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Vor 160 Jahren entwickelte Ada Lovelace die Computersprache

Lovelace: "Große Schönheit der Erfindung"

Von Irene Mettler

Um 1970 begann man im Auftrag des amerikanischen Verteidigungsministeriums mit der Entwicklung einer Computersprache für Echtzeit-Programmierung. 1979 wurde die neue Sprache der Fachwelt unter ihrem endgültigen Namen vorgestellt: ADA.

Damit ehrte man eine Frau, die bis dahin nicht mehr als eine Anekdote in der kurzen Geschichte des Computers und eine Anmerkung in der Literaturwissenschaft gewesen war: Augusta Ada King, Countess Lovelace, geborene Byron.

Ihr Vater war George Gordon, 6. Baron Byron, der berühmteste romantische Dichter des 19. Jahrhunderts und die skandalöseste Persönlichkeit einer an exzentrischen Gestalten reichen Zeit.

Ihrer Mutter, Annabella, geborener Milbanke, sagte man nach, sie sei arm an Fantasie und humorlos gewesen, ein "Eiszapfen". Ihre große Leidenschaft war die Mathematik, und Byron nannte sie in den besseren Tagen ihrer Beziehung seine "Prinzessin der Parallelogramme".

Als er Annabella Milbanke sah, bei einer jener Matineen, deren Mittelpunkt er zu sein pflegte, fragte er seinen Freund Thomas Moore, ob sie eine Gesellschaftsdame sei. "Nein", erwiderte dieser, "das ist eine große Erbin, Sie sollten sie heiraten . . ."

Sie schwärmte wohl ein wenig für ihn - oder weniger für ihn als für seinen Ruf, denn er verkörperte das, was man heutzutage einen Star nennt. Dabei widersprach sein Lebensstil ihren rigorosen Ansprüchen vollkommen. Nach einer Zeit der schwärmerischen Briefe und großen Hoffnungen heirateten sie am 2. Jänner 1815.

Cholerischer Lord Byron

Die Sicherheit und Regelmäßigkeit dieser Ehe, von der Byron sich womöglich so etwas wie Heilung versprochen hatte, wurde sehr bald zu einem unerträglichen Gefängnis für ihn. Mit seinen Launen jagte er seiner Frau Todesangst ein.

Sie war wohl weder diplomatisch noch lebensklug, aber mit 22 Jahren war sie aus der Obhut ihrer aristokratischen Erziehung in Byrons selbstbezogene, maßlose Welt geworfen worden.

Sie konnte es sich nicht anders vorstellen, als dass er den Verstand verloren haben müsse, da sein Gefühl für sie so rasch von Liebe in Hass umgeschlagen war. Der Schock über die plötzliche Unberechenbarkeit und Unkontrolliertheit seines Verhaltens ließ sie ihr Leben lang nicht los.

In diese zerstörerische Atmosphäre wurde am 10. Dezember 1815 eine Tochter geboren und auf den Namen Augusta Ada getauft. Wenige Wochen nach der Geburt verreiste Lady Byron mit dem Kind zu ihren Eltern und verlangte in der Folge die Trennung von ihrem Mann.

Dieser weitere Skandal zerstörte seinen Ruf. Seine eigene Klasse schnitt ihn; man hätte ihm seine Eskapaden schon verziehen, wenn er sie nicht so sehr in die Öffentlichkeit getragen hätte.

Auf der Straße wurde er von Passanten ausgebuht. Finanziell ruiniert, musste er versteigern lassen, was ihm noch geblieben war. Verbittert, enttäuscht und gekränkt verließ er England.

Lady Byron erhielt das Sorgerecht für ihre Tochter. Von frühester Jugend an wurden ausschließlich ihre großen mathematischen Fähigkeiten gefördert. Jede Begabung, die zum gefürchteten poetischen "Wahnsinn" ihres Vaters hätte führen können, wurde angstvoll unterdrückt.

Gouvernanten und Lehrerinnen wechselten rasch. Lady Byron war oft auf Reisen, Ada litt unter Einsamkeit. Ihre Einbildungskraft, von ihrer Mutter so gefürchtet, entfaltete sich. Mit großem Eifer begann sie an einer Flugmaschine zu arbeiten. "Ich glaube wirklich nicht, dass ich an die Flügel denke, wenn ich an andere Dinge denken sollte," schrieb sie ihrer Mutter 1828, "aber es war sehr freundlich von Ihnen, diese Bemerkung zu machen." Sie war 13 Jahre alt.

Ein Jahr später bekam sie die Masern. Die Krankheit entwickelte sich sehr ungünstig, 3 Jahre lang war Ada ans Bett gefesselt. Dennoch wurden ihre Studien weitergeführt.

1833 wurde sie bei Hofe eingeführt, wie es für eine aristokratische Dame üblich und angemessen war. Etwa um diese Zeit reiste sie mit Lady Byron nach Nordengland, um Textilmanufakturen zu besichtigen. Hier waren sie an der Wiege der industriellen Revolution.

