Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  English  2005  MyAbo 
  Lexikon    Glossen     Bücher     Musik  

In Sri Lanka werden jährlich 300.000 Tonnen Tee produziert

Die Frucht der grünen Felder

Von Katrin Miseré

Fruchtbare Erde hat dieses Land. Rotbraun und fett lässt sie alles gedeihen, was die Bewohner anpflanzen. Pralle, leuchtende Karotten, dicken, saftigen Lauch, kleine, feste, glänzende Rotkohlköpfe - wie eine Farbpalette wirkt das an den kleinen Ständen entlang der Straßen in der Bergprovinz Nurawa Eliya angebotene Gemüse.

Aufgrund dieser Erde hat vor fast 180 Jahren jenes Experiment funktioniert, dass der Insel seitdem den Anbau ihres wichtigsten Exportproduktes ermöglicht: Tee. Als 1824 die ersten Sträucher nach Sri Lanka kamen, hatte der Tee schon eine lange Geschichte hinter sich. Eine chinesische Legende erzählt von einer Episode im Jahr 2737 v. Chr. Dem Kaiser Shen-Nung waren einige Teeblätter in seine Tasse mit heißem Wasser gefallen. Der Kaiser war von dem feinen Aroma begeistert, und so begann man mit der Kultivierung der Teesträucher.

Nach Sri Lanka wurden die ersten Teesträucher zunächst nur zu Forschungszwecken gebracht. Die kommerzielle Anpflanzung initiierte der Schotte James Taylor. Bis dahin war auf den Plantagen nur Kaffee angebaut worden. Als 1869 eine Seuche die gesamte Kaffee-Ernte vernichtete, schlug die Stunde des Tees. Finanziell ruiniert, beschlossen die Plantagenbesitzer einen neuen Industriezweig zu erschließen und stellten auf den Teeanbau um. Aber erst 1900 erreichten die Tee-Pioniere den Standard, der vor der Seuche mit Kaffee zu erzielen war.

Aufzucht und Pflege

Inzwischen ist die Prozedur des Teeanbaus und der Verarbeitung genau festgelegt. Ob das, was am Ende in Holzkisten und Papiersäcken verschifft wird, ein Durchschnittsprodukt ist oder höchsten Ansprüchen genügt, hängt davon ab, nach welchen Standards die Blätter verarbeitet werden.

Aber welche Qualität immer am Ende steht, Aufzucht und Pflege sind für jedes Teeblatt gleich. Lediglich die Anbauhöhe entscheidet, ob aus den Blättern feiner Tee entstehen kann oder eine einfache, kräftige Sorte. Nur was über 1.200 Metern Höhe wächst, darf sich Hochlandtee nennen.

Am Anfang der Aufzucht steht der Mutterstrauch. Anders als alle anderen Sträucher darf er bis zu 100 Jahre alt werden. Er versorgt die gesamte Plantage mit den Trieben für die Nachzucht. 12 bis 15 Monate werden die empfindlichen Pflänzchen mit großer Umsicht gepflegt, bevor sie in die Plantagen umgesetzt werden.

Einmal noch werden die Triebe radikal gestutzt. So wird verhindert, dass der Strauch wild in alle Richtungen wuchert, und erreicht, dass er die ideale Form für das spätere Pflücken bekommt: niedrig, mit einer flachen, breiten Oberfläche. Später werden die Büsche regelmäßig beschnitten, um das Austreiben nach jeder Ernte zu beschleunigen.

Auf einer Plantage begegnet man immer wieder postergroßen Markierungen. Rot, gelb oder grün umrandet, finden sich dort die wichtigsten Informationen über das jeweilige Feld: Wie alt die Sträucher sind und wann zuletzt gestutzt wurde. Eine grüne Markierung bedeutet: auf diesem Feld stehen junge Sträucher. Nach 35 Jahren muss das Zeichen auf dem Stein gelb umrandet werden. Nach weiteren 15 Jahren rot. Spätestens nach 75 Jahren werden die Sträucher ausgegraben - ein neues Feld für die jungen Büsche aus der Aufzucht wird frei.

Aus der Luft betrachtet, ist leicht zu erkennen, womit die Arbeiter gerade beschäftigt waren. Hellgrün leuchten die Felder, die noch vor der Pflückung stehen. Dunkelgrün liegen die Flächen, die gerade abgeerntet wurden. Die Felder mit den gestutzten Sträuchern dazwischen wirken fast verwahrlost.

