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Im All herrscht eine Tendenz zur Doppelsternbildung

Seltsame Paare

Von Christian Pinter

Schon wenige Jahre nach Erfindung des Fernrohrs machten Astronomen eine seltsame Entdeckung: Das Teleskop löste nicht wenige Sterne in jeweils zwei Lichtpunkte auf. So zeigte es 1650 etwa den hellen Mizar im Großen Bären doppelt. Mit zunehmend schärferen Instrumenten wuchs die Zahl solcher Duos.

Damals wusste man: Sterne sind Sonnen wie die unsrige. Fälschlicherweise schrieb man allen jedoch gleichen Durchmesser und gleiche Leuchtkraft zu. Ein schwacher Stern war deshalb vermeintlich immer weiter entfernt als ein heller. Die beiden Sonnen eines doppelten Gestirns besaßen im Teleskop meist verschiedene Helligkeiten. Folglich maß man ihnen auch unterschiedliche Erddistanzen zu. Sie schienen "nur zufällig" in derselben Blickrichtung zu stehen und konnten daher nichts miteinander zu tun haben.

Durchmusterung

In England begann Wilhelm Herschel 1779, den Himmel mit selbst gebauten Spiegelteleskopen nach doppelten Gestirnen abzusuchen. Seine einschlägigen Kataloge sollten schließlich 850 Objekte umfassen. Als er nach mehr als zwei Jahrzehnten Durchmusterung wieder zu den ersten Schützlingen zurückkehrte, machte er einen folgenschweren Fund.

Bei vier Dutzend Paaren, darunter Castor in den Zwillingen, war die Stellung der beiden Sonnen verändert. Offenbar drehten sie sich umeinander, durch gegenseitige Anziehungskraft zusammen gehalten. Dieser Befund machte Herschel 1803 zum eigentlichen "Entdecker der Doppelsterne" - obwohl einige Gelehrte wie Johann Heinrich Lambert, John Mitchell oder Christian Mayer schon lange zuvor ähnliches vermutet hatten. So war Mitchell die Zahl der Duos viel zu hoch vorgekommen, um an bloßen Zufall zu glauben.

Anhand der Doppelsterne ließ sich erstmals beweisen, dass die Newton'sche Lehre auch weit außerhalb des Sonnensystems gilt. 1828 demonstrierte dies Felix Savary am Xi im Großen Bären. Seine beiden Komponenten brauchen 60 Jahre für den Umlauf. Sie ziehen dabei auf Kepler'schen Ellipsen um den gemeinsamen Schwerpunkt. Im Einklang mit Newtons Gravitationsgesetz beschreibt der massenreichere Stern die kleinere Bahn. Der "leichtere" muss den längeren Weg zurück legen.

Bald widmeten sich viele Astronomen den Doppelsternen, berechneten ihre Umlaufbahnen und publizierten Kataloge mit Zehntausenden Objekten. Manche sind leichte Beute für Amateurastronomen, etwa Epsilon in der Leier. Ihn teilt schon das scharfe Auge in zwei gleich helle Lichtpunkte. Das Fernrohr trennt beide nochmals, was ihm den Spitznamen "Doppel-Doppel" einbrachte.

Erkennt man beide Komponenten im Fernrohr, spricht man von "visuellen Doppelsternen" (lat. visus, Sehen). Schon Herschel fiel dabei ein mitunter starker Farbkontrast auf. Die Sonnen von Gamma in der Andromeda leuchten orange und bläulich - unterschiedliche Oberflächentemperaturen werden hier auf einen Blick deutlich. Gewinnt man die Spektren, lässt sich die Temperatur genau ermitteln.

Setzt man die scheinbare Helligkeit beider Sterne mit ihrer Erdentfernung in Beziehung, erhält man deren wahre Leuchtkraft. Wie Doppelsterne bewiesen, streut sie geradezu dramatisch. Sie muss keinesfalls jener unserer Sonne gleichen, sondern kann viele tausendmal höher oder niedriger ausfallen.

Aus Leuchtkraft und Oberflächentemperatur schließen Astronomen auf die stark unterschiedlichen Sterndurchmesser. Durchmesser und Masse liefern wiederum die mittlere Dichte. Somit liegen die wichtigsten Zustandsgrößen vor. Die Masse eines Sterns diktiert seinen Lebensweg wie keine andere Variable. Bei den Partnern visueller Doppelsterne lässt sie sich, dank der alten Gesetze von Kepler und Newton, direkt und präzise bestimmen. Deshalb halfen die Duos entscheidend mit, die Entwicklung von Sonnen zu verstehen.

Dopplereffekt

Besonders enge Doppelsterne umkreisen einander in nur wenigen Stunden oder Tagen. Auch das beste Teleskop trennt sie nicht mehr. Hier hilft die Spektralanalyse weiter. Beim schwungvollen Lauf um den Schwerpunkt hält eine Sonne auf uns zu, während die andere gerade fort eilt. Im gemeinsamen Spektrum spalten sich dann Spektrallinien auf. Der Dopplereffekt schiebt die des einen Sterns gegen Blau, jene des anderen gegen Rot. Die periodischen Linienverschiebungen wurden 1889 erstmals bei Mizar, Spica, Algol und Beta Aurigae nachgewiesen.

