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Eine US-Sonde lieferte klare Hinweise, daß Wassereis auf dem Mond existiert

Oasen am Wüstentrabanten

Von Christian Pinter

Ein Stück Land auf dem Mond mit Wassereis wäre "vielleicht das wertvollste Grundstück im ganzen Sonnensystem", meinte US-Geologe Paul D. Spudis einmal euphorisch. Denn sollten sich
Menschen aufmachen, eine Basis auf dem Erdtrabanten zu errichten, glichen sie Abenteurern in der Wüste: Was man nicht mitschleppt, fehlt. Wasser wird rasch begehrter sein als Gold. Denn eine
Mondbasis von der Erde aus mit Wasser zu versorgen, ist kostspielig und hemmt die Realisierbarkeit eines solchen Projekts. Eisvorkommen vor Ort würden daher viele Probleme lösen. Man hätte Wasser zum
Trinken, Sauerstoff zum Atmen und Wasserstoff zum Antrieb der Turbinen. Inmitten der lunaren Wüste gäbe es plötzlich "Oasen". Kein Wunder, daß die Suche nach Eis zu einem vorrangigen Ziel der
Mondforschung geworden ist.

Nun ist man mit Hilfe der Sonde Lunar Prospector endlich fündig geworden. Es gibt klare Hinweise, daß auf dem öden Erdbegleiter tatsächlich Wassereis existiert. Allerdings nur an ausgewählten
Plätzen. Bereits mit freiem Auge erkennt man helle und dunkle Regionen auf dem Trabanten. Jede Kultur schuf sich hierzu ihre eigene Erklärung. Die einen sprachen vom "Mann im Mond" oder einem
"Mondgesicht", die anderen von "zwei Kindern mit Wassereimer" oder einem "Hasen mit Reismühle". Im Altertum glaubten manche Philosophen sogar, der gefleckte Mond sei ein getreues Spiegelbild der
Erdoberfläche. Für sie war er mit ähnlich üppigen Gaben ausgestattet wie unsere Welt. Auch mit Wasser.

Anfang des 17. Jahrhunderts wurden erstmals Fernrohre zum Mond gerichtet. Mit zunächst sehr einfachen Instrumenten sah man helle, zerklüftete Bergketten und dunkle, völlig strukturlos wirkende
Ebenen. Die Assoziation mit irdischen Gebirgen und Meeren lag abermals nahe. Um sich zurechtzufinden, wählte man vertraute Bezeichnungen, versetzte "Alpen", "Karpaten" oder den "Kaukasus" auf den
Mond. Die dunkelgrauen Ebenen dazwischen wurden "Mondmeere" getauft. Gian Battista Riccioli gab ihnen 1651 lateinische Fantasienamen. Der Jesuit erfand ein "Meer der Gefahren", ein "Schäumendes
Meer", ein "Meer der Dünste" oder ein "Honigmeer". Kleinere Gebilde wurden Seen, Buchten oder Sümpfe genannt.

Himmelskörper als

Projektionsflächen

Die Namenswahl erfolgte nicht ganz zufällig. Getreu dem Aberglauben, wonach vor Vollmond gutes, danach schlechtes Wetter herrsche, bekamen die gleich nach Neumond sichtbar werdenden Regionen
sympathischere Bezeichnungen. Auf das "Meer der Fruchtbarkeit", das "Meer der Ruhe" oder das "Meer der Heiterkeit" folgen das "Wolkenmeer", das "Regenmeer", das "Meer der Feuchtigkeit" oder der
"Ozean der Stürme". Doch ein wildes Wettergeschehen gibt es auf dem Mond nicht. Auch die "Mondmeere" stellten sich bei näherer Betrachtung als Täuschung heraus. Bereits frühen Fernrohrbeobachtern
fielen zahllose kreisrunde Gebilde auf, die an den gewölbten Rand von Weinkrügen (griech. crater) erinnerten. Man glaubte, Vulkankegel ähnlich jenen auf der Erde vor sich zu haben. Johannes
Kepler zog spekulativere Schlüsse. Er sah in den Gebilden künstliche Bauwerke von Mondbewohnern, die im Schatten der Wälle Schutz vor der sengenden Sonne suchten. Jedenfalls fanden sich mehrere
Krater auch in den vermeintlichen "Mondmeeren", was deren Interpretation als Wasserflächen erschwerte.

