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Eine Spurensuche in Mythen, Kalendern, Sprachen und am Himmel

Rendezvous der Planetengötter

Von Christian Pinter

Die fünf hellen Planeten treffen einander am Abendhimmel: ein seltenes Schauspiel, ein Leckerbissen für Sternfreunde. Dabei lebt auch ein Stück antiker Mythologie auf. Für Babylonier, Griechen oder Römer repräsentierten die Planeten nämlich Götter. Die den Gottheiten zugeordneten Eigenschaften spiegeln zum Teil einfache, freiäugige astronomische Beobachtungen wider - speziell was Bewegungsgeschwindigkeit, Helligkeit und Farbe des jeweiligen Planeten anbelangt.

Heute ist unser Bild von den planetaren Welten, bedingt durch teleskopische Studien und Raumsonden, freilich ein ganz anderes. Dennoch hinterließen die alten Legenden Spuren, etwa in der Kunstgeschichte. Auch die Zeitrechnung prägten sie mit. So beruht die siebentägige Woche, eine knapp 4.000 Jahre alte babylonische Erfindung, offensichtlich auf der Anzahl der Wandelgestirne; das sind jene Lichter, die durch die Sternbilder laufen. Neben Sonne und Mond waren dies nach damaligem Wissen Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Ihre ferneren, lichtschwachen Planetenkollegen Uranus, Neptun und Pluto wurden erst nach Erfindung des Fernrohrs entdeckt.

Starten wir zur planetaren Spurensuche in den Mythen, dem Kalender, unserer Sprache, am Himmel und im Weltraum: Der griechische Gott Kronos hatte einst seinen Vater Uranos mit einer Sichel entmannt und entmachtet. Nun sagte man ihm Ähnliches voraus. Deshalb verschlang er Spross um Spross. Letztlich wurde er doch gestürzt, bekam Fußfesseln angelegt. Manche Autoren verschmolzen Kronos mit Chronos, der Zeit, die ja ebenfalls alles "verschlingt". Folgt man dem, wären die Wörter "Chronik", "Chronologie" oder "chronisch" - langsam verlaufend, langwierig - mit Kronos verwandt.

Die Römer ersetzten die griechischen Götter mit solchen ähnlicher Funktion aus heimischer Provenienz. Kronos wurde zu Saturnus, dem altitalienischen Gott des Ackerbaus. Einst soll er das legendäre goldene Zeitalter gebracht haben; vor seinem Sturz gab die Erde alles von selbst her, erzählt Ovid in den Metamorphosen, reichlich flossen Milch und Nektar. Es herrschte ewiger Frühling, die Ähren waren stets schwer. Bei den Saturnalien, gefeiert nach Ende der Winteraussaat, erinnerte man sich an die paradiesische Zeit; Sklaven und Herren tauschten sogar die Rollen.

Am Himmel fällt Saturn mit leicht gelblichem Schein auf. Er ist hell, aber nicht gleißend; so, als hätte er seine beste Zeit längst hinter sich. Als fernster der klassischen Planeten bewegt er sich zudem am langsamsten - mit der Würde eines alten Mannes. Es mutet an, als hätte er gefesselte, müde oder bleischwere Beine. Alchemisten verflochten ihn mit dem schweren Element Blei. Die Bleivergiftung wurde "Saturnismus" genannt. "Saturnisch" stand für "uralt", "groß" und im Hinblick auf seinen kinderverschlingenden Charakter auch für "schrecklich".

Astrologen widmeten jedem der sieben Götter, die mit den Wandelgestirnen verbunden waren, einen Tag. Dass Saturn dabei der Samstag zufiel, ist im Englischen - Saturday - unübersehbar. Unser Wort "Samstag" basiert hingegen letztlich auf dem hebräischen "Sabbat".

Zeus entging seinem Vater, da er von der Mutter schlau in einer Höhle auf Kreta verborgen wurde. So war er es, der die Weissagung erfüllte und Kronos entthronte. Von nun an galt Zeus als höchster, bester und stärkster aller Götter, schreibt Homer in der Odyssee. Zeus herrschte vom Olymp aus über die Menschen. Obwohl seine Amouren von List und Tücke begleitet waren, galt er als Beschützer des Rechts. Zudem war er Donnergott und Blitzeschleuderer.

Die Römer verwoben ihn mit ihrem Himmelsvater Jupiter. Einmal in Wut geraten, hätte dieser laut Ovid mit seinen Blitzen nicht nur die Erde, sondern gleich die "heiligen Äther" samt Himmelsachse in Flammen setzen können. Doch er besaß auch eine weise, freundliche Seite. Mit Jupiter (ital. "Giove") verbunden ist der Begriff jovial - strahlend, wohlwollend, leutselig und gönnerhaft. Astrologen hielten die unter seinem Einfluss Geborenen für heiter und fröhlich. Sein entmachteter Vater Saturn stand hingegen für die Schwermut.

