der sich im September 1198 in Mainz krönen ließ, hatte dagegen von Anfang an die Unterstützung des französischen Königs Philipp II. August. Der Welfenanhang, später aber auch staufische Anhänger intervenierten beim Papst. Damit wurde der Thronstreit in Deutschland zu einer gesamteuropäischen Angelegenheit. Innozenz III. ließ sich mit seiner Entscheidung Zeit. Er realisierte zunächst die päpstliche Lehnshoheit über das ehemalige Normannenreich und die von den Päpsten in Mittelitalien und in der Romagna gegen die Staufer vertretenen territorialen Herrschaftsansprüche ("Rekuperationen"). Derweil zersplitterte das sogenannte "Mathildische Erbe" in der Toskana und die Städte der Lombardei nahmen ihre Eigenständigkeitsbestrebungen wieder auf. Weder der welfische noch der staufische "König" übten in Nord- und Mittelitalien noch wirkliche Herrschaft aus. In die Verhandlungen mit beiden Parteien brachte der Papst seine Forderung nach Garantie seiner "Rekuperationen" ein. Als der Welfe Otto schließlich dazu bereit war, sprach Innozenz III. an der Jahreswende 1200/1201 seine Anerkennung und die Exkommunikation Philipps von Schwaben aus. In der feierlichen Deklaration ist von den "Rekuperationen" nicht die Rede; die Rechtsgründe, mit denen der kirchenrechtlich geschulte Papst seine Entscheidung rechtfertigte, sind jedoch von großer Bedeutung, da sie Eingang ins Kirchenrecht fanden und damit zur Basis aller päpstlichen Einwirkungesansprüche auf die Königswahl im spätmittelalterlichen Deutschland wurden; außerdem zeichnen sich in den Argumenten Innozenz' III. erste Anzeichen für das entstehende "Kurfürstenkollegium" ab.

Innozenz III. begründete seinen Entscheidungsanspruch bei der Wahl damit, dass der in Deutschland zum König Gewählte zugleich der "imperator futurus" sei. Da der Papst aber den Kaiser kröne, ja das römische Kaisertum seit Karl dem Großen von den "Griechen" auf die westlichen Kaiser übertragen habe ("translatio imperii"), habe er schon gegenüber dem zum imperator futurus gewählten König ein Prü fungsrecht (Approbation). Im übrigen betreffe die Zielsetzung von Kaisertum, nämlich Schutz von Christenheit und Kirche, den Papst. Gegen das Argument der Anhänger Philipps, dieser sei von der Mehrheit der Fürsten gewählt worden, machte Innozenz III. geltend, dass es nicht auf die Anzahl der Wähler ankomme, sondern darauf, ob diejenigen, denen speziell das Wahlrecht zustehe, den Kandidaten gewählt hätten. Der Papst schichtet also die Gruppe der "wahlberechtigten Fürsten" von der Gesamtgruppe der Fürsten ab, ohne allerdings ins Detail zu gehen. Aus dem gesamten Schriftverkehr um den Thronstreit, der in der päpstlichen Kanzlei als "Sonderakte", das sogenannte Thronstreitregister, geführt wurde, geht nur hervor, dass der Papst die Wahlbeteiligung des Kölner und des Mainzer Erzbischofs und wohl auch des rheinischen Pfalzgrafen für unverzichtbar hielt. Nur der Kölner Erzbischof hatte 1198 gewählt (und zwar den Welfen), der Mainzer Erzbischof und der rheinische Pfalzgraf hatten überhaupt nicht gewählt, da sie sich noch auf dem Kreuzzug befanden.

Weder das Eintreten Innozenz' III. für Otto noch die gegen den Staufer Philipp verhängte Exkommunikation zeigten die erhoffte Wirkung. Vielmehr schmolz die Anhängerschaft Ottos, da seit dem Tod des Richard Löwenherz 1199 die englischen Hilfsgelder dünner wurden und schließlich ausblieben. Der Anteil Ottos am welfischen Eigengut um Braunschweig war schmal, und das Reichsgut lag überwiegend in dem vom Staufer beherrschten Südwesten und in der Mitte des Reichs. Philipp geizte weder mit Geschenken aus den ihm verbliebenen Ressourcen noch mit Rechtsverleihungen. Da das Blatt sich wendete, nahm der Papst Verhandlungen mit Philipp auf, der vom französischen König unterstützt wurde. Vor einer Einigung wurde jedoch Philipp von Schwaben 1208 ermordet. Um den als immer belastender empfundenen Streit zu beenden, schloss sich der Stauferanhang daraufhin dem Welfen Otto an. Schon bei den Verhandlungen um die schließlich 1209 durchgeführte Kaiserkrönung Ottos (IV.) wurde dem Papst klar, dass der Welfe kein gefügiges Werkzeug sein würde. Als Otto noch in Italien von Gegnern des jungen Friedrich zum Eingreifen im ehemaligen Normannenreich aufgefordert wurde und sich anschickte, dieser Aufforderung Folge zu leisten, sah Innozenz seine "Rekuperationen" gefährdet und aktivierte schließlich den jungen Staufer Friedrich, der wiederum vom französischen König unterstützt wurde, als Gegenkandidaten gegen Otto. Zwar musste Friedrich versprechen, auf das Normannenreich zugunsten seines kleinen Sohnes Heinrich (VII.) - noch ein Säugling - zu verzichten, und seine eigene Königs- und zukünftige Kaiserherrschaft auf Deutschland zu beschränken. Wie wenig solche Versprechungen wert waren, hatte die Vergangenheit gezeigt und sollte die Zukunft bestätigen.