Alle in den Teleskopen "erdähnlich" wirkenden Himmelskörper wurden zur Projektionsebene menschlicher Fantasien. Nicht wenige Astronomen glaubten, daß Mond, Planeten und vielleicht sogar die Sonne von
fremden Lebewesen besiedelt wären. Allerdings setzte die Existenz von Leben auch das Vorhandensein einer "Lufthülle" voraus. Auf dem Mond fehlten Wolken, wie man sie auf Mars, Jupiter oder Saturn
ausmachen konnte. Also mußte man feinere Verfahren entwickeln, um die Eigenschaften der vermeintlichen Mondatmosphäre zu untersuchen.

Dabei bot das Studium unserer eigenen Lufthülle interessante Hinweise. Sie vermindert die Helligkeit eines Sterns und läßt ihn funkeln. Lichtstrahlen werden außerdem ein wenig nach oben gebrochen, so
daß wir Gestirne nicht exakt an jener Himmelsstelle sehen, an der sie rein theoretisch glänzen sollten. So wird die Sonne beim Untergang nicht nur geschwächt, sondern auch zum Oval. Der untere
Sonnenrand wird ein wenig stärker hinauf versetzt als der obere. Besonders deutlich werden all diese Effekte nahe dem Horizont, weil die Lichtstrahlen dann einen längeren Weg durch die Erdatmosphäre
zurücklegen müssen.

Ähnliche Effekte sollten sich am Mondrand zeigen. Oft schiebt sich der Begleiter an ein Gestirn heran und bedeckt es schließlich. Doch das geschieht ohne Vorwarnung: Es gibt keine Schwächung, kein
Funkeln, keine Lichtbrechung. Der Stern verschwindet schlagartig. 1834 schloß Wilhelm Bessel aus dem Studium solcher Sternbedeckungen, daß dem Trabanten eine nennenswerte "Lufthülle" fehlen muß.
Seriöse Spekulationen über Leben auf dem Mond waren damit obsolet.

In den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts suchte man erneut nach Spuren einer lunaren Atmosphäre, diesmal freilich aus ganz anderen Motiven. Selbst eine äußerst dünne Gasschicht hätte Mondraketen
gebremst und ihre Bahn verändert. Heute weiß man, daß der Mondboden praktisch direkt an den Weltraum grenzt. Über Kratern und Meeren "liegt" nur Vakuum.

Dunkle Mondmeere

Ohne Lufthülle kann Wassereis der Sonnenstrahlung nicht widerstehen. Vakuum senkt seinen Schmelz- und Siedepunkt drastisch. Zwar fällt die Temperatur in der zwei Wochen dauernden Mondnacht unter
minus 150 Grad Celsius, doch mit dem Auftauchen der Sonne klettert sie rasch auf 120 Grad plus. Eis würde sofort verdampfen. Auf dem Planeten Mars legen ausgetrocknete Flußläufe Zeugnis von früherem
Wasserreichtum ab. Auf dem Mond fehlen solche Hinweise völlig. Er war offenbar schon immer ein Wüstentrabant.

Nach seiner Entstehung vor viereinhalb Milliarden Jahren schlugen Meteorite in wilder Folge auf das Antlitz des Mondes ein, schufen die kraterzernarbten, alten Hochländer. Eine Milliarde Jahre später
dürfte die Zeit des sogenannten "Schweren Bombardements" ausgeklungen sein. Die letzten Treffer lösten Magmaaustritte aus. Heiße Materie aus dem Mondinneren bedeckte die größten Einschlagsbecken. So
entstanden die dunklen Mondmeere. Später prallten selten große Meteorite auf, hinterließen nur vereinzelt Krater in den erstarrten Lavaseen.

