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Der Astronom Christiaan Huygens wurde vor 375 Jahren geboren

Kosmopolit mit Weitblick

Von Christian Pinter

In Haag, dem Sitz der niederländischen Generalstaaten, erblickt Christiaan Huygens am 14. April 1629 das Licht der Welt. Wahrscheinlich lauscht er als Kind heimkehrenden Forschern, die von fernen Ländern, unbekannten Bewohnern und exotischen Tieren erzählen. Vater Constantijn ist Privatsekretär dreier aufeinander folgender Prinzen von Oranien. Nachts spielt der an Schlaflosigkeit leidende, geschickte Diplomat Violine und Laute. Er wird 800 Lieder komponieren. Constantijn fördert aber auch Jan Vermeer. Die Maler der Delfter Schule beobachten die Natur genau, studieren das Spiel des Lichts und atmosphärische Effekte.

Der Garten des Landguts in Hofwijck wird nach der Gestalt des Menschen geformt; er soll Sinnbild sein für Harmonie. Anfang 1642 erlebt Christiaan dessen feierliche Eröffnung mit. Galileo Galilei ist gerade gestorben, Isaac Newton wird ein knappes Jahr später geboren.

Huygens geht nach Leiden und Breda, studiert Recht und Mathematik. Er nimmt an einer diplomatischen Mission nach Dänemark teil. Doch seine Berufung ist die Naturwissenschaft. Das Vermögen seiner Familie verschafft ihm den nötigen Rückhalt. Ab 1651 veröffentlicht er vielbeachtete mathematische Abhandlungen. Zudem schleift er mit seinem Bruder Constantijn Linsen. Das hat Tradition: Es waren holländische Brillenmacher, die das Fernrohr erfanden. Galilei setzte allerdings es ab 1609 als erster zur systematischen Erforschung des Sternenhimmels ein.

Ein neuer Mond

Galileis Teleskop leidet, ebenso wie dessen Weiterentwicklung durch Kepler (1611) an starken Abbildungsfehlern. Die einfachen Objektivlinsen vereinen nur einen Teil der Lichtstrahlen im selben Brennpunkt. Das Bild ist arg verschwommen und von Farbsäumen umhüllt.

Etwas Abhilfe schaffen Linsen mit möglichst geringer "Bauchigkeit", wie sie die Huygens-Brüder schleifen. Deren Brennpunkt rückt allerdings in unbequeme Distanz; einmal sind es gar 37 m. Auf feste Teleskopröhren muss man da verzichten. Christiaan hängt die Objektivlinse an eine Fahnenmastspitze in Hofwijck. Eine kleine Leiter trägt das Okular. Dazwischen ist bloß Luft. So blickt der junge Forscher hinaus in den Kosmos.

1655 studiert er den Saturn. Knapp daneben erspäht er ein schwaches Lichtpünktchen, das den Planeten alle 16 Tage umkreist. Er hat einen neuen Mond entdeckt. Es ist der sechste nach dem altvertrauten Erdbegleiter und den vier Jupitertrabanten, von denen Galilei berichtet hat.

Seit Galileis irritierenden Saturnbeobachtungen wissen Astronomen mit diesem Planeten wenig anzufangen. Aus seiner Kugel ragen scheinbar "Auswüchse" hoch, die Ohren, Sicheln oder Henkeln ähneln. Einige Betrachter meinen sogar, diese wären fest mit der Oberfläche verbunden. Huygens glaubt das nicht: Objekte in Saturnnähe müssten den Planeten vielmehr umkreisen, genau so, wie sein neu entdeckter Saturnmond; die "Henkel" könnten demnach nur die seitlichen, leichter erkennbaren Teile eines geschlossenen, rotierenden und frei schwebenden Rings sein. Das hält Huygens 1659 im "Systema Saturnium" fest. Nach dessen Lektüre sehen auch andere Astronomen Saturn korrekt als Ringplaneten an.

Die Kolonialmächte suchen nach Verfahren, um ihren Flotten sichere Navigation zu ermöglichen. Die geografische Breite eines Schiffs wird aus der maximalen Höhe eines Gestirns über dem Horizont abgeleitet. Zur Messung der geografischen Länge braucht man aber zusätzlich noch die genaue Uhrzeit der Beobachtung. Galilei bot den Niederlanden 1636 eine "Himmelsuhr" an: Seeleute sollten das Ein- und Auftauchen der vier Jupitermonde in den bzw. aus dem Schatten des Planeten als Zeitgeber nützen. An Bord schwankender Segelschiffe lässt sich Jupiter aber kaum im engen Fernrohrgesichtsfeld halten. Ein guter mechanischer Zeitmesser wäre viel praktischer. Mit diesem so genannten "Längenproblem" im Kopf macht sich Huygens an die Arbeit.

