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Nicht die Sterne lügen, sondern die Astrologen - Zur Kritik an der Sterndeuterei

Gestirne als Götter

Von Rainer Kayser

Es ist seltsam: In diesem scheinbar so von Rationalismus geprägten Zeitalter der Wissenschaft und Technik glauben immer mehr Menschen an die Astrologie. Rund ein Viertel der Bürger in Österreich und Deutschland sind überzeugt, die Stellung der Gestirne zum Geburtszeitpunkt habe einen Einfluß auf den Verlauf ihres Lebens.


Die Astrologenzunft beruft sich auf ein Jahrtausende altes Wissen, dessen Ursprung sich im Dunkel verliere. Natürlich, schon vor Urzeiten haben die Menschen voller Ehrfurcht zum Himmel aufgeschaut. Für die vorgeschichtlichen Menschen war die ganze Natur beseelt, von Göttern, Geistern und Dämonen erfüllt - und so wurden auch in den Gestirnen Götter gesehen. Und der Einfluß des "Sonnengottes" auf das Leben war schließlich unübersehbar.


Kein Wunder also, daß auch der Stellung der anderen Gestirne eine Bedeutung zugemessen wurde, ein Fingerzeig der Götter auf das künftige Schicksal. Bis in babylonische Zeiten hinein, bis in das 1. Jahrtausend vor Christi also, bezogen sich astrologische Vorhersagen jedoch stets sehr allgemein auf das Schicksal eines Landes oder eines Königshauses. Horoskope für einzelne Personen entstanden erstmalig in spätbabylonischer und hellenistischer Zeit - und damals wurden auch die heutigen Regeln zum Erstellen von Horoskopen "erfunden": Sie beruhen nicht auf Erfahrung und Beobachtung, sondern auf einfachen Analogien. Der Merkur, als Beispiel, hat als innerster Planet unseres Sonnensystems die kürzeste Umlaufzeit, er ist der "schnellste" Planet. Und er ist stets nur kurzzeitig am Morgen- oder Abendhimmel zu erspähen. Im Regelwerk der Astrologie taucht er daher unter anderem als Symbol für Geschäftigkeit und Nervosität auf.


Noch deutlicher wird dieses Prinzip am erst 1930 entdeckten Planeten Pluto. War die Namensgebung - eher zufällig - durch die Astronomen erfolgt, bildete sie doch sogleich die Grundlage für die Einarbeitung des neuen Himmelskörpers in das astrologische Weltbild: Pluto, benannt nach dem Gott der Unterwelt, konnte nur für Skrupellosigkeit, Gewalt, Verbrechen und Katastrophen stehen.


Da die Planeten unsere Sonne in einer Ebene umkreisen, findet der Lauf von Sonne, Mond und Planeten, vom Erdboden aus betrachtet, in einem schmalen Streifen des Himmels statt, dem sogenannten Tierkreis. Die Astrologen teilen den Tierkreis in zwölf gleich große Teile, die Tierkreiszeichen. Vor 2.000 Jahren, bei Aufstellung der ersten astrologischen Regelwerke, stimmten diese Tierkreiszeichen in etwa mit den Sternbildern entlang der scheinbaren Planetenbahnen überein. Die Zählung der Tierkreiszeichen beginnt am sogenannten Frühlingspunkt, jenem Ort, an dem die Sonne zum Frühlingsanfang den Himmelsäquator durchquert. Damals lag dieser Punkt am Anfang des Sternbildes Widder.


Nun steht die Erdachse nicht senkrecht auf der Ebene der Planetenbahnen, sondern um einen Winkel von etwa 23 Grad geneigt - sonst gäbe es keine Jahreszeiten. Mond und Sonne zerren an der Erdachse und versuchen sie aufzurichten. Das Resultat: Die Erdachse taumelt, und damit Verschieben sich über Jahrtausende hinweg die Jahreszeiten - und auch der Frühlingspunkt. Er liegt heute am Anfang des Sternbildes Fische.


Da die Astrologen ihre Tierkreiszeichen aber weiter unverändert am Frühlingspunkt mit dem Zeichen des Widders beginnen, stimmen Sternbilder und Tierkreiszeichen heute längst nicht mehr überein. Wer etwa am 5. April im Zeichen des Widders geboren ist, bei dessen Geburt stand die Sonne tatsächlich im Sternbild Fische.


