Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
 Lexikon   Glossen    Bücher    Musik 

Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Über die Malerin und Kinderbuchautorin Bettina Ehrlich

Anmutig wie eine Nixe

Von Peter Michael Braunwarth

Maria Altmann, die Tochter von Adele Bloch-Bauers Schwester Marie-Therese ("Thedy"), ist aufgrund der Restitutionsforderung, die sie in Sachen von sechs der wichtigsten Klimt-Gemälde gegenüber der Republik Österreich erhebt, seit ungefähr vier Jahren vielen ein Begriff. Hier soll jedoch an eine andere Nichte erinnert werden, an Bettina, die Tochter von Adele Bloch-Bauers Bruder Eugen Bauer (1869 bis 1915).

Bettina Bauer wird am 19. März 1903 in Wien geboren. Wegen ihrer schwachen gesundheitlichen Konstitution verbringt sie bereits in der Kindheit viel Zeit in Grado, ein Ort, der bestimmend für ihr Werk werden sollte. 1920 bis 1923 studiert sie an der Kunstgewerbeschule in Wien, danach für zwei Jahre in Berlin. Sie etabliert sich als freie Künstlerin, Malerin und Lithographin, später kommt als ein erfolgreicher Zweig ihrer Tätigkeit textiler Handdruck hinzu.

In den zwanziger Jahren ist sie mit Arthur Schnitzlers Sohn Heinrich befreundet. Der Dichter kann sie gut leiden, sie ist regelmäßig zu Gast in der Sternwartestraße. (Tagebuch 18. 3. 1925: "Bettina B.; hübsch und sympathisch.-") Bettina erinnert sich noch 60 Jahre später an diese Einladungen zum Essen, an die Wirtschafterin, die die weißen Kittel aus der Ärztezeit des Hausherrn auftrug. Auch zwei Anekdoten, die sie über Schnitzler erzählt, haben mit dem Essen zu tun: Bei einer Begegnung im Berliner Hotel Bellevue sitzen beide in der Halle zusammen. Schnitzler bestellt Brötchen mit Kaviar, aber als sie kommen, nimmt er keines und fordert Bettina auf, alle zu essen. Bettina verwundert: "Aber Herr Doktor, ich weiß doch, dass das Ihre Lieblingsspeise ist. Warum nehmen Sie denn nichts?" "Weil man seine Selbstbeherrschung an kleinen Dingen üben soll, damit man sie bei größeren Gelegenheiten außer acht lassen kann." In Wien besucht sie der Autor in ihrer Wohnung in der Taubstummengasse, und steigt alle vier Stockwerke zu Fuß hinauf: "Aber Herr Doktor, warum haben Sie denn nicht den Aufzug benützt?" "Ja, wissen Sie, ich hab von einem Menschen gehört, der in einem Aufzug immer vom Keller in den Dachboden und wieder hinunter fahren musste, weil der Aufzug kaputt war. Und die Vorstellung, in einem Aufzug zu verhungern, ist mir unerträglich!"

1930 heiratet Bettina Bauer den Zeichner, Radierer und Bildhauer Georg Ehrlich (1897 bis 1966), wie sie ein Absolvent der Wiener Kunstgewerbeschule (und Schüler Oskar Strnads). Die Kunsthistorikerin Erika Tietze-Conrat schrieb: "Er gewann die meiste Sicherheit und das größte Selbstvertrauen durch seine Heirat mit Bettina, die ebenso schön ist wie sie begabt ist - gleichermaßen als Malerin und Autorin. Bettina verbindet die Weitherzigkeit der Bohèmienne mit dem Lebensstil einer Frau von Welt." 1938 emigrieren beide nach London, das ihr fester Wohnsitz bleibt.