In Ausnahmefällen enttarnt man solche spektroskopischen Doppel-sterne sogar mit bloßem Auge. Blicken wir exakt auf die "Kante" der Bahnebene, bedecken die Partner einander aus unserer Perspektive regelmäßig. Wir sehen dann zwar auch nur einen einzigen Lichtpunkt, doch der schwankt rhythmisch in seiner Helligkeit. Klassisches Beispiel ist Algol im Perseus. John Goodricke, ein Zeitgenosse Herschels, ermittelte hier eine knapp dreitägige Periode. Ein Jahr später entdeckte er beim Stern Beta Lyrae ebenfalls Lichteinbrüche. Dort treten sie alle 13 Tage ein.

Heute nennt man solche Objekte "Bedeckungsveränderliche" oder "photometrische Doppelsterne" (griech. photos, Licht; metron, Maß). Bei genauer Analyse verrät die Lichtkurve sogar Durchmesser und Form der Sternpartner. Sonnen müssen nicht immer kugelrund sein. Der enge, rasante Tanz verformt die Komponenten von Beta Lyrae zu Ellipsoiden. Besonders intime Paare tauschen sogar Materie aus.

Hundstern

Fixsterne sind nicht wirklich fix. 1718 verglich Edmond Halley alte und neue Himmelskataloge. Zu seinem Erstaunen hatten einige Sterne ihre Position am Himmel ein wenig verändert. Das Phänomen verzerrt schließlich altvertraute Sternbilder. So wandert Sirius im Großen Hund in 1.300 Jahren um einen ganzen Vollmonddurchmesser.

Diese Eigenbewegung sollte geradlinig sein. Doch jene des "Hundsterns" stellte sich als leicht schlangenförmig heraus. Sirius schlingert beim Flug durch das All. Er pendelt um einen Schwerpunkt, der außerhalb seiner Kugel liegt. 1844 postulierte Friedrich Wilhelm Bessel deshalb die Existenz eines Sirius-Begleiters, auch wenn davon im Fernrohr nichts zu sehen war.

Bei diesen "astrometrischen Doppelsternen" beobachtet man also nur einen der beiden Tänzer - und schließt aus seinem Verhalten auf das Vorhandensein des Partners sowie auf die Umlaufszeit. Im Fall "Sirius" beträgt sie 50 Jahre.

Im Kosmos herrscht ein Trend zur Paarbildung. In Mehrfachsystemen, die aus drei, vier oder gar fünf Sternen bestehen, bilden immer zwei engere Duos. Das veranschaulicht etwa Castor, der in Winternächten auf uns herabblickt. Giovanni Cassini teilte ihn 1678 erstmals im Teleskop. Später errechnete man: Die Komponenten benötigen 450 Jahre für einen kompletten Umlauf. In ihren Spektren machten sich 1894 bzw. 1904 verräterische Linienverschiebungen bemerkbar. Beide Partner sind demnach wiederum Paare, mit neun bzw. drei Tagen Umlaufzeit.

Unweit davon weilt YY Geminorum, der vermutlich ebenfalls zum Castor-System gehört. Seine Helligkeit schwankt alle 20 Stunden. Hier bedecken zwei Sonnen einander. Castor besteht letztlich also aus zwei oder gar drei Sternduos, die zusammen ein Vier- bzw. ein Sechsfachsystem bilden.

"Singles" scheinen im All "out" zu sein. Einzelsterne wie unsere Sonne sind eher Ausnahme als Regel. Mittlerweile hat sich nämlich knapp die Hälfte der untersuchten Sterne als doppelt oder mehrfach entpuppt. Damit gehören aber rund zwei Drittel aller registrierten Sonnen solchen Systemen an. Die Dunkelziffer ist noch höher, zumal massenarme Begleiter schwerer aufzuspüren sind. Nicht wenige der vermeintlichen "Singles" dürften etwa Affären mit braunen Zwergen verheimlichen.

Gescheiterte Sterne

Der braune Zwerg ist ein "gescheiterter Stern". Mit weniger als einem Zwölftel der Sonnenmasse bleibt er zu kühl, um in seinem Zentrum Wasserstoff in Helium verschmelzen zu können. Statt dessen sinkt er langsam zusammen. Die resultierende Wärme färbt sein Antlitz dunkelrot. Vor kurzem fand man einen Zwerg mit bloß 410 Grad C Oberflächentemperatur. Zum Vergleich: Auf unserer Sonne herrschen 5.500 Grad. Die braunen Zwerge treten als Einzelsterne auf oder als Partner "richtiger" Sonnen. Mitunter bilden sie sogar selbst Paare.