Von besonderer Bedeutung für die Astrologen sind die relativen Stellungen der Gestirne zueinander, die sogenannten Aspekte. In der Opposition etwa stehen sich zwei Objekte von der Erde aus gesehen gegenüber, bei der Quadratur bilden sie einen rechten Winkel zueinander. Begegnen sich zwei Planeten am Himmel, so spricht man von einer Konjunktion. Dramatisch wird es, wenn sich mehrere Planeten begegnen: Solche Superkonjunktionen führen oft zur Vorhersage von Naturkatastrophen oder gar dem Weltuntergang. Freilich sind Superkonstellationen so selten nicht, doch die Welt ist, allen Prognosen zum Trotz, noch da.


Erst im Mittelalter schließlich wurde das System der Häuser in der Astrologie eingeführt. Hierbei wird der Tierkreis noch einmal in zwölf Teile gegliedert, die jeweils einer bestimmten Höhe über dem Horizont entsprechen. Jedes dieser Häuser ist für bestimmte Bereiche des Lebens "zuständig", das erste Haus ("Ich-Haus") etwa für den Charakter, das gegenüberliegende siebente Haus ("Du-Haus") für Lebenspartner und Freunde. Diese Beziehungen wurden von den mittelalterlichen Astrologen rein willkürlich festgelegt, ihnen liegen keinerlei Untersuchungen oder Statistiken zugrunde.


Seit dem Aufschwung der modernen Astronomie im 17. Jahrhundert, der Entdeckung der Gesetze der Planetenbewegung durch Kepler und der Beschreibung der Schwerkraft durch Newton, wird die Astrologie von den Naturwissenschaftern aus einer Vielzahl von Gründen abgelehnt. Ganz abgesehen davon, daß es keinerlei Erklärungsansatz für eine Wirkung der fernen Planeten auf das Schicksal einzelner Menschen gibt, stellt sich die Frage, warum es gerade die Stellung der Gestirne zum exakten Zeitpunkt der Geburt - und nicht etwa der Empfängnis - ist, welche entscheidend ist. Die Geburt ist eben kein Moment, sondern ein - häufig langwieriger - Prozeß: Entscheidet der Augenblick, in dem die Fruchtblase platzt? Der Austritt des Kopfes - oder der Füße? Das Durchtrennen der Nabelschnur? Oder ist es vielleicht jener zufällige Moment, in dem die Hebamme sich erinnert, zur Uhr zu schauen und den Geburtszeitpunkt zu notieren, der über das Lebensschicksal des neugeborenen Menschen entscheidet?


Warum nimmt die Zahl der Astrologiegläubigen trotz aller Kritik an der Sterndeuterei, trotz ihrer offensichtlichen Mängel und Ungereimtheiten nicht ab? Warum sind so viele Menschen von der Richtigkeit astrologischer Vorhersagen überzeugt, etwa von den Zusammenhängen zwischen Charakter und Sternzeichen? Eine wichtige Rolle hierbei spielt, wie auch bei Phänomenen wie Hellseherei und Gedankenlesen, die sogenannte selektive Wahrnehmung der Menschen. James Randi, bekannt als Zauberkünstler, noch bekannter als professioneller Entlarver parapsychischer Medien und Gabelverbieger, schildert in seinem Buch "Flim-Flam" ein eindrucksvolles Beispiel. Ein "Gedankenleser" beeindruckte das Publikum mit Details aus dem Leben einzelner Zuschauer. Randi wählte zwei der Zuschauer aus und zeigte ihnen eine Videoaufzeichnung der Show. Durch einfaches Nachzählen überzeugten sich die beiden, daß gerade eben eine von 14 Behauptungen des Mediums zutrafen - zuvor waren sie überzeugt gewesen, fast alle Aussagen des Hellsehers wären richtig gewesen. Überzeugt von der Begabung des Mediums hatten die Zuschauer nur das wahrgenommen, was zu ihrer Überzeugung paßte - alles andere wurde sofort vergessen.


Ebenso funktioniert es bei der Astrologie. Wenn ein "Stier" also laut astrologischem Kalenderblatt ruhig und phlegmatisch, rücksichtslos und stur, ehrgeizig und hilfsbereit ist, dann trifft sicher auf jeden "Stier" die eine oder andere dieser Eigenschaften zu - und das, was nicht zutrifft, wird nicht beachtet. Bei individuell gestellten Horoskopen schlägt die selektive Wahrnehmung sogar noch erbarmungsloser zu, da die eigene Persönlichkeit ohnehin oft alles andere als objektiv wahrgenommen wird.


