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Cecelia Ahern über Dublin, ihren Vater und ihre Erfolgsbücher

"Eine normale Familie"

Von Jeannette Villachica

Wiener Zeitung: Sie haben einmal gesagt, an Ihren Romanen sei nichts autobiographisch, außer dass sie in Dublin spielen. Seit zehn Jahren boomt Irlands Wirtschaft und insbesondere Dublin hat sich stark verändert. Wie würden Sie die Stadt heute beschreiben?

Cecelia Ahern: Dublin ist jetzt sehr busy. Seit viele Ausländer zum Arbeiten oder Studieren herkommen, hat sich die gesamte Kultur der Stadt gewandelt. Noch vor ein paar Jahren hat man hier kaum Asiaten und Farbige gesehen, jetzt soll jeder zehnte Dubliner ein Asiate sein. Insgesamt werden die Menschen und das Stadtbild immer offener und moderner. Das gefällt mir.

Irlands Arbeitslosenquote liegt bei lediglich 4,4 Prozent. Da kann Ihre Generation ja optimistisch in die Zukunft blicken.

Ja, niemand muss mehr auswandern, um Arbeit zu finden. Im Gegenteil: Iren, die in den 70er und 80er Jahren emigrierten, kommen jetzt zurück. Für uns 20- bis 30-Jährige gibt es viel mehr Lebensmodelle und berufliche Möglichkeiten als für unsere Eltern, als diese jung waren. Ich zum Beispiel kann schreiben! Vor zwanzig Jahren hätte mich niemand dazu ermutigt. Die Leute trauen sich, Dinge auszuprobieren, anstatt von vorneherein einen 9-bis-17-Uhr-Job anzunehmen.

Ihr Vater ist Premierminister, Ihre Schwester ist mit dem Sänger der Popgruppe Westlife, Nicky Byrne, verheiratet – und Sie sind Weltbestsellerautorin. Ihr seid eine ganz schön glamouröse Familie, oder?

Überhaupt nicht. Mein Vater arbeitet sehr hart. Meine Schwester kam mit Nicky zusammen, als sie 14 Jahre alt war. Und ich bin wie meine Freundinnen. Den größten Teil des Tages verbringe ich am Schreibtisch, daran ist nichts Glamouröses. Meine Schwester kann dem Leben in der Öffentlichkeit vielleicht noch am meisten abgewinnen. Letztlich müssen wir aber auch unser Geschirr spülen und unsere Klamotten waschen.

Seit 1997 ist Ihr Vater Premierminister; schon zuvor hatte er diverse politische Ämter inne, unter anderem war er Bürgermeister von Dublin. Ist das sogenannte Wirtschaftswunder ein Grund dafür, dass Ihre Familie bei den Iren so beliebt ist?

Ich weiß es nicht. Es stimmt, dass mein Vater sehr beliebt ist. Er kommt aus der Arbeiterschicht und musste hart arbeiten, um so weit nach oben zu kommen. Dabei ist er völlig normal geblieben, das mögen die Leute. Und ich mit meinen Büchern – ich glaube, die mögen sie eher zufällig. Ich weiß nicht, warum sie uns mögen. Möglicherweise sind die Iren meinem Vater dankbar. Er tut ja auch großartige Dinge für sie.

Dennoch gibt es in Dublin immer noch viele heruntergekommene Viertel und man sieht auch viele arme Menschen.

Ja, das stimmt. Ich will nicht politisch werden, aber natürlich profitiert nicht jeder vom wirtschaftlichen Aufschwung. Das ist überall so.

Können Sie Gegenden in Dublin nennen, die Touristen besser meiden sollten?

Das könnte ich zwar, aber ich werde es sicher nicht tun. Ich will ja nicht den Hass der Bewohner auf mich ziehen. Aber gut: Ich würde beispielsweise nachts nicht alleine mit Kamera um den Hals und Stadtplan in der Hand herumlaufen, möglichst noch mit verzweifeltem Gesichtsausdruck, an dem jeder ablesen kann, dass ich mich verirrt habe.

Sind Sie mit der Politik Ihres Vaters immer einverstanden?

Meistens. Ich bin allerdings extrem liberal – und so links, dass ich fast von der Erdkugel falle (lacht). Ich sage nicht, dass mein Vater das nicht ist, aber ich bin eben viel jünger. Manche Themen sehe ich anders – und ich würde auch andere Fragen stellen.

Diskutieren Sie Ihre Meinungsverschiedenheiten?

Selten. Wir sprechen nicht gar so viel über die Arbeit meines Vaters. Er soll auch einmal abschalten. Es gibt genug Leute, die ihm das Leben schwer machen.

Nach dem Tod des Papstes schrieb ein irischer Journalist, Johannes Paul II. sei ein spiritueller Führer gewesen, aber er habe keine Ahnung gehabt, was es bedeutet, in der modernen Welt zu leben.

Das würden sicher viele Dubliner – vor allem meiner Generation – unterschreiben. Ich selbst glaube an Gott und ich bete, aber ich gehe nicht oft in die Kirche. Ich finde es schlimm, wie die katholische Kirche, die in Irland immer noch sehr viel Einfluss hat, mit Frauen umgeht. Abtreibung ist bei uns nur möglich, wenn die Mutter bei der Geburt sterben könnte. Ich war, um ehrlich zu sein, ziemlich erstaunt darüber, wie viele junge Leute vom Tod des Papstes betroffen waren. Vielleicht war es aber auch nur so wie beim Tod eines jeden Anderen: Man spricht nur noch davon, wie großartig er war und welche Gefühle die Menschen mit ihm verbinden...

