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Vor 50 Jahren starb der Dramatiker Franz Molnár

Der König des Gesellschaftsstücks

Von Oliver Bentz

Seine Erfolge erreichten beispiellose Dimensionen. Es gab Zeiten, da in den großen Theaterstädten Europas zugleich drei Stücke von ihm gespielt wurden, und in New York lief einmal eines seiner Stücke zugleich in drei Sprachen", Sberichtete der Schriftsteller Friedrich Torberg über den Dramatiker Franz Molnár, der mit seinen Gesellschaftskomödien im ersten Drittel des letzten Jahrhunderts die Bühnen der Welt eroberte. Geistreich-pointierte Dialoge waren das Markenzeichen von Molnárs Lustspielen, in denen der vor fünfzig Jahren im amerikanischen Exil verstorbene Autor ein heiter-ironisches Bild der alten Donaumonarchie unter Anwendung bühnenwirksamer Effekte, hohem Einfallsreichtum und einem gepflegten Konversationsstil seiner Figuren zeichnete.

Unter dem Namen Ferenc Neumann am 12. Jänner 1878 in Budapest als Sohn eines wohlhabenden jüdischen Arztes geboren, änderte der junge Mann mit 17 Jahren seinen Namen in Molnár, was zu deutsch Müller heißt, ein Beruf, den sein Lieblingsonkel ausübte. Er ging nach Genf und studierte dem elterlichen Willen folgend Jura. Daneben jedoch malte er und verfasste Feuilletons für verschiedene Budapester Zeitungen. Erste Erfolge hatte der junge Autor, der zeitlebens in ungarischer Sprache schrieb, als Romancier mit seinem 1907 erschienenen Jugendroman "Die Jungen der Paulstraße" und als Dramatiker mit dem im gleichen Jahr uraufgeführten Stück "Der Teufel", in dem die Titelfigur in Gestalt eines eleganten Herrn der Gesellschaft, der die sexuellen Probleme der Dame und andere Zwischenfälle im Leben der gehobenen Gesellschaftsschicht, die ihre Gelüste zu verbergen sucht, in Ordnung bringt.

Wie Arthur Schnitzler, Hermann Bahr oder auch Ödön von Horváth in ihren Stücken typische Wiener Charaktere und Stimmungen des Wien im ersten Drittel des vergangenen Jahrhunderts aufgriffen, verschaffte Molnár, so sagt es das "Handbuch der ungarischen Literatur", "den charakteristischen Figuren des Stadtlebens das Bürgerrecht auf den Budapester Bühnen."

Mit seinem unverwüstlichen "Liliom" kreierte Molnár eine der großen Bühnenfiguren der Theaterliteratur. In dieser "Vorstadtlegende", einer Mischung aus Volks- und Märchenstück, verschenkt das kleine Dienstmädchen Julie ihre Liebe an den Verführer und Draufgänger Liliom. Als Julie schwanger wird, versucht Liliom, durch einen Raubüberfall zu Geld zu kommen. Er wird erwischt und ersticht sich. Nach 16 Jahren im rosaroten Fegefeuer, wo herauskommt, dass es ein Selbstmord aus Liebe zu Julie und dem Kind gewesen ist, darf Liliom für einen Tag auf die Erde zurück, um zu zeigen, wie weit seine Läuterung gediehen ist. Doch seine mittlerweile 16 Jahre alte Tochter Luise, für die er einen Stern vom Himmel gestohlen hat, weist ihn, der ihre Mutter einst geschlagen hatte, ab und Liliom muss wieder dahin zurück, wo er hergekommen ist.

Bei der ungarischen Premiere 1909 war das Stück noch durchgefallen, in der von Alfred Polgar besorgten Übersetzung ins "Wienerische" löste es nach der österreichischen Uraufführung drei Jahre später Begeisterungsstürme aus und wurde ein "Bühnenzuckerl" (Georg Hensel) und Welterfolg. Josef Jarno, der damals in der Josefstadt Regie führte, spielte auch den Liliom; ihm folgten in dieser Paraderolle Schauspieler wie Hans Albers (1931), der es auf über tausend Vorstellungen brachte, Joseph Meinrad (1963), Harald Juhnke (1968) und in jüngerer Zeit Karlheinz Hackl (1993).

