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Sound Surfer

Über frühreife Punk-Rocker und ihr Minimal-Techno auf Festplatten

Von Christian Rösner

Entweder mit einer Band auf Tournee sein, europaweit als DJ in den namhaftesten Clubs sein Unwesen treiben, selbst Musik produzieren oder ein Label betreiben – verschiedene Betätigungsfelder, denen ein Musiker heute nachgehen kann. Die Gebrüder Teichmann machen gleich alles auf einmal: Andi und Hannes Teichmann aus Regensburg sind Live-Musiker in einer Indie-Rock-Band, gelten als gefragte Minimal Techno-DJs in der Szene,fabrizieren eigene Techno-Platten und betreiben seit 1999 das Label "Festplatten" in Berlin.

"Mein Bruder und ich waren schon als Kinder eifrig am Musizieren. Ganz am Anfang haben wir Punkrock gemacht. Ich war 9 Jahre alt und Andi war 12. Er hat Gitarre gespielt und ich gesungen. Und das gar nicht mal zum Leidwesen meiner Eltern, da mein Vater selbst Jazzmusiker, Alt-68er und Multiinstrumentalist ist. Wir sind quasi in einem Jazzclub aufgewachsen – wahrscheinlich haben wir auch deswegen Punkmusik gemacht, um uns dem Jazz in irgendeiner Form zu widersetzen. Unsere erste Band hieß Totalschaden und das war nicht nur so ein Spaßprojekt, sondern eine richtige Band", erzählte Hannes Teichmann in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Später gründeten die Teichmann-Brüder die Band "Beige GT", die durch das Album "Jukebox Heroes" auch über die Grenzen von Deutschland hinaus von sich hören machte. Ende der 90er hat dann Hannes begonnen, sich für elektronische Musik zu interessieren und zusammen mit Freunden die erste EP herausgebracht.

"Dann ist auch mein Bruder in die elektronische Musik eingestiegen und bald hatten wir die ersten Tracks fertig. Nur wussten wir schon von meiner EP, dass es mitunter mal zwei Jahre dauern kann, bis man eine Zusage von einem Label bekommt und eine eigene Schallplatte in der Hand hat. Das wollten wir auf jeden Fall vermeiden, und so haben wir recherchiert, Geld aufgetrieben und schließlich das Label gestartet. Die ersten Releases waren kleine Mini-Sampler, auf denen Musik von mehreren Freunden drauf war und dann ging es damit los, dass wir auch eigens Platten von Freunden herausbrachten und damit selbst ein wenig in den Hintergrund gerutscht sind. Damals hat uns dann Kompakt in seinen Vertrieb genommen, was zu der Zeit noch etwas Besonderes war und uns nach außen hin geprägt hat. Wir haben gut in die Minimal-Techno-Schiene hineingepasst, auch wenn wir manchmal mit Gitarren hereinplatzen."

Die Brüder leben schon seit geraumer Zeit von der Musik und vom Label.

"Naja, wir leben von der Musik, vom Label kann man nicht leben – das kann sich höchstens selber tragen. Es ist mehr eine Interaktion von Labelbetreiber und DJ-Dasein, um einen internationalen Namen zu haben und dadurch mehr Auftritte zu bekommen."

Eine Unvereinbarkeit von Musikstilen wie Punk-Rock und Techno haben die beiden eigentlich nie gespürt.

"Wir waren nie auf irgendetwas festgefahren. Dadurch, dass mein Bruder drei Jahre älter ist, erlebe ich auch immer den Background, den mein Bruder gerade durchmacht – verfolge aber natürlich gleichzeitig meine eigenen Interessen. Andi hat ganz viel New Wave gehört und ist so quer durch die Musiklandschaft geschlittert. Ich bin in die Techno-Ecke reingerutscht, weil ich mir Plattenspieler zugelegt hatte, um Scratchen zu lernen. Ich war irgendwie ein super frühreifer Mensch. Ich habe in einer fast professionellen Punk-Band gesungen, obwohl ich noch nichtmal im Stimmbruch war. Ich habe das Interesse am Spielzeug schnell gegen das Interesse am richtigen Leben getauscht."

In letzter Zeit konzentrierten sich Hannes und Andi verstärkt auf die Labelarbeit.

