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Vor 30 Jahren fing man erstmals Signale der Pulsare auf

Kosmische Funkfeuer

Von Christian Pinter


"Sind sie kleiner oder größer als Prinzessin Margaret?" Anfangs verwirrten
solche Fragen die junge Doktorandin noch. Doch bald nahm sie es mit Humor:
"Wir haben in England eben seltsame Maßeinheiten." Journalisten rissen sich im
Februar 1968 um die Nordirin. Denn sie hatte schwache, aber mit extremer
Regelmäßigkeit wiederkehrende Radioimpulse aus dem All aufgefangen. Einige
Wochen lang ließ sich nicht völlig ausschließen, in Kontakt mit einer
außerirdischen Intelligenz getreten zu sein.


Das All rauscht Jahrzehnte hindurch hatten Radioastronomen mit neidischem
Blick zu ihren Fachkollegen aus der optischen Himmelskunde gespäht. Deren
Fernrohre und Fotoplatten zeigten die an Formen und Farben prächtigsten
Himmelsobjekte. Die Radioteleskope produzierten hingegen bestenfalls
unterschiedlich starkes Rauschen.


Dieses kosmische Rauschen war zuerst Karl Jansky aufgefallen, als er 1932
Störungen im interkontinentalen Funkverkehr ergründen wollte. Bald zeigte sich,
daß der Telefontechniker Radiostrahlung der Milchstraße aufgefangen hatte. Der
US-Radioamateur Grote Reber installierte daraufhin in seinem Garten die erste,
10 m weite Schüsselantenne. Doch auch damit konnte er nichts anderes tun, als
den Himmel in Regionen unterschiedlicher Rauschstärke einzuteilen.


Nachdem die Empfängertechnologie im Zweiten Weltkrieg verbessert worden
war, stieß man auf immer mehr Radioquellen. Ihr Rauschen zeigte oft starke
Schwankungen, für die man den Sonnenwind verantwortlich machte. Er läßt die
Signale flackern, ein Phänomen, das man interplanetare Szintillation taufte.


Es erinnert an das bekannte Funkeln der Sterne im sichtbaren Licht. Hier
brechen und schwächen Turbulenzen der Erdatmosphäre den weitgereisten
Lichtstrahl, prägen ihm ein chaotisches Muster auf. Doch nicht alle Gestirne sind
gleichermaßen betroffen. Planeten funkeln nicht. Im Gegensatz zu den fernen
Fixsternen sind sie Nachbarn, präsentieren sich im Fernrohr als kleines
Scheibchen. Ihr Lichtbündel widersteht den Turbulenzen besser als der "einzelne"
Strahl eines Sterns. Am Funkeln können erfahrene Himmelsbeobachter sofort
Planeten von Sternen trennen.


Ähnlich ergeht es Radioquellen im Sonnenwind. Großflächige Strahler zeigen
auch hier weniger Fluktuationen als punktförmige. Der in Cornwall geborene
Physiker Antony Hewish wollte dieses Phänomen gründlicher erforschen, um
rasch zwischen ausgedehnten und winzigen Sendern unterscheiden zu können.
Unter seiner Leitung begann Jocelyn Bell, die interplanetare Szintillation in ihrer
Doktorarbeit zu untersuchen.


Signale aus dem Füchschen

Zunächst ließ Professor Hewish ein
hochempfindliches Radioteleskop bei Cambridge installieren, das die raschen
zeitlichen Schwankungen erfassen konnte. Auf einer Fläche, die der von 57
Tennisplätzen entsprach, schlugen Studenten zwei Jahre lang Holzpfosten um
Holzpfosten ein. Zwischen den 1.000 Pfeilern installierten sie 2.000
Dipolantennen, spannten und verlegten 200 km Draht. Bell zeichnete für den
Betrieb der Großanlage verantwortlich. Sie begann im Juli 1967, den Himmel
nach fluktuierenden Radioquellen abzusuchen. Aus den Schreibgeräten quollen
täglich Papierstreifen von 30 m Länge.