Auch als Film eroberte "Liliom" 1934 die Herzen der Zuschauer und 1945 nahmen Richard Rodgers und Oscar Hammerstein das Stück als Vorlage für ihr Erfolgs-Musical "Carousel", das fünf Jahre en suite am Broadway lief. Die Benutzung seines Stückes als Opernlibretto durch Puccini, der mehrmals versuchte, den Autor dazu zu bewegen, ihm den Stoff zur Bearbeitung zu überlassen, lehnte Molnár jedoch ab.

Molnár wurde in Budapest eine der bestimmenden Figuren des kulturellen Lebens, um die sich bis heute jede Menge Anekdoten ranken. Er verkehrte in den legendären Literatenkreisen des "Café New York", in dem auch sein "Liliom" das Licht der Welt erblickt hatte. Den Schlüssel des neobarocken Kaffeehaus-Saales am Erzsébet körút hatte er schon anlässlich der Eröffnung 1894 in der Donau versenkt, damit der prachtvolle Café-Tempel nie geschlossen werden könne. Den Ersten Weltkrieg verbrachte er als Kriegsberichterstatter und lieferte erschütternde Berichte von der russischen Front.

Nach dem Krieg übersiedelte er nach Wien und schuf dort in den zwanziger Jahren eine Reihe von Stücken, die ihn zum "König des Gesellschaftsstücks" (H. A. Kober) werden ließen. In seinem "Spiel im Schloss" (1926) etwa bringt er durch einen meisterhaften Kunstgriff Theater im Theater auf die Bühne und zeigt, wie eine prekäre Situation dadurch entschärft wird, dass man sie in ein Schauspiel verwandelt. In der heute noch gerne gespielten Komödie "Olympia" (1928) - ebenfalls von Alfred Polgar übersetzt und hier in Wien zuletzt im vorigen Jahr unter der Regie von Fritz Muliar in der Josefstadt auf die Bühne gebracht - zeichnet Molnár noch einmal mit ironischem Blick ein Bild der aristokratischen Gesellschaft der untergegangenen Donaumonarchie.

Friedrich Torberg, der Molnár für den "Brillat-Savarin des ungarischen Lustspiels" hielt, schrieb über jene, die den Autor nur abschätzig als Boulevardtheaterschreiber bezeichneten: "Die Armen im kritischen Geiste aber, die in Franz Molnár, immer noch (1957), nichts weiter sehen wollen als den witzigen Bühnenroutinier . . . - sie werden alsdann, steifbeinig auf und ab, im himmlischen Trottelgärtlein promenieren, Arm in Arm mit jenen, die in Nestroy zeitlebens nichts als einen Possenreißer gesehen haben." Und der Porträtist Benedikt Fred Dolbin, der Molnár in einigen charakteristischen Zeichnungen festhielt, bemerkte: "Vielleicht wäre er ein großer Volksdichter geworden wie Raimund oder Nestroy, hätte es dieses Volk noch gegeben."

1937 verließ Molnár, der das in Europa aufziehende politische Unheil schon früh vorausgesehen hatte, Wien und ging nach Venedig. Ein Jahr lebte er dort im Hotel, in der Hoffnung, dass sich die Verhältnisse ändern würden. Paris und Genf waren die nächsten Stationen seiner Emigration. Doch dem in der europäischen Kultur tief verwurzelten Schriftsteller blieb die Flucht nach Amerika nicht erspart. Als

Jude von der Verfolgung durch

die Nazis bedroht, bestieg er

nach Kriegsbeginn im Januar 1940 den Passagierdampfer nach New York.

Das bittere Los der Armut, das viele seiner geflohenen Schriftstellerkollegen dort erfasste, blieb Molnár erspart, denn der international gefeierte Autor hatte Teile seiner Honorare auf einem amerikanischen Konto deponiert und somit ein finanziell gesichertes Auskommen.

Im "Plaza Hotel" am Central Park quartierte sich Molnár bis zu seinem Tod ein. Seine Stücke waren auch in Amerika gefragt, wo er jedoch kaum noch neue Werke schrieb, sondern vielmehr seine "alten" Erfolgsstücke für Hollywood bearbeitete. In seinen letzten Lebensjahren verfasste er unter dem Titel "Gefährtin im Exil" seine Lebenserinnerungen: "Ich habe die Namen der meisten Gestalten in meinen 41 Stücken schon fast vergessen", schrieb der seiner Heimat, dem untergegangenen Europa, beraubte Altösterreicher melancholisch in dem seiner gerade verstorbenen, geliebten Sekretärin gewidmeten Buch. Kurz darauf - am 1. April 1952 - starb auch Molnár im Mount Sinai Hospital.

Freitag, 29. März 2002

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