Entschieden wurde der Thronstreit zugunsten Friedrichs jedoch nicht durch den Sinneswandel des Papstes und auch nicht durch das eindrucksvolle Auftreten des jumgen Staufers seit 1212 in Deutschland, sondern durch den Schlachtensieg des französischen Königs Philipp II. August gegen das englisch-welfische Bündnis im Jahr 1214. Die Schlachten bei Bouvines in Flandern und an der Loire entschieden für den englischen König Johann und seine Barone über den Verlust des größten Teils des Festlandbesitzes, für den Welfen Otto IV. über den Verlust der Königsherrschaft, für Philipp II. von Frankreich über den erheblichen Zugewinn an Lehen und Bedeutung. Philipp II. von Frankreich sandte dem Staufer Friedrich die vom Heer Ottos IV. erbeuteten Feldzeichen zu. Nach Ottos Rückzug auf seine Braunschweigischen Güter, wo er 1218 starb, ließ sich der 1211 in Deutschland nochmals gewählte Friedrich II. 1215 in Aachen zum König krönen.

Urkunde Valdieu
Urkunde des Bischofs Hugo von Lüttich aus dem Jahr 1225 für das Zisterzienserkloster Valdieu.
Der Schriftcharakter hat sich gegenüber der karolingischen Minuskel (Bild zum 8. Jh.)
verändert; charakteristisch sind die spitz zulaufenden Buchstaben (wie in der Architektur)
und die zahlreichen Kürzungen. Transkription der ersten Zeile (aufgelöste Kürzungen sind in Klammern gesetzt):
"Hugo D(e)i gra(tia) Leod(iensis) ep(is)c(opus). Universis ad q(u)os litt(er)e p(re)sentes
p(er)ven(er)int cognoscere v(er)itatem. Univ(er)sitati v(est)re notu(m)"

ULB Bonn, Lv 212, veröffentlicht mit Genehmigung der Bonner Universitätsbibliothek.
Alle Rechte bei der ULB Bonn.

Die geistlichen und weltlichen Fürsten Deutschlands hatten den über anderthalb Jahrzehnt andauernden Konflikt um das Königtum zum Ausbau und zur Absicherung der eigenen Stellung genutzt und sich von den verschiedenen um sie werbenden Königskandidaten nacheinander mit Geld, Reichsgut und Rechten ausstatten lassen. Als Gruppe profitierten die kirchlichen Fürsten, die den Verzicht des Königs auf die Einwirkungsmöglichkeiten bei der Bischofswahl und auf die Nutzung des Kirchengutes in Zeiten der Vakanz (Regalienrecht) erreichten, sowie die Aufgabe des Anspruchs des Königs auf das bewegliche Erbe eines Bischofs (Spolienrecht). Diese königlichen Prärogativen waren schon vorher mehrfach bestritten worden; jetzt wurden sie definitiv aufgegeben. Bei den weltlichen Fürsten sicherten sich einzelne erhebliche Rechte: der Landgraf von Thüringen z. B. beträchtliche Geldzuwendungen, der Böhmenherzog den Königstitel, eine Minderung der lehnrechtlichen Heeresfolgeverpflichtung und das Besetzungsrecht bei den böhmischen Bistümern. Die Reichsministerialen, eine wichtige Stütze des staufischen Königtums, lösten sich seit dem Tod Philipps von Schwaben in unterschiedlicher Weise und Schnelligkeit aus den Bindungen an das Königtum, indem sie das Reichsgut teils wie eigenen Besitz handhabten, teils in die Führungsschichten der aufstrebenden Städte einrückten oder auch in die Lehnsverbände der Reichsfürsten. Jedenfalls war der Rückgang an Reichtum und Ressourcen des Königtums so erheblich, dass Friedrich II. schon bald die Entscheidung fällte, nach Italien zurückzukehren und seinen Anspruch auf die Herrschaft in Deutschland nur in Form einer von ihm bestellten fürstlichen Regentschaft für seinen kleinen Sohn Heinrich (VII.) aufrecht zu erhalten, dessen Königswahl er betrieb und 1222 auch erreichte. Dies bedeutete eine Umkehrung der Papst Innozenz III. gemachten Zusage. Innozenz war 1216 verstorben und sein Nachfolger Honorius III. (1216-1227) erwies sich als gefügig. Immerhin verstärkte Friedrich II. vor seiner Abreise aus Deutschland die Stellung der kirchlichen Fürsten weiter, indem er auf die Ausü bung der königlichen Hoheitsrechte (Abgaben auf die Nutzung der Verkehrswege = Zollrechte, Münzrechte, Befestigungsrechte, Gerichtsbarkeit) auf Kirchengut weitgehend verzichtete.

