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Das Vermächtnis der römischen Himmelskunde

Libra, Mars und August

Von Christian Pinter

Nachdem Rom die griechischen Kolonien in Unteritalien und schließlich Griechenland selbst erobert hatte, gewann die hellenistische Kultur auch am Tiber prägenden Einfluss. Dabei übernahmen die Römer auch griechische Vorstellungen vom Aufbau des Universums: Ihre Erdkugel schwebte völlig unbeweglich im Raum, sogar ohne tägliche Rotation. Stattdessen wirbelte der gesamte Kosmos jeden Tag um den Betrachter herum. Die äußerste Himmelssphäre, erhaben und unwandelbar, trug die Fixsterne.

Schon im alten Mesopotamien hatte man die Lichtpunkte am Firmament zu Sternbildern zusammengefügt. Die Griechen übernahmen zum Teil die Figuren, umgaben sie jedoch mit eigenen Legenden. Berühmtheit erlangte das Werk "Phainomena" des Aratus, verfasst im

3. vorchristlichen Jahrhundert. In Rom erfuhr es mehrere Überarbeitungen. Besonders geschätzt war jene des Feldherren Germanicus, des Vaters von Caligula.

Auch unter den 250 Sagen der "Metamorphosen" finden sich etliche mit Bezug zum gestirnten Himmel. Ovid verwendet bereits die römischen Götternamen anstelle der griechischen. Will man die Entstehung der Sternbilder in aller Lebendigkeit erzählen, greift man bevorzugt auf Ovids "Verwandlungen" zurück. Noch heute tragen die Sternbilder in der Astronomie lateinische Namen: Der Schütze heißt offiziell "Sagittarius", der Löwe "Leo", die Waage "Libra".

Kosmos aus Kugelschalen

Meist etwas langsamer als die Fixsterne, aber dennoch täglich zogen sieben Wandelgestirne um die antike Welt: Zu Sonne und Mond gesellten sich die fünf hellen Planeten, welche Bahnschleifen zogen, die nur mit Kunstgriffen zu erklären waren. Vielen Gelehrten erschien der Kosmos ähnlich aufgebaut wie eine Zwiebel. Dutzende Kugelschalen, wohl aus Kristall geformt, übertrugen die Bewegung von der Fixsternsphäre bis hinab zu jener des Mondes. Andere Astronomen setzten die Wandelgestirne lieber auf Kreise, deren Mittelpunkte um die Erde rotierten.

Schon in Mesopotamien hatte man Sonne, Mond und Planeten einzelnen Göttern zugeordnet. Die Griechen folgten dem Beispiel, freilich mit eigenen Gottheiten. Die Römer setzten an deren Stelle ihre Entsprechungen: Der blutrünstige griechische Kriegsgott Ares wurde dem Mars gleichgesetzt. Er galt als Vater des sagenhaften Rom-Gründers Romulus. Sein Altar stand auf dem Marsfeld, einem weiten Platz für militärische Übungen.

Jupiter, Pendant zum griechischen Zeus, verlieh Macht. Deshalb trugen kaiserliche Häupter bei Triumphzügen die goldene Jupiterkrone. Glaubt man den "Metamorphosen", hatte der Gott die Geburt der Stadt Rom und das spätere "Reich ohne Grenzen" vorausgesagt. "Jupiter beherrscht die Höhe des Äthers", schreibt Ovid, um sogleich Parallelen zum Kaiser zu ziehen: "Die Erde ist Augustus untertan; Vater und Lenker sind beide".

Kronos, von Zeus entmachtet, verwandelte sich in Saturn, den Gott des Ackerbaus. Er soll den Menschen einst das vegetarische, goldene Zeitalter beschert haben - eine Epoche des Überflusses. Milch und Nektar flossen in Strömen. In Erinnerung daran feierte man nach der Winteraussaat die karnevalsähnlichen Saturnalien: Herren bedienten ihre Sklaven. Der griechische Hermes erlebte ebenfalls eine römische Metamorphose. Er wurde mit Merkur verwoben. Diebe, Reisende und Händler (vgl. lat. mercatus, Markt) verehrten ihn besonders.

Die Römer empfanden sich als Nachfahren der Trojaner. Vergil schildert diesen Mythos ausführlich in der "Aeneis": Trojas Verteidiger Aeneas floh mit Vater und Sohn aus der besiegten Stadt (eine Szene, die übrigens auch im Schlosspark von Schönbrunn dargestellt ist). In Italien gründete er ein neues Reich.

