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Krisenherde und Konfliktpotenziale auf den Fidschi-Inseln

Fidschi-Inseln: Ein fragiler Kleinstaat

Von Margit Wolfsberger

Eines der beliebtesten Reiseziele der Südsee ist die reizvolle Inselwelt der Fiji's. Lebensfreude und herzliche Gastfreundschaft sind die Merkmale der Bewohner Fiji's. Südseeträume werden auf den kleinen Koralleninseln zur Wirklichkeit. EDie zitierte Idylle aus Reiseprospekten fand im Vorjahr eine empfindliche "Störung". Ein versuchter Putsch mit Geiselnahme, Toten und Unruhen erschütterten Viti Levu, die Hauptinsel der Fidschi-Inselgruppe. ("Fidschi" ist die deutsche Schreibweise der Inselgruppe, die Captain Cook und seine Mannschaft 1774 als erste Europäer betraten. "Fiji" ist die englische Schreibung.)

Plötzlich prägte Gewalt die Berichterstattung über dieses vermeintliche Paradies. Trotz der kurzzeitig aufgeflammten Medienaufmerksamkeit blieben die Hintergründe der Krise und der weitere Verlauf nach dem Ende der Geiselnahme der Regierung im Juli vor einem Jahr den meisten Interessierten hierzulande verborgen. Nun ist im Wiener Promedia-Verlag ein Buch erschienen, das diese Lücke schließt: "Das Ende eines Südseeparadieses" von Hermann Mückler, Universitätsdozent am Institut für Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie an der Universität Wien, gibt einen Überblick über die historische Entwicklung Fidschis und eine Chronologie der Ereignisse im letzten Jahr. Schnell wird beim Lesen klar, dass dieser Krise, wiewohl weit von allen potenziellen Weltzentren entfernt, nicht nur lokale, sondern auch internationale Ursachen zugrunde liegen: Nationalismus, das Erbe der Kolonialzeit, Klassen- und Generationenkonflikte sind ebenso von Bedeutung wie die ethnischen Grenzen zwischen FidschianerInnen und Indo-FidschianerInnen, entlang denen der Konflikt ausbrach und hier auch wahrgenommen wird. Diese Krise kann fast als Lehrbeispiel für ähnliche Konstellationen weltweit genommen werden. Um dies zu sehen, bedarf es aber einer genaueren Analyse, als es die kurzfristige Krisenberichterstattung zulässt.

Land und Leute

Fidschi ist der Sammelbegriff für eine Inselgruppe, bestehend aus zwei großen (Viti Levu und Vanua Levu) und zahlreichen kleinen Inseln. Innerhalb dieser Gruppe verläuft die kulturelle Trennlinie zwischen Polynesien und Melanesien, den beiden vor allem südlich des Äquators gelegenen Großregionen im Südpazifik. Nördlich des Äquators befinden sich die viel kleineren Inseln Mikronesiens sowie Hawaii, das kulturell zu Polynesien gezählt wird. Fidschi bildet in mehrfacher Hinsicht eine Schnittstelle im Südpazifik: In der Hauptstadt Suva liegt der Hauptsitz der University of the South Pacific, die von verschiedenen pazifischen Inselstaaten betrieben wird. In Suva befinden sich auch die Regionalbüros zahlreicher internationaler Hilfsorganisationen und schließlich das Pacific Islands Forum, ein Zusammenschluss der unabhängigen Staaten im Südpazifik. Nadi ist der internationale Flughafen im Südpazifik, über den die Touristenströme, aber auch die zahlreichen Gastarbeiter-Bewegungen nach Neuseeland, Australien oder Kalifornien abgewickelt werden.

Insgesamt leben 800.000 Menschen in Fidschi, davon sind zirka die Hälfte FidschianerInnen, die an-

dere Hälfte Indo-FidschianerInnen (45 Prozent), AsiatInnen, EuropäerInnen und andere. Der sofort ins Auge stechende hohe Anteil von Indo-FidschianerInnen, entweder von aus Indien eingewanderten bzw. angeworbenen oder bereits in Fidschi geborenen InderInnen, ist markantestes Merkmal der Bevölkerungsstruktur. Die Geschichte dieser Entwicklung begann 1879, als die britischen Kolonialherren InderInnen als Arbeitskräfte für die Zuckerrohrplantagen anwarben und zum Teil auch gewaltsam oder doch unter falschen Versprechungen verschleppten. Der indische Bevölkerungsanteil steigerte sich in der Folge auf 60.000 InderInnen 1916 gegenüber 90.000 FidschianerInnen. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts war der Anteil der Indo-FidschianerInnen dann höher als derjenige der FidschianerInnen. Ursachen waren der stete Zuzug, die nicht erfolgte Rückkehr nach Indien von angeworbenen ArbeiterInnen, die höhere Geburtenrate in indischen Familien und nicht zuletzt der Umstand, dass die fidschianische Bevölkerung deutlich stärker eingeschleppten Krankheiten, wie z. B. Grippe, zum Opfer fiel als die indische.