Nach der Kaiserkrönung in Rom 1220 verlegte Friedrich II. den Schwerpunkt seiner Herrschaft auf das ehemalige Normannenreich. Hier sorgte er für eine Vereinheitlichung und Straffung des Rechts, für den Ausbau der wirtschaftlichen Basis des Königtums, für eine funktionierende Verwaltung. Die Gründung der Universität Neapel sollte dafür sorgen, dass dem Kaiser genügend gut ausgebildete Landeskinder zur Verfügung standen. Die mehrfache Verschiebung des von Friedrich versprochenen Kreuzzugs führte 1227 zur Exkommunikation des Kaisers durch den neuen Papst Gregor IX. (1227-1241), die jedoch nach Verhandlungen 1230 aufgehoben wurde. Friedrichs Versuch, die norditalienischen Städte seiner Herrschaft zu unterwerfen (und dadurch seine Einkünfte zu vermehren), scheiterte nicht nur - sie war auch ein entscheidender Grund für seine neuerliche Exkommunikation, aus der er sich bis zu seinem Tod nicht mehr löste. Der zaghafte Versuch seines Sohnes, des jungen Heinrich (VII.) in Deutschland, die Städte vornehmlich des Mittel- und Oberrheins zu fördern, bewirkte den heftigen Protest der Fürsten beim Vater, der den Sohn zu radikaler Umkehr zwang und den Reichsfürsten ihre Privilegien gegen die städtischen Selbständigkeitsbestrebungen bestätigte. 1235, bei seinem letzten Besuch in Deutschland, erwirkte der Kaiser die Absetzung Heinrichs, den er gefangen nach Italien führte. Dort ist Heinrich als Gefangener 1242 gestorben. In Deutschland wurde auf Betreiben Friedrichs 1237 sein jüngerer Sohn Konrad (IV.) zum König erhoben, der noch im Kindesalter stand und dem wiederum eine fürstliche Regentschaft zur Seite gestellt wurde. Das letzte Lebensjahrzehnt Friedrichs II. - er starb 1250 - war vor allem durch den Konflikt mit den Päpsten geprägt. 1245 koppelte Papst Innozenz IV. (1243-1254) die Exkommunikation mit der Absetzung Friedrichs und seines Sohnes Konrad. Dies beeinträchtigte zwar die Stellung Friedrichs in seinem süditalischen Königreich nicht, wohl aber führte es in Deutschland zur Erhebung von Gegenkönigen, Heinrich Raspe (1246/47), vormals Landgraf von Thüringen, und ab 1248 Wilhelm von Holland. Konrad IV. verließ nach Friedrichs Tod 1250 Deutschland, um sich sein Erbe in Süditalien zu sichern; dort starb er 1254. Konrads Witwe kehrte mit dem kleinen Sohn (Konradin) nach Deutschland zurück, und das ehemalige Normannenreich übernahm ein anderer Sohn Friedrichs II., Konrads Halbbruder Manfred. Die Königsherrschaft des Wilhelm von Holland beschränkte sich im wesentlichen auf den Westteil Deutschlands. Eben dort bildete sich gegen die unter solchen Umständen weiter erstarkende Fürstengewalt 1254 der Rheinische Städtebund, der Städte vom Oberrhein bis nach Westfalen umfasste, der erste große Städtebund in Deutschland. Nach König Wilhelms Tod 1256 nahm er das Reichsgut in seine Verwahrung und verpflichtete sich auf eine einmütige Königswahl, zerbrach aber über den Rivalitäten, die 1257 zur Doppelwahl führten.