Die Dorfgemeinschaft

Eine Teeplantage besteht nicht nur aus der Summe ihrer Felder. Sie ist außerdem der Rahmen für die Dorfgemeinschaft, die für die Plantage arbeitet. Ernten, Beschneiden, Aussetzen sind nur ein Teil der Arbeit. Täglich muss Feuerholz für die Familien geholt werden, die Häuser müssen in Ordnung gebracht und der Müll entsorgt werden. Die Zeiten der Ausbeutung auf den Plantagen sind vorbei.

Eine sehr mächtige Gewerkschaft steht hinter den ArbeiterInnen. Kommt es hart auf hart, wird die Teeproduktion durch Streik lahm gelegt.

Wer auf einer Plantage arbeitet, gehört keinesfalls zu den Besserverdienern, aber sein Auskommen ist gesichert. Die Familien zahlen keine Miete und jeder Haushalt bekommt ein Stück Land. Die Kinder können hier in die Schule gehen und jeder hat Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung. Weil der Glaube für die Sri Lankaner ein zentraler Bestandteil des Alltags ist, finden sich je nach Dorfgemeinschaft bis zu drei religiöse Stätten: ein buddhistischer und ein hinduistischer Tempel und eine Moschee.

Jeden Morgen treffen sich die Frauen und Männer auf dem Dorfplatz. Dann werden die anfallenden Arbeiten verteilt. Das Pflücken wird grundsätzlich von den Frauen erledigt. Wegen des feineren Fingergefühls, erklärt der Vorarbeiter. Zwei Handgriffe sind es, die die Frauen Tag für Tag mehrere hundertmal erledigen: Pflücken - in den Korb werfen. Viel geredet wird dabei nicht. In großen Abständen stehen die Frauen bis zur Hüfte im Grün, die Augen immer suchend auf die Sträucher geheftet. Für hochwertigen Tee dürfen nur die Blattspitzen im Korb landen. Two leaves and a Bud, also zwei Blätter und die Knospe sind die Basis für hohe Qualität. Schnell wird der Korb also nicht voll. Dennoch kann eine Pflückerin an guten Tagen bis zu 45 Kilo ernten.

Am nächsten Tag wird die Ernte in pralle Säcke verladen. Zwei Möglichkeiten gibt es, die Blätter zu verarbeiten: nach der orthodoxen Methode oder im CTC (Crush-Tea-Curl)- Verfahren.

In der Fabrik La Boookellie wird nach der orthodoxen Methode gearbeitet. In ihrem Büro haben die beiden Manager Indika Ellepole und Rajiv Rajavatnam zwölf Tassen stehen, jede halb voll mit dunklem Tee. Extra stark muss der Aufguss sein, den die beiden Männer laut schlürfend in ihrem Mund hin- und herbewegen. Es scheint alles in Ordnung zu sein. Aber wer weiß, schon beim nächsten Test könnte irgendwo im Produktionsablauf etwas schief gehen. Wo der Fehler liegt, könnten die beiden Kontrollore sofort sagen. Dann würde die Produktion gestoppt und korrigiert.

Schief gehen kann viel. Schon beim ersten Arbeitsgang, dem Welken. Die Arbeiter schütten die Blätter auf 10 Meter lange Siebe. Von unten bläst ein warmer Luftstrom sanft auf den Blätterteppich. 40 bis 60 Prozent Feuchtigkeit müssen entzogen werden, damit die Blätter für den nächsten Schritt, das Rollen die richtige Biegsamkeit bekommen. Den richtigen Zeitpunkt bestimmt der Welkmeister. Er lässt seine Hand durch die Blätter gleiten, fühlt und riecht, ob sie für den nächsten Schritt bereit sind. Für das Rollen werden die Teeblätter auf einer runden Platte verteilt. Eine Walze rollt kreisend darüber und zermalmt die Blätter zu feuchten grün-braunen Klumpen. Diese müssen dann wieder in ihre Bestandteile getrennt werden. In einem Rüttelsieb wird die Masse in drei Blattgrößen sortiert.

Wie das Aroma entsteht

Dann folgt ein besonders heikler Arbeitsgang: die Fermentation. Die Teemasse wird in einem kühlen, feuchten Raum ausgebreitet. Jetzt beginnt der Oxidationsprozess: die Luft verbindet sich mit dem Saft der Blätter, die Masse färbt sich braun und der Tee erhält sein typisches Aroma. Ein Fermentationsmeister prüft, wann der Trocknungsprozess eingeleitet werden kann. Dass er den richtigen Zeitpunkt wählt, ist eine Sache seines Augenmaßes.

