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Zehn Jahre nach Entdeckung des ersten extrasolaren Planeten steuert man auf den hundertsten Fund zu

Verräterische Wackelsterne

Von Christian Pinter

Sechs Prozent aller Sterne besitzen eigene Planeten. Diese Zahl rechneten Astronomen aus den bisherigen Entdeckungen hoch. Über die anderen kann man einstweilen nur spekulieren. Vielleicht kennt die Mehrzahl überhaupt keine Begleiter. Vielleicht versagen dort nur unsere Suchmethoden. Giordano Bruno hätte mit einer Antwort nicht gezögert. Vor mehr als 400 Jahren postulierte er ein unendlich weites Universum, erfüllt von Sternen groß und leuchtend wie unsere Sonne. Diese würden wiederum zahllose Erden ihr Eigen nennen, auf denen unzählige Lebewesen existierten. Die römische Kirche ließ den abtrünnigen Dominikaner im Feber 1600 auf dem Scheiterhaufen verbrennen.

Später entpuppten sich die Fixsterne tatsächlich als Sonnen. Sie alle erzeugen Energie durch Kernfusion im Inneren. Unsere eigene Sonne misst 1,4 Millionen Kilometer. Vergleichbare Dimensionen besitzen auch jene Sterne, die am Nachthimmel leuchten. Doch gewaltige Distanzen von vielen Lichtjahren lassen sie zu Lichtpünktchen ohne erkennbare Ausdehnung schrumpfen. Leider bildet jede Optik diese Sternpunkte übergroß ab, macht daraus kleine Scheibchen. Darin "ertrinkt" ein etwaiger Planet. Er reflektiert ja bloß das Licht seines Sterns und glimmt deshalb noch einige hundert Millionen Mal schwächer. Nach extrasolaren Planeten hielten Astronomen deshalb jahrhundertelang vergeblich Ausschau.

"Planeten umrunden Sterne" - das ist eigentlich salopp formuliert. In Wahrheit ziehen Sterne und ihre Begleiter um den gemeinsamen Schwerpunkt des jeweiligen Systems. So ergeht es auch unserer Sonne, an der gleich neun Planeten zerren. Da die Planeten gemeinsam aber nicht viel mehr als ein Promille der Gesamtmasse stellen, liegt der Schwerpunkt unseres Sonnensystems sehr nahe der Sonne; meist noch innerhalb des Sonnenballs oder nur knapp außerhalb. Um diesen Punkt läuft alles herum, auch das Zentrum der Sonnenkugel. Fazit: Die Sonne "wackelt".

Wobble- und Doppler-Effekt

Die stärkste Wirkung auf die Sonnenbewegung hat dabei Jupiter, mit 318 Erdmassen der mächtigste unserer Planeten. Dann folgen der Ringplanet Saturn mit 95 sowie Neptun und Uranus mit 17 bzw. 15 Erdmassen. Sehr wenig Einfluss zeigen die kleinen Körper Erde, Venus, Mars, Pluto und Merkur. Ein ferner Betrachter würde keine dieser Welten erkennen, vielleicht aber das periodische Wackeln der Sonne. Daraus könnte er indirekt auf die Existenz ihrer Planeten schließen, Umlaufszeiten ermitteln und Massen abschätzen.

Diesem Gedanken folgend, fahndeten Astronomen bei anderen Sternen nach dem Wobble-Effekt (engl. wobble, wackeln). Peter van de Kamp studierte Fotoplatten, die ab 1916 die Position von Barnards Stern im Schlangenträger festhielten. 1963 meinte er dort verräterisches Wackeln zu erkennen. Er leitete daraus zunächst einen, dann zwei Planeten ab. Doch offenbar täuschten systematische Instrumentenfehler den Effekt nur vor. Die durch Planeten verursachte, periodische Positionsveränderung von Fixsternen ist offensichtlich zu winzig, um sie aus unserer Distanz und mit unseren Mitteln sicher nachweisen zu können.

Ein "Wackelstern" schwankt aber nicht nur rhythmisch zur Seite, sondern auch radial, also vor und zurück. Er entfernt und nähert sich uns also mit wechselnder Geschwindigkeit. Der österreichische Physiker Christian Doppler untersuchte 1842 Schallwellen. Er bewies, dass die Bewegung des Senders oder des Empfängers Einfluss auf die Tonhöhe des empfangenen Signals hat. Je höher das Tempo, desto stärker verändert sich die Frequenz. So mancher Autofahrer verflucht den Doppler-Effekt, wenn er in eine Radarfalle tappt. Astronomen schätzen ihn hingegen. Denn diese Art der Geschwindigkeitsmessung funktioniert auch mit Lichtstrahlen aus dem All. Rast die Lichtquelle fort, verschieben sich ihre Spektrallinien gegen Rot. Eilt sie herbei, ziehen die dunklen Linien gegen Blau. Die Expansion des Universums reißt ferne Galaxien mit Zehntausenden Kilometern pro Sekunde fort. Resultat: starke Rotverschiebung in ihrem Spektrum. Die Radialgeschwindigkeit wackelnder Sterne ist Millionen Mal winziger, beträgt bloß ein paar Dutzend Meter pro Sekunde. Lange Zeit waren die Spektralgeräte zu unempfindlich, um als "Radarfalle für Wackelsterne" zu taugen.