Entlang der ethnischen Zuordnung stechen viele Unterschiede sofort ins Auge. So etwa die religiöse Zuordnung. Während das Kastensystem unter den indischen Einwanderern keine bedeutende Rolle mehr spielt, blieben sie überwiegend Hindus bzw. Muslime. Auch als Sprache dominiert unter dieser Bevölkerungsgruppe Hindi neben Englisch. Die FidschianerInnen sind hingegen ChristInnen und sprechen neben Englisch vorwiegend Fidschianisch. Mischehen sind sehr selten, in größeren Orten gibt es zuweilen sogar getrennte Schulen. Der Hindutempel in Nadi, dem internationalen Flughafen im Westen von Viti Levu, dominiert das Stadtbild ebenso wie anderenorts Kirchen. Auffällig ist ebenfalls der hohe Anteil von Indo-FidschianerInnen in allen Dienstleistungsgewerben und im Handel. Touristen, die im allgemeinen vor allem im trockenen und mit zahlreichen Stränden gesäumten Westteil der Insel bleiben, sind vor allem mit indischen Arbeitskräften und Händlern in Kontakt. Dieser Umstand ist nur bedingt der berühmt-berüchtigten "Geschäftstüchtigkeit" der Indo-FidschianerInnen zu verdanken, die oft im Gegensatz zur "faulen" und viel gemächlicheren Lebensweise der vor allem auf Subsistenz- und Landwirtschaft spezialisierten FidschianerInnen im Osten der Hauptinsel behauptet wird. Vielmehr ist es den Indo-FidschianerInnen nicht möglich, Land zu erwerben, sondern nur zu pachten. Insofern war es ihnen nicht möglich ausgedehnt Landwirtschaft zu betreiben und sie spezialisierten sich auf andere Branchen. Heute gibt es zahlreiche qualifizierte Berufe, die von Indo-FidschianerInnen dominiert werden. Diese Branchen sind im Zuge der stärkeren Einbindung Fidschis in den Weltmarkt jene, die höhere Gewinne abwerfen, während die landwirtschaftlichen Produkte der FidschianerInnen immer geringere Preise erzielen. Dieses wirtschaftliche Ungleichgewicht wird von vielen FidschianerInnen als Bedrohung empfunden. Als Gegenstrategie wurde stets der politische Einfluss der Indo-FidschianerInnen beschränkt und demokratische Rechte wurden ihnen vorenthalten.

Rückkehr zur Vergangenheit

1970 erlangte Fidschi die Unabhängigkeit von Großbritannien; es ist aber nach wie vor Mitglied des British Commonwealth of Nations. Das politische System ist stark an das Westminster System angelehnt. In den 30 Jahren Unabhängigkeit entstanden einerseits Parteien und Interessensvertretungen unabhängig vom traditionellen Häuptlingstum, andererseits etablierten sich aber auch traditionelle Strukturen wie der Great Council of Chiefs, ein Gremium, das zwar von traditionell bestimmten FührerInnen aus den Reihen der FidschianerInnen besetzt wird, aber dennoch einen generellen Machtanspruch für das gesamte Staatsgebiet beansprucht. Die Konzeption eines solchen Gremiums ist auch unter fidschianisch-stämmigen BürgerInnen Fidschis nicht unumstritten, immerhin ist der Zugang zu diesen Machtpositionen sehr beschränkt und andererseits gab es in Fidschi vor der Ankunft und massiven Einflussnahme der europäischen Kolonialmächte kein zentrales Machtgremium, vielmehr gab es eine Vielzahl miteinander rivalisierender Häuptlingstümer. Mit der zunehmenden Etablierung der indischen Einwanderer, die mittlerweile in der vierten oder fünften Generation bereits auf Fidschi leben und dem Auslaufen vieler der langjährigen Pachtverträge spitzte sich die Lage gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu. 1987 gab es zwei Militärputsche als direkte Reaktion auf die erste Regierung unter einem indischstämmigen Premierminister.

Die anschließende Normalisierungsphase mit der Ausarbeitung einer neuen Verfassung dauerte zehn Jahre. 1997 wurde eine neue Verfassung angenommen, die erstmals auch den Indo-FidschianerInnen größere Rechte einräumte. Als Folge kam es zur Wiederaufnahme in den Commonwealth, aus dem Fidschi nach dem Putsch ausgeschlossen worden war.

Nachdem Neuwahlen im Jahr 1999 abermals einen indischstämmigen Premierminister, Mahendra Chaudhry, an die Macht brachten und dieser mit umfangreichen Reformen der korrupten Wirtschaft und der leidigen Landfrage begann, stürmte George Speight, ein erfolgloser fidschianischer Geschäftsmann, am 19. Mai 2000 gemeinsam mit Gefolgsleuten das Parlament und nahm die Regierung gefangen.