Die Königswahl nach dem Tod König Wilhelms, die nach zahlreichen, nicht zum Einverständnis führenden Verhandlungen zustande kam, führte erneut (wie 1198) zu einem Doppelkönigtum, diesmal zwischen zwei auswärtigen Fürsten, dem König Alfons X. von Kastilien (Sohn einer Stauferin) und dem Bruder des englischen Königs Heinrich III., Richard von Cornwall. Nur Richard kam nach Deutschland, wurde gekrönt und hielt sich zumindest gelegentlich in den linksrheinischen Gebieten auf. Für Alfons wie für Richard war der entscheidende Anreiz wohl die Aussicht auf das Kaisertum (das jedoch keiner der beiden gewann). Den Fürsten ließ die faktisch nicht existierende Königsherrschaft ("Interregnum") Freiraum zum Ausbau der eigenen Stellung. Das verfassungsgeschichtlich Bemerkenswerte an der Doppelwahl von 1257 ist die Tatsache, dass am Wahltreffen zwar noch zahlreiche Fürsten beteiligt sind, wahlentscheidend aber nur die drei rheinischen Erzbischöfe, Köln, Mainz, Trier, der rheinische Pfalzgraf, der Herzog von Sachsen und der Markgraf von Brandenburg sind. Der Böhmenkönig optierte für beide Kandidaten. Hier zeichnet sich erstmals ganz klar das "Kurfürstenkollegium" ab, zunächst noch mit einer zwielichtigen Position des Böhmenkönigs. Zwischen den ersten Hinweisen auf eine Abschichtung dieser "Kurfürsten" aus der Gesamtheit der Reichsfürsten im Thronstreit nach 1198 und ihrem Hervortreten in der Doppelwahl von 1257 bietet nur der Sachsenspiegel des Eike von Repgow, eine um 1230 erstellte, private Aufzeichnung des (in Sachsen) existierenden Rechts (deren handschriftliche Überlieferung allerdings später ist) durch diesen sächsischen Schöffen einen Anhaltspunkt für eine Zwischenstufe. Viele Fragen bleiben bei Eikes Text (und in der späteren Forschung) offen: warum gerade diese Fürsten (besonders schwer zu beantworten für Brandenburg), warum fehlen Bayern, Österreich, der südwestdeutsche Raum, die Mitte, der Norden? Was passiert mit dem Königswahlrecht bei Teilung von Fürstentümern? Was passiert, wenn sich die Wähler nicht einig sind (Eike geht von einstimmiger Wahl aus)? Bis zur rechtlich eindeutigen Lösung dieser Probleme (in Karls IV. Goldener Bulle von 1356) sollten noch hundert Jahre vergehen - ein Indiz dafür, wie langsam sich logisch konsistente Regulative gegen tradierte, aber unpraktikabel gewordene Gewohnheiten durchsetzen.

Vor allem König Ottokar II. von Böhmen profitierte im Reich nördlich der Alpen von der faktisch nicht existierenden Königsmacht. Er dehnte seine Herrschaft über Böhmen und Mähren hinaus auf das Herzogtum Österreich bis zur Adria aus. Das Herzogtum Österreich behielt er ein, obwohl er seine Ehe mit der Erbin des Herzogtums lösen ließ. Die kleineren Fürsten und die Reichsministerialen spürten die Nachteile der fehlenden Königsgewalt. Die norditalienischen Stadtherrschaften verselbständigten sich weiter. Die permanenten Kriege untereinander begünstigten die Ablösung kommunaler Herrschaften durch die Herrschaftsform der Signorie, eine neue Form des Fürstentums, das nicht mehr durch adlige Herkunft sondern durch militärische und finanzielle Macht begründet war. Als Richard von Cornwall 1272 starb, erwog in Deutschland niemand, den überlebenden Alfons X. von Kastilien als König zu akzeptieren. Die Kurfürsten betrieben vielmehr eine Königsneuwahl, für die sie nach den Erfahrungen des Interregnum einen inländischen Fürsten suchten. Schließlich einigten sich alle außer dem Böhmenkönig Ottokar auf den Habsburger Rudolf (1273-1291). Dieser versuchte dem geschwächten Königtum wieder Geltung zu verschaffen, indem er sich die Zusammenarbeit mit den Kurfürsten sicherte.

Die wirtschaftliche Grundlage Rudolfs bildeten seine Grafschaften und Rechte in Aargau, Thurgau, am Oberrhein, im Breisgau und im Elsass. Als Graf gehörte er zwar nicht der obersten Gruppe der Fürsten, dem Reichsfürstenstand an, die dadurch gekennzeichnet war, dass keine weiteren Gewalten zwischen ihnen und dem König standen, aber das ihm theoretisch vorgeordnete Herzogtum Schwaben existierte seit dem Ende der Stauferherrschaft faktisch nicht mehr. Die verkehrsgünstig gelegenen Grafschaften an der wichtigen Verbindungsstraße vom Oberrhein zum Mitte des 13. Jahrhunderts ausgebauten Gotthardpass hatte er energisch zusammengeschweißt. Rudolfs Versuch, das seit 1245 (der Absetzung Friedrichs II.) verlorene Reichsgut mit Hilfe der Kurfürsten zurückzugewinnen (sog. "Revindikationen") scheiterte zwar weitgehend (bis auf wenige Erfolge im Südwesten), aber die Einforderung Österreichs von Ottokar II. von Böhmen unterstützte Rudolf durch zwei nachdrückliche Kriegszüge, bei denen er sich nicht auf ein Reichsheer sondern nur auf seine eigenen Soldtruppen und wenige Hilfskontingente anderer Fürsten stützen konnte. Zugute kam ihm die Zusammenarbeit mit dem Adel in Österreich, Steiermark und Kärnten, den Ottokars autokratisches Regiment verprellt hatte. Zweimal, 1276 und 1278, musste sich Ottokar geschlagen geben; nach der zweiten Niederlage wurde der Böhmenkönig von internen Gegnern ermordet. Rudolf wahrte Ottokars kleinem Sohn Wenzel II. (gestorben 1305) die Erbländer Böhmen und Mähren, zog jedoch die Reichslehen Österreich, Steiermark, Kärnten und Krain ein. Nach langen Verhandlungen mit den Kurfürsten erwirkte Rudolf deren Zustimmung zur Belehnung seiner Söhne mit diesen Reichsfürstentümern. Damit sicherte er seinen Nachkommen eine starke Erweiterung ihrer "Hausmacht" und den Aufstieg in den Reichsfürstenstand. Schon unter Rudolf verlagerte sich der Schwerpunkt habsburgischer Herrschaftsausübung vom Oberrhein nach Österreich.

