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Otfried Krzyzanowski, eine Fußnote der Wiener Literaturgeschichte

Krzyzanowski, Otfried: Betteldichter und Elendsphantom

Von Oliver Bentz

Otfried Krzyzanowski - einer der unzähligen Namen, die die Literaturgeschichte nicht kennt. Höchstens als Fußnote taucht dieser Dichter ab und zu in Untersuchungen zur Wiener Literatur um 1900 auf. Und dies auch nur deshalb, weil ihn einige seiner heute noch bekannten Schriftstellerkollegen, wie Franz Werfel, Franz Blei, Anton Kuh oder Alfred Polgar, in ihren literarischen Werken in Zeugnis gesetzt haben.

Denn ein großes Œuvre hat Otfried Krzyzanowski nicht hinterlassen. Ein unter dem Titel "Unser täglich Gift" in Kurt Wolffs Reihe "Der Jüngste Tag" 1919 posthum erschienener schmaler Lyrikband und ein paar verstreut in Zeitschriften erschienene oder in krakeliger Handschrift in Münchner und Wiener Bibliotheken erhalten gebliebene Manuskriptblätter sind die einzigen literarischen Zeugnisse, die von diesem vergessenen Autor erhalten geblieben sind.

Gespenst der Hungersnot

Krzyzanowskis Gedichte, kurze Prosastücke, ein kleines dramatisches Fastnachtsspiel sowie die ihm gewidmeten Texte seiner Zeitgenossen hat nun der Literaturwissenschaftler Hartmut Vollmer zusammengetragen und in dem auf vergessene Literaten spezialisierten Igel-Verlag unter dem Titel "Unser täglich Gift" herausgegeben.

Seine außergewöhnliche Gestalt und seine ungewöhnliche Lebensform waren es, die dem jede Art von Erwerbsarbeit verachtenden Otfried Krzyzanowski vor 100 Jahren als "Original" (Alfred Polgar) die Aufmerksamkeit der literarischen Bohème Wiens sicherten. Denn alle ihm gewidmeten Texte stimmen darin überein, dass Krzyzanowski von einer "abenteuerlichen Hässlichkeit" (Rudolf Forster) war und als "Gespenst der Hungersnot" (Egon Dietrichstein) aggressiv schnorrend durch die Literatencafés der Stadt zog. Dort, "an den Tischen des Müßiggangs" (Alfred Polgar) des "Café Central" in der Herrengasse, verbrachte Krzyzanowski, den Franz Werfel in seinem 1929 erschienenen Roman "Barbara oder die Frömmigkeit" unter dem Namen Gottfried Krasny als "Elendsphantom" auftreten lässt, seine Tage - verspottet von den arrivierten Literaten, die ihm, sozusagen als Preis für das Spiel, das sie mit dem "Betteldichter" trieben,

seine kärglichen Mahlzeiten spendierten.

Todessehnsucht, Lebensekel, Lebensverzweiflung und antibürgerliche Attitüde kennzeichnen auch viele von Krzyzanowskis Gedichten, die er in knappen, hart und treffend hingeworfenen Worten zu Papier brachte. Wie die Gestalt des von Nietzsches Nihilismus durchdrungenen Dichters selbst eine Anklage war gegen die Saturiertheit seiner Zeit und des bürgerlichen Lebens, so waren es auch seine Verse, deren Radikalität Krzyzanowski - so meint Hartmut Vollmer im ausführlichen Nachwort der Sammlung - als "expressionismustypischen Dichter" ausweisen.

So ungewöhnlich wie das Leben des 1886 in Starnberg geborenen Dichters war auch sein Tod am 30. November 1918. Anton Kuh berichtet darüber in seinem Feuilleton "'Central' und 'Herrenhof'". Demnach pendelte Krzyzanowski nach der Ende des Weltkriegs erfolgten Eröffnung des Café Herrenhof zwischen diesem und dem alteingesessenen Café Central hin und her. Es fiel deshalb keinem der Stammgäste der beiden Cafés auf, in denen die streng separierten Dichtercliquen ihre Heimat hatten, als Krzyzanowski über mehrere Tage nicht mehr erschienen war.

Trauerredner Franz Blei

Als man es schließlich doch bemerkte und in die Vorstadt hinausfuhr, wo Krzyzanowski bei einem

Schustergesellen zur Untermiete wohnte, war der arme Dichter gerade an "Entkräftung" - so sagt

es das Totenbeschauprotokoll -

gestorben: "Man vernimmt", so

Anton Kuh über die Umstände

dieses Todes, "dass der Arme, an Grippe erkrankt, seinem Quartiergeber während der letzten Tage

immer wieder zu bestimmen versucht habe, doch ins 'Central' oder 'Herrenhof' zu gehen, wo 'seine guten Freunde sitzen'. Der Schustergesell nahm das für Fiebergerede. 'Wissen S'', sagt er voll Verlegenheit, 'ich hab doch net glauben können, dass so feine Leut mit ihm verkehren.'"

Stammgäste beider Cafés finanzierten - vielleicht als Kompensation ihres schlechten Gewissens gegenüber dem armen Hungerleider - das Begräbnis Krzyzanowskis. Franz Blei, der keinem der verfeindeten Literatenzirkel fest angehörte, hielt als "Kompromisskandidat" die Trauerrede auf den Verstorbenen, den er so wenig kannte, dass er ihn fortwährend Ottmar statt Otfried nannte.

Otfried Krzyzanowski: Unser täglich Gift. Gesammelte Werke. Herausgegeben von Hartmut Vollmer. Igel Verlag 2003, 200 Seiten.

Freitag, 23. April 2004

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