1805 hatte Joseph-Marie Jacquard einen Webstuhl erfunden, der mit einer Reihe von Lochkarten arbeitet. Das Muster wird über eine gelochte Pappkarte auf den Webstuhl übertragen. Mit aneinandergenähten Karten können auch komplizierte Muster maschinell produziert werden. Das Konzept der Lochkarten hatte immensen Einfluss auf die Erfindung der mechanischen Rechenmaschinen im 19. Jahrhundert.

Ein Jahr zuvor hatte Ada Charles Babbage kennen gelernt. 1791 in London geboren, war er oberflächlich der typische misanthropische und zerstreute Professor. Er galt als ungeduldig, überkritisch und verschroben, war jedoch einer der wichtigsten Wissenschaftler seiner Zeit, Lucasian Professor für Mathematik in Cambridge, so wie Sir Isaac Newton eineinhalb Jahrhunderte vor und Stephen Hawking eineinhalb Jahrhunderte nach ihm.

Er war Vertreter eines bürgerlichen, industrialisierten, naturwissenschaftlich orientierten Zeitalters, ganz im Gegensatz zu Adas Vater Lord Byron, der die aristokratische, romantisierende und zutiefst maschinenfeindliche alte Ordnung vertreten hatte. Es ging ein Riss durch das 19. Jahrhundert, der bis heute nicht geheilt ist, da sich die humanistischen und die naturwissenschaftlichen Disziplinen noch immer misstrauisch gegenüber stehen.

Auf einer seiner berühmten Soiréen - besucht von Männern wie Charles Darwin, Charles Dickens, Michael Faraday und dem Herzog von Wellington - stellte er seine erste Rechenmaschine vor, die "Difference Engine". "Miss Byron, so jung sie war", schrieb ihre Lehrerin, "verstand, wie sie arbeitete und sah die große Schönheit der Erfindung."

Im Frühjahr 1835 wurde sie William, Lord King, vorgestellt. Er war elf Jahre älter als sie, ein ruhiger Mann, ebenfalls an den Naturwissenschaften interessiert, vor allem aber an der Architektur. Schon im Sommer heirateten sie.

In rascher Folge - von 1836 bis 1839 - bekam Ada drei Kinder, außerdem wurden drei große, standesgemäße Haushalte eingerichtet. Nach der Geburt ihres zweiten Kindes wurde sie mit der damals in London grassierenden Cholera angesteckt, die sie mit einer radikalen Hungerkur bekämpfte.

Erster Computer

1840 unternahm Charles Babbage eine ausgedehnte Italienreise, um die Idee seiner "Analytical Engine" vorzustellen, die man als Vorläufer des modernen digitalen Computers bezeichnen kann. Der Militäringenieur und Mathematiker Luigi Menabrea hörte seine Vorlesung und schrieb eine Abhandlung über die Rechenmaschine in französischer Sprache.

Ada übernahm die Aufgabe, den Text ins Englische zu übersetzen. Auf dieser Übersetzung, vor allem aber den ausführlichen Anmerkungen - sie sind ungefähr doppelt so lang wie der eigentliche Aufsatz -, beruht ihr Ruhm, sie habe die erste Programmsprache für einen Computer entwickelt.

In ihren Anmerkungen befasste sie sich mit den mathematischen Problemen, die eine Analytical Engine zu lösen imstande sei, und mit der Art und Weise, wie diese mathematischen Operationen organisiert werden müssten. Ihren Schriften verdanken wir die Kenntnis über die Funktionsweise der Analytical Engine, die niemals gebaut werden konnte.

In einem Vergleich greift sie auf die Eindrücke zurück, welche sie in den nordenglischen Textilmanufakturen gewonnen hatte. "Wir können treffend sagen, dass die Analytical Engine algebraische Muster webt, gerade so, wie der Jacquard-Webstuhl Blumen und Blätter webt."

In ihren Anmerkungen beschreibt sie Organisationsprinzipien, die Programmierer heute unter den Namen "Schleife", "Unterroutine" und "bedingter Sprung" kennen.

Sie erkannte, dass eine solche Maschine grundsätzlich mehr leisten konnte, als mathematische Berechnungen anzustellen.

Es müsste möglich sein, so überlegte sie, jede Art von Symbol zu bearbeiten. Sie könne vielleicht sogar programmiert werden, die Regeln der Harmonielehre und Komposition auszuführen und "wissenschaftliche" Musik zu produzieren. Mit dieser für ihre Zeit absolut fantastischen Vorstellung war sie der Entwicklung von Software um beinah 150 Jahre voraus.

Sie war sich allerdings der Grenzen der Maschine bewusst und warnte vor übertriebenen Erwartungen. "Die Analytical Engine erhebt jedoch überhaupt keinen Anspruch, irgendetwas zu erschaffen. Sie kann das tun, für dessen Ausführung wir die richtigen Befehle kennen. Sie kann einer mathematischen Auflösung folgen, aber sie hat keine Macht, analytische Entdeckungen oder Wahrheiten vorherzusehen."