Der amerikanische Psychologe B. R. Forer machte dazu 1949 ein interessantes Experiment. Von einer Gruppe seiner Studenten ließ er sich die exakten Geburtsdaten geben, um, wie er ihnen erklärte, persönliche Horoskope erstellen zu lassen. Die Studenten sollten dann den Wahrheitsgehalt der Horoskope auf einer Skala von 0 (gering) bis 5 (perfekt) beurteilen. Die Studenten waren verblüfft über die Qualität der Sterndeutungen und gaben eine Durchschnittsnote von 4,26 - nahezu perfekt. Tatsächlich hatten jedoch alle Studenten exakt den gleichen, völlig willkürlich erstellten Text erhalten!


Viele Astrologen reagieren heute auf die naturwissenschaftliche Kritik durch ein Zurückweichen auf eine vermeintlich "ganzheitliche" Sicht der Dinge. So schreibt etwa Patrick Levine, Buchautor und bekannter Verteidiger der Sterndeuterei: "Es sind nicht die Bewegungen der Planeten, die Ereignisse auf der Erde verursachen. Vielmehr zeigen diese Bewegungen uns ein universelles Muster." Und diesem Muster seien Planeten und Menschen gleichermaßen unterworfen: Alles hängt irgendwie zusammen.


Doch ganz unabhängig davon, welche Theorie hinter der Astrologie steht, ihre Kernaussage bleibt unverändert: Es gibt eine Korrelation zwischen der Stellung der Gestirne zum Geburtszeitpunkt und dem Charakter und Schicksal eines Menschen.


Es hat viele Versuche gegeben, diese "astrologische Hypothese" wissenschaftlich zu testen. Manche dieser Tests sind zugunsten der Astrologen ausgefallen, manche zu ihren Ungunsten. Kritik gab es stets: Entweder die Untersuchungen entsprachen nicht den Qualitätsansprüchen der kritischen Wissenschafter, oder - so die Sterndeuter - sie testeten mitnichten die Astrologie, sondern nur das, was die Wissenschafter fälschlich unter Astrologie verstanden.


Aus diesem Rahmen fällt ein Test heraus, den der Physiker Shawn Carlson von der Elite-Universität im kalifornischen Berkeley im Jahre 1985 durchführte. Carlson gab sich große Mühe, ein Konzept zu erstellen, daß sowohl die Zustimmung von Naturwissenschaftern und Statistikern, als auch von professionellen Astrologen fand.


Über jeden Schritt des Verfahrens und auch über die Interpretation der Ergebnisse wurde vor Durchführung der Versuchsreihen Einigung erzielt. Die beteiligten Astrologen wurden von einem weltweit respektiertem Astrologiefachverband ausgewählt. Es wurden keine Testpersonen aufgenommen, die der Astrologie deutlich ablehnend gegenüberstanden.


Für 116 Personen wurden zunächst von Psychologen nach einem Standardverfahren Persönlichkeitsprofile erstellt. Nach einem von den beteiligten Astrologen akzeptierten Verfahren wurden weiterhin Geburtshoroskope für diese Personen berechnet. Die Astrologen bekamen dann - natürlich anonymisiert - jeweils das Geburtshoroskop und das Persönlichkeitsprofil einer Testperson, sowie zwei zufällig ausgewählte Persönlichkeitsprofile präsentiert. Daraus sollte dann mittels des Horoskops das "richtige" Profil erkannt werden.


Etwas bescheiden hatten die Astrologen im Vorwege entschieden, eine Trefferquote von über 50 Prozent sei bereits als Erfolg zu werten. Tatsächlich erreichten sie lediglich noch bescheidenere 34 Prozent - eine rein zufällige Auswahl liefert im Mittel 33_/3 Prozent Treffer!


Shawn Carlson präsentierte die Ergebnisse seiner Untersuchung in dem renommierten Wissenschaftsmagazin Nature und zog den Schluß, daß die von den Astrologen "vorhergesagte Verbindung zwischen der Position der Planeten und anderer astronomischer Objekte zum Zeitpunkt der Geburt und der Persönlichkeit der Testpersonen nicht existiert. Das Experiment hat die astrologische Hypothese klar widerlegt."


Lügen also die Sterne? Nein, es sind nur die Astrologen, die irren. Denn aus dem Licht der Sterne können die Astronomen vielfältige wahre Informationen gewinnen über die Größe, den Aufbau, das Werden und Vergehen der Gestirne. Doch die Astrologen sollen hier keineswegs pauschal als Lügner und Betrüger diffamiert werden: Viele gehen ihrer Arbeit aus tiefer Überzeugung nach und glauben, anderen Menschen zu helfen.


Rainer Kayser, mehrere Jahre als Astrophysiker in Hamburg und Toronto tätig, lebt als freier Wissenschaftsjournalist in Hamburg.

Montag, 31. März 1997

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