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Erfolg im "Schatten des Krieges"

Remarque, Erich Maria

Von Oliver Bentz

"Er fiel im Oktober 1918, an einem Tage, der so ruhig und still war an der ganzen Front, daß der Heeresbericht sich nur auf den Satz beschränkte, im Westen nichts Neues zu melden.
Er war vornübergesunken und lag wie schlafend an der Erde. Als man ihn umdrehte, sah man, daß er sich nicht lange gequält haben konnte. Sein Gesicht hatte einen so gefaßten Ausdruck, als wäre er
beinahe zufrieden damit, daß es so gekommen war."

So beendet der "Heldentod" die Existenz des Protagonisten Paul Bäumer, in einem der umstrittensten und umkämpftesten Kunstwerke der Weimarer Republik: In Erich Maria Remarques Anti-Kriegs-Roman
"Im Westen nichts Neues".

Der Roman schildert in realistischer, berichtartiger Form den Krieg aus der Perspektive des 19jährigen Kriegsfreiwilligen Paul Bäumer. In einem Vorspruch betont Remarque, das Buch solle "weder
eine Anklage noch ein Bekenntnis sein. Es soll nur den Versuch machen, über eine Generation zu berichten, die vom Kriege zerstört wurde · auch wenn sie seinen Granaten entkam." Ohne explizite
Wertung und ohne sich mit den Ursachen des Krieges eingehender zu befassen, aber auch ohne jegliche Beschönigung und Verharmlosung, zeigt das Buch das Grauen des Weltkrieges, wie es einer Gruppe
junger Soldaten widerfährt. Allein aus dem Realismus der Handlungsdarstellung · in deren Verlauf die heroischen Illusionen der jungen Soldaten im Trommelfeuer der Materialschlachten zerstört werden ·
erwächst eine kompromißlose Anklage des Krieges.

Am 10. November 1928 begann der Vorabdruck in der "Vossischen Zeitung", im Jänner 1929 wurde im Propyläen-Verlag die Buchausgabe publiziert. Nach 16 Monaten hatte die Auflage die
Millionengrenze überschritten; es folgten Übersetzungen in viele Sprachen, und Hollywood nahm sich des Stoffes an. Remarques Werk war ein Massenerfolg, wie ihn das deutsche Verlagswesen noch nicht
gesehen hatte, vorangetrieben aber auch mit einer ungewöhnlich großen Werbekampagne, die der Verlag angekurbelt hatte.

Zu diesem Leserinteresse trug auch die Tatsache bei, das über das Buch sofort politischer Streit einsetzte, in dessen Verlaufe es zum Instrument des Kampfes gegen den politischen Gegner werden
sollte: Während es in liberalen Kreisen und auf Seiten der gemäßigten Linken · den Kommunisten fehlte im Buch der klassenkämpferische Charakter · weitgehend mit großer Begeisterung aufgenommen und
als großer Roman des Pazifismus · etwa von Carl Zuckmayer oder Ernst Toller · gelobt wurde, ergossen sich von rechts Haßtiraden, Diffamierungen und Drohungen gegen den Autor. Ein "gemeines,
zersetzendes Buch", notierte Josef Goebbels in sein Tagebuch.

Die Premiere von Lewis Milestones Hollywood-Verfilmung im Dezember 1930 in Berlin ließ Goebbels durch seine Schlägertrupps, die Stinkbomben warfen, weiße Mäuse losließen und das Publikum bedrohten,
scheitern; die NSDAP organisierte Massendemonstrationen (in Berlin über 20.000 Menschen), bis die Regierung den Film wegen der "Herabwürdigung des deutschen Heeres" verbot. "Die n. s. Straße
diktiert der Regierung ihr Handeln", vermerkt der spätere Propagandaminister zufrieden.

Vor 100 Jahren, am 22. Juni 1898, wurde Erich Maria Remarque als Erich Paul Remarque in Osnabrück als Sohn eines Buchbinders geboren. Nach seiner Schulzeit besuchte er das Lehrerseminar, von wo er
1916 zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Aufgrund einer Verwundung, die er sich nach kurzer Zeit an der Flandernfront zugezogen hatte, konnte er dem weiteren Einsatz an vorderster Linie entkommen.
Nach dem Krieg versuchte er sich in mehreren Berufen, u. a. als Volksschullehrer, Grabsteinverkäufer, Klavierlehrer sowie als Reklametexter für die Continental-Gummiwerke in Hannover · wurde, wie er
es 1951 ausdrückte, "eine Autorität in Gummi". Ein Lehrbuch über Gummiherstellung, das vom Werk kostenlos an die Schulen verteilt wurde, viele Conti-Kalender mit "Gummi-Versen", das "Echo-
Continental", eine Firmenillustrierte, die unter anderem die witzige Zeichentrickserie "Die Contibuben" enthielt, waren seine Schöpfungen in dieser Zeit.

1925 kam er nach Berlin, um eine Stelle als Redakteur bei der im Scherl-Verlag erscheinenden Zeitschrift "Sport im Bild" anzutreten. Am Abend, nach der Arbeit, sei, so berichtet es Remarque,
das Buch "Im Westen nichts Neues" entstanden. Innerhalb von sechs Wochen habe er es niedergeschrieben, um sich von dem auf ihm lastenden "Schatten des Krieges" zu befreien.

Neben viel Ruhm, den ihm sein literarischer Erfolg einbrachte, sicherte der Roman auch Remarques finanzielle Unabhängigkeit und ermöglichte ihm ein mondänes Leben, mit dem er die Klatschspalten der
Regenbogenpresse füllte. In seinen weiteren Romanen · oft auf Erfolg geschrieben, reißerisch, mit sentimentalen Zügen aufgemacht · behandelte er immer wieder Einzelschicksale kleiner Leute, die in
den Strudel der Zeitgeschichte gerissen wurden:

So beispielsweise in der als "Fortsetzung" von "Im Westen nichts Neues" anzusehenden Schilderung des Schicksals der aus dem Weltkrieg heimkehrenden "verlorenen Generation": "Der Weg zurück"
(1931); deren Kampf ums Überleben während der Inflationszeit beschreiben die Romane "Drei Kameraden" (1938) und "Der schwarze Obelisk" (1956). Emigrantenschicksale schildern "Arc
de Triomphe" (1946) und "Die Nacht von Lissabon" (1962).

Schon längere Zeit vor dem Machtantritt der Nationalsozialisten verließ Erich Maria Remarque Deutschland, seine Bücher wurden von den neuen Machthabern verbrannt. 1938 erkannten ihm die Nazis die
deutsche Staatsbürgerschaft ab. Die Schweiz, Italien und die USA sollten dem Schriftsteller neue Heimat werden. Seine 1902 geborene Schwester Elfriede, die in Deutschland geblieben war, traf
stellvertretend der Haß der Nazis: 1943 wurde sie vor Freislers Volksgerichtshof gezerrt, der sie aufgrund "maßlos hetzender defätistischer Äußerungen" wegen "Wehrkraftzersetzung" zum Tode
verurteilte und mit der Axt ermorden ließ. Erich Maria Remarque starb am 25. September 1970 im schweizerischen Locarno.

Freitag, 19. Juni 1998

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