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Astrologie und Astronomie haben gleiche Wurzeln

Strahlt Venus hell im Skorpion

Von Christian Pinter

Sie werden gern verwechselt: Die Astronomie, jene Wissenschaft, die sich mit Bewegung, Zusammensetzung und Entwicklung von Sternen und Planeten befasst. Und die Astrologie, die aus dem Stand der Gestirne auf Charakter und Schicksal der Menschen schließen will. Heute legt man auf strikte Unterscheidung wert. Noch vor wenigen Jahrhunderten waren Himmelskunde und Sterndeutung aber nicht so leicht zu trennen.

Omina

Einst war die Welt Tumult: Dürre, Seuchen, Flut, Stürme, Krieg und Teuerung brachen über die Menschen herein, ohne dass sie Ursachen oder Triebfedern erkennen konnten. Sie fühlten sich ausgeliefert. Schrieb man solche Ereignisse dem Handeln von Göttern und Dämonen zu, erhielten sie hingegen "Sinn". Nun konnten Menschen auch versuchen, göttliche Akteure durch Opfergaben und Gebete gütig zu stimmen, vermeintlich etwas Kontrolle über den Lauf der Welt zu erlangen.

Im klaren Gegensatz zum irdischen Durcheinander stand der gleichmäßige, geordnete Lauf der Gestirne. Die Sonne sorgte für die unterschiedlich warmen Jahreszeiten. Der Mond steuerte die Gezeiten und wurde außerdem für die Kälte der Nacht verantwortlich gemacht. Das erste Erscheinen des Sirius verursachte aus Sicht der Ägypter die lebenswichtige Flut des Nils. Bald wurden Gestirne als mächtige Götter verehrt.

Schon im 3. Jahrtausend v. Chr. gruppierte man in Mesopotamien Fixsterne zu Tierfiguren und mythologischen Gestalten zusammen, formte Sternbilder. Durch diese zogen sieben Wandelsterne ihre Bahnen. Neben Sonne und Mond waren dies fünf helle Lichtpunkte - die Planeten Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn. Es lag nahe, auch diesen fünf besonderen Einfluss zuzuschreiben.

Die Babylonier verehrten etwa im Planeten Jupiter ihren weisen Gott Marduk, in der Venus die wilde Liebes- und Kriegsgöttin Ischtar, im rötlichen Mars den unheilbringenden Pest- und Unterweltgott Nergal. Akribisch hielten sie die Bewegungen der Planetengötter auf Tontäfelchen fest. Außerdem notierten sie irdische Vorgänge wie Wetter, Erdbeben und Epidemien, den Wasserstand des Euphrat und die Preise wichtiger Güter.

Sowohl der Planetenlauf als auch der Lauf der Welt schienen göttlichem Willen unterworfen. Verständlich, dass man Zusammenhänge suchte. In den Bahnen der Wandelgestirne forschten Gelehrte nach göttlicher Offenbarung. Sie waren zugleich Astronomen, Priester und Sterndeuter.

Wiederholte sich eine bestimmte Himmelskonstellation, nahm man die alten Tontafeln wieder zur Hand - und sagte so das neuerliche Auftreten des einst aufgezeichneten irdischen Ereignisses vorher. Eine komplexe Sammlung von Omina entstand. Strahlte das Ischtar-Gestirn Venus etwa in der Brust des Skorpions, rechnete man mit verheerender Flut; das Großvieh würde dezimiert.

Ein anderes Mal leitete man aus dem abendlichen Erscheinen der Venus Feindschaft im Land, aber Gedeihen der Feldfrüchte ab. Zudem studierten die Zukunftsdeuter noch die Eingeweide von Schafen, die Form des Weihrauchs oder Missbildungen bei Menschen und Tieren.

Schließlich reichten die Aufzeichnungen über viele Generationen zurück. Eine faszinierende Entdeckung gelang: bestimmte Himmelserscheinungen wiederholten sich in erkennbarem Rhythmus. Die Kenntnis solcher Zeitperioden genügte, um den Planetenlauf vorher zu berechnen. Jetzt konnten die Priesterastronomen ihre Könige noch viel früher warnen. Das vermeintlich drohende Unheil ließ sich vielleicht abwenden, wenn man rechtzeitig mit entsprechenden Riten begann.

Nicht nur bei den Babyloniern leiteten Könige ihren Machtanspruch vom Himmel ab, legitimierten sich mit göttlicher Abstammung oder als Vertreter göttlicher Ordnung auf Erden. Sie standen dem Himmel somit "näher" als das gemeine Volk. Gefährliche Veränderungen am Firmament betrafen in erster Linie sie. Speziell Sonnen- und Mondfinsternisse boten in Mesopotamien Anlass zur Sorge: Mitunter musste ein Ersatzkönig Himmelsereignis und vermeintliche Konsequenzen durchsitzen. Nach spätestens 100 Tagen verschwand er.