Er verlangte die Absetzung Chaudhrys, die Einsetzung einer neuen Regierung und Garantien für Beibehaltung bzw. Ausdehnung der Vorrangstellung der fidschianischen Interessen in Politik und Wirtschaft. Sein Vorgehen und die zögerliche Haltung der Chiefs aber auch des Militärs spaltete das Land, führte zu Unruhen und Übergriffen gegenüber Indo-FidschianerInnen und deren Geschäften und schließlich zu einer neuerlichen Abwanderung von indischen Fachkräften, wie auch schon nach dem Putsch von 1987 zu beobachten war. Einzelne Staaten wie Australien verhängten Sperren für den Handel, der Tourismus erlebte einen drastischen Rückgang, im Land kam es zur Verzögerung der lebenswichtigen Zuckerrohrernte und zur Drohung einzelner Welt-Gewerkschaftsorganisationen, bei der EU einen Stopp der (im Rahmen des Cotonóu-Abkommens mit den AKP-Staaten) garantieren Abnahmemenge des Zuckerrohrs zu fixierten Preisen zu verlangen.

Ende Juli 2000 wurde George Speight schließlich gefangen genommen, eine neue Regierung - ohne einen einzigen Indo-Fidschianer - eingesetzt, die Rebellen entwaffnet, die Rückkehr zur Normalität begann. Allerdings ist die Frage, welchen Weg Fidschi einschlagen soll, keineswegs unumstritten.

Auch viele FidschianerInnen votierten für die von Mahendra Chaudhry geführte Fijian Labour Party, eine relativ junge Partei, die vor allem Anliegen der Arbeiterklasse aller Ethnien vertritt und für eine Reformierung des Landes in vielfacher Hinsicht eintritt. Dabei kommt sie natürlich in Konflikt mit jenen traditionellen FührerInnen unter den FidschianerInnen, die nicht nur politische sondern auch sehr reell wirtschaftliche Macht zu verlieren drohten. Mit dem alleinigen Verfügungsrecht der traditionellen FührerInnen über Land sicherten sich diese die größten Profite. Ebenso besetzen sie wichtige Schlüsselfunktionen in der von der Regierung bis dahin stark subventionierten Wirtschaft.

Zukunftsperspektiven

Auch das West-Ost-Gefüge ist eine weitere Spannungslinie: Der wirtschaftlich relativ stark entwickelte Westteil Viti Levus besitzt eine weitaus geringere Macht als die im Osten angesiedelten mächtigen Familienclans, die das politische Geschehen dominieren. Während der Krise im Vorjahr überlegten die Häuptlinge des Westteils von Viti Levu überhaupt die Abspaltung oder Gründung eines eigenen Council of Chiefs. Die Krise kann auch als ein Machtkampf zwischen verschiedenen Clans gesehen werden, da die formal höchste Macht in traditionellen Gremium auf einige wenige Personen aus einer Handvoll Familien konzentriert ist.

Alle diese divergierenden Kräfte bewirkten letztlich im Vorjahr nach dem Putsch die Rückkehr zu einem Zustand vor der Verfassung von 1997, wobei noch nicht entschieden ist, ob diese Verfassung überhaupt rechtmäßig außer Kraft gesetzt wurde. Eine neue Kommission zur Ausarbeitung einer neuen Verfassung ist hingegen höchst umstritten besetzt.

Längerfristig erscheint es für das Überleben Fidschis unabdingbar, eine für alle im Land lebenden Menschen akzeptable politische Vertretungsform zu finden und das Überleben aller zu garantieren. Immerhin bewirkten die anhaltenden Ausschreitungen gegen Indo-FidschianerInnen die Auswanderung gerade von hochqualifizierten Fachkräften. Andererseits gibt es im Umkreis der Hauptstadt Suva eine zunehmende Zuwanderung verarmter FidschianerInnen und das Anwachsen von Slums ist zu beobachten.

Für mehr oder weniger gut informierte BeobachterInnen aus dem fernen Europa ist diese Krise nur eine unter unzähligen anderen. Wenn sie etwas Gutes für sich hat, so vielleicht dies: Sie könnte das Bild von den sorgenlosen Südseeinseln nachhaltig zerstören und den Blick schärfen für Probleme und auch Chancen dieser fragilen Kleinstaaten.

Buchtipp: Hermann Mückler. Fidschi - Das Ende eines Südseeparadieses. Promedia-Verlag, Wien 2001, 239 Seiten.

Web-Tipp: www.ospg.org - Die Website der Österreichisch-Südpazifischen Gesellschaft bietet zahlreiche Links zur Krise auf Fidschi und zum Südpazifik allgemein.

Freitag, 10. August 2001

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