"Nach den ersten paar hundert Fuß", so erinnert sie sich, "konnte ich die
szintillierenden Radioquellen erkennen." Doch zwei Monate später zeichneten die
Tintenstifte Zacken, die etwas anders aussahen als das normale Flackern. Mit
verbesserter Anlage konnte Bell die Signale Ende November genauer unter die
Lupe nehmen. Die spitzen Impulse kehrten alle eineindrittel Sekunden wieder und
erinnerten mehr an Morsezeichen, als an das Rauschen natürlicher Radiostrahler.


Hewish dachte zunächst an alle möglichen irdischen Störquellen, sogar an
geheime Militärsender. Die Signalstärke erreichte jedoch alle 23 Stunden und 56
Minuten ihr Maximum, immer dann, wenn das Sternbild Füchschen über die
Antenne zog. Die Impulse mußten aus dem Weltall stammen. Wenn man den
Sender gleichzeitig in verschiedenen Wellenbereichen beobachtete, kamen die
Impulse auf niedrigeren Frequenzen ein wenig später an.


Die schütter im All verteilten Elektronen erlauben kurzwelliger Strahlung eine
höhere Ausbreitungsgeschwindigkeit als langwelliger. Aus diesem Effekt,
"Dispersion" genannt, ließ sich die Distanz der Radioquelle abschätzen. Sie
befand sich in etlichen Lichtjahren Distanz, aber noch innerhalb der Milchstraße.


Eine natürliche Erklärung gab es für die regelmäßigen Impulse zunächst nicht.
Kontaktversuche einer außerirdischen Zivilisation waren unwahrscheinlich, aber
nicht undenkbar. Ohne wirklich an morsende, kleine grüne Männchen zu glauben,
gaben Hewish und Bell dem Sender den Arbeitstitel "LGM" - "Little Green Men".


Rasche Erklärung In Cambridge überlegte Hewish, wie man die Entdeckung
veröffentlichen sollte. Anfang 1968 sandte er ein Manuskript an die
Fachzeitschrift "Nature". Die Möglichkeit eines außerirdischen Kontakts und
wohl auch die Tatsache, daß eine Frau am Fund beteiligt war, sorgten in der
Boulevardpresse für Echo. Die 24jährige Bell wurde über Nacht zum Star. Dabei
hatte sie, noch während "Nature" in Druck ging, vier weitere, ähnliche
Radioquellen in ganz anderen Himmelsgegenden ausgemacht. Damit waren
Außerirdische endgültig aus dem Rennen.


Bald kam der Begriff "Pulsare" für die seltsamen Radioquellen auf. Die optische
Astronomie kannte seit langem Riesensterne, die pulsieren, sich also regelmäßig
aufblähen und zusammenziehen. Dieses Schauspiel verrät sich in zum Teil
dramatischem Lichtwechsel, dauert jedoch Tage, Wochen oder Monate. Heftige
Pulsationen im Sekundenabstand zu erklären, war viel komplizierter.


Der in Österreich geborene US-Amerikaner Thomas Gold wies noch 1968 den
Weg aus dem Dilemma: Pulsare pulsierten nicht, erklärte er seinen Kollegen.
Vielmehr rotierten sie mit waghalsiger Geschwindigkeit um ihre Achse. Wenn
dabei eine im Radiobereich aktive Region gerade Richtung Erde zeigte, gäbe es
einen Impuls im Empfangsgerät. Dazwischen herrscht Funkstille.


Gold wußte, daß nur ein extrem kompaktes, winziges Objekt so schnell
herumwirbeln konnte, ohne von der Fliehkraft auseinandergerissen zu werden. Er
verwies deshalb auf einen bislang unentdeckten Sterntyp, den Fritz Zwicky,
Walter Baade, Lew Landau, Robert Oppenheimer und George M. Volkoff in den
dreißiger Jahren gleichsam "am Reißbrett" konstruiert hatten - den
Neutronenstern.


Exoten aus Neutronen

Sterne erzeugen Energie, indem sie Wasserstoff zu
Helium verschmelzen. Ist der Wasserstoff im Kern erschöpft, setzt die Fusion von
Helium zu Kohlenstoff ein. Ist auch das Helium aufgebraucht, muß ein kleiner
Stern wie unsere Sonne passen: Elf Milliarden Jahre nach ihrer Geburt wird sie
die Sternenhülle abwerfen. Ihr erdgroßer, freigelegter Kern kühlt dann langsam
aus. Spektakulärer ist das Ende von Riesensternen, die mit mehr als achtfacher
Sonnenmasse ins Leben gestartet sind. Auf ihrem Innersten lastet ungleich
größerer Druck. Die Zentraltemperatur ist daher heißer, erlaubt die Fusion von
schwereren Elementen wie Neon, Magnesium und Schwefel.