Bereits seit Beginn der dreißiger Jahre befasst sich Bettina mit Kinderbüchern. Eines ihrer ersten, in einer kleinen Auflage handgedruckt erschienen, wird schon 1933 von der Graphischen Sammlung Albertina erworben. Ein vielfach bei ihr vorkommendes Sujet sind Nymphen, Faune, Nixen, Meerexistenzen - wahrscheinlich, weil sich darin ein Teil ihres Selbst ausdrückt. Und auch die Technik, die sie oft anwendet - Aquarell auf Reispapier - vermittelt die Transparenz, das Opalisie-
rende dieser Darstellungen. Ihr Humor bewahrt sie allerdings stets davor, allzu ätherisch zu werden! Dennoch: eine liebenswerte Naivität befähigt sie zur erfolgreichen Kinderbuchautorin, die eine Vielzahl von Werken in englischen und amerikanischen Verlagen publiziert.

Oft greift sie dabei auf Erfahrungen zurück, die sie in Grado gemacht hatte. Zum Beispiel erschien 1957 in New York das Buch "Pantaloni": Darin wird in großformatigen Bildern, auf denen es viel zu entdecken gibt, und in einer einfachen, aber niemals kindertümelnden Sprache erzählt, wie ein Fischer sich bei der Arbeit die Hose an einem Angelhaken zerreißt, dann auf dem Wochenmarkt eine neue Hose kauft, die Hälfte des Kaufpreises aber nicht in bar bezahlen kann, sondern dafür ein Hundebaby hergibt, das folgerichtig von seinem neuen Besitzer, dem Sohn des Marktstandbesitzers, den Namen "Pantaloni" erhält. Pantaloni geht dann für einige Zeit verloren, kommt aber wohlbehalten zu seinem kleinen Herrn zurück. Das alles ist ohne pädagogischen Zeigefinger und sehr amüsant erzählt.

Neben ihrer eigenen künstlerischen Tätigkeit hilft Bettina auch immer wieder ihrem Mann bei dessen Bildhauerarbeit. Er diktiert ihr seine Erinnerungen, und sie sorgt mit einer großzügigen Schenkung an die Wiener Stadt- und Landesbibliothek dafür, dass sein Nachlass geschlossen bewahrt bleibt.

Zu den vielen guten Freunden von Georg und Bettina Ehrlich zählen Zelebritäten wie Elisabeth Bergner, Peter Pears und Benjamin Britten. Sie wird immer wieder ob ihres originellen Blicks auf Dinge und Menschen bestürmt, ihre Lebensgeschichte aufzuschreiben, aber ihre Replik lautet stets lapidar: "Das geht gar nicht - denn schriebe ich nichts über Liebe, wär's doch unaufrichtig; schrieb' ich aber über die Liebe, wär's indiskret - da halt' ich lieber das Maul."

Bettina stirbt am 10. Oktober 1985 in einem Londoner Krankenhaus an Lungenkrebs. In jenem Sommer hatte sie noch mit glühender, jugendlicher Begeisterung am Wimbledon-Sieg eines 17-jährigen Deutschen, B. B. (auch ihre Initialen!), Anteil genommen und mit genau derselben Intensität davon erzählt, dass ihr jeden Morgen ein Eichhörnchen die Ehre seines Besuches an ihrem Küchenfenster erweise.

Die Österreichische Galerie im Oberen Belvedere ist nicht nur das gegenwärtige Domizil der sechs heiß umstrittenen Klimt-Gemälde, sondern in ihrem Besitz befinden sich auch zwei sehr liebenswürdige Kinderbildnisse, die Max Kurzweil von Bettina und ihrer älteren Schwester Mira 1908 gemalt hat. Maria Altmann, auf diese Porträts angesprochen, erinnert sich: "Ja, wir sind als Kinder auch gemalt worden, und als meine Schwester mein Porträt im fertigen Zustand gesehen hat, hat sie gesagt: die Knie sind äußerst ähnlich getroffen!"

Im Verlag "Bibliothek der Provinz", Weitra, sind heuer zwei Kinderbücher von Bettina Ehrlich wieder aufgelegt worden: "Francesco & Francesca" und "Putzi".

Freitag, 10. Oktober 2003

Aktuell

erlesen: Zwei verwandte Meister der kleinen Form
Kronauer, Brigitte: Sprache, Klang und Blick
Zum Werk der Georg-Büchner-Preisträgerin Brigitte Kronauer
Mann, Erika: Des Dichters Liebling
Zum 100. Geburtstag von Thomas Manns ältester Tochter Erika

1 2 3

Lexikon



Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum