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Robert Zubrin will mit bestehender Technologie bereits in zehn
Jahren auf dem Mars landen

Auf zum roten Planeten

Von Christian Pinter


Bemannte Marsflüge sind kompliziert, weil der Treibstoff für die Rückreise schon beim
Hinflug mitgeschleppt werden muß. Das führt zu riesigen Raumschiffen, die erst im All
zusammengebaut und betankt werden können. So würde zunächst der Bau einer
gewaltigen Montagestation im Erdorbit nötig, was die Kosten exorbitant erhöht und alle
Pläne utopisch scheinen läßt.


Der Plan "Mars Direct" des US-Amerikaners Dr. Robert Zubrin kommt ohne derartige
Infrastruktur aus. Zunächst landet ein unbemanntes Raumfahrzeug, aus dem eine
chemische Fabrik und ein 100-Kilowatt-Atomreaktor herausrollen. Aus mitgebrachtem
Wasserstoff und dem Kohlendioxid der Marsatmosphäre wird damit vor Ort Treibstoff
produziert. Erst danach setzt die vierköpfige Besatzung mit einem zweiten Gefährt auf,
steigt in das nun frisch aufgetankte erste Schiff um und kehrt mit diesem zur Erde
zurück.


Mittlerweile ist schon die nächste nuklear betriebene Treibstoffabrik angekommen. Eine
Mission folgt der anderen. "Mars Direct" kostet laut Zubrin bloß ein Zehntel des
NASA-Budgets, erlaubt einen wesentlich längeren Aufenthalt der Crew, kommt mit
existierenden Technologien aus und ist bereits in zehn Jahren realisierbar. Der ehemalige
Chefingenieur der Firma "Martin Marietta Astronautics" stellte sein Konzept der NASA
1990 vor, erntete damit jedoch geteilte Reaktionen.


Die vermeintlichen Gründe hiefür schildert Zubrin in seinem Buch "Unternehmen Mars",
dessen englische Originalausgabe in den USA für Diskussionen sorgte. Berichtet er
darin doch auch von Strategien, mit denen Firmen, Politiker und Wissenschafter das
Raumfahrtprogramm in ihrem Sinn zu beeinflussen suchen. Die erste Hälfte des Werks
nützt Zubrin zur Werbung für sein "Mars-Direct"-Konzept. In der zweiten widmet er
sich visionär, aber fundiert, mittelfristigen Strategien zur Besiedlung des Mars. Dabei
läßt er aus den zurückgelassenen Schiffen seiner "Mars Direct"-Missionen eine ständig
bewohnbare Basis wachsen. Dort werden Nahrungsmittel, Kunststoffe, Keramik, Glas
und Metalle hergestellt. Wie das technisch geht, erläutert er ebenso, wie er über den
zukünftigen Immobilienmarkt auf Mars und das Lohnniveau seiner Siedler spekuliert.


Schließlich befaßt er sich mit langfristigen Möglichkeiten zur Verwandlung des roten
Planeten in eine erdähnliche Welt - Stichwort: "Terraforming". Ein gewaltiger
Brennspiegel erwärmt die Südpolkappe um 4 C und bringt ihr Eis zum Verdampfen.
Das freigesetzte Kohlendioxyd verdichtet die dünne Marsatmosphäre, bewirkt
stärkeren Treibhauseffekt und sorgt für gemütliche Temperaturen. Bakterien und
FCKWs, zu deren Produktion 5000 Megawatt nötig sind, helfen nach. Marssiedler
können sich dann bereits ohne Schutzanzug bewegen. Haben widerstandsfähige
Pflanzen die Lufthülle erst mit Sauerstoff angereichert, fällt auch das Tragen der
Sauerstoffmaske weg. "Niemand wird den neuen Mars betrachten, ohne sich
unendlich stolz zu fühlen, ein Mensch zu sein", verspricht Zubrin.


Während der Amerikaner über passende Monatsnamen für einen Marskalender
nachdenkt, fallen dem Leser grundsätzlichere Fragen ein. Ist die Menschheit, die beim
Schutz der Erde versagt, überhaupt schon so weit, sich über den nächsten Planeten
herzumachen? Was geschähe mit den möglichen, primitiven Lebensformen auf dem
Mars, die jetzt als Ansporn zu seiner Erforschung dienen? Dürfte man sie dem
Untergang weihen, nur um sich bequemere Bedingungen auf dem roten Planeten zu
schaffen? Und wer entscheidet dies alles? Solche Probleme interessieren weder Zubrin
noch Mitautor Richard Wagner, der als Wissenschaftsjournalist für die Verständlichkeit
des Werks sorgt.


Das Autorenteam zeigt Liebe zum Detail. Um so mehr vermißt man näheres zu den
Atommeilern, ohne die Zubrins Direktflüge nicht funktionieren können. Es bleibt
ausschließlich dem Leser überlassen, über die Risken nachzudenken, die der
automatische Betrieb solcher Anlagen unter harschen Marsbedingungen birgt. Auch die
großräumigen Kontaminationen, die ein Absturz der strahlenden Fracht über dem Erd-
oder Marsboden zur Folge hätte, bleiben unerwähnt.


Noch ist offen, ob und wann Menschen tatsächlich den Marsflug wagen werden. Daher
fügen die Autoren immer wieder euphorische Vergleiche mit dem Zeitalter der
Entdecker und dem Pioniergeist amerikanischer Siedler ein, machen das Werk zum
Aufruf, den roten Planeten entschlossen und rasch zu erobern. Denn auch Kolumbus,
so argumentiert Zubrin, wäre nicht weit gekommen, hätte er mit seiner Expedition erst
auf die Erfindung des Dampfschiffes gewartet.


Robert Zubrin und Richard Wagner: Unternehmen Mars. Der Plan, den roten
Planeten zu besiedeln. Heyne 1997, 448 Seiten.

Montag, 31. März 1997

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