Ziegenfisch

Die Sonnenbahn beschreibt einen Kreis an der Himmelskugel. Mit Abweichungen folgen ihr Mond und Planeten. Um deren Bewegungen festzuhalten, brauchte man ein Koordinatensystem. Daher teilte man schon in Mesopotamien die Sonnenbahn und den sie umgebenden Himmelsgürtel in zwölf gleich lange Abschnitte: die Tierkreiszeichen. Benannt wurden sie nach den unterschiedlich großen Sternbildern, die im jeweiligen Zeichen lagen oder in dieses hineinragten.

Die Griechen übernahmen viele Sternbilder der Babylonier. Allerdings verwoben sie diese mit eigenen Mythen. Aus der Kornähre wurde etwa die Jungfrau, Tochter der griechischen Fruchtbarkeitsgöttin Ceres. Der Ziegenfisch, einst Emblem des Schöpfergottes Ea, mutierte zum verwandelten Gott Pan und letztlich zu unserem Steinbock. In Marduks Planeten Jupiter sah man den weisen Göttervater Zeus, in Nergals Mars den kriegerischen Ares.

Tagesherrscher

Die Griechen waren mehr an Weissagungen für den Einzelnen interessiert als die Babylonier. Sie bauten die Geburtsastrologie aus. Diese florierte auch in Ägypten. Dort wurde das zum Zeitpunkt der Geburt aufgehende Gestirn zum "Glücksstern" erklärt. Das sich gerade über den Horizont schwingende Tierkreiszeichen galt als Omen für Schicksal und künftigen Beruf.

Im 2. Jahrhundert n. Chr. lebte der Geograf, Mathematiker und Astronom Claudius Ptolemäus in Alexandrien. Er fasste das himmelskundliche Wissen seiner Zeit zusammen. Seine Kosmologie sollte eineinhalb Jahrtausende lang bestimmend bleiben: Ptolemäus sah eine völlig unbewegte Erde im Mittelpunkt des Alls vor, um die alle Wandelgestirne und Fixsterne zogen.

Nachhaltigen Eindruck hinterließ auch sein astrologisches Vermächtnis. Sonne, Mond und Planeten, aber auch Völker und Länder wurden den Tierkreiszeichen zugeordnet. Abwechselnd erhielten die Zwölf "männliche" oder "weibliche" Merkmale; der zwischen dem männlichen Widder und den männlichen Zwillingen gelegene Stier erfuhr eine "Geschlechtsumwandlung". Besondere Bedeutung hatte der gerade aufgehende Abschnitt des Tierkreises, der Aszendent.

Auch in Rom liebte man die Sterndeuterei, selbst wenn Kaiser politische Prognosen sicherheitshalber verboten. Die Bürger verehrten das eigene Sternzeichen und wählten die "günstigste" Zeit für verschiedene Aktivitäten nach astrologischen Gesichtspunkten. Jede Stunde, so glaubte man, würde von einem anderen Wandelgestirn regiert. Somit begann jeder der sieben aufeinander folgenden Tage mit einem neuen Herrscher, den man auch als Tagesregent betrachtete. Ob das entsprechende Gestirn wirklich am Himmel stand oder nicht, war völlig egal. Dieser rein schematischen Zuordnung verdanken wir letztlich die Namen der Wochentage.

Zeitpunkte

Im Christentum war für heidnische Planetengötter kein Platz. Die Astrologie, einst ja Gestirnreligion, passte sich an. Die Sterne durften jetzt nur noch "geneigt machen", nicht aber bestimmen. Stets hatte Spielraum für die Verantwortung des Menschen vor Gott und die göttliche Allmacht zu bleiben.

Unter dieser Voraussetzung konnten weltliche Herrscher - aber auch Päpste - weiterhin Sterndeuter befragen, wenn es um den "idealen" Zeitpunkt für private, politische oder militärische Angelegenheiten ging. Im Volk erfreute sich die Tagwählerei großer Beliebtheit. So mied man am Mittwoch, Tag des Merkur, das Holzfällen, Viehhandeln oder Kopfwaschen.

Der Freitag, einst Tag der Liebesgöttin Venus, dann Kreuzigungstermin Christi, galt als wichtiger Termin für die Heilung von Kranken. Überhaupt glaubte man an Verbindungen zwischen einzelnen Körperteilen und Planeten: Der beredte Götterbote Merkur war unter anderem für die Zunge zuständig; der Venus fiel - leicht zu erraten - die Schamregion zu.

Aderlass

"Orientierungshilfe" boten ab dem 16. Jahrhundert Volkskalender. Neben Terminen für Aderlass oder Schröpfen gaben sie Hinweise auf das zu erwartende Wetter und Tipps für den Alltag. Tagesherrscher und Planetenstellungen entschieden, welche Termine günstig für Reisen, Kugelgießen oder die Vorsprache bei Fürsten waren. An manchen Tagen sollte man, so ein Kalender von 1675, Zins und Gewinn fordern, Freundschaften suchen, sich "vor Juden hüten", "der Weiber Liebe pflegen", Kinder zeugen oder rechnen.