Laut Klischee sind die Iren nicht nur sehr gläubig, sondern sprechen auch in vielen Gegenden nur Gälisch – oder Irisch, wie es von den meisten bezeichnet wird. Spechen Sie gerne Irisch?

Ja, ich mag Irisch. Ich könnte es die ganze Zeit sprechen. Wir müssen es in der Schule lernen; und durch diesen Zwang wird vielen Leuten der Spaß an der Sprache genommen. Irisch wird heute kaum mehr gesprochen, nur in kleinen Enklaven auf dem Land. Im Alltag benutzen wir allerdings oft ganz automatisch irische Wörter. Zum Beispiel das Wort für Premierminister: Taoiseach. Es bedeutet Führer. Wenn wir im Ausland sind und uns keiner verstehen soll, verwenden wir Irisch oft als Geheimsprache.

In den letzten zwei Jahren waren Sie viel unterwegs, um Ihre Bücher zu bewerben. Warum sind derzeit ausgerechnet irische Autorinnen mit unterhaltsamen Liebesromanen weltweit so erfolgreich?

Ich denke, wir haben einen tollen Humor und schreiben über allgemeine Themen, wie etwa über die junge Frau von nebenan – und zwar auf eine Art, die jeder verstehen kann. Hört sich gut an, nicht? (lacht) Ehrlich gesagt, habe ich keine Ahnung. Beim Schreiben habe ich jedenfalls nicht darüber nachgedacht, was richtig und was falsch ist. Ich habe einfach drauflos geschrieben – und Glück gehabt, dass es sichtlich richtig war, was und wie ich es gemacht habe.

Wie würden Sie sich selbst beschreiben?

Ich mache dumme Sachen.

Was zum Beispiel?

Ich bin ziemlich verrückt.

Inwiefern?

Ich bin gerne viel und oft allein. Manchmal rufe ich meine Freunde lange nicht an. Erst nach drei Wochen oder noch längerer Zeit tauche ich wieder auf. Ich bin eine richtige Tagträumerin. Besonders im Auto oder im Flugzeug kann ich mit niemandem sprechen. Ich sitze einfach nur da und träume. So bekomme ich viele meiner Ideen.

Als Politikertochter sind Sie im Licht der Öffentlichkeit groß geworden. Wie hat das Ihr Leben beeinflusst?

Ich bin sehr vorsichtig. Vorsichtig damit, was ich sage, wen ich zu meinen Freunden zähle, wo und mit wem ich gesehen werde. Schon als Kind waren alle Augen auf mich gerichtet. Da benimmt man sich. Ich tue nichts, was mich oder andere in Schwierigkeiten bringen könnte. Das ist mir in Fleisch und Blut übergegangen. Als ich fünf war und meine Eltern sich trennten, riefen Journalisten bei uns zu Hause an und wollten meinen Vater sprechen. Ich nahm den Hörer ab und wusste instinktiv, dass ich ihnen nicht sagen durfte, wo er ist.

Als sich Ihre Eltern trennten, war das damals ein Skandal. Scheidung ist in Irland erst seit 1995 möglich. Ihre Schwester und Sie sind bei der Mutter aufgewachsen, Sie haben Ihren Vater aber jeden Sonntag gesehen. Ist das noch immer so?

Ja, es ist gut, einen festen Termin in der Woche zu haben. Sonst vergeht die Zeit und man schafft es viel zu selten, sich zu sehen. Wenn man älter wird, hat man so viel zu tun. Früher haben wir uns den ganzen Tag gesehen, jetzt sind es ein paar Stunden. Wir gehen essen oder etwas trinken. Je nachdem, ob sie in Dublin sind, gehen auch meine Schwester und meine Mutter mit. Wir stehen uns nahe.

Könnten Sie sich vorstellen, woanders als in Dublin zu leben?

Vielleicht eine Zeit lang. Aber wenn ich mir meine zukünftigen Kinder vorstelle, sehe ich uns immer in Dublin. Diese Stadt ist einfach mein Zuhause. Die Iren sind so freundlich und „easy going“, das würde ich bestimmt vermissen. Und die Stadt ist so wunderbar klein: Hier weiß ich, wo alles ist – und die Wege sind kurz. Außerdem kennt jeder jeden, zumindest um drei Ecken. Dublin ist das großstädtischste Dorf, das man sich vorstellen kann (lacht). Aber bitte nicht weitersagen.

Zur Person

Cecelia Ahern, 23, ist die Tochter des irischen Ministerpräsidenten Bertie Ahern und lebt seit ihrer Geburt in Dublin. Sie studierte Film in Dublin und schrieb schon als Kind Geschichten. Sie hat zwei Weltbestseller geschrieben und ist seitdem mehrfache Millionärin. Der erste Roman "P.S. Ich liebe dich" erzählt die Geschichte der Endzwanzigerin Holly, deren Ehemann gestorben ist. Kurz darauf erhält Holly zehn Briefe, in denen Gerry ihr jeden Monat eine Aufgabe stellt und ihr auf diese Weise hilft, über seinen Tod hinweg zu kommen. In "Für immer vielleicht" – derzeit auf den internationalen Bestsellerlisten – spiegelt sich Rosies und Alex’ Leben durch ihre Briefe, E-Mails und SMS-Nachrichten. Fünfzig Jahre lang machen sie sich vor, nur "beste Freunde" zu sein. Beide Romane verströmen jede Menge Gefühl und schwarzen Humor.

„P.S. Ich liebe dich“ (2004) und „Für immer vielleicht“ (2005) sind im Frankfurter Krüger Verlag erschienen, „P.S. Ich liebe dich“ kürzlich als Fischer Taschenbuch.

Freitag, 26. August 2005

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