Werner Teske
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Mielkes Rache Die Hinrichtung des Stasi-Offiziers Werner Teske

Ein Film von Ute Bönnen und Gerald Endres

1981 verhängt das Oberste Gericht zum letzten Mal ein Todesurteil in der DDR. Der Verurteilte ist ein Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit. Dr. Werner Teske wird am 26. Juni 1981 mit einem Kopfschuss hingerichtet. Der Film zeigt am Schicksal Werner Teskes die enge Alltagswelt der Stasi-Mitarbeiter und ihrer Familien. Und welche Folgen ein Ausbruchsversuch aus der "Firma" hatte.

Werner Teske
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1981 findet in Ostberlin ein Prozess gegen einen Hauptmann der DDR-Staatssicherheit (Stasi) statt. Der Prozess vor dem Militärstrafsenat des Obersten Gerichts ist nicht nur für DDR-Bürger sondern auch für die Stasi-Kollegen des Hauptmanns geheim. Da jedoch alles auf Tonband aufgezeichnet wird, liegen den Filmemachern Jahrzehnte später Originaltöne von diesem Prozess vor. So ist auch die Anklageverlesung des Staatsanwalts zu hören: "Der ehemalige Angehörige des Ministeriums für Staatssicherheit, Dr. Teske, Werner, wird angeklagt, vorbereitete und vollendete Spionage in besonders schwerem Fall, in Tateinheiten mit vorbereiteter Fahnenflucht in schwerem Fall begangen zu haben." Dem Angeklagten Werner Teske droht im Falle einer Verurteilung die Todesstrafe.

Vom IM zum Stasi-Offizier

Ausweis mit Foto von Werner Teske
Studentenausweis von Werner Teske Bildrechte: MDR/doc.station

Werner Teske, 1942 geboren, wächst in Berlin auf. Nach dem Abitur studiert er Finanzökonomie an der Humboldt-Universität Berlin. Aufgrund seiner Leistungen wird Teske nach dem Studium als Assistent übernommen. Zu dieser Zeit ist er bereits als Inoffizieller Mitarbeiter (IM) der Staatssicherheit geführt. 1969 promoviert er. Eigentlich hat er mehrere Angebote für eine finanzökonomische Laufbahn und denkt auch über eine weitere Karriere an der Universität nach. Doch 1969 gibt Teske dem Werben der Staatssicherheit nach, die ihn als hauptamtlichen Mitarbeiter will. Ihm wird versprochen, er könne seine Habilitation auch an der Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit in Potsdam machen.

Der neu angeworbene Offizier, der in der "Hauptverwaltung Aufklärung" (HVA) arbeitet, trifft kurz darauf seine Jugendliebe wieder, die eine kleine Tochter hat. Das Paar heiratet. In Teskes Nachbarschaft wohnen viele MfS-Mitarbeiter, aber auch andere Leute. Am Wochenende putzen die Männer ihre Autos, die Frauen sitzen bei einem Glas Rotwein zusammen - scheinbar normaler DDR-Alltag. Die Stasi-Väter verschwinden immer mal, ab und zu bringen sie Westwaren mit. Die Kinder lernen früh, was sie sagen sollen, wenn sie nach ihren Vätern gefragt werden: Im "Ministerium des Inneren" würden sie arbeiten. Da erübrigt sich für viele DDR-Bürger eine Nachfrage.

Werner Teske ist in der HVA, die die Auslandsspionage organisiert, im "Sektor Wissenschaft und Technik" für die Beschaffung wissenschaftlicher und technischer Informationen aus dem Westen zuständig. Der Wissenschaftssektor soll durch Spionage im Westen der maroden DDR-Industrie auf die Sprünge helfen. Werner Teske arbeitet gut und zuverlässig, er bekommt die Verdienstmedaille der Nationalen Volksarmee (NVA) in Bronze und Silber. Und er darf sogar zu Sportereignissen in den Westen reisen.

Lebenskrise und Fluchtgedanken

Zwei Männerhände greifen nach einem Aktenstapel
Das DDR-Strafrecht sah die Todesstrafe eigentlich nur für vollendete Delikte vor. Bildrechte: MDR/doc.station

Doch im Laufe der Zeit isoliert sich Werner Teske immer mehr von seinen Kollegen und wird zunehmend als Außenseiter wahrgenommen. Teske begreift, dass die Versprechungen einer wissenschaftlichen Karriere nie ernst gemeint waren. Die Stasi will ihn nur für die Wirtschaftsspionage. Mitte der 70er-Jahre steckt Werner Teske in einer schweren Lebenskrise. Teske beginnt zu trinken, auch die Ehe kriselt - und Werner Teske denkt über einen Neuanfang im Westen nach. Ab 1976 nimmt er dienstliches Material mit Informationen über geglückte Fluchten mit nach Hause, die für gegnerische Geheimdienste interessant sein könnten. Doch Teske, der über den Bahnhof Friedrichstraße in den Westen fliehen könnte, zögert.

1979 flieht jedoch sein Kollege Werner Stiller und bringt den Minister für Staatssicherheit, Erich Mielke, in Rage. Stiller verrät im Westen mehrere Agenten. Teskes Fluchtweg ist nun versperrt und Mielke sucht ein Bauernopfer. Teske bietet sich mit seinen Vergehen - Tadel wegen falscher Dienstreiseangaben, Alkoholprobleme und unterschlagener Devisen - geradezu an. Anfang September 1980 wird Teske zu Hause von den eigenen Kollegen abgeholt. Auch Teskes Ehefrau wird neun Monate inhaftiert. Teske gesteht bald nicht nur die Unterschlagungen, sondern liefert den Kollegen auch das von ihm versteckte Material, mit dem er in den Westen flüchten wollte.

Das letzte Todesurteil der DDR

Toreinfahrt in ein Gefängnis
Werner Teske wird in einem Leipziger Gefängnis erschossen. Bildrechte: MDR/doc.station

Die Anklage im Prozess 1981 ist eine Farce. Die wirre Sammlung von Unterlagen in Teskes Waschküche wird als vollendete Spionage gewertet. Der Staatsanwalt fordert die Todesstrafe. Im Juni wird Teske zum Tode verurteilt, für einen Verrat, den er de facto nie begangen hat. Teskes Witwe und deren Tochter müssen Berlin verlassen und eine neue Identität annehmen. Sie müssen sich verpflichten, nichts über den Prozess zu erzählen. Teskes Verwandte wissen noch bis zur Wende nicht, was mit Werner Teske passiert ist - und ob er womöglich sogar noch lebt.

Am 26. Juni bringt man Werner Teske zur Hinrichtungsstelle nach Leipzig. Der Henker lauert hinter der Tür des Vollstreckungsraums und schießt Teske in den Nacken. Die Hinrichtung wird verschleiert. Es heißt, Teske habe sich in der Zelle erhängt. In den Unterlagen des Krematoriums taucht Teske ein paar Tage später als namenlose Anatomieleiche auf. Heute erinnert auf einem Leipziger Friedhof ein Stein an das letzte Hinrichtungsopfer der DDR.


Über dieses Thema berichtete der MDR auch im: TV | 29.08.2017 | 22:05 Uhr

Zuletzt aktualisiert: 31. August 2017, 14:08 Uhr