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Planetentreffen als Zeichen dramatischer Veränderungen

Himmlische Verbindungen

Von Christian Pinter

Wer im Dezember 1999 zum Firmament blickt, vermag sich vorzustellen, wie einst der „Weihnachtsstern" ausgesehen haben könnte: wie vor gut zwei Jahrtausenden auch glänzt Jupiter in den Fischen, als
hellstes Gestirn des Abendhimmels. Jetzt weilt der schwächere Saturn links davon im Nachbarsternbild Widder. Doch im Jahr 7 v. Chr. begegneten die beiden einander. Möglich, dass sie gemeinsam jenen
„Stern" bildeten, dem nach Matthäus die Weisen aus dem Morgenland nach Bethlehem gefolgt sein sollen.

Wie der Evangelist schreibt, suchten sie zunächst König Herodes in Jerusalem auf. Dieser starb allerdings bereits 4 v. Chr. Will man also Bibel und Historie in Einklang bringen, muss man die Geburt
Jesu früher annehmen. Das „Jahr 1" unserer Zeitrechnung wurde sowieso erst nachträglich im 6. Jahrhundert vom Mönch Dionysius Exiguus festgesetzt.

Konradin Ferrari d'Occhieppo legte seit 1969 in seinen Büchern plausibel dar, warum gerade die Jupiter-Saturn-Konjunktion des Jahres 7 v. Chr. der Stern des Matthäus sein könnte. Für den
österreichischen Astronomen sind die erwähnten Weisen babylonische Priesterastronomen. Ihnen galt Jupiter als Sinnbild des obersten Gottes Marduk, als Königsgestirn. Saturn war unter anderem das
Gestirn der Juden. Alte astrologische Texte betrachteten außerdem jenen Teil der Fische, der die Kulisse für das Treffen der Planeten bot, als Sternbild Palästinas. Da die Babylonier jüdische
Weissagungen kannten, interpretierten sie die Konstellation, so Ferrari d'Occhieppo, als Omen für die Geburt eines Königs der Juden in Palästina.

Babylonische Sinnbilder

Wie Sonne und Mond laufen auch die Planeten (griech. planes, Umherschweifender) durch den Tierkreis. Lange Zeit kannte man nur die fünf hellsten · Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Damit
bewegen sich am Himmel sieben auffällige Wandelsterne zwischen den scheinbar unveränderlichen Sternbildern. Ihre Zahl dürfte die Babylonier beeinflusst haben, als sie vor 4.000 Jahren ausgerechnet
die siebentägige Woche einführten.

Damals begannen sie, den Lauf der Gestirne ebenso wie irdisches Geschehen aufzuzeichnen. Wiederholte sich eine bestimmte Himmelskonstellation, sollte auch das entsprechende Ereignis auf Erden
wiederkehren. Schließlich entstand eine umfangreiche Omensammlung. Leuchtete etwa Venus, Stern der wilden Liebesgöttin Ishtar, in der Brust des Skorpions, würde bald Regen und Flut das Land
heimsuchen. Bei hohem Stand der Venus verlief die Begattung glücklich. Mars galt als Unheilbringer. Strahlte er hell auf, starb Vieh in Syrien und Palästina. Wetter, Ernte, Krieg, Tod und Geburt der
Herrscher · alles war vermeintlich von himmlischen Zeichen begleitet.

Je nach Kultur sahen die Alten in den Wandelsternen Götter, göttliche Sinnbilder oder Lichter, die von göttlichen Kräften gelenkt wurden. In jedem Fall schienen deren Begegnungen am Himmel von
besonderer Bedeutung zu sein. Den Babyloniern gelang es, die Wiederkehr solcher Konjunktionen (lat. coniunctio, Verbindung) vorherzuberechnen; Berossos versuchte sogar, die Stellung der Planeten im
Moment der Weltentstehung anzugeben. Sie sollte sich nach mehreren hunderttausend Jahren wiederholen und dann ein neues Weltzeitalter einleiten: beim Treffen aller Planeten im Zeichen des Steinbocks
mit einer Sintflut, im Krebs mit einem Weltenbrand.