Pendelschwingungen

Einmal in Bewegung versetzt, schwingt ein Pendel mit konstanter zeitlicher Periode, auch wenn die Weite seines Ausschlags nach und nach abnimmt. Auch das hat schon Galilei erkannt. Er schaffte es jedoch nicht, das Pendel mit einem Räderwerk zu verbinden und es gleichzeitig in stetem Schwung zu halten. Dies gelingt Huygens. 1657 lässt er die Pendeluhr patentieren. Er erläutert ihren Gebrauch zunächst in einer kleinen Schrift, die er den Niederlanden widmet. Später folgt ein ausführlicheres Werk, das "Horologium oscillatorium".

Längst eine Berühmtheit, sucht Christiaan Kontakt mit anderen Gelehrten in Paris und London. 1663 nimmt ihn die englische Royal Society auf. Drei Jahre später macht ihn Jean-Baptiste Colbert, zunächst französicher Finanz-, später Marineminister, zum Mitglied der französischen Akademie der Wissenschaften. Huygens bezieht Quartier in der königlichen Bibliothek. Dort treffen die Forscher einander regelmäßig zum Erfahrungsaustausch.

Das Kolonialzeitalter hat die Himmelskunde zur Staatsaffäre gemacht. 1632 ist das nationale Observatorium der Niederlande entstanden, 1667 bzw. 1675 folgen Sternwarten an der Seine und an der Themse. Der Engländer Robert Hooke sticht mit einer Pendeluhr in See: Hoher Wellengang stört ihren Lauf. Er und Huygens ersetzen das Pendel durch eine Spiralfeder. Christiaan erwirbt auch dafür ein Patent.

An Land feiert die Pendeluhr unbestrittene Triumphe. 300 Jahre lang wird sie zur festen Grundausstattung jeder Sternwarte gehören. Mit ihrer Hilfe misst man, wann ein Himmelsobjekt die Nord-Süd-Richtung passiert. Aus dem Zeitpunkt wird eine der beiden Gestirnkoordinaten ermittelt. Olaf Römer setzt dazu in Kopenhagen ein spezielles Fernrohr ein: das Meridianteleskop. Der Däne hat zuvor in Paris gewirkt.

Christiaan verbessert Keplers einfaches Okular, ersetzt es durch eine Doppellinse. Dieser Okulartyp wird selbst im 21. Jahrhundert nochVerwendung in preisgünstigen Instrumenten finden. Zwischen die beiden Okularlinsen montiert Huygens 1659 noch einen Metallkeil. Er wird scharf abgebildet. Bei entsprechender Einstellung verdeckt er gerade ein Planetenscheibchen. So misst Huygens dessen scheinbaren Durchmesser. Wüsste er jetzt noch die aktuelle Erddistanz des Planeten, könnte er dessen wahre Dimension errechnen.

Lieues und Toisen

Das dritte Kepler'sche Gesetz von 1619 verrät ihm nur die relativen Abstände. So ist Saturn - damals noch fernster Außenposten des Sonnensystems - 9,5-mal weiter vom Zentralgestirn entfernt als unsere Erde. Doch wie viele Meilen trennen Erde und Sonne voneinander? Astronomen werden noch lange um die Antwort ringen. Huygens nennt sie bereits - und zwar in der 1678 verfassten, 1690 publizierten Schrift "Über das Licht".

Hier setzt er, gemäß einer leider nicht näher ausgeführten eigenen Untersuchung, den Durchmesser der Erdbahn mit "etwa 24.000 Erddurchmessern" an. Er verwendet dabei den von Jean Picard 1669

ermittelten Erddurchmesser von 2.865 Lieues zu je 2.282 Toisen. Mit der damaligen Toise von 1,948 m ergibt sich der Radius des Erdorbits mit 152,8 Millionen km. Das kommt dem tatsächlichen Wert von 149,6 Millionen km verblüffend nahe.

Huygens ist Anhänger von René Descartes, der viele Jahre in den Niederlanden lebte. Dessen Universum ist von winzigen, unsichtbaren Partikeln erfüllt, die durch gegenseitigen Kontakt Kraft übertragen. Deren Wirbel bewegen die Planeten um die Sonne. Für Huygens fällt ein Apfel vom Baum, weil ihn der um die Erde wirbelnde Äther zu Boden drückt. Isaac Newton schenkt der Erde und allen anderen Himmelskörpern 1687 hingegen selbst die Kraft, Objekte anzuziehen. Ein Äther, der die Leere zwischen ihnen füllt, ist nicht erforderlich; er würde den Planetenlauf eventuell sogar hemmen.

Huygens schätzt Newton als Mathematiker. Doch Newton vermag den eigentlichen Grund für die Existenz der Gravitation nicht zu nennen. Und Huygens kann sich eine Kraft, die ohne mechanische Vermittlung wirkt, nicht vorstellen. Er braucht den Äther zudem für seine Theorie des Lichts. Huygens sieht im Licht eine Welle, die den Äther erschüttert und vibrieren lässt. Dabei wird jeder Punkt der Welle zum Ausgangspunkt einer weiteren.

