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Hellfried Rosegger ist Arzt, Autor, Musiker -und Urenkel

Rosegger: "Ein gewisses Abenteuer"

Von Uwe Mauch

Wiener Zeitung: Herr Rosegger, von Beruf sind Sie Kinderarzt, doch Ihr Familienname verpflichtet offensichtlich auch zum Schreiben. Woran arbeiten Sie zur Zeit?

Hellfried Rosegger: Schon seit längerem beschäftige ich mich mit einem Kriminalroman. Der soll "Falemderit" heißen, was auf Albanisch "Danke" bedeutet. Ich habe den Text in strenger Versform angelegt, Hexameter, 16 Gesänge. Aber mein Problem ist wieder einmal, dass ich ständig auf neue Dinge draufkomme und mich daher von der Geschichte nicht lösen kann.

W. Z.: Was wohl Ihr Urgroßvater zu dieser Buch-Idee sagen würde?

Rosegger: Natürlich ist das stilistisch und auch inhaltlich nicht mit den Romanen Peter Roseggers vergleichbar. Ich bin ein Kind meiner Zeit, beeinflusst von ganz anderen Autoren, die es ja zum Teil auch schon zu seiner Zeit gegeben hat, die er aber gar nicht kennen konnte, weil es keine Übersetzungen gab.

W. Z.: Sie schreiben auch Grammatik-Bücher. Für welche Sprachen schreiben Sie?

Rosegger: Eines für Bengalisch und ein zweites für einen alten maledivischen Dialekt, der vom Aussterben bedroht ist. Auch hier werde ich nicht fertig. Und so sind die Manuskripte voll mit Einfügungen und Korrekturen.

W. Z.: Die Bücher sind nur ein Teil Ihrer Freizeitbeschäftigung. Ihren Jahresurlaub verbringen Sie in den Slums der Mega-Citys Asiens und Südamerikas. Als ehrenamtlicher Helfer für das "Komitee Ärzte für die 3. Welt". Woher rührt dieses Engagement?

Rosegger: Das ist eine Frage, die ich mir selbst auch oft gestellt habe. Es wäre schön, wenn man sagen könnte, dass es 100 Prozent nur Liebe am Nächsten ist, 100 Prozent Altruismus. Bei mir, ich muss das ehrlich sagen, ist das zunächst einmal der Reiz eines gewissen Abenteuers. Und von meinem Beruf her auch ein gewisses medizinisches Interesse.

W. Z.: Was interessiert Sie da konkret?

Rosegger: Ich arbeite als Kinderarzt am Landeskrankenhaus Graz, in der Frühgeborenen-Station. Die Arbeit an der Klinik ist für mich auch noch nach 20 Jahren interessant und spannend. Daneben fasziniert mich aber auch noch die Medizin der armen Länder, eine Medizin, die wenig intellektuell, wenig technisiert ist.

W. Z.: Wo es noch mehr auf den Blick des Arztes ankommt, weil es keine Diagnosestraßen gibt.

Rosegger: Genau. Man muss zum Beispiel in einem Armenviertel von Kalkutta möglichst vielen Menschen möglichst effektiv helfen. Ohne Röntgen, ohne Blutbild. Eine Minute Diagnose, dann beginnt schon die Therapie. Bei uns dagegen ist der ganze Apparat sehr schwerfällig geworden, natürlich auch sehr ausgeklügelt.

Ich habe als Arzt bei diesen Einsätzen wahnsinnig viel gelernt. Vor allem erlangt man, wenn man sich nur auf sich selbst verlassen kann, auch deutlich mehr Sicherheit dazu. Weil die Symptome einer Krankheit sind ja hier wie da die gleichen.

W. Z.: Kann man denn die so genannte 1. mit der so genannten 3. Welt vergleichen?

Rosegger: Ich weiß, man hat diese Einstellung eingebläut bekommen, dass zum Beispiel die Kinder in diesen Ländern wahnsinnig leiden. Doch wenn sie gesund sind, leiden sie nicht. Die sind sehr glücklich, sehr froh. Ich glaube sogar, dass sie viele Nöte, die unsere Kinder mit dem ganzen Reichtum haben, nicht haben. Die sind mit wenig zufrieden. Spielen miteinander, sind nie allein. Deprivationssyndrome gibt es dort nicht. Es ist immer jemand da.

W. Z.: Was fällt Ihnen zum Thema Nächstenliebe ein?

Rosegger: Wenn man ein Kind sprichwörtlich von der Schaufel holt, dann ist das immer schön. Das Beglückende an der Arbeit mit Kindern ist auch, dass man es hier mit Menschen zu tun hat, die noch ihr ganzes Leben vor sich haben. Die wollen herumlaufen, die wollen gesund sein, die wollen spielen. Und sie haben eine echte, unverfälschte Lebensfreude.

W. Z.: Wie gehen Sie mit konkreter Armut um?

Rosegger: Wenn ich als Tourist durch so ein Armenviertel gehen müsste, würde es mir wirklich schlecht gehen. Das kann ich mit reinem Gewissen sagen. Wenn ich jedoch dort arbeite und das Gefühl habe, wenigstens einen minimalen Beitrag zu leisten, dann ist das für mich erträglich. Aber es geht manchmal schon an die Grenzen der eigenen Belastbarkeit.

W. Z.: In der Familie Rosegger gab es immer schon auffallend viele Ärzte ebenso wie Schriftsteller und Musiker. Warum haben Sie sich der Medizin verschrieben?

Rosegger: Ich war schon als Kind an Naturwissenschaften interessiert. Ich habe Käfer gezüchtet und Schlangen gefangen. Als Gymnasiast wollte ich lange Zeit Biologie studieren. Ich hatte da so eine kindliche Vorstellung von Forschung. Später ging das mehr in Richtung Medizin, obwohl mich auch die Technik sehr interessiert hätte. Ich hatte überhaupt ein großes Spektrum an Interessen.