Die Mutter des Aeneas war die Liebesgöttin Venus, die römische Entsprechung der griechischen Aphrodite, die also die Ahnfrau der Römer ist. Ihr Enkel Ascanius wurde auch "Iulus" genannt. Daraus leitete das Geschlecht der Julier, dem auch Julius Cäsar entstammte, seine göttliche Herkunft ab. Als Cäsar starb, wollte Venus seine Seele persönlich in den Sternenhimmel tragen. Doch laut Ovid wurde diese zu Feuer und schwebte selbst, einen "flammenden Haarschweif" hinter sich herziehend, "hoch über den Mond hinaus". Tatsächlich tauchte mehrere Wochen nach Cäsars Ermordung ein Komet auf.

Römische Namenskunde

Im Mond offenbarte sich Luna (griech.: Selene), in der Sonne Sol (Helios). Als Namensgeber der fünf hellen Planeten sind uns die Götter Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn geläufig; irdische Raumsonden haben ihren Olymp bereits gestürmt. Im Italienischen lassen auch Sonne und Mond - il sole, la luna - ihre göttliche Herkunft erkennen. Doch auch in nichtromanischen Ländern sprechen Astronomen, geht es um die beiden Himmelskörper, von "solaren" bzw. "lunaren" Phänomenen.

Kaiser Hadrian weihte den genannten Gottheiten einen gemeinsamen Tempel und ließ die Nischen des Pantheons mit ihren Statuen schmücken. Ebenfalls von der Siebenzahl der Wandelgestirne angeregt, erfanden schon die Babylonier die siebentägige Woche. Die Römer hatten eine achttägige Marktwoche. Das um einen Tag kürzere östliche Pendant gewann im 1. Jahrhundert aber auch am Tiber Bedeutung - zunächst aus rein astrologischen Motiven.

Für die Römer stand jeder Tag unter der Herrschaft eines anderen Wandelgestirns. Deshalb benannte man die Wochentage nach Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus, Saturn und Sonne. Im Italienischen ist das noch leicht zu erkennen: Auf den "lunedi" (Montag) folgen "martedi", "mercoledi", "giovedi" (vgl. ital. giove, Jupiter) und "venerdi" (Freitag). Fürs Wochenende ziehen wir den englischen "Saturday" und unseren "Sonntag" zur Beweissicherung heran.

Die Römer versuchten in die Zukunft zu schauen, das künftige Schicksal aus Blitz- und Donnerschlag, Vogelflug oder den Eingeweiden von Opfertieren abzulesen. Daher fiel auch die von den Griechen vermittelte babylonische Astrologie auf fruchtbaren Boden. Sterndeuter konnten Unruhen auslösen; Prognosen über das baldige Ableben des Kaisers wurden deshalb verboten. Selbst Himmelsgloben zeigten manchmal nur mythologische Sternbildfiguren - aber keine Sterne.

Im Bild des Großen Hundes funkelt Sirius, der hellste Fixstern des Firmaments. Für die alten Ägypter verursachte sein erstes Auftauchen in der Morgendämmerung die lebensnotwendige, jährlich wiederkehrende Überschwemmung des Nils. In der "Aeneis" versengen seine gleißenden Strahlen jedoch die Fluren. Sirius brächte beim Aufgehen "Seuchen und Durst den kranken Sterblichen" und bekümmere "mit schändlichem Licht den Himmel", erzählt Vergil.

Wir empfinden Sirius' Glanz heute weißlich, eventuell mit einem Schuss Blau. Doch Cicero, Horaz oder Seneca beschrieben ihn als rötlichen Stern. Vielleicht, weil Rot als Farbe des Sommers galt. Jedenfalls wurde der Hundsstern für die Sommerhitze verantwortlich gemacht. Man opferte rotfellige Hunde und sprach von den "dies caniculares" - den "Hundstagen". Auch dieser Begriff hat überlebt.

Obelisken

Pharaonen hatten riesige Obelisken als Zeichen ihrer Macht aufstellen lassen. Kaum war Ägypten römische Provinz, übernahmen die Kaiser dieses Herrschaftssymbol. Auf Geheiß des Augustus überragte seit 10 v. Chr. ein 22 m hoher Monolith das Marsfeld. Seine mittägliche Schattenlänge schwankte im Jahreslauf dramatisch. Daraus lasen Römer den aktuellen Kalendermonat ab.

Zunächst setzte man aber auf den Mond als Zeitgeber. Weil sich seine Lichtphasen im Mittel alle 29,53 Tage wiederholen, stellen sich Vollmonde im Abstand von 29 oder 30 Kalendertagen ein. Ein oder zwei Tage nach Neumond erspähten Priester die zarte Mondsichel erstmals wieder in der Abenddämmerung. Sie verkündeten diese Beobachtung zu der Zeit, in der auch Zinszahlungen fällig wurden. So ging ihr Ruf (lat. calare, rufen) auf den Namen des Schuldbuchs über. Diesem "Calendarium" entsprang später unser Begriff "Kalender".

