Deutsch : Français : Italiano
 
Über uns : SRO : Mitglieder : Angebot : Aktuell : Kontakt : Links
  Aktuelle Ausgabe: 1/2003
   
Seminare
Denaris
  Archiv
  Bestellung
VSV-Forum
Vorsorgestiftung
   
   
 
 
Ausgabe 1/2003
Plädoyer für ein Engagement in Kunst: Kunstförderung als Form von Bürgersinn
   
Roswitha J. Schild, Kunsthistorikerin, Kunstförderin, Solothurn
 
 
Warum sollte man sich heutzutage für Kunst engagieren? Ausgerechnet jetzt, wo die Bilanzen des eigenen Betriebes immer schwächlicher werden und das Studium der Depotauszüge tagtäglich stärkere Nerven verlangt. Nerven, welche man für das Verkraften der zunehmenden Renitenz des Nachwuchses bräuchte – von anderen Renitenten ganz zu schweigen.
Es ist wahrlich schwierig, jemandem, der in seiner Erziehung und Ausbildung keinerlei Anleitung und Anregung zur Auseinandersetzung mit Kunst erfahren hat, plausibel zu machen, wie bereichernd die Beschäftigung mit Kunst sein kann. Ein allgemein anerkanntes Nützlichkeitsdenken hat leider auch vor den Schulen nicht haltgemacht, so dass seit längerem immer mehr Leute in wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Leitpositionen aufsteigen, die sich des eigentlichen Wertes von Kunstwerken nicht bewusst sind, da sie einer Generation angehören, welcher musische Fächer weitgehend «erspart» geblieben sind.
Tatsache ist, dass sich diese Elite – das Wort ist in unserem Land aus bedenkenswerten Gründen geradezu verpönt, sei hier aber gestattet, um die Gesellschaftsschicht zu benennen, die Macht, Einfluss, finanzielle und intellektuelle Ressourcen in sich vereinigt – heute kaum mehr direkt am kulturellen Leben beteiligt. Der Besuch der Vernissage einer angesagten Galerie oder die Teilnahme an einer Benefiz-Versteigerung mit von Kunstschaffenden gratis (!) zur Verfügung gestellten Werken ist noch keine grosse kulturelle Leistung.

Speziell im 19. Jahrhundert war die Situation wesentlich anders: Die politischen und gesellschaftlichen Umwälzungen, die zu einer stufenweisen Demokratisierung und 1848 zur Gründung des Schweizerischen Bundesstaates führten, hatten im aufstrebenden Bürgertum zu einem starken Verständnis für die Bedeutung und Brisanz von gesellschaftskritischer Gegenwartskunst geführt. Die Exponenten dieses Bildungsbürgertums zeichneten sich durch grosse Wissbegierde aus, da die Geschichte sie hautnah gelehrt hatte, dass Wissen Macht und Bildung geistige Bedürfnisse befriedigt, dass beides aber auch identitätsstiftend wirkt – was im jungen Staatsgebilde besonders wichtig war. Das Ziel war eine Gesellschaft mündiger Bürger, die, befähigt durch eine umfassende Ausbildung ihrer inneren und äusseren Tugenden und Fähigkeiten, kreativ und innovativ am wirtschaftlichen und kulturellen Aufbau des Staates mitwirkten, anstatt nur längst überholte Strukturen zu erhalten und zu verwalten. Der damals vorherrschende Freisinn entsprang denselben Quellen wie der verinnerlichte Bürgersinn. Für die wirtschaftlichen, politischen und geistigen Führungspersönlichkeiten in der Aufbauphase der modernen Schweiz war es daher selbstverständlich, sich in Vereinen zu engagieren, die Kunst, Kultur und Bildung förderten: oft als Gründer, dann als Vorbilder und aus Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Viele unter ihnen sammelten zeitgenössische Kunst aus Überzeugung und Bedürfnis. Mit «ihren» Künstlern pflegten sie häufig einen freundschaftlichen Umgang und zogen aus dem intensiven Diskurs Erkenntnisse, die sich nicht nur auf ihre Lebenswelt, sondern auch auf ihre Arbeitswelt auswirkten.
Und heute? Die staatlichen Giesskannen zur Kulturförderung sind nur noch halbvoll, weshalb der Staat immer stärker dazu tendiert, eine seiner eigentlichen Kernaufgaben, nämlich die Schaffung einer kulturellen Identität seiner mündigen Bürger, den Sponsoren zu überlassen. Sponsoring jedoch fördert erfahrungsgemäss nicht Kunst, die sich mit aktuellen, gesellschaftsrelevanten Themen auseinandersetzt, sondern eher affirmative, allseitig abgesicherte Kunst.

Wenn sich in diversen Vorstandsetagen einige längst ad acta gelegten Werte und Überzeugungen der Vorgängergenerationen wieder Raum verschaffen könnten, dann wäre der Weg zu wirklichem Mäzenatentum geebnet. Anschliessend gälte es zu analysieren, wo die eingesetzten Mittel den grössten Nutzen bringen: für die Kunstschaffenden, für die Institutionen der Kunstvermittlung, natürlich auch für den Mäzen und last, but not least für das Gemeinwesen. So bringen vielleicht Beiträge zur Realisierung kleinerer, aber substanzieller Projekte, die in sinnvollem und -stiftendem Bezug zum Standort stehen, dem Mäzen mehr an Sympathie und Respekt ein als Millionengaben an Mammutausstellungen, von denen hauptsächlich Versicherungen profitieren. Und die Stiftung eines wichtigen Kunstwerkes an eines unserer darbenden öffentlichen Museen generiert wohl nachhaltigeren Nutzen als ein Cüpli-Event mit VIP-Appeal. Bei jeder Art von Kunstförderung ist immer unabdingbar, dass dabei ein persönliches Interesse und Engagement spürbar wird.
 
 
 
 
 
 
 
  > Der Gruss des VSV-Präsidenten  
  > Bijoux à Genève – art suisse à Zurich  
  > Mit Wissen, Mut und manchmal etwas Herz klopfen  
  > Plädoyer für ein Engagement in Kunst: Kunstförderung als Form von Bürgersinn  
  > Geld in Basel? Sorry, kein Thema.