Mit diesem Prinzip erklärt er wichtige Phänomene in der Natur, etwa die Lichtreflexion an spiegelnden Gegenständen. In durchsichtigen Objekten zwingen hingegen Körperteilchen den Lichtwellen Umwege auf, was deren Ausbreitungsgeschwindigkeit mindert. So begründet Huygens die Brechung, deren Gesetzmäßigkeit sein Landsmann Snellius 1621 erkannt hat. Zur Brechung kommt es beispielweise, wenn Licht in Wasser eindringt. Doch wird es schon beim Eintritt in die Erdatmosphäre gebrochen. Der Vorgang verändert den scheinbaren Ort eines Gestirns am Himmel - im Extremfall um einen ganzen Vollmonddurchmesser.

Huygens Wellentheorie geht von einer begrenzten, also nicht unendlich raschen Fortpflanzungsgeschwindigkeit des Lichts aus. Olaf Römer hat deren Endlichkeit 1676 bewiesen, die Lichtgeschwindigkeit sogar gemessen: Er sah die Schattenspiele der Jupitermonde um mehrere Minuten verspätet, wenn Jupiter selbst in größerer Erddistanz stand.

Teleskoplinsen brechen Licht ebenfalls. Huygens denkt über die ideale Linsengestalt nach, auch wenn die Möglichkeit, sie zu schleifen Utopie bleibt. Er hält zudem fest, dass "die Brechung als solche von einer Erscheinung begleitet ist, welche die vollkommene Vereinigung der Lichtstrahlen verhindert, wie Newton durch seine Versuche sehr klar bewiesen hat."

Was verbirgt sich hinter dieser doch eher kryptischen Bemerkung? Newton hat mit Hilfe eines Prismas weißes Licht in einen bunten Regenbogen verwandelt. Die Stärke der Brechung ist also offensichtlich auch von der Farbe des Lichts abhängig. Für Newton, der Licht als Strom ausgestrahlter Teilchen auffasst, ist das kein Problem. Er erklärt Farben mit unterschiedlicher Teilchengröße.

Huygens kann das nicht. Deshalb ignoriert er das Thema "Farbe". Später stellt man fest: Licht verhält sich teils als Strahlung vieler Teilchen, teils als Welle. Vom "Äther" wird man sich schließlich verabschieden.

Mikrokosmos

Immer wieder sind die Seemächte in Kriege verstrickt. England und Frankreich kämpfen gegen die Niederlande. Huygens wirkt in allen drei Ländern, ignoriert deren Konflikte, so gut er kann. Dennoch wird seine Tätigkeit in Paris mitunter kritisch beäugt, wohl auch der politischen Ämter seiner Verwandten wegen. Mit dem Tode Colberts verliert er 1683 einen wichtigen Schutzherrn. Ludwig XIV. hebt das Recht der Hugenotten auf freie Religionsausübung auf. Hunderttausende französische Protestanten meist kalvinistischer Richtung fliehen. Auch Huygens, selbst Kalvinist, kehrt Frankreich den Rücken.

Christiaans Vater stirbt 1687. Sein Bruder Constantijn dient ab 1689 Wilhelm III. in England. Noch einmal reist er nach London, trifft Isaac Newton. Dann muss er sich um das Gut in Hofwijck kümmern. In seinen letzten Jahren denkt er viel über das Leben auf Erden und auf anderen Himmelskörpern nach. Jupiter zeigt ihm im Fernrohr Wolkenbänder, Mars eine helle Südpolkappe und ein dunkles Gebilde, das etwa alle 24 Stunden ins Blickfeld rotiert. Das mutet Huygens "erdähnlich" an.

Seit Kopernikus hat unsere Erde ihre Sonderstellung verloren. Sie ist nur noch einer von damals sechs bekannten Planeten. Als Kopernikaner könne er kaum anders, als sich fremde Himmelskörper ebenfalls mit Vegetation und Bewohnern vorzustellen, schreibt Huygens im "Kosmotheoros". Tiere würden sich dort wohl so vermehren wie auf Erden, intelligente Wesen den gleichen Regeln des Denkens und der Geometrie folgen wie wir Menschen.

Er wendet sich dem Mikrokosmos zu, hält Kontakt mit Antony van Leeuwenhoek, dem Testamentsvollstrecker Jan Vermeers und Erfinder des Mikroskops. Der Delfter Kaufmann hat durch dieses Gerät rote Blutkörperchen betrachtet, auch Einzeller in Gewässern und im Speichel. Huygens studiert unter anderem die Spermien von Menschen und Hunden.

Doch der so wichtige, intensive Gedankenaustausch mit anderen Gelehrten reißt ab, seit Christiaan in Hofwijck ist. Er ist isoliert. Und er entschläft am 8. Juli 1695 in seiner Geburtsstadt Haag.

Freitag, 02. April 2004

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