Die Sterndeutung drang von Mesopotamien und Ägypten nach Griechenland und Rom vor, wo sie auf fruchtbarsten Boden fiel. Sie florierte, als das Christentum entstand. Die Vorstellung, wonach
Himmelskonstellationen das Los der Menschen bestimmten, passte aber schlecht zu einer Erlösungsreligion. Wie sollte Gott über Taten richten, wenn diese unter Zwang erfolgten, fragte Kirchenvater
Augustinus. Schließlich setzte sich die Ansicht durch, dass der Lauf der Gestirne zwar Tendenzen anzeigen und Menschen geneigt machen könne, sie jedoch nicht zu zwingen vermochte.

Astrologie als Gottesdienst

Der Glaube an himmlischen Einfluss ließ sich sowieso kaum verdrängen. Das Volk suchte Orientierungshilfen für den Alltag und wählte die Tage verschiedenster Tätigkeiten · vom Brotbacken bis zum
Aderlass · gern nach astrologischen Kriterien.

Als Himmelsgottheiten betrachtet, wären die Wandelsterne natürlich heidnische Konkurrenz gewesen. Doch nach Matthäus ist ja die Geburt des Erlösers von einem Stern angezeigt worden; auch der Endzeit
würden, so Lukas, Zeichen am Himmel vorangehen. Tat Gott aber seinen Willen am Firmament kund, wäre die Beachtung der Gestirne praktisch Gottesdienst.

Aus all diesen Widersprüchen heraus entwickelte das Christentum eine recht ambivalente Haltung zur Astrologie. Einige der im Volk beliebten Tagwählereien wurden verboten, während etwa Papst Julius
II. seinen Krönungstag im Jahr 1503 sehr wohl nach Befragung der Sterndeuter festsetzte. Astrologen standen bei mehreren Kirchenfürsten im Dienst. Urban VIII. · der auch Galilei verurteilen ließ ·
warf einen Sterndeuter in den Kerker, weil ihm dieser frühes Ableben prophezeit hatte. In Folge wurden alle Vorhersagen über den Tod eines Papstes oder seiner Angehörigen bis ins dritte
verwandtschaftliche Glied untersagt.

Wenig Freude hatte man wohl auch mit der Prognose des Arabers Albumasar, der im 9. Jahrhundert Aufstieg und Fall von Weltreichen und Religionen mit bestimmten Konjunktionen der Planeten Mars, Jupiter
und Saturn in Verbindung gesetzt hatte: er sagte den Untergang des Christentums nach 1460 voraus.

Mutmaßungen arabischer Astrologen über die angebliche Wirkung von Planetenkonjunktionen gelangten über Spanien nach Mitteleuropa und wurden hier ab dem 12. Jahrhundert durch die Tolederbriefe
bekannt. Als 1186 alle sieben Wandelgestirne im „luftigen" Zeichen der Waage zusammentraten, verkündeten die Briefe Stürme, Erdbeben, Missernten und Kriege. Auf Anordnung des Erzbischofs von
Canterbury wurde drei Tage lang gefastet. Danach scherzte der Mönch Gervasius: den einzigen Sturm über England hätte der Erzbischof selbst durch sein Donnern herauf beschworen.

Auch später tauchten Tolederbriefe auf, wenn der Himmel nur die passende Kulisse bot. 1524 versammelten sich alle Wandelsterne im „wässrigen" Zeichen der Fische. In weit über 100 Druckwerken
zerbrachen sich gut 50 Autoren den Kopf über die Bedeutung der Konstellation. Die Mutmaßungen reichten von Sintflut über Erdbeben und Pest bis zum Auftauchen neuer Propheten. Der vermeintlichen Flut
wegen flüchteten Menschen auf Hügel oder Berge; der Kurfürst von Brandenburg wählte den Berliner Kreuzberg.