Supernova-Explosionen zählen zu den vernichtendsten Katastrophen im Kosmos. Ein Stern schleudert dabei mit ungeheurer Wucht seine Hülle fort. Der zurückbleibende, ausgebrannte Kern ist kleiner als Wien. Dennoch besitzt er zwei Sonnenmassen. An den Magnetpolen dieser extrem komprimierten Kugel werden Elektronen bis nahe an die Lichtgeschwindigkeit beschleunigt; Synchrotronstrahlung entsteht. Forscher fangen diese Radiostrahlung seit 1967 auf. Da die Sender rasend schnell um ihre Achse rotieren, überstreichen ihre Strahlungskegel die Erde in überaus rascher Folge. Ihre Impulse treffen mit legendärer Regelmäßigkeit ein.

Bringen wir einen solchen Pulsar jedoch einmal gedanklich zum Wackeln und schauen wir, was dabei mit zwei aufeinander folgenden Signalen passiert. Entfernt sich der Sender, muss der zweite Impuls einen etwas längeren Weg als der erste zurücklegen. Er wird verzögert eintreffen. Nähert sich die Quelle wieder, ist das Folgesignal im Vorteil, der Abstand zwischen den beiden Impulsen verkürzt. Mit dem 305 m weiten Radioteleskop von Arecibo, Puerto Rico, suchte Aleksander Wolszczan in der Jungfrau nach Pulsaren. Einer der neuen Funde, PSR 1257+12, sandte 161 Impulse pro Sekunde aus. Doch dieser Rhythmus schwankte um den Bruchteil einer Milliardstel Sekunde. Der 1600 Lichtjahre entfernte Sender wackelte also um 900 km. Im Jänner 1992 schloss der Pole daraus auf die Existenz zweier Planeten von jeweils rund 3 Erdmassen. Sie umrunden den Pulsar alle 67 bzw. 98 Tage.

Doch wie hatten die Planeten die Supernova-Explosion überdauern können? Waren sie womöglich gar erst nach der Katastrophe aus Trümmern entstanden? Solche Fragen drängten sich angesichts der schlimmen Vergangenheit des Pulsars sofort auf. An Leben war in der Nachbarschaft der strahlenden Sternleiche sowieso nicht zu denken.

Sternchen 51 Pegasi

An der Lick-Sternwarte in Kalifornien und am Observatoire de Haute-Provence musterten Suchteams in den nächsten Jahren Sternspektrum um Sternspektrum, um Wobble-Effekte auch an einem "richtigen", sonnenähnlichen Stern nachzuweisen. Der Schweizer Michel Mayor nahm sich in Südfrankreich das schwache, mit freiem Auge gerade noch sichtbare Sternchen 51 im Pegasus vor. Tatsächlich verschoben sich seine Spektrallinien alle vier Tage gegen Rot, dann gegen Blau. Offenbar bewegte sich die Lichtquelle rhythmisch mit einem Tempo von bis zu 60 m/sec. Kein Zweifel: Ein Körper von wenigstens einer halben Jupitermasse zerrte daran. Im Oktober 1995 gab Mayor die Entdeckung bekannt. Der Planet um die 50 Lichtjahre entfernte Sonne 51 Pegasi faszinierte die Öffentlichkeit viel mehr als Wolszczans öde Pulsarwelten. Oft sprach man jetzt erst vom "ersten Planeten" außerhalb unseres Sonnensystems.

Mit immer feineren Spektrographen folgte nun ein Fund nach dem anderen. Doch die Wackelsterne gaben stets nur Riesenplaneten preis. Mit elffachem Erddurchmesser ist schon unser Jupiter ein Gigant - ohne feste Oberfläche und kein Platz für etwaiges Leben. Die neu entdeckten Planeten sind teilweise noch um ein Vielfaches größer. Oft jagen sie innerhalb von wenigen Tagen oder Wochen, also auf extrem enger Bahn um ihren Stern. Dessen Glut bläht ihre Gashüllen auf. Man begann, von "heißen Jupitern" zu sprechen und wunderte sich, wie die Goliaths bei derartiger Hitze überhaupt entstanden waren. Vermutlich lag ihre Krippe einst weiter draußen.

Nach der Geburt mussten sie sich jedoch ständig durch den Staub pflügen, der junge Sterne umgibt. Entsprechend abgebremst, spiralisierten sie immer näher an ihre Sonne heran. Nicht alle überlebten das: Im Spektrum des Sterns HD 82943 sah man ein seltenes Lithium-Isotop, das von jungen Sonnen rasch verbraucht wird. Womöglich hat es ein abgestürzter Planet nachgeliefert.

