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Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Christine Grän hat ihre alte Krimifigur Anna Marx wieder belebt

Grän, Christinne: Schräg und nicht ganz legal

Von Jeannette Villachica

Mit ihrer Hobby-Detektivin und Antiheldin Anna Marx feierte die Autorin Christine Grän in den 80er und 90er Jahren Erfolge. Ihre Krimi-Reihe rund um die üppige und zum Zynismus neigende Bonner Klatschkolumnistin wurden auch fürs Fernsehen verfilmt. Mitte der 90er Jahre war dann erst einmal Schluss mit Anna Marx. Es folgten vier "ernsthafte" Romane, die von der Kritik hoch gelobt

wurden, darunter "Hurenkind". Mit "Marx, my love" kehrt Christine Grän nun zu ihrem Alter Ego Anna Marx zurück.

Die gebürtige Österreicherin und ehemalige Journalistin Christine Grän (52) lebt heute in München. Seit 15 Jahren macht sie nebenbei "die ganze PR-Geschichte" für die Deutsche Welthungerhilfe und schreibt ab und zu ein Drehbuch.

Wiener Zeitung: Meine erste Frage ist wahnsinnig originell: Warum haben Sie Anna Marx aus der Versenkung hervorgeholt?

Christine Grän: Diese Frage kommt wirklich unerwartet (lacht). Das hatte damit zu tun, dass ich einen Thriller über Wien und die Nazi-Vergangenheit dieser Stadt schrieb und nach fünf Kapiteln die erste Schreibsperre meines Lebens kriegte. Ich bekam Existenzangst, weil ich laut Vertrag Ende des Jahres ein Buch abliefern musste. Kurz zuvor hatte ich einen Urheberrechtsprozess verloren - das hat mich viel Geld gekostet -, und ich dachte: jetzt muss ich etwas schreiben, sonst bin ich bankrott.

Da erinnerten Sie sich an Anna Marx.

Genau - und daran, mit welcher Lust ich diese Bücher geschrieben hatte. Das war 14 Jahre her, komischerweise war die Figur plötzlich wieder lebendig. Dennoch wollte ich zumindest den Ort und das

Milieu verändern. Also wurde

Anna Privatdetektivin im Berliner Scheunenviertel. Ich hatte ja

schon im letzten Anna-Marx-Buch geschrieben, dass die Bonner Zeitung nach Berlin geht, weil man Anna als altes Schlachtross loswerden will.

Fiel es Ihnen leichter, die Anna-Marx-Romane zu schreiben als beispielsweise "Hurenkind" oder zuletzt "Villa Freud"?

Anna Marx ist mir sehr ähnlich, das schreibt sich halt leichter. Bei meinen letzten vier Romanen wurde mir vorgeworfen, meine Frauenfiguren seien kalt; manche, vor

allem Männer, sagten auch: unsympathisch. Ich fand das ja nicht, aber ich habe mich mit keiner Frauenfigur so identifiziert, wie mit Anna Marx. Sie könnte gar nicht unsympathisch rüberkommen, weil ich sie so liebe.

Im aktuellen Buch macht Anna ihr bevorstehender 50. Geburtstag sehr zu schaffen. Wie war das bei Ihnen, als Sie fünfzig wurden?

Ich empfand die Zahl 50 als schreckliche Zäsur. Ich dachte, ich würde aufhören, mir die Haare blond zu färben und mich ab sofort würdig kleiden. Meine zwölfjährige Tochter meint ohnehin, Perlenkette und Twinset würden meinem Mutterstatus mehr entsprechen als das, was ich anziehe. Die Ängste der Frauen vor der Zahl 50 wollte ich gerne ins Buch hineinbringen.

Hat Anna Marx etwas an sich, das Ihrem Charakter nicht entspricht?

Ich habe im Gegensatz zu ihr dreimal geheiratet, und ich habe nicht solche wahnsinnigen Geldprobleme. Ich bin nicht groß und nicht rothaarig; ich war allerdings auch einmal ziemlich dick und kenne mich mit Gewichtsproblemen aus. Wahrscheinlich macht ihre Unvollkommenheit Anna Marx so sympathisch: sie raucht, trinkt, neigt zu Depressionen und ist nicht schön.

Das Rotlichtmilieu taucht öfter in Ihren Romanen auf, so auch in "Marx, my love". Was fasziniert Sie daran, oder ist es einfach ein dankbarer Romanhintergrund?

Na ja, mich interessiert alles, was schräg und nicht ganz legal ist (lacht). Einmal habe ich an einer Lesung von Krimiautorinnen zu Gunsten der Rückführung von Prostituierten teilgenommen. Als Gegenleistung durften wir einen Tag im Bordell verbringen. Ich fand das wahnsinnig spannend.

Am Schluss wird die Geschichte fast zu einer Art Road Movie. Warum haben Sie mit den letzten hundert Seiten praktisch noch eine Story hinterher geschoben?

Zunächst hatte das einen praktischen Grund: Ohne sie wäre das Buch zu kurz gewesen. Der unpraktische Grund ist, dass ich aus dem Bauch heraus schreibe und die furchtbare Art habe, mir

ein Buch nur als Skelett auszudenken. Während des Schreibens kommen mir Ideen, die ich dann einflechte.

Liegt Ihnen denn eines Ihrer Bücher besonders am Herzen?

Eigentlich alle. Ich mochte "Dame sticht Bube" sehr gerne, weil da ein Teil meiner Autobiografie drin ist. Es hat sich 8.000 Mal verkauft, was nicht besonders viel ist. Die Kritiken meiner Bücher waren immer sehr gut, aber die Verkaufszahlen nie überwältigend. Aber damit kann ich leben. Ich finde es schon wunderbar, einen Beruf zu haben, der es mir erspart, zum Psychiater zu gehen (lacht), und mit dem ich auch noch Geld verdiene.

Bedeutet Ihnen eigentlich Ihre österreichische Herkunft viel?

Ich liebe Wien und Graz, aber ich habe nie ein Land oder ein Volk besonders geliebt. Ich fühle mich nur als Österreicherin, wenn ich in Österreich in einem Hotel bin und sehr viele Deutsche da sind. Viele Deutsche fühlen sich den Österreichern überlegen - und viele Österreicher den Deutschen unterlegen. Das ärgert mich.

Worum geht es in dem Wien-Roman, den Sie vor "Marx, my love" angefangen haben?

Es ist die Geschichte eines Massenmörders oder einer Massenmörderin und sie ist verknüpft mit einem Buch im Buch, das die Wiener

Nazivergangenheit und deren mangelhafte Aufarbeitung behandelt. Die österreichische Nazi-Vergangenheit ist bis heute weitgehend unter den Tisch gefallen. Nach

dem Krieg gab es nur noch Widerstandskämpfer. Das Thema ist sehr rechercheträchtig. Ich möchte das Buch auf jeden Fall weiterschreiben. Es muss eine Art Lebenswerk werden. Dann wird es vielleicht richtig gut.

Christine Grän: Marx, my love. Roman.

C. Bertelsmann Verlag 2004, 255 Seiten.

Christine Grän liest am 11. Oktober um 19.30 Uhr im Literaturhaus Wien, Seidengasse 13, aus "Marx, my love".

Freitag, 08. Oktober 2004

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