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Franz Nabls Wahlheimat in Schwarzau im Gebirge -eine Erkundung

Nabl; Franz: Im Schlund des Höllentals

Von Evelyne Polt-Heinzl

Das liebliche Tal zu Reichenau", knapp 100 Kilometer südlich von Wien, wurde schon im Biedermeier als netter Aufenthaltsort entdeckt. Der Wildreichtum der umliegenden Bergwelt verschaffte Reichenau dann ab Mitte des 19. Jahrhunderts die Ehre regelmäßiger Jagdaufenthalte des schießfreudigen Kaisers. In der Folge kam - auch dank der 1853 fertig gestellten Zugverbindung - alles, was Rang und Namen hatte, für kurze Wochenendausflüge oder ausgedehnte Sommeraufenthalte hierher. Man genoss die bizarren Bergmotive, besah sie sich von unten oder begann sogar, sie zu besteigen. Abenteuerurlaub war damals zwar noch kein Begriff, aber doch gelebte Praxis. Es gab geführte Bergpartien mit Eselbegleitung und organisiertem Picknick auf anmutigen Almwiesen, Kanufahrten im Kurparkteich, Tennisturniere und Kutschen- bzw. im Winter Schlittenpartien ins dunkle Höllental, in dem das Flussbett der Schwarza durch die schroffen Felswände zwischen Rax und Schneeberg wildromantisch mäandert.

Seit einigen Jahren ist das alles in einer Vielzahl von kulturhistorischen Führern der Gegend nachzulesen, die mit Namensregistern der hohen Herrschaften und Berühmtheiten gut erschlossen sind. Ins wilde Höllental selbst scheinen die Kulturhistoriker weniger häufig vorzudringen. Dort, in Schwarzau im Gebirge, knapp 20 Kilometer flussaufwärts im Schlund des Höllentals, verbrachte Franz Nabl (1883 bis 1974) fast 20 Jahre lang den Sommer. Um mehr darüber zu erfahren, rief ich beim Franz-Nabl-Institut in Graz an, wo man das Faktum prinzipiell bestätigte, für weitere Informationen aber an das Gemeindeamt Schwarzau im Gebirge verwies.

Wohnung im Obergeschoß

Dort wurde mir rasch geholfen und der Weg zum Haus Nummer 43 genau beschrieben - mit der Hausnummer allein ist ja in kleineren Orten nicht immer viel gewonnen. Hier, im Haus des Tischlermeisters Schiefer, nahm Franz Nabl mit seiner zweiten Frau Ilse seit Ende der fünfziger Jahre meist von Mitte Juni bis Ende September Quartier. Das Haus, Anfang der fünfziger Jahre erbaut, steht groß und stattlich nahe am Berghang. Abgesehen von einem Zubau ist die Struktur des Hauses gleich geblieben. Auf einem soliden Bruchsteinsockel ruht das erhöhte erste Geschoß, das über eine Seitentreppe zu erreichen ist. Im Stock darüber, aus dunklem Holz mit Balkon, befindet sich die kleine Wohnung, die Franz Nabl jahrelang gemietet hatte.

Das Verhältnis zwischen den Vermietern und dem Ehepaar Nabl war über die Jahre hinweg ein sehr freundschaftliches, vermittelt vor allem über die Kinder des Hauses. Im Lauf der Jahre wurden fünf Töchter geboren, die von Franz Nabl und seiner Frau liebevoll betreut und den Sommer über beschäftigt wurden. Sie bastelten Ringelspiele und Knusperhäuschen und ließen sich alle nur erdenklichen Spiele für die Kleinen einfallen. Im Hause Schiefer haben sich neben einer Fülle von Fotografien aus dieser Zeit auch einige undatierte Typoskripte Franz Nabls erhalten. Eines davon trägt den Titel "Freude mit Kindern" (6 Blatt) und schildert die Liebe und Begeisterung, mit der Nabl sein Leben mit den Schiefer-Mädchen als Bereicherung erlebte. Laut Werkverzeichnis wurde der Text am 27. Mai 1967 im Radio Steiermark gesendet.

Die Erinnerung an Franz Nabl ist aber keineswegs nur in der Familie Schiefer lebendig. Schon beim ersten Plausch mit einer Nachbarin erfahre ich die Standardanekdote, die ich in erstaunlich übereinstimmenden Versionen von allen Personen zu hören bekam, mit denen ich sprach, von der Gemeindesekretärin bis zu Herrn Schiefer selbst.