Die Analytical Engine hatte prinzipiell alle wichtigen Komponenten (Memory, Prozessor, Input/Output Protokoll), die auch einen modernen Computer ausmachen. Mit den damaligen technischen Möglichkeiten hätte sie aber letzten Endes gar nicht gebaut werden können.

Mechanische Zahnräder und Dampfkraft können niemals die notwendige Präzision gewährleisten. Als theoretisches Konzept war sie ihrer Zeit zu weit voraus und Mitte des 19. Jahrhunderts notwendigerweise zum Scheitern verurteilt.

Kurz nach Fertigstellung der Übersetzung erlitt Ada einen physischen und psychischen Zusammenbruch. Sie hatte immer unter ihrer gefährdeten Gesundheit gelitten, dabei aber niemals die Möglichkeit oder den Willen gehabt, sich zu schonen.

Mit 24 Jahren hatte sie drei Kinder zur Welt gebracht, sie stand drei großen Haushalten vor, sie hatte bestimmte Konventionen zu erfüllen, wenn sie nicht wie ihr Vater aus der Gesellschaft fallen wollte, in die sie geboren war.

Dazu kam ihr Wunsch zu lernen, sich zu bilden, wissenschaftlich zu arbeiten, einen "Beruf" zu haben. Das war für eine Frau ihrer Zeit und Klasse überaus mühsam, da sie zum Beispiel keine Bibliotheken besuchen durfte und sich ausschließlich an private Lehrer wenden konnte.

Sie führte seit früher Jugend einen stillen Kampf darum, nach ihrer eigenen Veranlagung zu leben und doch gehorsame Tochter und später treue Ehefrau zu sein. Sowohl Lady Byron als auch Lord Lovelace hatten großes Interesse daran, sie unter Kontrolle zu halten, jedes mögliche Erbe ihres Vaters wie eine Krankheit zu unterdrücken. "Sie gestehen mir keine philosophische Poesie zu", schrieb Ada an ihre Mutter. "Kehren Sie die Reihenfolge um! Werden Sie mir poetische Philosophie, poetische Wissenschaft geben?"

Mit 29 Jahren war sie erschöpft. Die Ärzte verschrieben Laudanum, das sie offensichtlich mit Alkohol nahm. Sie halluzinierte, verfiel in Euphorien, entglitt ihrer Umwelt, fühlte sich zeitweise Gott gleich, wurde schließlich abhängig.

Ab 1846 musste sie beginnen, sich ihren bedrohlichen Geldproblemen zu stellen. Anders als Lady Byron - sie war eine der reichsten Erbinnen Englands - besaß sie kein eigenes Vermögen, sondern erhielt ein jährliches Einkommen, von dem sie nicht nur sich selbst ausstattete, sondern zu einem großen Teil auch die Kinder.

Verluste bei Pferdewetten

Zusammen mit Babbage verfiel sie auf die Idee, auf Pferde zu wetten. Die Verluste waren höher als die Gewinne. An einem Tag verlor Ada das Elffache ihres Jahreseinkommens.

Einige Tage nach diesen Vorfällen erlitt sie schwere Blutungen. Es konnte nicht mehr geleugnet werden, dass ihre gesundheitlichen Probleme nichts mit der üblichen "Gastritis" zu tun hatten, die in jener Zeit so großzügig diagnostiziert wurde. Sie litt an Gebärmutterkrebs.

Die Ärzte verschrieben wieder Drogen, von denen sie sich für kurze Zeit befreit gehabt hatte. Dennoch versuchte sie noch lange Zeit, den Überblick über den Haushalt und ihre wissenschaftliche Arbeit zu bewahren. Bald war sie nicht mehr fähig, das Bett zu verlassen. Noch immer schrieb sie Briefe und empfing Freunde.

Am 19. August 1852 besuchte Charles Dickens sie und las ihr die Todesszene aus seinem Roman "Dombey and Son" vor. Am Tag danach zog Lady Byron bei ihr ein und übernahm die Kontrolle über den Haushalt. Bekannte und Freunde Adas wurden nicht mehr vorgelassen. Briefe, die unter ihrem Namen versandt wurden, stammen wohl nicht mehr von ihr.

Sie starb drei Monate später, am

27. November 1852, 36 Jahre alt. Ihre Mutter überlebte sie um acht Jahre.

Verwendete Literatur:

André Maurois: Don Juan oder Das Leben Byrons; Betty A. Toole: Ada, the Enchantress of Numbers; der komplette Text der Bemerkungen Luigi Menabreas über die Analytical Engine in der Übersetzung von Ada Lovelace (mit den Anmerkungen) ist nachzulesen unter http://www.fourmilab.ch.

Freitag, 23. März 2001

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