Verpasste Venus

Brach die Pest ohne vorangehende Konjunktion aus, gab man stattdessen Juden, Bettlern oder Huren die Schuld. Luther wurde ein ganzes Jahr älter gemacht, um seine Geburt in die Nähe einer Jupiter-
Saturn-Konjunktion zu rücken. Gerade diese Treffen, die sich alle knapp 20 Jahre in unterschiedlichen Sternbildern ereignen, seien aufmerksam zu verfolgen, riet 1488 der berühmte Astrologe Johannes
Lichtenberger; kündigten sie doch viele zukünftige Kalamitäten an.

Manche Stelldicheins am Himmel galten jedoch auch als gutes Omen. So orientierten sich die Habsburger Ernst der Eiserne 1412, Maximilian I. 1477 und Philipp I. 1496 bei der Heirat an
Konjunktionsterminen von Sonne und Venus; die himmlische Verbindung des mächtigen Tagesgestirns mit jenem der Liebesgöttin sollte auch der irdischen Glück bringen. Friedrich III. hatte Pech. Seine
Braut traf zu spät ein, er verpasste die Sonne-Venus-Konjunktion im Jänner 1452. Daraufhin wollte er bis zur nächsten Konjunktion im November warten, entschloss sich dann aber doch zu früherem
Ehevollzug.

Je rascher ein Wandelgestirn durch die Fixsternkulisse zieht, desto häufiger trifft es andere. Der Mond ist am schnellsten, schafft den Weg durch den Tierkreis in knapp vier Wochen. Meist versuchen
die anderen sechs, ihm ein wenig „davon zu laufen". Dennoch hat er sie in gut einem Monat alle überrannt. Seine Rendezvous sind damit zu häufig, um jedem einzelnen noch außergewöhnliche „Bedeutung"
zuzumessen.

Konjunktionen mit der Sonne ereignen sich unbeobachtbar am Taghimmel. Ähnliches gilt für den sonnennahen, flinken Merkur; auch seine Besuche gehen fast immer im hellen Himmelsblau unter. Besser
Voyeur spielen lässt sich bei den Stelldicheins der gleißenden Venus mit ihren „männlichen" Planetenkollegen, denn diese finden oft in der Morgen- oder Abenddämmerung statt. Am dunklen Nachthimmel
können wir nur gegenseitige Konjunktionen der äußeren Planeten Mars, Jupiter und Saturn beobachten.

Da Planeten meist kräftiger strahlen als die hellsten Fixsterne, fallen solche Begegnungen auf. Enge Duos verleiten manchmal zu UFO-Meldungen. Das gilt auch für die raren Planetentrios · wie jenes
vom Juni 1991, als Mars, Venus und Jupiter ein geheimnisvoll anmutendes Lichterdreieck am Abendhimmel bildeten.

1170 sah der schon erwähnte Mönch Gervasius, wie Mars und Jupiter scheinbar miteinander verschmolzen. Doch gegenseitige Planetenbedeckungen sind extrem selten. Die Bahnen der Wandelgestirne sind
nämlich geringfügig zueinander geneigt. Fast immer marschieren Planeten im Verlauf mehrerer Nächte auf einander zu, um sich dann um ein paar Vollmonddurchmesser zu verfehlen.

Freilich sind auch engste Konjunktionen nur perspektivische Phänomene, die sich bloß aus irdischem Blickwinkel ergeben. Im Raum bleiben die Planeten, auf unterschiedlich weiten Bahnen um die Sonne
ziehend, viele Millionen Kilometer getrennt.

Die Ursache der Planetenbewegungen erklärte Isaac Newton im 17. Jahrhundert mit dem Gravitationsgesetz. Spätestens jetzt machte es keinen Sinn mehr, mystische Gewalten hinter ihrem Lauf zu suchen;
Anziehungskräfte hielten das Sonnensystem zusammen. Doch alte Ängste schlüpften in neue Gewänder.

1977 startete Voyager 2 zur großen Tour durchs äußere Planetensystem. Jupiter, Saturn sowie die erst 1781 bzw. 1846 entdeckten, fernen Planeten Uranus und Neptun bildeten einen weiten, stark
gekrümmten Bogen. So konnte die NASA-Sonde bei geringem Treibstoffverbrauch einen nach dem anderen ansteuern, dort Schwung holen und den nächsten ins Visier nehmen. Prompt tauchten
Untergangspropheten auf, die ob des „Planetenbogens" Schäden an Sonne oder Erde befürchteten. Offenbar war ihnen entgangen, dass sich ähnliche Stellungen bereits mehrmals im Abstand von 179 Jahren
wiederholt hatten.