Ob man in den Hochländern weilt oder in den Mondmeeren landet · nirgends gibt es einen Platz, an dem man sich ständig vor der Sonne verstecken könnte. Nur an den Polen, wo Kraternamen wie "Peary",
"Byrd", "Scott" oder "Amundsen" an irdische Polarforscher erinnern, sind permanente Schattenzonen möglich. Dort fallen die Sonnenstrahlen stets in sehr flachem Winkel ein. Die Böden tiefer Täler oder
Krater bleiben daher ewig abgeschattet. Wer hier lebt, würde die Sonne Millionen Jahre lang nicht zu Gesicht bekommen. Nur an diesen dunklen und kalten Orten ist lunares Eis überhaupt denkbar.

Zustellung per Komet

Man kann einem Mondkrater nicht ansehen, ob er von einem Asteroiden oder einem Kometen geschlagen worden ist. Asteroide sind feste Objekte aus Stein oder Eisen, wie wir sie vorwiegend in der
"Lücke" zwischen den Planeten Mars und Jupiter finden. Kometen entstanden in größerer Sonnenentfernung, wo auch Eis existieren konnte. Sie bestehen daher aus einem Konglomerat von Steinen, Staub und
gefrorenen Gasen, das von Wassereis zusammengehalten wird. Mehrere solcher "schmutzigen Schneebälle" von wenigen Kilometern Durchmesser tauchen jedes Jahr im inneren Planetensystem auf. Die
Sonnenstrahlung läßt das Eis knapp unter der Oberfläche der Kometenkerne verdampfen. Gas dehnt sich aus und schießt gemeinsam mit mitgerissenem Staub ins All. Millionen Kilometer lange Schweife
entstehen.

Die großen Kometen entdecken wir. Viele kleine, die entsprechend häufiger sein sollten, entgehen uns. Sie könnten den Mond mit Eis beliefern. Doch nur wenn die gefrorene Materie in den dunklen Tälern
der Polargebiete niedergeht, kann sie der Sonnenstrahlung entgehen.

Die Forscher ahnten, daß sie selbst dort keine idyllischen, weißen Eisdecken erwarten durften. Vielmehr räumte man die mögliche Existenz eines ungustiösen, dreckigen Gemischs aus Staub, Gestein und
gefrorenem Wasser ein. Mit optischen Mitteln wäre es nicht zu entdecken. Daher bestrahlte die US-Sonde Clementine den Mond 1994 mit Radarwellen. Sie mußten vom Eis besser gespiegelt werden als
von Mondgestein. Obwohl Clementine nur eine Sendeleistung von 6 Watt einsetzen konnte, fingen irdische Antennen tatsächlich verräterische Reflexionen von Schattengebieten in Südpolnähe auf.

Hochrechnungen ergaben ein mögliches Eisvolumen von 100.000 mn, was auf der Erde dem Wasserinhalt eines vielleicht 150 m breiten Sees entspräche. Die Resultate wurden 1996 veröffentlicht und sorgten
für Schlagzeilen. Vorschnell. Denn auch das riesige Radioteleskop von Arecibo, Puerto Rico, wandte die gleiche Methode wie Clementine an. Es registrierte Reflexionen nicht nur von den Polen, sondern
auch von Gebieten in gemäßigten, sonnenverwöhnten Breiten. Offenbar läßt sich die Radartechnik von besonders rauhen, eislosen Felsoberflächen täuschen. Es war wieder fraglich, ob "Oasen" auf dem Mond
existierten.