Doch bald besteht der Kern nur noch aus Eisen, das nicht weiter fusioniert
werden kann. Die Kette reißt schlagartig ab, die Energieproduktion erlischt. Der
Riese bricht unter seinem eigenen Gewicht zusammen. Es kommt zur
Supernova-Explosion. In einer heftigen Detonation wird der Großteil der Materie
ins All geschleudert. Der Stern strahlt hell wie eine Galaxie. Im Kern ist der
Druck dabei ins Unvorstellbare gestiegen. Er "zerquetscht" sogar den Leerraum,
der die Protonen und Elektronen der Atome voneinander trennt. Sie werden
gewaltsam zu Neutronen vereint. Alles wird in einen Raum von rund 20 km Enge
gezwängt. Ein Neutronenstern ist geboren.


Unsere Sonne mißt 1,4 Mrd. km. Im Neutronenstern sind typischerweise
eineinhalb bis zwei solcher Massen in einer Kugel vereint, deren Durchmesser
kleiner als der Wiens ist. Die Verdichtung ist so stark, daß sich der Stern wie ein
einziger Atomkern verhält. Ein Fingerhut seiner Materie würde auf Erden
Hunderte Millionen Tonnen wiegen.


Wirbelnde Sterne

Ähnlich einer Eistänzerin, die während der Pirouette rasch die
Arme an den Körper legt, beschleunigt der Stern beim Kollaps die Rotation.
Allerdings um das Millionenfache. Brauchte er früher mehrere Tage, schafft er
eine Umdrehung nun in Sekundenbruchteilen. Auch das Magnetfeld wird
milliardenfach verdichtet. Der schnellen Rotation wegen gleichen die
magnetischen Feldlinien Spaghetti, die man hastig um die Gabel wickelt.


Der kleine Neutronenball ist von einer vielleicht 1 km dicken, eisernen Kruste
umgeben, deren Oberfläche spiegelglatt ist. Hier zerfallen die Neutronen wieder
in Elektronen und Protonen. Starke elektrische Kräfte wollen sie ins All
schleudern. Gegen das extreme Magnetfeld kommen sie jedoch nicht an.
Geladene Teilchen können sich nur schwer quer zu den Feldlinien bewegen.


An den Magnetpolen werden die Elektronen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit
beschleunigt. Dabei produzieren sie Synchrotronstrahlung. Diese zieht von den
polnahen Gebieten in Form zweier Kegel in den Raum. Überstreicht ein solcher
die Erde, registrieren wir einen Radioimpuls - der Neutronenstern macht sich als
Pulsar bemerkbar. Es ist, als würden wir vom Schein eines himmlischen
Leuchtturms getroffen.


Allerdings senden nur wenige Pulsare neben Radiostrahlung auch sichtbares
Licht aus. Zu den Ausnahmen zählt jener, der 30mal pro Sekunde im
Krabbennebel aufblitzt - genau an jener Stelle im Sternbild Stier, an der
chinesische Astronomen 900 Jahre früher das Erscheinen einer Supernova
registriert hatten. Optische Pulsare sind also junge Objekte.


In ihrer Jugend produzieren Pulsare auch Infrarot-, Ultraviolett-, oder
Gammastrahlung. Jedenfalls wirkt ihr starkes Magnetfeld wie eine Bremse. Im
Lauf von Jahrmillionen werden sie langsamer, verdoppeln ihre Umdrehungszeit.
Die unterschiedlichen Impulsfolgen spiegeln das Altern wider: manche der 600
bekannten Pulsare wirbeln pro Sekunde noch dutzendemal um ihre Achse, andere
benötigen schon über vier Sekunden für eine Rotation.