Etwa zehnmal im Jahrtausend versammeln sich alle Planeten von Merkur bis Neptun im selben Quadranten des Sonnensystems, also in einem Kreissektor von 90 Grad. Zuletzt geschah dies 1817. Dehnt man das
„Viertel" großzügig auf 95 Winkelgrad aus, lässt sich auch die Planetenstellung vom März 1982 in die Liste aufnehmen. Auch sie beschwor dunkle Prognosen herauf. Einige behaupteten, die vereinten
Anziehungskräfte der Planeten könnten das Sonnensystem auseinander reißen.

Aber das System ist stabil. Als es vor 4,6 Milliarden Jahren entstand, raffte die Sonne 99,9% der Gesamtmasse an sich. Nur ein Promille blieb für Planeten. Jupiter holte sich davon das allermeiste.
Aus seinen 318 Erdmassen könnte man die anderen Planeten noch ein zweites und ein drittes Mal erschaffen.

Vor allem Jupiter verschiebt den Schwerpunkt des Sonnensystems periodisch, so dass dieser nicht exakt mit dem Ort der Sonne zusammen fällt. Vielmehr oszilliert der solare Gasball um den Schwerpunkt
herum · ein Effekt, den Astronomen übrigens auch zum Nachweis von Planeten bei anderen Sternen nützen. 1990 zog das Sonnenzentrum fast exakt durch den Schwerpunkt hindurch, 1983 und 1997 stand es
hingegen rund zwei Sonnenradien davon ab. Auch das ist harmlos.

Meist liegt der Schwerpunkt außerhalb der Sonne · so auch im Mai 2000. Dieser Termin fasziniert erneut Pseudowissenschaftler und Mystiker. Denn dann versammeln sich die fünf schon im Altertum
bekannten Planeten auf der erdabgewandten Sonnenseite. Ausgerufen wurden schwerste Erdbeben ebenso wie eine radikale Verschiebung der Pole mit folgender Klimakatastrophe; natürlich kann man spezielle
Überlebensausrüstung im Internet ordern.

Harmlos wirkt dagegen die Utopie des Österreichers Sepp Rothwangl: wenn am 5. Mai 2000 auch der Mond an der planetaren Versammlung vorbeigezogen ist, soll das „christliche" Zeitalter der Fische
beendet sein. An diesem ersten, „jüngsten" Tag bräche stattdessen das ersehnte Wassermannzeitalter an.

Sternstunden 2000

Eine geradlinige Anordnung der Wandelsterne, wie sie der hintere Buchdeckel von Rothwangls „Sternstunde 2000" für den 5. Mai zeigt, existiert im Raum nicht. Auch am irdischen Himmel weilen Mars,
Saturn und Jupiter daher unterschiedlich weit links, Merkur und Venus verschieden weit rechts der Sonne. Mitte Mai rücken sie etwas näher zusammen. Dann bilden die Eckpunkte der Planetengruppe etwa
jenen Winkel, unter dem man die eigene Handspanne bei ausgestrecktem Arm sieht. Uranus und Neptun bleiben dem „Meeting" übrigens ebenso fern wie der 1930 entdeckte, winzige Pluto.

Nur der Beginn des scheinbaren Stelldicheins lässt sich mitverfolgen. Am frühen Abend des 6. April schiebt sich die ganz junge Mondsichel tief im Westen am Trio aus Mars, Jupiter und Saturn vorbei.
Schließlich ziehen sich alle Planeten in Sonnennähe und damit unbeobachtbar an den Taghimmel zurück. Wir werden von ihrer hübschen Versammlung nichts mitbekommen. Sie ist für das Schicksal der Erde
genauso belanglos, wie unzählige Planetentreffen zuvor.

Freitag, 17. Dezember 1999

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