Abhilfe sollte ein neuer Weltraumroboter schaffen, dessen Start zunächst für Herbst 1997 vorgesehen war. Er trug den Namen "Lunar Prospector" und erinnerte damit an die unzähligen Schürfer und
Goldsucher, die im alten Amerika ihr Glück versucht hatten. Während NASA-Techniker letzte Hand an die Sonde legten, verunglückte im australischen Outback Eugene Shoemaker, der als Erforscher von
Einschlagskratern auf der Erde geradezu legendären Ruf genoß. 1993 hatte er mit seiner Frau Carolyn und David Levy außerdem jenen Kometen entdeckt, der Monate später mit Jupiter kollidieren sollte.
Seine Kerne malten gewaltige, dunkle Flecken in die Atmosphäre des Riesenplaneten.

Das spektakuläre Jahrtausendereignis war ein wenig Entschädigung für jene Enttäuschung, die Shoe~maker in den sechziger Jahren widerfahren war. Sein sehnlichster Wunsch, in den Kreis der Mondfahrer
aufgenommen zu werden, wurde von einer Krankheit vereitelt. Der US-Amerikaner mußte sich damit bescheiden, andere Astronauten in Geologie auszubilden. Mehrere Startverzögerungen gaben NASA-
Mitarbeitern Gelegenheit, ihrem ehemaligen Kollegen eine letzte Referenz zu erweisen. So machten sich schließlich 7 Gramm von Eugen Shoemakers sterblichen Überresten am 7. Jänner 1998 an Bord des
Lunar Prospector auf den Weg zum Mond. Der Auftrag der Sonde war klar. Mit Hilfe von Spektrometern sollte sie vom Orbit aus die Häufigkeit chemischer Elemente untersuchen und damit Vorarbeit zur
künftigen wirtschaftlichen Nutzung der Mondressourcen leisten.

Polarstation

Das Neutronenspektrometer wurde so konstruiert, daß es selbst geringste Wassermengen registrieren mußte. Die Mühe lohnte, denn nach nur wenigen Wochen Arbeit fand der Prospector tatsächlich Spuren
von Wassereis am Boden mehrerer Mondkrater. Es erstreckt sich über eine Gesamtfläche von 15.000 bis 70.000 km². Die Unschärfe entsteht, weil der Eisanteil im Mondboden äußerst gering ist. Auch im
besten Fall dürfte er 1 Prozent kaum übersteigen. Außerdem bleibt unklar, wie dick die eishältige Schicht ist. Mehr als einen halben Meter tief kann der Prospector nicht blicken. Bessere Auflösung
wird die Sonde Anfang 1999 erzielen, wenn ihre Flughöhe von derzeit 100 auf bloß 10 km gesenkt wird.

Alles in allem schwanken die Schätzungen der NASA zwischen 10 und 300 Mill. t Wassereis. Zwei Drittel konzentrieren sich um den lunaren Nordpol, der Rest lagert im Südpolgebiet. Eine der beiden
Polarregionen ist damit logischer Standort der ersten Mondstation. Selbst bei vorsichtiger Schätzung sollte das Eis ausreichen, 1.000 Zweipersonenhaushalte ein ganzes Jahrhundert lang mit Wasser zu
versorgen; mit entsprechendem Recycling noch länger.

Freilich müßte noch ein Verfahren entwickelt werden, um die Eiskristalle aus dem Mondboden herauszufiltern. Jedenfalls gibt es schon Berechnungen, welchen Wert das lunare Wassereis besitzt. Mit
gegenwärtiger Raketentechnologie kostet es nämlich eine viertel Million Schilling, auch nur 1 l Wasser ins All zu befördern. Jene vielleicht 30 Mill. t, die sich zum Abbau auf dem Mond eignen,
repräsentierten somit einen Gesamtwert von 10.000 Billionen Schilling. Der "Mondschürfer" dürfte sein Honorar damit bereits hereingespielt haben · kostet die Mission doch nur lächerliche 800
Millionen.

Samstag, 25. April 1998

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