Oft laufen die Mammutplaneten auf höchst exzentrischen Ellipsen dahin. Der Begleiter von HD 80606 pendelt alle 112 Tage zwischen 5 und 127 Millionen Kilometern Sternabstand hin und her. Er muss seine Umgebung leer gefegt haben wie eine rastlose Kugel den Tisch beim Pool-Billard. Es gibt aber auch Mehrfachsysteme. Das erste um einen sonnenähnlichen Stern ging 1999 ins Netz: Ypsilon in der Andromeda besitzt drei Begleiter von mindestens 0,7 sowie 2 und 5 Jupitermassen. Sie umrunden ihren Stern in 5 Tagen, 8 Monaten bzw. 3,5 Jahren.

Wir betrachten Wasser als Voraussetzung für Leben. Umrundet eine Welt ihren Stern zu nahe, verdampft es. Kreist sie zu fern, erstarrt es zu Eis. Besonders neugierig ist man daher auf Planeten, deren Orbits flüssiges Wasser erlauben würden. Der Begleiter des HD 28185 im Eridanus liegt mit 150 Millionen Kilometern Sternabstand richtig. Doch auch er ist ein Gasgigant von 6 Jupitermassen. Besäße er freilich sehr große Monde - was wir nicht wissen -, ließen sich dort "irdische Verhältnisse" andenken.

Im Pegasus schimmert HD 209458, der alle 3,5 Tage von einem mächtigen Begleiter umkreist wird. Zufällig blicken wir recht exakt von der Kante her auf seine Umlaufbahn. Daher zieht der Planet regelmäßig vor seinem Stern vorbei. Astronomen messen dann einen Lichtrückgang von 2 Prozent. Das ist, als würde ein Käfer über eine ferne Laterne kriechen. Die Analyse der Lichtkurve zeigt: Der 0,7 Jupitermassen schwere Gasplanet wird bei 1.100° C auf 1,4-fachen Jupiterdurchmesser aufgebläht. Er besitzt mit Sicherheit keinen Ring wie unser Saturn; und keine Monde, die größer wären als die Erde. Da während der Vorübergänge Sternenlicht auch durch die Atmosphäre des Planeten hindurchläuft, konnte man jüngst sogar erste, einfache Aussagen über seine "Lufthülle" machen.

Planeten von grob irdischer Dimension fand man bei sonnenähnlichen Sternen bislang nicht. Selbst die schmächtigste Entdeckung bringt noch mindestens 50 Erdmassen auf die Waage. Eine "zweite Erde" ist bislang nirgends aufgetaucht. Allerdings begünstigt die indirekte Suche mittels Doppler-Effekt schwere Objekte auf rasanten Umlaufbahnen. Die Häufung von Funden mit Jupitermasse und mehr ist wahrscheinlich nur Folge dieses Auswahleffekts.

Der Mikrolinseneffekt

Manche Astronomen setzen auf eine andere Methode, eine praktische Anwendung der allgemeinen Relativitätstheorie. Wie Einstein erkannte, krümmt die Anwesenheit einer großen Masse den Raum. Ein an ihr vorbeiziehender Lichtstrahl wird deshalb abgelenkt. Seit 1979 beobachtet man tatsächlich, wie Galaxien das Abbild dahinter schwebender Objekte verdoppeln oder verzerren. Galaxien bestehen aus vielen Milliarden Sonnenmassen - ein einzelner Stern verursacht vergleichbare Phänomene daher nur in bescheidenem Ausmaß.

Zieht er in sehr seltenen Fällen jedoch knapp vor einem anderen Stern vorüber, vermag er dessen Licht kurzzeitig zu verstärken. Erstmals beobachtete man diesen Mikrolinseneffekt 1997. Bei akribischer Analyse der Lichtkurve sollte man sogar die Anwesenheit kleiner Planeten herauslesen können. Leider ist die Interpretation der Daten strittig - und eine Wiederholung derselben Sternanordnung ausgeschlossen.

Exakt zehn Jahre nach der allerersten Planetenentdeckung steuert man auf die hundertste zu. Und bald hält man wohl auch das erste Foto in Händen. Schaltet man zwei oder mehrere Großteleskope zusammen, lässt sich deren gesammeltes Licht zur Interferenz bringen. Bei geschickter Vorgangsweise könnte dabei das Sternenlicht ausgelöscht werden, während das seines Begleiters unbeschadet bleibt. Dann wäre ein Planet erstmals direkt nachgewiesen. Natürlich darf man sich auf der Aufnahme nicht mehr als ein einfaches Pünktchen ohne Details erwarten; doch das solcherart isolierte Licht könnte wiederum spektral untersucht werden. Anfangs gelingt der "Schnappschuss" wohl nur an einem Riesenplaneten.

Ein guter Kandidat wäre Epsilon Eridani, bloß 10,5 Lichtjahre entfernt. Ein Körper von Jupiterformat umkreist ihn. Um später auch einmal einen Begleiter von erdähnlicher Dimension zu fotografieren, wird man die komplizierte Teleskopanordnung vermutlich ins Weltall schießen müssen.

Freitag, 11. Jänner 2002

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