Bei einem kleinen Fest im nahe gelegenen Gasthof "Zur Singerin", zu dem Nabl offenbar eingeladen hatte, schlug ein schon leicht illuminierter Einwohner Franz Nabl jovial auf die Schulter und forderte ihn großzügig auf, sich noch ein Gulasch zu bestellen, "der Nabl zahlt eh alles". So ist er den Schwarzauern im Gedächtnis geblieben: großzügig, unauffällig, freundlich und unprätentiös. Als die Gemeinde ihm zu Ehren einen Franz-Nabl-Weg benennen oder gar eine Tafel an das Wohnhaus der Familie Schiefer anbringen wollte, lehnte er die Ehrung erschrocken und entschieden ab. Den Ehrenring der Marktgemeinde Schwarzau erhielt er 1970 aber doch. Noch seinen

90. Geburtstag hat Nabl im Sommer 1973 in Schwarzau gefeiert. Rudolf Henz war gekommen, Hans Weigel mit Elfriede Ott, Hermann Lein vom Unterrichtsministerium, Kurt Jungwirth vom Land Steiermark - und, so beschreibt Hans Weigel

in seinem Erinnerungsbuch "in memoriam", "Während wir saßen

und plauderten, kamen Bäuerinnen mit Glückwünschen und Geschenken".

Erste und zweite Heimat

Mit der Landschaft verband Franz Nabl ein langes, inniges Verhältnis. Die Sommer seiner Kindheit verbrachte er im väterlichen Gstettenhof im Türnitztal. "Der Ödhof" in Nabls gleichnamigen Roman ist ein Porträt dieser Kindheitslandschaft, und die Ähnlichkeit mit der Gegend rund um Schwarzau ist evident, nur dass Schwarzau bis heute aufgrund der Enge des Tals der Bau einer Eisenbahn erspart geblieben ist, den Nabl im Roman "Ödhof" als Meilenstein auf dem Weg zur Zerstörung seiner Kindheitsidylle beschreibt. In dem kleinen autobiografischen Bändchen "Meine Wohnstätten", das posthum 1975 bei Leykam erschien und zu einem guten Teil in Schwarzau entstand bzw. zusammengestellt wurde, nennt er Graz und das umliegende Hügelland seine "zweite Heimat", "die erste blieben doch die niederösterreichischen Voralpen, die Landschaft rings um meine Kinderheimat Gstettenhof und später das Rax- und Schneeberggebiet".

Es gab aber noch einen anderen wichtigen Berührungspunkt, und das ist die Person des reichen Waffenfabrikanten Fritz Mandl. Nabls älterer Bruder Arnold war ein gut verdienender Chemiker in der Hirtenberg'schen Munitionsfabrik - er scheint bei der Erfindung der Leuchtraketen eine entscheidende Rolle gespielt zu haben, zumindest beschreibt Nabl die ersten abenteuerlichen, wiewohl erfolgreichen Versuche damit, denen er beiwohnte. Fritz Mandl war in erster Ehe mit der Schauspielerin Hedy Lamarr verheiratet - und in zweiter mit der Schwester von Franz Nabls erster Frau Hermengild, die 1937 bei einem Autounfall ums Leben gekommen war. Man war also verschwägert und die Familie Mandl hatte nicht nur umfangreichen Forstbesitz in Schwarzau, sondern auch die Fischereirechte - eine ideale Konstellation für den von Jugend auf begeisterten Angler.

Franz Nabl mit hohen Gummistiefeln und Angelzeug - auch so erinnern ihn die Schwarzauer, und so beschreiben ihn auch viele seiner Besucher. Von Gerhard Roth verwahrt Herr Schiefer ebenfalls ein Typoskript (5 Blatt). Unter dem Titel "Über den 90jährigen Franz Nabl" erschien der Text 1979 in dem Band "Die schönen Bilder beim Trabrennen". Gerhard Roth beschreibt darin sein Zusammensein mit Franz Nabl während eines dreiwöchigen Urlaubs, den er mit seiner Familie in einem benachbarten Bauernhof verbrachte. Man ging gemeinsam angeln, spazierte die Schwarza entlang, und die Abende verbrachte man gerne in Nabls kleiner Wohnung, plaudernd, Fisch essend und, was Nabl betraf, Whiskey trinkend und Pfeife rauchend. Auch der kürzlich verstorbene deutsche Karikaturist und Autor Chlodwig Poth, der zu Besuch kam, verstand sich mit Nabl ausgezeichnet, wie mir Gerhard Roth erzählte.

Kontakt mit den Jungen

Was es für Franz Nabl bedeutet hat, dass ihm gegen Ende seines Lebens noch der Kontakt zu den "Jungen" geglückt ist, belegt eine Skizze mit dem Titel "Die Jugend und ich", eigentlich eine Hommage an Alfred Kolleritsch, Gerhard Roth und Peter Handke, die alle am Fernsehporträt zu Nabls 90. Geburtstag, "Begegnung im Alter" (gesendet am 15. Juli 1973), mitwirkten. ". . . dass sie mir gerade in die Augen blickten, dass sie Arbeiten von mir kannten und gelten ließen, das bedeutete mir viel", heißt es am Schluss des zweiseitigen Textes.

Peter Handke hat seinerseits als Hommage an den Erzähler Franz Nabl 1975 einen Band mit frühen Erzählungen im Residenz Verlag herausgebracht und mit einem feinen Vorwort versehen. Das Buch ist heute ebenso vergriffen wie alles andere von Franz Nabl, nur der "Ödhof" ist bei Styria noch erhältlich - und als Beschreibung seiner Wahlheimat in Schwarzau im Gebirge durchaus zu empfehlen.

Freitag, 13. August 2004

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