Leider sind nach 12 Mondmonaten erst 354 Tage vergangen. Das Mondjahr fällt somit rund 11 Tage kürzer aus als das Sonnenjahr. Im Mondkalender rutscht jeder Monat im Lauf eines Menschenlebens durch sämtliche Jahreszeiten. Das irritierte eine Gesellschaft, die von der Landwirtschaft abhing. Deshalb erfuhr der römische Kalender mehrere Modifikationen, die ihn vom Mondlicht entkoppelten.

Die zwölf Monate wurden nüchtern durchnummeriert: der fünfte hieß z. B. "Quintilis" (lat. quinque, fünf), der sechste "Sextilis". Die Namen "September" bis "Dezember" erinnern daran. Heute kennen wir den November als 11. Monat; damals war er jedoch ganz offensichtlich erst der 9. (vgl. lat. novem, neun). Das römische Jahr begann nämlich zwei Monate später als bei uns. Zumindest einige Intervalle erhielten poetischere Bezeichnungen. März, zunächst "Monat Nr. 1", wurde nach dem kriegerischen Mars getauft, der Juni nach Jupiters Gattin Juno. Der Mai erinnert möglicherweise an die Göttin Maia, der April vielleicht an Aphrodite. Der 23. dieses Monats war jedenfalls der Festtag der Venus. Jetzt durften auch die Prostituierten feiern. Im seinerzeit letzten Monat, dem Februar, waren Sühne- und Reinigungsopfer angebracht (vgl. lat. februare, reinigen).

Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr. rückte man den Jahresbeginn in den Januar, als dessen Namenspatron der Tür- und Torgott Janus fungierte. Mit seinen beiden Gesichtern blickte er gleichzeitig zurück ins alte Jahr und voraus ins neue. Noch immer fehlten dem Kalender aber gut zehn Tage. Um wenigstens mittelfristig in Harmonie mit den Jahreszeiten zu bleiben, schob man zeitweise einen Extramonat ein - und zwar vor dem

24. Februar. Grund: Der 23. war dem Ackergrenzgott Terminus geweiht. Ihm zu Ehren feierte man die Terminalien. Heute nennen wir einen abgegrenzten, festgelegten Fachausdruck "Terminus". Die Termini einer Wissenschaft bilden deren Terminologie. In der Astronomie gibt es sogar den Terminus "Terminator". Er bezeichnet die wechselnde Licht-Schatten-Grenze auf dem Mond und anderen Himmelskörpern.

Manchmal rätselten die Römer noch bis knapp vor den Terminalien, ob nun geschaltet würde oder nicht. Die Entscheidungsgewalt oblag den Priestern. Sie hielten Jahre kurz oder zogen sie in die Länge - und damit auch Amtszeiten und Pachtverträge. Ihr Schalten und Walten verursachte kalendarische Abweichungen von bis zu 80 Tagen, wie Berichte über astronomische Finsternisse belegen. Manchmal fiel sogar das Weinlesefest vor die Weinernte.

Cäsars Kalenderreform

Als Pontifex Maximus, als höchster Priester, gebot Cäsar der Willkür Einhalt. Er folgte dabei Ratschlägen des alexandrinischen Astronomen Sosigenes. Um reinen Tisch zu machen, verlängerte Cäsar das Jahr

46 v. Chr. auf 445 Tage. Jedes folgende Gemeinjahr sollte 365 Tage dauern. Schaltmonate wurden obsolet. Ein einziger Schalttag im Abstand von vier Jahren reichte.

Allerdings pflegten Römer eine inkludierende Zählweise: Sie rechneten das Ausgangsdatum bei Zeitangaben gerne mit. Manche Menschen tun dies noch heute, sagen statt "in einer Woche" lieber "in acht Tagen". Vermutlich missverstanden die Priester deshalb Cäsars Anordnung und schalteten schon in jedem dritten Jahr. Augustus, Julier durch Adoption, korrigierte dies. Hatte man schon den Quintilis zu Cäsars Ehren in "Julius" umbenannt, wurde der Sextilis nun zum "Augustus". Jetzt besaßen alle Monate, Juli und August inklusive, die uns vertraute Form.

Sieht man von der astronomischen Terminologie und den Kalenderreformen ab, schenkten die Römer der Himmelskunde wenig Neues. Vielmehr trugen sie das Wissen der verschiedenen Kulturen in ihrem Großreich zusammen und gossen es in Enzyklopädien - wie die berühmte Naturgeschichte von Plinius dem Älteren zeigt. Oder sie verpackten es in Lehrgedichte, zu denen etwa die "Astronomica" des Manilius zählte. Viele dieser Werke waren auch nach dem Untergang des weströmischen Imperiums noch in Gebrauch; manche bis zum Beginn der Renaissance.

Freitag, 09. Juli 2004

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