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Zum 125. Geburtstag des Literaten Hans von Hoffensthal

Hoffensthal, Hans: Der Alpen-Dandy

Von Oliver Bentz

In Literaturlexika sucht man ihn meist vergeblich und auch in keiner neueren Literaturgeschichte findet sich mehr sein Name: Der des Autors Hans von Hoffensthal, eines vor 125 Jahren in Bozen zur Welt gekommenen Patriziersohns, Arztes, Schriftstellers und Bohémiens, der jener großen Gruppe der aus dem literarischen Gedächtnis weitgehend verschwunden Literaten angehört, "aus deren Humus", wie es Hilde Spiel einmal ausdrückte, "die in den Kanon der Literaturgeschichte aufgenommenen und heute noch bekannten Schriftsteller sich erst entwickeln konnten". Die Vergessenheit der Autoren aus der "zweiten Reihe" liegt nicht unbedingt in der mangelnden Qualität ihres Werkes begründet. Oft waren es auch nur widrige Umstände, die ihnen den Nachruhm verwehrten, und nicht selten lohnt es sich, ihr Werk - sei es auch nur als Zeitdokument - und in dessen Folge auch die Dokumente ihres Lebens wieder zu entdecken.

Dies gilt auch im Falle Hans von Hoffensthals. Am 16. August 1877 ist er unter dem Namen Johann Nepomuk Anton Joseph Maria von Hepperger zu Trischtenberg und Hoffensthal, Landmann von Tirol, in Maria Himmelfahrt am Ritten, dem Bozener Hausberg und Sommerdomizil des wohlhabenden Bozener Bürgertums, geboren, und er wurde weithin als "Dichter des Ritten" bezeichnet. Sein gesamtes Schaffen durchzieht die enge Verbundenheit mit der Bozener Landschaft, seine oft sehr stark autobiografischen Romane sind zum Großteil in dieser Gegend, im

urbanen Milieu Bozens und des-sen ländlicher Umgebung angesiedelt.

So auch sein autobiografisch gefärbter Erstlingsroman "Maria Himmelfahrt" (1905), in dem Hoffensthal die Zerrissenheit des jungen, literarisch ambitionierten Arztes Berthold schildert, dessen Zuneigung zwischen zwei Frauen, seiner Ehefrau Ulla, mit der er auf

dem Ritten lebt, und der Künstlerin Renia, schwankt. Gefangen vom Zauber der sinnlichen Künstlerin und deren unkonventionellem Leben, verlässt er seine Frau und zieht mit Renia nach Wien. Doch dort wird er bald desillusioniert, erwacht aus seinem Sinnenrausch und will reumütig zu seiner Frau zurückkehren. Bei seiner Ankunft findet er jedoch nur noch eine Sterbende vor.

In farbig ausschweifenden, impressionistischen Naturschilderungen zeigt Hoffensthal in diesem Buch nicht nur die Landschaft, sondern auch die Seelenlandschaft seiner Hauptperson, die ihren Ausbruch aus der ihr vertrauten und von ihr eigentlich geliebten heimischen Naturlandschaft teuer bezahlen muss: "Überall ist diese Unruhe in der Natur, alles ist voll Unrast. - Die Tiere fühlen es und die Menschen. Wenn eine Rabenschar in das Fönziehen kommt, flattern die großen glänzenden Flügel und die Tiere lassen sich laut schreiend im Wind treiben. Die Krähen auf den Lärchenwiesen wissen sich nicht zu fassen vor Eifer und Geschäftigkeit. In großen Scharen flattern sie von Baum zu Baum, halten große Versammlungen ab, beraten und reden durcheinander, paaren und erzählen sich von neuen frischen Äckern und jungen neu entdeckten Vogelnestern in den nahen Wäldern. Aber mit einem Male kommt wieder ein Fönstoß und fährt in die schwatzende Schar und jagt sie auseinander, dass sie laut kreischend davonziehen."