Übrigens hat man in den letzten Jahren auch Planeten in Doppel-sternsystemen aufgespürt. Sie werden also nicht, wie mitunter vermutet wurde, dort zwangsweise aus ihrer Bahn katapultiert. Allerdings muss der planetare Begleiter das Sternduo in weitem Respektabstand umkreisen. Alternativ dazu darf er eine enge Bahn um eine der beiden Sonnen beschreiben, wenn dafür die andere auf großer Distanz bleibt. Genau das ist bei Gamma Cephei der Fall, den das unbewaffnete Auge in der Nähe des Polarsterns ausmacht. Dort fand man einen Planeten mit 2,5 und eine Partnersonne mit 70 Jahren Umlaufzeit. Der Planet zieht demnach in neunmal kleinerem Orbit um Gamma als der Begleitstern.

1862 richtete der Optiker Alvan Clark das Teleskop auf Sirius, um eine neue Fernrohrlinse zu prüfen. Dabei stieß er tatsächlich auf jenen Begleiter, den Bessel vorhergesagt hatte. Dieser Sirius-B ist überaus lichtschwach, strahlt zehntausendmal matter als der Hundstern selbst. Und das, obwohl ihn die Spektralanalyse als den viel heißeren der beiden entlarvt hat. Sirius-B muss daher extrem klein sein, geradezu ein Winzling.

Sonnen können Jahrmilliarden lang Wasserstoff in Helium verwandeln. Doch einmal geht dieser Brennstoff zur Neige. Der Kern des Sterns kontrahiert und erhitzt sich dann. Kohlenstoff und Sauerstoff entstehen. Die Strahlung des überheißen Kerns bläht die Hülle auf. Der alternde Stern wird zum roten Riesen. Unsere Sonne würde in diesem Stadium bis zur heutigen Erdbahn reichen.

Endlich wird die Hülle abgestoßen, das Sterneninnere freigelegt - als weißer Zwerg. In einer Kugel, klein wie die Erde, steckt eine ganze Sonnenmasse. Kernfusion findet nicht mehr statt. Sirius-B ist das prominenteste Beispiel. Oberflächentemperatur: 32.000 Grad C.

Die meisten Sonnen enden so. Der Zeitpunkt hängt von der Masse ab. Je mehr ein Stern an sich gerissen hat, desto enormer die Temperatur im Inneren, desto stärker die Leuchtkraft. Massenreiche Objekte betreiben Raubbau mit ihrem Brennstoff, verzehren sich rascher als massenarme.

Katastrophen

Bei manchen Doppelsternen mutiert ein Partner erst dann zum roten Riesen, wenn der andere schon ein weißer Zwerg ist. In engen Paaren reißt die Schwerkraft des Gnoms dann Wasserstoff des Riesen an sich. Die Materie bildet eine sogenannte "Akkretionsscheibe" um den Zwerg. Daraus stürzt das Gas auf sein heißes Antlitz hinab.

Im Laufe von Jahrhunderten lagert sich dort eine etwa 10 km dicke Schicht ab. Schließlich lässt die hohe Temperatur den Wasserstoff zünden. In Folge der thermonuklearen Explosion an seiner Oberfläche strahlt der Zwerg dramatisch auf, wird zur Nova. Das Ereignis ist selbst aus 10.000 Lichtjahren Distanz noch mit freiem Auge mitzuverfolgen.

Wird der Zwerg großzügiger mit Materie "gefüttert" und enthält er zudem genug Kohlenstoff, geschieht viel Schlimmeres. Dann zündet der Kohlenstoff und zerreist den Gnom. Er wird zur Supernova, gleißt kurze Zeit hell wie eine ganze Galaxie. Vielleicht löst auch das Verschmelzen von zwei weißen Zwergen eine solche Katastrophe aus. Selbst diese Objekte treten nämlich mitunter "im Doppelpack" auf. Man hat bereits ein Zwergenduo ausgeforscht, dessen Mitglieder in weniger als zehn Minuten um einander herum wirbeln.

Außergewöhnlich massenreiche Sterne beenden ihr Leben ebenfalls in einer Supernova-Explosion. Zurück bleibt ein Neutronenstern oder ein schwarzes Loch. Letzteres hat so starke Anziehungskraft, dass Strahlung es nicht mehr verlassen kann. Dennoch verrät es sich in einem engen Doppelsternsystem. Es saugt dem Partner Materie ab. Der Gasstrom sendet Röntgenstrahlung aus - und die empfangen unsere Satellitenteleskope.

Im Kern der Milchstraße ist ein noch viel mächtigeres schwarzes Loch vermutet worden. Jüngst gelang mit einem Verfahren der Doppelsternastronomie sein Nachweis. Wissenschaftler verfolgten einen Stern, der in 15 Jahren um das geheimnisvolle Objekt rast, mit bis zu 18 Mill. km/h. Aus der Sternbahn wird klar: Das zentrale schwarze Loch besitzt 2,6 Mill. Sonnenmassen. Dieses seltsame Paar wird man aber kaum noch "Doppelstern" nennen wollen.

Freitag, 14. Februar 2003

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