Die Kurfürsten erweiterten seit Rudolf ihre politischen Entscheidungsmöglichkeiten: ihre Zustimmung wurde für die Rückforderung von Reichsrechten wie für die Vergabe von Lehen nötig. Zwar hing es von der jeweiligen Situation ab, wieweit sie neben dem König in Angelegenheiten des Reiches auftraten, aber ihre Mitwirkung ging doch deutlich über den Königswahlvorgang hinaus. Über den Südwesten des Reiches und Österreich hinaus ist Rudolf kaum aktiv geworden, konnte es auch nicht aufgrund der fehlenden Ressourcen. Er hat mit den Päpsten um die Kaiserkrönung verhandelt und ihnen in diesem Kontext die seit Innozenz III. beanspruchten (und beherrschten) Gebiete in Mittelitalien, der Toskana und der Romagna-Emilia bestätigt. Zur Kaiserkrönung kam es freilich nicht. Auch die Königswahl eines seiner Söhne noch zu seinen eigenen Lebzeiten hat Rudolf nicht erreicht. Die Fürsten wollten eine zu starke und dauerhafte Machtstellung der Habsburger verhindern.

Rudolfs Tod 1291 führte in den südlich an die Habsburger Lande in Aaargau und Thurgau angrenzenden sogenannten "Waldstätten" oder Kantonen Uri, Schwyz und Unterwalden, die teils reichsunmittelbar, teils habsburgisch beherrscht waren und alle an der Verkehrsverbindung zum Gotthardpass lagen und liegen, zu einer beschworenen Vereinbarung der freien, wehrfähigen männlichen Einwohner, keine fremden Richter in diesen Gebieten zu dulden. Dies war der Kern der "Schweizer Eidgenossenschaft", der sich bald andere Kantone aber auch Städte anschlossen. Ihre Bestrebungen richteten sich gegen die Habsburger. Rechtlich stand diese Eidgenossenschaft in der Tradition der Friedenseinungen und städtischen Bünde. Das besondere war jedoch in ihrem Fall, dass sich Landkantone und Städte zusammenschlossen.

Der Sohn Rudolfs, gegen den sich wohl die Eidgenossenschaft vornehmlich wandte, Albrecht, wurde zunächst nicht zum neuen König gewählt, sondern - vor allem auf Betreiben des Kölner Erzbischofs - der Graf Adolf von Nassau. Als er versuchte, seine schwache Ausgangslage durch Gebietserweiterungen zu vergrößern, zog er sich den Unwillen der Kurfürsten, vor allem des Kölner Erzbischofs zu, die ihn kurzerhand 1298 absetzten, die erste Königsabsetzung ohne vorherige Exkommunikation. Die Kurfürsten folgerten ihr Recht, einen von ihnen als unfähig angesehenen König abzusetzen, aus ihrem Wahlrecht. Rudolfs Sohn Albrecht, den sie zunächst nicht gewollt hatten, wurde von ihnen zum neuen König gewählt. Albrecht I. besiegte Adolf, der in der Schlacht fiel. Albrechts Königszeit ist von zahlreichen territorialen Plänen geprägt, die aber alle nicht zu einer dauerhaften Hausmachterweiterung führten. Erbstreitigkeiten innerhalb der Habsburgerfamilie führten 1308 zur Ermordung Albrechts. Das Jahrhundert endete wie es sich nach dem Sturz der Staufer entwickelt hatte: mit schwacher Königsgewalt.

