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Der Hund als Gefährte und Familienmitglied

Von Susanne Breuss

Ein junges Hündchen sitzt auf einem Gartentisch, flankiert von Herrchen und Frauchen. Eine idyllische Szene in einem Schrebergarten. Irgendwann in den 1920er Jahren, vermutlich in Wien. Das Hündchen blickt artig und etwas schüchtern in die Kamera. Es wirkt wie ein braves Kind, das sich den Eltern zuliebe fotografieren lässt und dem die Kamera nicht ganz geheuer ist. Dem man versprochen hat, dass ein Vogerl herausgeflogen kommt. Den "Eltern" ist fast Stolz auf den "Sprössling" anzusehen. Jedenfalls scheinen sie voller Wohlgefallen über das kleine Wesen in ihrer Mitte. Das Trio ist als Familie inszeniert, dem "Kind" der Ehrenplatz zugewiesen. Die Aufnahme vermittelt eine liebevolle Atmosphäre, Mensch und Tier bilden eine harmonische Einheit.

Der Hund als Familienmitglied ist, historisch gesehen, ein relativ neues Phänomen. Im Urbanisierungs- und Industrialisierungsprozess verloren bestimmte Lebewesen ihre Funktion als Nutz- und Arbeitstiere. Sie erfuhren eine Umwertung zum Gefährten, Spielzeug, Dekorationsobjekt und Statussymbol.

Während einerseits die ökonomischen Verwertungsinteressen an den Tieren systematisch ausgeweitet wurden, erhielten andererseits ausgewählte Gattungen und Rassen einen neuen Platz in der Gesellschaft zugewiesen. Sie wurden "salonfähig" und avancierten – zunächst vor allem in den bürgerlichen Schichten – zum Bestandteil der Familie. Anders als zum Beispiel Wachhunde im bäuerlichen Bereich, lebten sie nun mit der Familie unter einem Dach und wurden so erzogen, dass sie den Anforderungen des Familienlebens entsprachen.

Diese Entwicklung spiegelt sich in der Familienfotografie. Besonders der Hund als beliebtestes Haustier findet sich bereits auf den frühen fotografischen Familienporträts und Erinnerungsbildern. Seinem Stellenwert als Liebes- und Prestigeobjekt gemäß kam er mit auf das Familienfoto oder wurde sogar in Einzelporträts verewigt. Ähnlich wie die Menschen hatte er eine Pose einzunehmen und den Normen der Inszenierung vor der Kamera zu entsprechen.

Mit der Verbreitung der Amateurfotografie im 20. Jahrhundert wurde das Haustier zu einem beliebten Schnappschussmotiv. Zahllose Knipserfotos zeugen von der Bedeutung und Präsenz dieser Tiere im Alltagsleben. Für manche vierbeinigen oder gefiederten Lieblinge wurden eigene Alben angelegt, die Fotos mit gefühlvollen Kommentaren versehen. Die Tendenz zur Vermenschlichung von Haustieren zeigt sich in Aufnahmen von eingekleideten Hunden oder in Widmungen, signiert mit Abdrücken von Hundepfoten.

Das traditionelle Arbeitstier erfuhr keine derartige Würdigung. Es war brav, wenn es eine gute Leistung erbrachte. In der Regel fand es aber keinen Platz im Familienalbum. Zumindest in bürgerlichen Kreisen wurde eine klare Grenze zwischen Familienmitgliedern und Bediensteten gezogen – egal, ob es sich dabei um Menschen oder um Tiere handelte.

Foto: Privatsammlung Breuss

Freitag, 15. April 2005

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