Wie der italienische Wochentagsname "giovedi" noch verrät, huldigte man Jupiter am Donnerstag. Unser Name fußt auf dem südgermanischen Donnergott Donar, im Norden Thor genannt (vgl. engl. "Thursday"). Die Germanen ersetzten einige der römischen Gottheiten bei der Namenswahl mit eigenen. Donar bzw. Thor war ihr stärkster Gott. Er residierte im größten Palast und konnte alles mit seinem legendären Hammer zermalmen.

Dominator des Weltraums

Am Sternenhimmel fällt Jupiter als überaus glänzender, weißer Lichtpunkt auf, heller als jeder Fixstern. Von den Planeten vermag ihn nur Venus noch zu übertreffen, allerdings bloß abends oder morgens. Jupiter darf seine königliche Pracht die ganze Nacht hindurch entfalten. Der mythische Göttervater ist übrigens auch im Weltraum ein Dominator. 318-mal so reich an Masse wie die Erde, könnte man die anderen Planeten noch zweimal aus ihm erschaffen. Allerdings besteht er ähnlich dem Ringplaneten Saturn primär aus Wasserstoff und Helium. Eine feste steinerne Oberfläche wie Mars, Erde, Venus oder Merkur kennt der Riese nicht.

Ares ist der wahllos wütende, blutdürstige, männermordende Kriegsgott der Griechen. Sein Metier: Streit, Kampf, Schlachtgetümmel. Die Römer setzten ihn mit ihrem Schutzgott Mars gleich. In seinem Namen weihten Priester die Waffen; sie wähnten sich überdies im Besitz seines eisernen Schildes. Das Wort "Mars" stand im Lateinischen zudem für "Krieg" und "Kriegsglück", poetisch auch für "Mut" und "Tapferkeit". Das römische Heer versammelte sich am Campus Martius, dem Marsfeld. Ein solches gab es später auch in Paris und St. Petersburg. Wer kriegerisch oder grimmig auftritt, gilt noch heute als "martialisch".

In Bayern hieß der Dienstag früher "Ertag", abgeleitet vom griechischen Ares. Vom römischen Mars stammt der italienische Wochentagsname "martedi", ebenso der Monatsname "März". Unser Wort "Dienstag" erinnert, genauso wie der einstige mittelniederdeutsche "dinges-" oder "dinsdach", aber an das germanische ding - die Versammlung der freien Männer und ihr Gericht (vgl. "dingfest machen"). Ding-Beschützer war Tyr, Wahrer des Rechts und Kriegsgott. Gerichtsversammlungen fanden vor allem dienstags statt.

Am Firmament fällt Mars mit rötlicher Tönung auf. Sie weckte früh Assoziationen mit Begleiterscheinungen des Kriegs: Brand und Blutvergießen. Alchemisten verquickten ihn mit dem Element Eisen. Tatsächlich oxidieren eisenhaltige Verbindungen im Gestein des Planeten, verleihen der Oberfläche des Mars ihr charakteristisches Rot.

Das durch Kronos abgeschlagene Zeugungsglied des Gottes Uranos stürzte ins brandende Meer. Weißlicher Schaum erhob sich. Daraus, so Hesiod, sei Aphrodite, die "Schaumgeborene" entstanden. Für Homer war sie aber Tochter des Zeus. "Schön, doch unbeständigen Sinnes" schützte sie die Liebenden und erweckte Verlangen in den Menschen; zum Teil versuchen diese noch heute, Lust mit Aphrodisiaka zu steigern.

Die Römer ersetzten Aphrodite mit ihrer beliebten Frühlings- und Gartengöttin Venus. Ihr Name bedeutete poetisch auch "Anmut", "Liebreiz", "Liebesgenuss", "Geliebte" oder "Begattung". Als sich der Bildhauer Pygmalion in sein eigenes Werk, eine Frauenfigur aus Elfenbein, verliebte, zeigte sich Venus gnädig: sie verwandelte die Statue in Fleisch und Blut. Auch später huldigten viele Künstler der schönen Göttin, wie ein Rundgang durchs Museum zeigt. Ihr Name überlebte etwa im Venusberg; allerdings auch in den venerischen Krankheiten, die man sich vor allem beim Geschlechtsverkehr holen kann.