In der differenzierten Städtelandschaft Norditaliens wurde die Herrschaftsform der Signorie ausgebaut. Der Kirchenstaat schob sich seit Innozenz' III. "Rekuperationen" als mächtiger Keil zwischen Nord- und Süditalien. Während in Deutschland die Stauferherrschaft mit dem Tod Friedrichs II. zu Ende war, konnte sie in Süditalien/Sizilien bis 1268 überleben, freilich stets angefochten durch die Ansprüche der Päpste auf Lehnshoheit über das ehemalige Normannenreich und damit auf Entscheidungsrecht über die dort amtierenden Herrscher. Friedrichs II. Sohn Konrad IV. starb 1254. Dem nächsten Sohn Friedrichs II., der die Herrschaft in Unteritalien/Sizilien für sich beanspruchte, Manfred, stellten die Päpste als von ihnen belehnten König Karl von Anjou, den Bruder König Ludwigs IX. von Frankreich entgegen. Manfred fiel 1266. Der Anspruch seines Gegners Karl von Anjou wurde noch einmal durch Konrads IV. Sohn Konradin in Frage gestellt, der, nachdem er von Deutschland, wohin ihn seine Mutter nach dem Tod des Vaters mitgenommen hatte, nach Süditalien aufbrach, eine erstaunlich große Anhängerschaft auf seine Seite brachte; die Unzufriedenheit mit Karl von Anjou war groß. Aber Karl von Anjou besiegte Konradin 1268, ließ den Fliehenden gefangen nehmen und als Hochverräter in Neapel enthaupten. Damit erlosch das Stauferhaus in der männlichen Linie. Karl von Anjou hatte sich in Süditalien durchgesetzt. Sein harsches Regiment schürte die Unzufriedenheit besonders auf der Insel Sizilien. Seine Herrschaftsambitionen im östlichen Mittelmeerraum brachten ihm die Feindschaft des byzantinischen Kaisers Michael VIII. Palaiologos ein, dem 1261 die Rückgewinnung Konstantinopels und die Zerschlagung des "Lateinischen Kaiserreichs" gelungen war. Der Aufstand auf Sizilien brach 1282 offen aus ("Sizilianische Vesper"), wurde vom byzantinischen Kaiser finanziell unterstützt und führte schließlich zur Erhebung Peters III. von Aragon, der mit einer Tochter Manfreds verheiratet war, zum König mit Herrschaftsanspruch über das ehemalige Normannenreich. Der Papst und die beiden Gegner, Karl von Anjou und Peter von Aragon, einigten sich schließlich auf eine Teilung des ehemaligen Normannenreiches: die Aragonesen etablierten ihre Herrschaft auf der Insel Sizilien mit Hauptstadt Palermo, die Anjou auf dem süditalienischen Festland mit Hauptstadt Neapel. Zwar waren beide mit der Teilung nicht zufrieden und es kam immer wieder zu Kämpfen, aber letztlich ist es bei dieser Lösung bis Mitte des 15. Jahrhunderts geblieben.

Skandinavien, Ost- und Südosteuropa

Nach dem Sturz des Welfen Heinrich des Löwen 1180, im Thronstreit nach 1198 und während der in Deutschland schwach ausgeprägten Königsgewalt unter Friedrich II. verstärkte sich der Einfluss der dänischen Könige (Waldemar I. und Waldemar II.) auf Länder und Völker an der südlichen Ostseeküste, deutsche und slavische Fürsten. Eine rege gesetzgeberische Tätigkeit entfaltete König Hakon von Norwegen (1247-1263). Wirtschaftlich brachte im 13. Jahrhundert das entstehende Städtebündnis der Hanse, das nie formell gegründet wurde sondern nach und nach zusammenwuchs und im 14. Jahrhundert seine größte Bedeutung erreichte, den Ostseeraum unter seine Kontrolle.

Besiedlung durch Bauern aus dem Westen des Reichs und die Verbreitung deutscher Stadtrechte (Magdeburg, Lübeck) in Ostmittel-Europa setzten sich mit Unterstützung sächsischer und slavischer Fürsten sowie der ungarischen Könige fort. Eine Sonderentwicklung stellte in den Gebieten östlich des Unterlaufs der Weichsel die Schaffung des Staates des deutschen Ritterordens dar, der sich im Kampf gegen die "heidnischen" (= nicht christlichen) Pruzzen (Preußen), ein baltisches Volk, eine neue Aufgabe schuf, nachdem die ursprünglichen Aufgaben der in den Kreuzzzügen entstandenen Ritterorden in Palästina durch die muslimischen Rückeroberungen immer weiter zurückgingen. 1226 durch Kaiser Friedrich II., 1234 durch Papst Gregor IX. privilegiert, war dem deutschen Ritterorden unter seinen Hochmeistern die militärische Eroberung zwecks Christianisierung zugesichert und dem Hochmeister eine landesfürstliche Stellung mit allen Hoheitsrechten (Regalien) und kirchlicher, nur Rom unterstellter Oberhoheit garantiert. Zwischen den Gebieten des deutschen Ordens östlich des Weichselunterlaufs und Livland, das der deutsche Orden vom Schwertbrüderorden übernommen hatte, lagen weite, von den Großfürsten von Litauen beherrschte Sumpf- und Waldgebiete. Mitte des 13. Jahrhunderts gab es eine kurze Phase eines christlichen Königtums in Litauen (unter Mindowe, ca. 1250-1263), der die litauische Herrschaft bis Wolhynien ausdehnte. Nach 1269 fiel Litauen ins Heidentum zurück. Die Kämpfe gegen die heidnischen Litauer sah der Orden nach der Unterwerfung der Pruzzen als seine Hauptaufgabe an.