Jahrzehnte zuvor hatte Johannes Kepler die Stände in Graz und Linz mit Kalendern voll astrologischer Prognosen beeindruckt. Er selbst hielt von dieser Art des Broterwerbs wenig, sprach von lästiger Sklavenarbeit. Manchmal trafen seine Vorhersagen ein, oftmals nicht. Die Treffer, so wusste der Schwabe, behielt der Leser in Erinnerung: "Aber das Fehlen vergisst man, weil es nichts Besonderes ist. Damit bleibt der Astrologus in Ehren." Kepler prägte das Bild von der "närrischen Tochter" Astrologie, ohne die ihre hochvernünftige Mutter Astronomie hungern müsste.

Vorwiegend aus finanziellen Erwägungen erstellte Kepler etliche Horoskope. Viele seiner Zeitgenossen agierten ähnlich. Irrtümer wurden z. B. mit ungenauer Angabe der Geburtsstunde entschuldigt. Diese ließ sich dann korrigieren, bis Horoskop und Lebenslauf des Auftraggebers besser zusammenpassten.

Die gewöhnliche Tierkreiszeichen-Astrologie lehnte Kepler ab. Für ihn galten nur die Aspekte, die Winkelstellungen der Wandelgestirne zueinander. Dabei schrieb er den Planeten jeweils unterschiedliches Maß an Wärme und Feuchtigkeit zu. Vor allem über das Planetenlicht sollten diese Eigenschaften auf die Seele der Erde und des Neugeborenen "wirken".

Der astrologiegläubige Rudolf II. ernannte Kepler 1601 in Prag zum Hofmathematiker. In kaiserlichem Auftrag berechnete er nun Horoskope über verstorbene Herrscher, über die Zukunft des türkischen Reichs und über andere, weniger wichtige politische Affären. Daneben blieb ihm reichlich Zeit, die Bahnen der Planeten zu erforschen und dabei die berühmten Kepler'schen Gesetze zu formulieren.

Diese bildeten die Grundlage für seine 1627 publizierten Rudolfinischen Tafeln, die wesentlich präzisere Planetenpositionen lieferten als alle anderen Werke zuvor. Auch Astrologen schätzten sie. Die erzielte Genauigkeit geriet zum vortrefflichen Argument für die noch umstrittene Lehre des Kopernikus, brachte den alten Ptolemäus zusätzlich in Bedrängnis.

Bei Ptolemäus war der ganze Kosmos, Fixsternsphäre inklusive, jeden Tag um die ruhende Erde gerast: Ein solches Universum musste klein sein. Bei Kopernikus drehte sich aber die Erde in einem ruhenden Kosmos. Dieser konnte gewaltig groß werden. Seine Sterne ließen sich bald als Sonnen wie die unsrige vorstellen. Helle Fixsterne schienen dabei näher zu stehen als schwache. Das All erhielt Tiefe, die flachen Sternbilder lösten sich als Fiktion auf - auch jene zwölf, die einst den Tierkreiszeichen ihre Namen schenkten.

Verschiebung

Der Glaube an den Einfluss der Gestirne hatte die Astronomie jahrtausendelang beflügelt. Die Planetenbewegungen wären sonst kaum so intensiv studiert worden. Allerdings erfüllte die Himmelskunde noch eine andere wichtige Funktion: Sie entwickelte Kalendersysteme oder passte diese von Zeit zu Zeit dem wahren Sonnenlauf an.

Im Zeitalter des Kolonialismus kam eine weitere Aufgabe hinzu: Die genaue Position eines Schiffes auf hoher See ließ sich nur aus dem Stand der Sterne ermitteln. Die Himmelskunde sollte entsprechende Verfahren zur Verfügung stellen, wurde Teil des nationalen Interesses der Seemächte. Astronomen nützten diese Chance. Die Sterndeutung trat als treibende Kraft immer mehr in den Hintergrund.

1687 veröffentlichte Isaac Newton das Gravitationsgesetz und damit eine wissenschaftliche Begründung für den Lauf der Planeten. Newton wurde zur Leitfigur der Aufklärung, die okkulte Kräfte ablehnte. Nur noch wenige Astronomen glaubten nun an die "Macht der Sterne". Im 18. Jahrhundert verbannte man die Astrologie endgültig von den Universitäten.

Seit Ptolemäus' Lebzeiten hat die Präzession, eine langsame Bewegung der Erdachse, Sternzeichen und Sternbilder arg gegeneinander verschoben - fast um ein ganzes Zeichen. Astrologen halten an den Tierkreiszeichen fest: Für sie steht die Sonne z. B. im Zeichen des Krebses, wenn sie am Firmament im Sternbild Zwillinge strahlt. Die Trennung von Astrologie und Astronomie manifestiert sich damit auch am Himmel.

Freitag, 14. Juni 2002

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