Glücks- und Trauertag

Das italienische Wort für Freitag - "venerdi" - leugnet seine Beziehung zur Venus nicht; das deutsche deutet hingegen Ehrerbietung für die germanische Liebesgöttin Freyja oder die listenreiche Frigg an, Gemahlin Odins. Jedenfalls war das ein Glückstag, an dem man sich vergnügte und Ehen schloss. Unter christlichem Einfluss geriet er zum Trauer- und Abstinenztermin. Am Himmelszelt übertrumpft Venus alle Sterne und Planeten mit ihrem strahlenden, weißen Glanz. Sie umkreist die Sonne auf engerer Bahn als die Erde. Aus unserer Perspektive kann sie sich daher nicht völlig vom Tagesgestirn lösen. Venus ist Abend- oder Morgenstern; die ganze Nacht hindurch ist sie uns niemals hold. Eine extrem dichte Atmosphäre aus Kohlendioxid lastet auf diesem Planeten. Bei einem Druck von 90 Bar wäre an Zärtlichkeiten nicht zu denken. Dazu kommt enormer Treibhauseffekt: 475° C ist die vulkanische Oberfläche heiß. Nur Radarstrahlen vermögen durch die Wolkendecke der Venus zu blicken. Die Göttin hüllt sich in "Schleier".

Noch näher der Sonne kreist Merkur. Daher läuft er am eiligsten durch die Sternbilder. Er taucht immer nur für kurze Zeit in der Abend- oder Morgendämmerung auf, schwingt sich bloß ein kleines Stück über den Horizont. Den Alten erschien er wie ein Pendler zwischen Himmel, Erde und Unterwelt, wie ein rascher Bote zwischen Göttern und Menschen.

Den Griechen galt Hermes als Gott der Wege und der Wanderer; auch als Gefährte beim Gang in den Hades. Sein Kultbild wurde an Wegkreuzungen aufgestellt. Daraus entwickelte sich eine spezielle Form des Porträts, heute noch "Herme" genannt. Der schlaue Sohn des Zeus erfand die Lyra und besänftigte damit Apollon, dessen Rinder er zuvor gestohlen hatte. So kürten ihn auch Diebe zum Schutzherrn. Neben Flügelsandalen trug Hermes nach Homer einen Zauberstab, der Schlaf herbeizwang, aber auch wieder vertrieb - das passende Accessoire für einen Gott, der nur in den Dämmerstunden sichtbar wird.

Die Römer verquickten den beredten Hermes mit Mercurius, dem Gott des Handels. Die Ware hieß "merx", der Markt "mercatus". Somit sind die Wörter "Merkur", "Kommerzialrat", "Marketenderin" und "Marketing" miteinander verwandt. Geweiht war Merkur der Mittwoch (ital. "mercoledi"). Germanen setzten Wodan, im Norden Odin genannt, an seine Stelle (vgl. engl. "Wednesday" bzw. schwedisch "onsdag"). Christen zogen den neutralen "Mittwoch" vor. Alchemisten ordneten dem schnellen Planeten das schon bei normaler Temperatur flüssige Metall Quecksilber (engl. mercury) zu. Extreme Temperaturunterschiede herrschen auf dem kraterzernarbten Planeten. Mangels nennenswerter Atmosphäre schwankt das Thermometer dort zwischen plus 425° C am Tage und minus 170° C in der Nacht. Selbst redegewandte Verkäufer hätten es schwer, Grundstücke auf dieser Ödnis an den Mann zu bringen.

Seltenes Treffen der Götter

In den letzten April- und ersten Maitagen 2002 sieht man sie auf einen Blick: Die fünf Planetengötter treffen einander zum seltenen Rendezvous am Abendhimmel. Grob eine Viertelstunde nach Sonnenuntergang erspähen wir zunächst Venus und Jupiter. Während der Himmel langsam eindunkelt, machen wir Saturn und Merkur aus. Bei der schwierigen Fahndung nach dem schon lichtschwachen Mars kann das Fernglas helfen. Je länger wir zuwarten, desto besser heben sich die fünf vom Dämmerungsblau ab; doch gleichzeitig sinken sie unaufhaltsam in den Horizontdunst. Nicht einfach, den günstigsten Zeitpunkt zu finden. Freie Sicht zum Westhorizont ist Voraussetzung.

Die Planeten sind in Bewegung. Nach dem 4. Mai entzieht sich der flinke Merkur rasch unserem Blick. An diesem Tag überholt der blasse Mars den langsamen Saturn, am 7. tut es ihm die strahlende Venus gleich. Das Trio passt nun sogar ins enge Gesichtsfeld eines Fernglases. Am 10. Mai drängt sich Venus eng an Mars vorbei, mit dem sie laut Mythologie eine Affäre verband. Vier Tage später nähert sich die junge Mondsichel dem Duo, am 16. Mai dem Jupiter. Merkur ist längst verschwunden und auch Saturn feiert Abschied. Mars hält wenig länger aus. Am 3. Juni 2002 zieht Venus an Jupiter vorüber. Sie verschönert uns später mit liebreizendem Glanz die Sommerabende. Ihre versunkenen Kollegen tauchen nach und nach am Morgenhimmel auf. Mit goldenem Schein wird Saturn die Nächte des Spätherbstes bereichern. Jupiter strahlt majestätisch hell am winterlichen Firmament. Und Mars rüstet für eine besonders eindrucksvolle Wiederkehr im Sommer 2003.

Freitag, 19. April 2002

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