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Das GeschmackskollektivWer ein Kind erwartet, möchte ihm einen erlesenen Namen geben. Die werdenden Eltern machen sich alsbald auf die Suche, sie vertiefen sich in Namens-Lexika, forschen im Internet und ziehen die Bibel wie den Familienstammbaum zu Rate. Denn solch ein Name ist wie eine Gabe, von der man glaubt, dass sie sich günstig auf das Leben des Kindes auswirken werde. Auch soll der Name andeuten, wie einzigartig dieses Kind ist - und wie einzigartig seine Eltern. Doch spätestens, wenn das liebe Kind namens Laura, Leon, Marie oder Alexander in den Kindergarten kommt, muss man feststellen, dass man nach einem eigentümlichen psychologischen Gesetz funktioniert: Auch wer bewusst keine Mode mitmachen möchte, ist ihr bedingungslos unterworfen. Auch wer bei der Namensgebung nur dem eigenen höchstpersönlichen Geschmack gefolgt ist, hat trotzdem den gleichen Namen für sein Kind gewählt wie hundertausend andere Eltern auch. Der sorgfältig ausgesuchte Name spricht allein von einem - dem kollektiven Geschmack der Zeit, in der er ausgewählt wurde. Susanne Lenz [Neue Suchanfrage] [Weitere Artikel vom 22.10.2002]
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03. Januar 2005
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