Kontaktversuch

1982 entdeckte man einen Neutronenstern, der sich 642mal pro
Sekunde dreht. Doch jugendlicher Schwung kann das Tempo solcher
Millisekundenpulsare nicht erklären. Denn man fand sie mittlerweile auch in
uralten Kugelsternhaufen am Rande der Galaxis, in denen seit langem kein Stern
mehr geboren wurde. Statt dessen entpuppten sie sich als kosmische Vampire. Sie
zapfen ihren Partner an. Einzelsterne wie unsere Sonne sind im All eher
Ausnahme als Regel. Häufiger sind Mehrfachsysteme, in denen mindestens zwei
Sterne umeinander kreisen. In engen Paaren kann es dem Pulsar gelingen,
Materie der anderen Sonne an sich zu ziehen. Der Massezuwachs führt zu
weiterer Kontraktion des Neutronensterns und damit zu dramatischer
Beschleunigung. Bei vielen Millisekundenpulsaren wurde der Sternpartner bereits
nachgewiesen. Bei anderen verrät sich der Materietransfer durch intensive
Röntgenstrahlung.


Anfang der siebziger Jahre trugen die Raumsonden Pioneer 10 und 11 ein
vergoldetes Aluminiumschild mit einer von Carl Sagen verfaßten Nachricht ins
All. Der US-Astronom sollte später Autor des Romans "Kontakt" werden, der
wiederum als Vorlage des gleichnamigen Films diente. Sagans damalige
Botschaft hielt unter anderem Richtung und Pulsfolge von 14 Pulsaren fest. Die
Idee: Nach unendlich langer Reise der Sonden könnte eine etwaige außerirdische
Intelligenz die Nachricht finden. So, wie Schiffe Leuchttürme zur Navigation
nützen, ließe sich anhand dieser Pulsare unsere Position innerhalb der
Milchstraße ermitteln. Nimmt deren Umdrehungsgeschwindigkeit stetig ab,
könnten die Finder sogar das Absendedatum berechnen.


Vor kleinen Überraschungen ist man bei den Funkfeuern des Universums jedoch
nie ganz sicher. Denn mit der Abbremsung geht die Abnahme der Fliehkraft
einher. Das führt zu Spannungen in der Kruste, die sich bebenartig entladen. Es
kommt zur Neuverteilung der Masse, was wiederum Beschleunigung bewirkt. Wir
registrieren dann plötzlich eine etwas schnellere Folge der Radioimpulse.


Nobelpreis 1995 feierten die Medien die erste Entdeckung eines Planeten
außerhalb unseres Sonnensystems. Doch die Premiere war nicht beim Stern 51
Pegasi, sondern relativ unbemerkt bereits 1992 beim Pulsar PSR 1257+12
gelungen. Dort hatten Radioastronomen zunächst zwei Planeten mit jeweils
dreifacher Erdmasse ausgemacht.


Streng genommen kreisen Planeten nicht einfach um ihren Mutterstern - alle
Körper ziehen vielmehr um den gemeinsamen Schwerpunkt des Systems. Daher
bewegt sich auch der 1.600 Lichtjahre entfernte Pulsar in der Jungfrau zeitweise
ein klein wenig auf uns zu und dann wieder von uns fort. Die resultierende,
periodische Beschleunigung bzw. Verzögerung der Impulse beträgt nur eine
Tausendstelsekunde. Doch das reicht, um Existenz, Umlaufszeit und Masse seiner
Planeten abzuleiten.


Pulsare senden also interessante Botschaften aus. Es sind keine Zeichen einer
fremden Intelligenz, sondern natürliche Radiosignale, die Einblick in den Zustand
der exotischen Objekte geben. Wir lauschen ihren letzten Atemzügen. Denn wenn
die Rotationsenergie verbraucht ist und keine Synchrotronstrahlung mehr
entsteht, bleiben die Impulse aus. Zwischen den 200 Milliarden leuchtender
Sonnen unserer Galaxis gibt es vermutlich 100.000 Pulsare - und eine ganze
Milliarde verstummter Neutronensterne.


Antony Hewish erhielt 1974 den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung der
Pulsare. Jocelyn Bell beendete ihre Dissertation über die interplanetare
Szintillation. Sie promovierte, heiratete, verließ die Radioastronomie und widmete
sich der Gammastrahlen-, Röntgen- und Infrarotastronomie. Die Neutronensterne
zählen jedoch noch immer zu den bevorzugten Forschungsobjekten von Prof.
Jocelyn Bell Burnell.

Montag, 31. März 1997

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