"Es gab Phasen, in den wir sehr wenig Platten herausgebracht haben, weil unser nächstes Standbein, die Indie-Rock-Band Beige GT , viel Zeit in Anspruch genommen hat. Also entschieden wir uns für eine Pause mit der Band. Seit einem Jahr haben wir nun eine wesentlich höhere Release-Rate und machen selbst auch viel mehr Musik."

Und obwohl sie Brüder sind, haben sie in der Musik unterschiedliche herangehensweise.

"Ich bin viel mehr im Band-Kontext groß geworden als Hannes. Er hat sich schon mit Techno beschäftigt, da war ich noch mit Sonic Youth zufrieden. Und es hat lange gedauert, bis ich schließlich auch dazugestoßen bin. Mit vielen Leuten kommt einfach mehr zusammen, als wenn man alleine arbeitet. Wenn ich elektronische Musik mache, denke ich an Arrangements und Aufbau. Für Hannes wiederum ist die Arbeit an einzelnen Loops die Basis für elektronische Musik. Er geht da total ins Detail, während ich mich zuerst um den groben Aufbau kümmere. Und unter Brüdern muss da schon so manches ausgefochten werden. Stilistisch gesehen ist Hannes sehr funky, meine Sachen gehen oft mehr ins Melancholische", erklärte Andi.

Seit der Band-Pause ist der kreative Output enorm.

"Vor kurzem ist eine Solo-Platte namens Heartcore von mir heraus gekommen und in ein paar Wochen kommt Wo die wilden Kerle wohnen von Andi heraus – beides typisch Teichmann-Style: Platten, die funky und stark musikalisch geprägt sind, ohne viel Effekte auskommen und nicht nur mit Samples herumspielen", erklärte Hannes.

Ein weiterer Tipp: Eine 3,5” Compilation mit eineinhalb Stunden Musik darauf und das Ganze in Form einer Diskette (siehe Bild). Wie das funktioniert? Mit dem guten, alten General Midi.

"Ja, das sind keine MB-fressenden Audiodateien, sondern Midi-Files. Und die greifen auf die Soundbank des Computers zu. Das heißt, die Klangquelle ist die Soundkarte des Computers, die von der Disk angesteuert wird", erläuterte Andi.

Dass in der letzten Zeit der Musikmarkt viele Verluste hinnehmen musste, beunruhigt die Brüder Teichmann nicht sehr.

"Da wir uns immer in Nieschen-Szenen bewegen, spüren wir das nicht so stark. Klar, die Leute gehen nicht mehr in einen Laden, um sich CDs zu kaufen. Dieses Produkt hat seine Wertigkeit verloren. Aber eigentlich kein Wunder, wenn man bedenkt, wieviel Schrott herausgebracht und zu welchem Preis er in den Läden verkauft wird – zumal man sich bei ebay oder amazon die besten CDs um fünf kaufen kann. Der Marktzusammenbruch ist eigentlich gar nicht so schlecht, weil er die Spreu vom Weizen trennt – denn wenn jemand wirklich engagiert ist, kann er noch immer viel erreichen. Vielleicht sogar mehr, als zu der Zeit, als das Business noch groß am Start war. Was der Musikszene wirklich fehlt, sind gute Radiosender. Die Leute gehen eh schon nicht mehr in den Musikladen, haben auch nicht die Zeit, sich mit Musik so zu beschäftigen, wie wir Nurds das machen – also brauchen sie Kanäle, über die sie an gute Musik herankommen können. Wo ich viel Hoffnung hineinsetze, ist die Sache mit dem Mp3-Verkauf übers Netz: Hier gibt es gerechte Preise und die Leute können sich selber überlegen, ob sie in eine schöne CD investieren oder ob sie die Tracks auf ihren Rechnern liegen haben wollen. Der große Vorteil an der Sache ist, dass sie grenzüberschreitend funktioniert. Und gerade unsere Musik, die zumeist als Vinyl herauskommt, ist schwieriger international verfügbar zu machen, als CDs. Und CDs kann man auch nicht so einfach nach Australien schicken, damit es sich lohnt. Mp3-Files können sich aber auch Leute in Sibirien leisten . . .", so Hannes abschließend.

http://www.fest-platten.de .

Samstag, 16. April 2005

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