Polen unterstand der Herrschaft der Piastenfamilie in der Form eines Königs als Senior, der über den als Herzögen herrschenden Familienmitgliedern stand. Die schlesischen Piastenherzöge standen in enger Verbindung zum Reich nicht nur durch ihre Heiratspraxis, sondern auch durch die zahlreichen deutschen Siedler, die sie ins Land holten. Ungarn stand unter Königen aus der Familie der Arpaden. Seine über die Südslaven bis zur Adriaküste erweiterte Herrschaft stieß dort auf Gegenwehr der Seerepublik Venedig. Die Ostgrenze in Siebenbürgen war durch heidnische Steppenvölker, die Kumanen, gefährdet. Besonders für den Bergbau wurden deutsche Siedler ins Land geholt. Der Ordensstaat, Polen und Ungarn stellten die Ostgrenze der lateinischen Christenheit dar. Dagegen waren Serben, Bulgaren und Russen seit Ende des 9. Jahrhunderts von Byzanz aus christianisiert worden. Schon Ende des 12. Jahrhunderts hatten sich Bulgaren und Serben aus dem Verband des Byzantinischen Reiches gelöst. Die russischen Fürstentümer waren stets selbständig gewesen. Mit der Errichtung des Lateinischen Kaiserreichs von Konstantinopel (1204-1261) durch die sogenannten Kreuzfahrer des 4. Kreuzzugs und dem Verlust des alten Patriarchensitzes Konstantinopel für die Ostkirche setzte sich die Verselbständigung der serbischen, bulgarischen und russischen Kirche fort. Auch nach der Rückkehr von Kaiser und Patriarch nach Konstantinopel 1261 konnte dieser keinen wirklichen Primat mehr in der Ostkirche ausüben. Der Mongolensturm unter Dschingis Khan (gestorben 1227) hatte Europa schon zur Zeit Friedrichs II. in Aufregung versetzt. Dschingis Khans Enkel nahmen zwischen 1238 bis 1241 die Einfälle und Eroberungen in Osteuropa wieder auf. An der Nordostküste des Schwarzen Meeres etablierte sich ein mongolischer Teilstamm, die Tataren, und errichtete von dort aus das "Reich der Goldenen Horde", das sich in kurzer Zeit alle russischen Teilfürstentümer tributpflichtig machte. Die Stadtrepublik Nowgorod im Norden unterstellte sich "freiwillig" der Tributpflicht. Ausbleibende Tributzahlungen hatten in den folgenden hundert Jahren jeweils verheerende Strafzüge der Tataren in die russischen Fürstentümer zur Folge, die damit politisch-militärisch weitgehend lahmgelegt waren.

Die Situation des Byzantinischen Reiches nach dem 4. Kreuzzug ist im Kapitel über die Kreuzzüge erläutert worden. 1261 gelang einem militärischen Führer des byzantinischen Nachfolgereiches von Nikäa die Rückeroberung von Konstantinopel und die Zerschlagung des "Lateinischen Kaiserreichs". Kaiser Michael VIII. konnte Konstantinopel wieder zur Residenz machen. Er begründete nicht nur die bis zum Ende des Byzantinischen Reiches im 15. Jahrhundert andauernde Herrschaft der Palaiologendynastie, sondern schaltete sich noch einmal aktiv in die politischen Entwicklungen des Mittelmeerraumes ein. Karl von Anjou trat seit den sechziger Jahren des 13. Jahrhunderts, unterstützt von den Päpsten, mit dem Anspruch auf die Nachfolge im staufisch-normannischen Süditalien auf, nahm die normannische Expansionspolitik in Richtung Griechenland wieder auf, beanspruchte Nachfolgerechte im Lateinischen Kaiserreich und in der Oberherrschaft über die verbliebenen lateinischen Kreuzfahrerfürsten. Michael VIII. gelang es, diese Pläne zu durchkreuzen und mit der Unterstützung des Hauses Aragon in der "Sizilianischen Vesper" die Anjouherrschaft auf das Königreich Neapel zu beschränken. Kirchenunionspläne während des Pontifikats Gregors X. (1271-1276) gehören in diese politischen Zusammenhänge; sie scheiterten. Nach dem Tod Michaels VIII. 1282 verschlechterte sich die innere und äußere Situation des Byzantinischen Reiches: innere Kriege brachen aus, die Grenzbefestigungen im östlichen Anatolien wurden infolge der äußersten finanziellen Anspannung, die die Politik Michaels VIII. bewirkt hatte, nicht mehr instand gehalten und verteidigt. Muslimische, turkvölkische Gruppen, geeint durch ihren Anführer Osman (1289-1326) und daher als "Osmanen" benannt, drangen als Krieger und Siedler über das nordwestliche Kleinasien nach Anatolien vor, ohne auf effektiven byzantinischen Widerstand zu stoßen. Damit begann Ende des 13. Jahrhunderts die Eroberung Kleinasiens durch die osmanischen Türken.

