ereignisse

Industrie und Technologie

Das mitteldeutsche Chemiedreieck

Der Aufstieg Leunas zu einem der bedeutendsten Chemiestandorte Deutschlands beginnt mit dem Ersten Weltkrieg. Während des Krieges hat die deutsche Industrie ein Problem. Salpeter, Ausgangsstoff für Sprengstoff und Düngemittel, kann nicht mehr aus Chile eingeführt werden, die englische Seeblockade zeigt Wirkung. Fieberhaft wird nach einem Ausweg gesucht. Fritz Haber entdeckt ein Verfahren, das den Salpeter überflüssig macht. Nun lässt sich mit der so genannten Ammoniaksynthese Dünger und Sprengstoff massenweise herstellen.

Carl Bosch, stellvertretender Vorsitzender der BASF, verspricht der Obersten Heeresleitung raschen Nachschub. Sein Blick geht nach Mitteldeutschland. Der Landstrich hat alles zu bieten, was man für die Herstellung von Ammoniak braucht, vor allem viel Kohle. Das Werk in Leuna wird in nur einem Jahr aus dem Boden gestampft. Hauptsächlich Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene bauen das Chemiewerk. Es wird die größte chemische Fabrik Europas. Schon elf Monate nach Baubeginn rollen die ersten Kesselwagen mit Ammoniaklösung aus dem Werk. Ein Jahr später verlässt auch eine neue chemische Waffe die Leuna-Werke: Phosgen, ein Giftgas, das unter dem harmlos klingenden Namen Grünkreuzkampfstoff firmiert. Es ist der giftigste bekannte Stoff der damaligen Welt. Ein Tropfen reicht aus, um Hunderte Menschen einen qualvollen Tod sterben zu lassen. Und in den Labors der Leunawerke arbeiten Experten an immer neuen Kampfgasen.

Auch für das Dritte Reich ist die Chemieindustrie enorm wichtig. Seit 1933 richtet sich die gesamte Produktion auf einen kommenden Krieg aus. Alle bisher vom Ausland eingeführten Rohstoffe sollen nun synthetisch und damit massenhaft hergestellt werden. Ziel ist die Unabhängigkeit von den künftigen Gegnern. Nach nur neun Monaten nehmen die Bunawerke in Schkopau den Betrieb auf und werden so zu einem der wichtigsten Bausteine in Hitlers Kriegsplänen. Am 4. April 1945 kommt die Produktion endgültig zum Erliegen. Stunde Null - für die mitteldeutsche Industrie ein absoluter Neuanfang.

"Chemie bringt Brot, Wohlstand und Schönheit" - so das Motto, das Ende der 60er Jahre für die Petrochemie der DDR ausgegeben wird. "Drushba", also Freundschaft, heißt die Pipeline, die über 3.000 Kilometer das Öl aus der Sowjetunion direkt bis nach Leuna bringt. Allein vier Wochen dauert das Fluten der Leitung. Doch von moderner Technik keine Spur. Plaste und Elaste aus Leuna und Schkopau werden mit Anlagen aus der Vorkriegszeit produziert, voll auf Verschleiß gefahren. Und irgendwann geht es einfach nicht mehr. Mit der Wende geht der Niedergang der mitteldeutschen Chemieindustrie einher. Die Menschen, die die Maschinen und Anlagen abbrechen, an denen sie ein halbes Leben lang gearbeitet haben, sind betroffen und gleichzeitig froh, noch arbeiten zu dürfen.

Den ausführlichen Beitrag finden Sie im Buch "Geschichte Mitteldeutschlands" (herausgegeben vom Mitteldeutschen Rundfunk, Halle/S. 2000) auf den Seiten 110 bis 119.

Zuletzt aktualisiert: 01. August 2005, 13:50 Uhr

"Wer während des Krieges im Jahre 1916/17 die Frankfurt-Berliner Strecke mit der Eisenbahn durchfuhr, sah zwischen Corbetha und Merseburg mit märchenhafter Geschwindigkeit ein Werk in riesigen Ausmaßen aus dem Boden wachsen. Wo eben noch Ackerfelder standen, erhoben sich bald mächtige Eisengerüste, die schon die Form der fertigen Gebäude erkennen ließen, und innerhalb eines Jahres war eine großzügig angelegte Fabrik entstanden ..."

(Werkschronik Leuna-Werke, 1922)

"Diese Anlage in Leuna ist ein riesiges Denkmal deutscher chemischer Zauberei. Es niederzukämpfen, hieß eine Katze zu töten. Es musste neunmal geschehen, um es endgültig zu machen."

(Eine amerikanische Zeitung über die alliierten Bombenangriffe auf Leuna am Ende des Zweiten Weltkrieges)

"Wer während des Krieges im Jahre 1916/17 die Frankfurt-Berliner Strecke mit der Eisenbahn durchfuhr, sah zwischen Corbetha und Merseburg mit märchenhafter Geschwindigkeit ein Werk in riesigen Ausmaßen aus dem Boden wachsen. Wo eben noch Ackerfelder standen, erhoben sich bald mächtige Eisengerüste, die schon die Form der fertigen Gebäude erkennen ließen, und innerhalb eines Jahres war eine großzügig angelegte Fabrik entstanden ..."

(Werkschronik Leuna-Werke, 1922)

"Diese Anlage in Leuna ist ein riesiges Denkmal deutscher chemischer Zauberei. Es niederzukämpfen, hieß eine Katze zu töten. Es musste neunmal geschehen, um es endgültig zu machen."

(Eine amerikanische Zeitung über die alliierten Bombenangriffe auf Leuna am Ende des Zweiten Weltkrieges)

© 2013 MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK