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Peter Henisch begibt sich auf Lese-und Musiktournee

Henisch, Peter: Schwarzer Peter mit Kind

Von Helga Häupl-Seitz

Fernab der leichten und allzu oft seichten Sommerkulinarien gibt es heuer im Österreichischen Rundfunk Highlights eines Autors, den man auch hören sollte: Peter Henisch liest im RadioKulturcafé und tritt gemeinsam mit seiner bewährten Formation Woody Schabata und Hans Zinkl auf. Der Anlass: Die radikal überarbeitete dtv-Ausgabe seines 1991 erschienen Romans "Morrisons Versteck". Im Großen Sendesaal Anfang Juli wird sich die Formation einem "etwas anderen Programm" widmen: Am ersten Abend des 31. Jahres nach dem mysteriösen Tod des damals 27-jährigen Leadsängers der "Doors" in einer Pariser Badewanne versuchen die Künstler mit "Jim is alive" aktuelle Anknüpfungspunkte zu finden. Anlass genug, ein wenig mehr über den Autor Peter Henisch und seine jüngsten Intentionen erfahren zu wollen.

Bereits 1991 hatte sich Peter Henisch des Leadsängers Jim Morrison, eine der Kultfiguren und Ikonen der 68er-Bewegung literarisch angenommen; nun greift er den Morrison-Mythos spielerisch auf: Hauptprotagonist Paul, ein Journalist, erhält von der Fotografin Petra, von der er seit fast 20 Jahren nichts mehr gehört hat, obskure Briefe. An der Mauer eines geheimnisvollen Gartens sei ihr ein Exhibitionist begegnet, in dem sie J. M. wiederzuerkennen meint. Nur soviel, schreibt sie, ich bin einer Weltsensation auf der Spur. Das "Versteckspiel" beginnt aufs Neue . . .

"Für mich war und ist die 68er-Bewegung, auch wenn sie bei uns ja nur in Ausläufern wirklich zugegen war, ein wichtiges Thema geblieben", meint der Autor dazu. "Sie gehört einfach zur Auseinandersetzung mit meiner Generation." Bereits 1978 widmete er sich in seinem Roman "Der Mai ist vorbei", sehr zum Missfallen etlicher Zeitgenossen, der teils kuriosen, teils tragikkomischen Widersprüchlichkeit, mit der sie damals versuchten, die neuen Ideale zu leben. Auch die frühe Ehe des Autors scheiterte letztendlich daran: "Mit Neugier haben wir versucht, tradierte Beziehungsmuster abzustreifen, mit simplen Neid- und Eifersuchtsgefühlen sind wir wieder aufgewacht. Ich glaube, es ist damals vielen Paaren passiert - die anfänglich spielerische Komödie ist gekippt."

Von dieser Thematik geprägt sind auch seine beiden Morrison-Romane. "Jim Morrison war in gewisser Hinsicht ein typischer Vertreter dieser Generation, obwohl ihm bereits bewusst gewesen ist, dass dieser Sommer von 'Love & Peace' und Protest gegen den Krieg zu keinem guten Ende führt." Dass er sich dieses Romans gleich zweimal angenommen hat, ist für ihn nicht außergewöhnlich: "Für mich ist ein Buch nicht fertig, nur weil der Text zwischen zwei Deckeln gedruckt vor mir liegt. Von 'Morrisons Versteck' gibt es verschiedene Fassungen, die viele Jahre auseinander liegen. Auch 'Die kleine Figur meines Vaters' und den 'Baronkarl' habe ich überarbeitet, allerdings nicht so radikal wie den aktuellen Roman. Es zeigt, dass mich der Stoff weiter beschäftigt hat. Irgendwann möchte man dann das Ganze einfach noch einmal schreiben."

Auslösender Moment für diesen Wunsch sind in jedem Fall seine zahlreichen Lesungen, durch die er "ein Gefühl der permanenten Inszenierung" erhält: "Ich habe schon als Volksschüler sehr gerne vorgelesen- und erhielt auch in meiner ersten Schule im 3. Bezirk oft die Chance. Vielleicht ist es das lange zurückliegende Feed back; vielleicht aber auch, dass ich ein musikalisches Ohr habe und gelegentlich lieber Musiker als Schriftsteller geworden wäre. Ich habe immer die Musik in meinen Worten gehört - nicht nur in den Gedichten, sondern auch in der Prosa, und habe lange Zeit laut geschrieben, weil ich die Sätze auch hören wollte." So nahm er die Gelegenheit wahr, trotz des ersten Erfolgs "diesen Kopffilm umzuschneiden".

Drehort für die Kopfbilder

Frühe Kindheitserinnerungen und dementsprechende Phantasien rund um die Erdberger Lände, dem Donaukanalufer und dem Prater als Drehort für seine Kopfbilder und das Leben der 68er-Bewegung spielen auch in der "Kleinen Figur meines Vaters" und in dem, vor einem Jahr erschienenen, viel beachteten Roman "Schwarzer Peter" eine große Rolle. "Für mich hat diese Stadtlandschaft neben jener des

10. Bezirks, in dem ich später zur Schule ging und seiner südlichen Peripherie, die heute so nicht mehr existiert, immer eine große Wertigkeit gehabt". Die manchmal fast filmischen Umsetzungen in seinen Romanen ebenfalls: "Ich bin durch meinen Vater, der Pressefotograf war, mit Bildern, genauer gesagt, mit seinen Fotos und den dazugehörenden Geschichten aufgewachsen", erinnert Peter Henisch sanft, aber eindrücklich an bereits Bekanntes.

Am Anfang steht eine Erinnerungsszene, "in der Peter am Donaukanal sitzt, ein Spielzeugschiff am Papierspagat. Der Spagat weicht sich auf, das Schiff fährt davon. Als der Bub weinend nach Hause kommt, sagt ihm die Mutter, er solle sich erst einmal schnäuzen. Wenn du Glück hast, so schwimmt dein Schiff jetzt ins Schwarze Meer, meint sie. Von da an war mir Peters Hautfarbe verständlich."

Der berührende Text tarnt sich als Autobiographie eines, der in den Nachkriegswirren gezeugt wird: Peter Jarosch ist Sohn einer Wiener Straßenbahnschaffnerin und eines farbigen Besatzungssoldaten. Seine Versuche, aus dem gesellschaftlichen Abseits herauszukommen, gelingen mit Fußball und Musik. Auf der Suche nach seinem Vater wird er Barpianist in New Orleans, sein neuer Fluss und Ankerplatz der Mississippi. Wie in seinen anderen Büchern, waren auch hier das Auffinden "gewisser Locations, gewisser Kopffilm-Drehorte, die eine eigenartige Präexistenz in meiner Phantasie haben" unabdingbar für den Start. Er hat sie in der hölzernen, geteerten Rollfähre, die am Drahtseil hängend den Donaukanal überquert und seinem allerdings frei fahrenden, metallenen, zweistöckigen amerikanischen Pendant gefunden. Und in den unverbauten Flussufern - jenes des Donaukanals seiner Kindheit und jenes, das sich heute noch in New Orleans befindet.

Gleich mehrfach, so vermutet der Leser, ist der Autor hier sich selbst auf der Spur. Nicht nur der Wunsch, sich durch autodidaktisch erworbene Fußballkenntnisse die Anerkennung neuer Klassenkollegen sichern zu wollen (und damit nicht länger als Außenseiter zu gelten), auch der Rückzug auf den Blues und die Spurensuche nach den eigenen Wurzeln könnte sich Peter Henisch "auf den Leib" geschrieben haben. Nicht ganz zu Unrecht:

"Vielleicht sollte man nicht so schreiben, wie ich schreibe, ständig versucht, das Leben zur Literatur zu machen und die Literatur zum Leben. Wenn ich einen Roman schreibe, so lebe ich von einem gewissen Zeitpunkt an darin und daraus", bekennt der Autor bereits 1978 im "Der Mai ist vorbei". Dennoch sollte man sich bei all dem Autobiographischem, das immer wieder in seine Romane einfließt, von den jeweiligen Hauptprotagonisten nicht täuschen lassen: Sie sind und sind doch wieder nicht die Figur des Autors, wie er eben in demselben Roman ironisch über Paul Grünzweig, den angehenden Schriftsteller urteilt:

"Dieser Grünzweig ist keine besonders gute Identifikationsfigur. Zumindest nicht unmittelbar: In gewisser Beziehung weiter, aber auch kaputter als ich. Vielleicht hole ich ihn ein, vielleicht bleibe ich hinter ihm zurück, vielleicht komme ich an ihm vorbei."