Papsttum, kirchliches Leben, Studium und Recht

Die Festigung des römischen Primats in der westlichen Kirche seit der Zeit der Kirchenreform im 11. Jahrhundert führte auch zum Ausbau von Institutionen, die die Stellung des Papstes stärkten, Kardinalskollegium, Legateninstitut, Kanzlei, päpstlicher Gerichtshof, Konsistorium (Kardinalsversammlungen, in denen rechtlich wichtige Verkündungen vorgenommen werden). Allgemeine Konzilien der Westkirche wurden Papstkonzilien, die bis zum Anfang des 13. Jahrunderts prinzipiell in Rom stattfanden ("Laterankonzilien", vgl. Lateranum IV, 1215). Der römische Primat umfasste die letztinstanzliche Entscheidung von Lehr- und Glaubensfragen, die oberste Entscheidung in Fragen des Kirchenrechts, die Einberufung und den Vorsitz allgemeiner Konzilien, die unabdingbare Mitwirkung bei der Bestellung von Erzbischö fen, die Entscheidung über neue kirchliche Orden. Parallel zu diesem innerkirchlichen Stellungsausbau lief der Ausbau des Kirchenstaates als territorial-wirtschaftliche Grundlage des Papsttums. Der Anspruch auf die "Mathildischen Güter" (der schließlich doch nicht realisiert wurde), vor allem aber die "Rekuperationen" Innozenz' III. im Thronstreit nach 1198 sind Indizien dafür. Der Erfolg der Rekuperationspolitik macht die Päpste seit dem 13. Jahrhundert zur stärksten Territorialmacht in Mittelitalien. Hinzu kommen die lehnsherrlichen Ansprüche gegenüber dem ehemaligen Normannenreich, die auch geforderte (und gelegentlich erhaltene) Lehnszahlungen umfassten.

Im Kardinalskollegium verlor die ursprünglich vorhandene Differenzierung der Kardinals-ordines (Bischöfe, Priester, Diakone) schon im 12. Jahrhundert ihre hierarchisch-politische Bedeutung. Das 3. Laterankonzil legte 1179 die Zweidrittelmehrheit als notwenig für eine Papstwahl fest. Die Turbulenzen um die Papstwahl nach dem Tod Gregors IX. 1241 bewirkten das erste Konklave (Einschließung der Kardinäle bis zum Erreichen eines Wahlergebnisses) der Papstwahlgeschichte. Über die Bedeutung der Universität Paris für die theologische Ausbildung und über die Festsetzung der Anjou im Königreich Neapel wuchs im letzten Viertel des 13. Jahrhunderts die Zahl der gebürtigen Franzosen und der französische Einfluss im Kardinalskollegium.

Von den neuen Bettelorden (Mendikanten) der Franziskaner und Dominikaner und der "Ketzerbekämpfung" war schon im Eingangsabschnitt die Rede. Neben die Universitäten des 12. Jahrhunderts, Bologna und Paris, traten neue -z. B. Oxford, Cambridge, Neapel -, nicht jedoch in Deutschland. Mit der "Summe" (Sammlung und Systematisierung des theologischen Wissens) des Thomas von Aquin erreichte die Scholastik (und die Aristoteles-Rezeption) einen Höhepunkt. Das schon Mitte des 12. Jahrhunderts vom Magister Gratian in seinem "Dekret" kodifizierte, systematisierte und kanonisierte Kirchenrecht wurde durch päpstliche Dekrete und Dekretalen ergänzt. Es entwickelte sich eine umfängliche kanonistische Literatur.

Das römische Kaiserrecht der Spätantike (Justinian) wurde durch die Konstitutionen der Staufer erweitert, gelehrt (nicht nur in Bologna) und glossiert (erklärt). Die an Zahl und Umfang zunehmenden nicht-römischen königlichen Rechtssatzungen, die Assisen und Statuten in England, Frankreich, dem Normannenreich, dem Königreich Jerusalem, aber auch das Landrecht des Königs Magnus von Norwegen (1274) dokumentieren den Einsatz des schriftlich fixierten Rechts für die Vereinheitlichung von Herrschaftsräumen. In Deutschland gab es dagegen keine ausgeprägte Rechtssetzungstätigkeit des Königs oder seiner Hoftage (wie sie den Rahmen der Assisen in Westeuropa abgaben). Jedoch erfuhr auch hier das Gewohnheitsrecht auf der Ebene der Stämme eine neue schriftliche Fixierung: in Sachsen mit dem Sachsenspiegel des Eike von Repgow, in Schwaben mit dem Schwabenspiegel. Die Rechtsspiegel des 13. Jahrhunderts behandelten nicht nur privat- und strafrechtliche Fragen, sondern auch Lehnrecht und z. B., wie wir gesehen haben, der Sachsenspiegel auch die Königswahl. Die Städte entwickelten explosionsartig ihre jeweiligen Stadtrechte. Im ländlich-grundherrschaftlichen Bereich setzten die Weistümer ein.

Als Schriftsprache wird für die Alltagsgeschäfte und die Literatur zunehmend die Volkssprache verwendet, die von mehr Leuten gelesen werden konnte. Besonders die Städte ließen sich die Einrichtung von Schulen angelegen sein, brauchten sie doch schreib- und rechenkundige Bürger, Handwerker und Kaufleute. Dies galt für Jungen wie Mädchen. Der Sachsenspiegel rechnet Bücher zum selbstverständlichen Witwengut von Frauen.


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Einleitung
Einleitung
Das 4. Jahrhundert
Das 5. Jahrhundert
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Das 9. Jahrhundert
Gesellschaftliche Strukturen
Das 10. Jahrhundert
Das 11. Jahrhundert
Das 12. Jahrhundert
Gesellschaftliche StrukturenII
Die Kreuzzüge
Das 14. Jahrhundert
Strukturen im Spätmittelalter
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