Begeistert schrieb die "Neue Hamburger Zeitung" über Hoffensthals Roman: "Wieder einmal kann der jauchzende Ruf durch alle Lande gesandt werden: Wir haben einen Poeten! Einen Poeten." Und der Kritiker der "Täglichen Rundschau Berlin" schwärmte über das Buch: "Nehmt und lest es. - Die Handlung ist schnell erzählt. Sie wächst aus dem Tiroler Boden, sie gehört zu ihm. - (. . .) Unwillkürlich drängt 'Maria Himmelfahrt' zu einem Vergleich mit dem Roman 'Peter Camenzind' von Hermann Hesse. Hoffensthal braucht diesen Vergleich nicht zu scheuen; mir scheint er, als Romandichter, dem Schweizer unbedingt über."

Hoffensthals Werk, das zahlreiche Feuilletons sowie zehn Novellen und Romane beinhaltet, die in so angesehenen Berliner Verlagen wie "Ullstein" und dem auf österreichische Autoren spezialisierten Haus "Egon Fleischel & Co" publiziert wurden, kennzeichnet ein tiefer Fortschrittspessimismus. Seiner Naturverbundenheit stellt er die Bedrohungen der voranschreitenden Technisierung und den Verlust von Traditionen gegenüber. Tiefe Skepsis und Ablehnung bestimmen sein Verhältnis zum aufkommenden Massenfremdenverkehr, mit dem die Zerstörung der Landschaft durch die Errichtung der großen Hotels und den Bau der Rittner Bahn einhergeht.

In seinem elegischen Beitrag "Abschied von Oberbozen", erstmals erschienen im August 1907 im Feuilleton der "Innsbrucker Nachrichten" anlässlich der Einweihung der Bahnstrecke, stellt er der neuen Entwicklung die Erinnerung an seine Kindheit in dieser Landschaft in einem nostalgisch-wehmütigen Tonfall entgegen: ". . . Ist dir auch so leid, dass unsere Idylle zerstört ist? Denkst du auch, dass die ganze Bahn, das Hotel, die neuen Weganlagen und all die Fremden nicht in unsere Gegend passen? (. . .) Stimmengewirr dringt herauf, die Festteilnehmer kommen, die Aktionäre, satt vom Leichenschmaus des alten Oberbozen. (. . .) Eines allein haben wir vor euch Fremden voraus. Das sind unsere Erinnerungen an die alte, gute, unberührte Zeit, an das liebe Oberbozen, wie es bis

gestern war und nun heute gestorben ist. Diese Erinnerung müsst ihr uns lassen. Sie sind uns wie

ein Vermächtnis, lieb, unersetzlich und teuer. Davon geben wir nichts her."

Darüber hinaus zeichnet er in seinen Romanen wie "Das Buch vom Jäger Mart" (1907), "Lori Graff" (1909), "Das dritte Licht" (1911) oder "Moj" (1915) Sittenbilder der Bozener Gesellschaft, des wohlhabenden Bozener Bürgertums, das sich durch ein strenges Kastenwesen fremder "Eindringlinge" erwehrt. Dieser Gesellschaftsschicht mit ihren strengen Moralauffassungen, der er selbst entstammt, gilt sein oft ironischer Blick, ihren Händeln und Konflikten stellt Hoffensthal nach. Er führt den Leser (nicht selten gar zu) hymnisch in die Naturlandschaft des Bozener Landes, zeigt aber auch die Fremdenfeindschaft der einheimischen Bevölkerung gegen die immer zahlreicher werdenden Städter. Stadt und Land erscheinen bei ihm als unüberwindliche Gegensätze ebenso wie das Verhältnis der Deutsch- und Welschtiroler.

Hoffensthal, der bezüglich der Damen und des Alkohols kein Kostverächter war, trat in der Öffentlichkeit gerne als Dandy auf. Eine karikaturistische Darstellung von Max von Esterle, erschienen 1911 in der Literaturzeitschrift "Der Brenner", hebt diesen Zug im Wesen des Autors pointiert hervor: In feinen Stoff gekleidet, mit hohem Kragen, hält die eine Hand die Zigarettenspitze empor, während die Finger der anderen von einer Menge von Ringen geschmückt werden, mit denen der Casanova Hoffensthal, so Beatrix Unterhofer, gerne von ihm begehrte Frauen bespiegelte oder sich mit Hilfe des Sonnenlichts eine Zigarre anzündete.

Seinen Zuspruch zum Wein als Stimulans für seine Arbeit brachte der exaltierte Literat in einem Beitrag zum Thema "Dichterische Arbeit und Alkohol", in der bekannten Berliner Literaturzeitschrift "Das literarische Echo" im Herbst 1906 zum Ausdruck: "Wohlgemerkt: ich bin kein Säufer. Aber nach Südtiroler Heimatsitte trinke ich zur Mittag- und Abendmahlzeit meinen Rotwein und gelegentlich auch einige Gläser außer der Zeit. (. . .) Und über den Alkohol als Inspirationsmittel denke ich so: Es ist zweifellos, dass eine einmalige, das Gewohnheitsmaß überschreitende Alkoholmenge die dichterische Arbeitskraft für die folgenden Stunden hinsichtlich der Intensität und Dauer vermindert. Aber ebenso ist es sicher, dass eine bestimmte Sorte von dichterischer Arbeit, nämlich die Skizzierung, das Entwerfen von Plänen, durch vorherigen Alkoholgenuss erleichtert wird."

Hoffensthal, der zunächst in Innsbruck, München und Genf Medizin studierte, diesen Beruf als Hotelarzt, Universitätsassistent und schließlich mit eigener Ordination in Bozen aber nur ungern ausübte, erkrankte 1911 an Lungentuberkulose. Die Krankheit veranlasste ihn, seine Praxis aufzulösen und eine Stelle als Schiffsarzt auf Routen nach Japan und Indien anzunehmen. Weder Meeres- noch Höhenklima konnten jedoch die Verschlimmerung seiner Krankheit verhindern.

Er starb schließlich am 7. Dezember 1914 in Bozen. Nach seinem Tod wurden aus Angst vor der ansteckenden Krankheit alle seine nachgelassenen Schriften verbrannt. Nach dem Ersten Weltkrieg gerieten Hoffensthal und seine Romane, deren Auflagen in die Hunderttausende gingen, in Vergessenheit. Die Welt, die der Patriziersohn in seinen Werken geschildert hatte, war endgültig untergegangen.

Dem Leben und Werk Hoffensthals, dieses "Verfassers wertvoller Landschaftsromane voll sinnlicher Leidenschaft und glühender Liebe zur Südtiroler Heimat" - so das "Kleine Österreichische Literaturlexikon" von Giebisch, Pichler und Vancsa aus dem Jahr 1948 -, widmete vor einigen Jahren Beatrix Unterhofer ihre Biografie "Hans von Hoffensthal - Ein Leben in der Sommerfrische", mit der sie diesen äußerst interessanten Charakter aus einem wenig beachteten Randgebiet der deutschsprachigen Literatur wieder ins Gedächtnis zurückholte.

Kritisch zeichnet sie in dem aufwendig gemachten und liebevoll gestalteten Buch den Lebensweg Hoffensthals nach und thematisiert auch die manchmal zu einseitige Schwarz-Weiß-Malerei, derer er sich in seinen Büchern bediente. Diese führte 1911 zu einem Streit mit Ludwig von Ficker, dem Herausgeber der Literaturzeitschrift "Der Brenner", dessen Verlauf im Buch ebenfalls ausführlich dokumentiert wird.

Literaturempfehlung: Beatrix Unterhofer: Hans von Hoffensthal. Ein Leben in der Sommerfrische. Edition Raetia, Bozen 1996, 120 Seiten, zahlreiche Abbildungen.

Freitag, 09. August 2002

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