Songbook und CD

An all den geistigen Verwandten kommt man in gewisser Weise vorbei, wenn man ihnen ein Kind zur Seite stellt. Eines, das dem Geschriebenen entspringt und doch einen eigenständigen Platz gewinnt. Neben seiner mittlerweile flügge gewordenen Tochter Mirjiam aus seiner Ehe sind vor allem seine eigenständigen "Songbooks" wie Kinder geworden, die jeweils ein paar Monate nach der Fertigstellung des Romans die Drucklegung erleben. Auch dieser Weg ist lange zuvor beschritten: "Wie ich 30 war, hab ich mich das erste Mal mit Musikern zusammengetan, das war die Geburtsstunde der Wiener Gruppe 'Fleisch und Blut' mit Thomas Declaude, Karl Friedrich und einer wechselnden Formation von bekannten Mitspielern. Zum Teil großartiger Musiker, aber ein Sack voller Flöhe, die man nicht zusammenhalten konnte", erinnert er sich. 15 Jahre später gab es einen Neubeginn mit seinen derzeitigen Begleitern; Vibraphonist Woody Schabata und Gitarrist Hans Zinkl, "ausgezeichnete Jazzmusiker mit internationaler Anerkennung. Ausgangspunkt ist ein Prosa- oder Gedichtband von mir - wir schauen, was wir daraus machen können. Das Ergebnis ist dann meist mehr als die Vorlage."

Exakt neun Monate nach dem Roman ist "Black Peters Songbook" erschienen: ein musikalischer Gedichtband ( plus CD), bei dem die Vatersuche weitaus mehr Platz einnimmt als im Roman. Seine Geburt wurde mit hymnischen Kritiken gefeiert, so beispielsweise im "Standard": "Die Art und Weise, wie diese drei Künstler aufeinander eingespielt sind (ihre erste CD "Wegwärts von Wien" gibt es als feinen Geheimtipp seit mehr als zehn Jahren), macht ein so unkonventionelles Produkt wie diese musikalische Fortsetzung eines Romans erst möglich. Musik, Lyrics und Romanpassagen entwickeln sich zu einer dynamisch-poetischen Einheit, die ganz und gar einmalig ist - in Österreich und anderswo." Als erstes einer "Hörbuch"-Reihe wird auch die Firma Preiser im kommenden Herbst "Morrisons Versteck" als musikalischen Gedichtband in Form einer CD herausgeben.

Peter Henisch schreibt ebenfalls wieder an einem neuen Roman, der "in gewisser Hinsicht" an die "Kleine Figur meines Vaters" anknüpft. Wie immer will er sich die dafür nötige Zeit nehmen, für die er sich gerne ins nahe gelegene Niederösterreichische und gelegentlich in die südliche Toskana zurückzieht, wo er, mehr sei hier nicht verraten, seit vielen Jahren einen Giardino pubblico, einen öffentlichen Garten mit seinem, in der mediterranen Flora verborgenen Steintisch zu seinem Lieblingsschreibort erkoren hat. Die Schlafmöglichkeiten im dazugehörenden Dorf wechseln alle paar Jahre - je nachdem, wer rund um seinen "magischen Platz" wieder ein bis zwei Zimmer zu vermieten hat. Diesen Sommer wird der Steintisch allerdings auf ihn warten müssen.

Peter Henisch ist zu hören:

Freitag, 8. Juni, Antiquariat Buch & Wein (Schäfergasse 13a, A-1040, Tel.. 961 95 53), 19.30 Uhr: Lesung "Jim Morrsion-Gedichte".

Donnerstag, 21 Juni, Volkstheater Wien, 19.30 Uhr: Lesung aus seinem Roman "Morrisons Versteck".

Sonntag, 24. Juni rsp. Sonntag, 1. Juli, ORF, Tonspuren: Eine Sendung zu Morrisons Todestag und Henischs Roman.

Mittwoch, 4. Juli, Großer Sendesaal des ORF: Henisch, Schabata & Zinkl mit "Jim is alive" dem etwas anderen Morrison-Programm am Tag danach.

Jeweils Mittwoch, 11., 18. und 25. Juli im RadioCafé: "Lizard King/Anything": Peter Henisch liest "Morrisons Versteck" in Fortsetzungen. Untermalung: Musik der Doors und geistiger Verwandter.

Freitag, 08. Juni 2001

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