W. Z.: Fad war Ihnen nie?

Rosegger: Eigentlich nicht. Die Kehrseite war jedoch, dass man sich selbst immer wieder abgelenkt hat.

W. Z.: Und wann verspürten Sie Lust zu schreiben?

Rosegger: Schon sehr früh. Denn ich habe schon von Kindheit an immer Geschichten und später auch Romane geschrieben. Die Lust am Schreiben muss ich wohl von meinem Urgroßvater geerbt haben.

W. Z.: Den Roman "Die Rinne" haben Sie gemeinsam mit Ihrer Schwester Heide geschrieben. Wie kam es eigentlich dazu?

Rosegger: Wir haben eben schon als Volksschulkinder gemeinsam Bilderbücher geschrieben. Die Heide lebt und arbeitet heute als Germanistin in Genf. Sie hat mich immer wieder gefragt, ob wir gemeinsam einen Roman schreiben.

W. Z.: Und wie ging das zusammen?

Rosegger: Wir haben uns unsere Manuskripte und Korrekturen mit der Post zugeschickt. Ich erinnere mich auch, dass die Telefonrechnung damals sehr hoch war. Ich war dann auch öfters in Genf. Und da haben wir uns gegenseitig Satz für Satz vorgelesen. Das war eine sehr intensive Auseinandersetzung mit dem Text.

W. Z.: Wovon handelt der Roman?

Rosegger: Der Roman spielt im Skifahrer-Milieu. Touristen verbringen ihren Winterurlaub auf einer Hütte. Und bekommen plötzlich den Ehrgeiz, eine sehr steile Rinne runter zu fahren, eine Herausforderung, die ihr skifahrerisches Können übersteigt.

W. Z.: Wofür steht die Rinne?

Rosegger: Die Rinne ist die Metapher für die Sinnlosigkeit des Ehrgeizes, der sich irgendwo festbeißt. Der Mensch nimmt sich und seine Probleme zu wichtig. Wenn er ein Problem, die Rinne etwa, löst, meint er, dass damit automatisch seine ganzen anderen Probleme mit gelöst werden.

W. Z.: Sind Sie selbst die Rinne runtergefahren?

Rosegger: Ja sicher, metaphorisch und wirklich auch. Es hat sicher Situationen in meinem Leben gegeben, in denen ich vor etwas Reißaus genommen habe, anstatt mich damit zu konfrontieren. Auch als Skifahrer habe ich manche Situationen gemieden. Allerdings deshalb, weil ich meine Fähigkeiten relativ gut einschätzen konnte - aus purem Lebenserhaltungstrieb.

W. Z.: Es geht in dem Roman auch um die Brüchigkeit von Freundschaften. Haben Sie selbst gute Freunde?

Rosegger: Ich bin in der glücklichen Situation, dass ich schon über lange Zeit gute Freunde habe. Ich bin stolz auf mich, dass ich sie habe. Und ich bin auch stolz auf sie. Natürlich ist das eine ständige Auseinandersetzung. Freundschaft verpflichtet - auch zur Ehrlichkeit. Sonst bleibt nicht viel übrig. Einige Freundschaften sind auch ausgelaufen. Das muss man akzeptieren, vor allem dann, wenn es keine gemeinsamen Angelpunkte mehr gibt.

W. Z.: Mit einigen Freunden machen Sie auch Musik.

Rosegger: Wir betreiben gemeinsam einen Jazzclub in Graz. Einen Freitag pro Monat stehen wir selbst auf der Bühne.

W. Z.: Wie nennt sich die Formation?

Rosegger: Wir sind die Royal Jazz Garden Band. Gegeben wird Chicago-Jazz. Wir haben aber auch immer wieder renommierte Gäste bei uns im Keller.

W. Z.: Ist der Name Rosegger für Sie eher ein schweres Erbe oder eine Bereicherung?

Rosegger: Je älter ich werde, umso mehr sehe ich das als eine Bereicherung an. Als Kind war mir der Name wurscht. Als Jugendlicher war das schon eher eine Belastung. Ich habe geschrieben, ich habe Musik gemacht. Und da hat man mir meinen prominenten Verwandten oft vorgehalten. Jazz war damals nicht opportun. Und was ich geschrieben habe, hat auch niemanden interessiert: Hat eh der Peter Rosegger geschrieben.

W. Z.: Und heute?

Rosegger: Ich muss sagen, dass ich nicht täglich Rosegger lese. Aber ich bin begeistert, wie präzise er seine Beobachtungen und Gedanken zu Papier gebracht hat, oft in nur ein, zwei Sätzen. Es ist fein, wenn man einen Verwandten schätzen kann. Es finden sich in seinem Werk übrigens auch durchaus moderne Gedanken.

W. Z.: Gibt es ein Zitat, das Sie besonders mögen?

Rosegger: In der Geschichte vom ewigen Licht schreibt er über eine Magd, die gerade ihr Kind verloren hat: "Und sie erträgt's. Weil sie ein starkes Herz hat, nicht aber hoffärtig ist wie die Weltleute, die nur an das Geld glauben anstatt an Gott. Das Geld tröstet nicht im Unglück, es macht noch nur verzagter, weil es sich als so ohnmächtig, so falsch erweist."

W. Z.: Was ist für Sie persönlich Reichtum?

Rosegger: Am ehesten ein klarer Gedanke, das Wort eines Dichters oder das Wort eines Philosophen. Das kann aber auch eine heilige Schrift sein. Manchmal meine ich dann, einen Hauch von dieser Erkenntnis zu spüren.

Freitag, 23. März 2001

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