Zuletzt wird der Tee durch ein Siebsystem nach Blattgraden sortiert. Am Ende stehen Blatt-Tee, Broken-Tee, Fannings und Dust. Je größer das Blatt, desto feiner das Aroma. Der Dust, also Staub, landet üblicherweise im Teebeutel.

Im Unterschied zur orthodoxen Methode, die für die Verarbeitung einer Charge im Schnitt 24 Stunden benötigt, schafft das CTC-Verfahren eine Produktion schon in zwölf Stunden. Dabei wird jeder Arbeitsschritt im fließenden Übergang auf einem Band erledigt, das sich durch die Fabrikhalle schlängelt. Die Teeblätter werden in gleich große Stücke gerissen, weshalb es am Ende auch nur einen einzigen Blattgrad gibt. Auch wenn hier nur mindere Qualität produziert wird, ist es ein Genuss, dem Fließband zu folgen. Wie eine dicke, schwere Wolke hängt der Teegeruch noch in den letzten Winkeln der Halle. In der feuchten Luft kann man das Aroma sogar schmecken. Am Anfang liegt die Teemasse noch moosgrün auf dem Band, und wie Moos fühlt sie sich auch an: kühl und weich. Aber schon von weitem kann man erkennen, wie sich im Verlauf die Farbe langsam verändert. Große Papiersäcke warten am Ende auf die Teekrümel, die vom Rüttelsieb fallen. Obwohl keine unterschiedlichen Blattgrade hergestellt werden, fällt auch hier Dust an und muss ausgesiebt werden.

Was passiert mit den über 300.000 Tonnen Tee, die pro Jahr in Sri Lanka produziert werden? Der größte Teil wird ins Ausland verschifft. Nach Indien und China ist Sri Lanka der drittgrößte Tee-Exporteur. Bevor der Tee aber seinen Weg nach Russland, Großbritannien oder in die arabischen Länder findet, muss er auf der Teebörse gehandelt werden.

Wer sich hier eine altehrwürdige Institution erwartet, wird enttäuscht sein. Ein großer Raum mit aufsteigenden Bankreihen im dritten Stock der Handelskammer Colombo - das ist die Teebörse. Sobald man die Tür öffnet, hämmert das Stakkato des Auktionsleiters auf einen ein. Dazwischen platzen die kurzen Rufe der Händler, die hier Broker genannt werden. Obwohl die Auktionssprache Englisch ist, bleibt es für den Laien undurchschaubar, was da gerade passiert.

Heute werden nur Konkursmassen versteigert. Andrew Christoffelesz bedauert, dass nicht so viel los ist wie sonst. Tatsächlich sitzen viele Broker etwas gelangweilt in ihren Bankreihen und unterhalten sich mit dem Nachbarn. Christoffelesz ist selbst Broker. Er hat weltweit Kunden, für die er hier den Tee ersteigert. Dazu muss man mehr verstehen als die Gepflogenheiten der Teebörse. Zwei Wochen vor der Auktion bekommen die Broker Proben der zu versteigernden Teesorten. Christoffelesz wählt aus, was für seine Kunden interessant sein könnte. Die Produktionslinie seines Auftraggebers muss er ebenso gut kennen wie die Bedürfnisse des jeweiligen Marktes. "Die Briten etwa trinken gerne starken Tee, weil sie Milch dazugeben. Ebenso die Araber. Bei ihnen wird der Tee stark gesüßt, deshalb wollen sie einen kräftigen Tee. Die Deutschen dagegen haben den Tee lieber mild."

Entscheidet sich ein Kunde für einen bestimmten Tee, bekommt Christoffelesz den Auftrag, bis zu einem vereinbarten Limit mit zu steigern. Ist er erfolgreich, wird der Tee sofort verschickt. An seinem Bestimmungsort angekommen, werden die Teekrümel oft noch verfeinert, gemischt und aromatisiert. Und wenn der Tee Glück hat und beim Aufguss genug Platz, dann darf er sein Aroma noch ein letztes Mal voll entfalten.

Freitag, 05. März 2004

Aktuell

Wo alle Speisen enden
Eine kleine Kulturgeschichte der Toilette – von der Antike bis heute
Katzen als Testfresser
Kulinarische Verlockungen und ungesunde Zusätze im Tierfutter
Handlich und haltbar
Die Teilbarkeit von Nahrung ist ein wichtiger Faktor des Food Designs

1 2 3

Lexikon



Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum