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Vor 60 Jahren starb die Romanautorin Elizabeth von Arnim

Schreiben, wie Mozart komponierte

Von Margit Wolfsberger

Vor genau 60 Jahren, am 9. Februar 1941, starb in Charleston/USA eine kleine Frau an Grippe. Ihr bürgerlicher Name lautete Mary Annette Countess Russell, geb. Beauchamp, verwitwete von Arnim. Bis vor ungefähr zehn Jahren war sie höchstens eine "Fußnote" der Literaturgeschichte - als Cousine von Katherine Mansfield, als Geliebte von H. G. Wells, als Brotgeberin von E. M. Forster. Dann kam 1992 mit der Verfilmung eines ihrer Bücher - "Verzauberter April" - ein zweiter Durchbruch. Wenngleich die Literaturgeschichte ihre Bewertung des Arnimschen Œuvres noch nicht wesentlich geändert hat, haben die großen Verlage ihren Verkaufswert erkannt und in den seither vergangenen zehn Jahren erschienen fast alle 25 Romane von Elizabeth von Arnim in mehreren Taschenbuch-Verlagen und -Auflagen.

Anders als die Werke vieler ähnlich erfolgreicher Schriftstellerinnen der Jahrhundertwende sind ihre Bücher heute noch amüsant zu lesen und geben Einblicke in gesellschaftliche Settings zur Zeit ihrer Entstehung und in das Leben ihrer Schöpferin. Schreiben ist für Elizabeth von Arnim zuerst anregendes Hobby, Fluchtmöglichkeit vor den Anforderungen des Haushalts und der Familie, später ökonomische Notwendigkeit, Therapie gegen Schicksalsschläge, Rache an Ex-Ehemännern und -Liebhabern, Trost bei Einsamkeit und im Alter zunehmend die Möglichkeit eine vergangene Idylle heraufzubeschwören und Lebensbilanz zu ziehen. Ihre Bücher enthalten in versteckter oder offener Form viele persönliche Schlüsselerlebnisse, porträtieren Freunde und Feinde, zeichnen die wichtigsten Stationen ihres Lebens nach. Sie spielen samt und sonders in der Gegenwart der Autorin, sind aber ebenso Dichtung wie (autobiographische) Wahrheit.

Ein Leben in Büchern

"May" Beauchamp wird am 31. August 1866 in Australien als jüngstes von sechs Kindern des Zuckerhändlers und Reeders Henry Herron Beauchamp und seiner Frau Elizabeth geboren. 1870 übersiedelt die Familie nach England. Die Rastlosigkeit der Eltern wird auf die jüngste Tochter vererbt, ebenso der starke Einfluss der englischen Kultur. England bleibt ihre "Leitkultur", vor diesem Hintergrund nimmt sie Fremdes wahr. Für das englische Publikum schreibt sie ihre Romane, hier hat sie Kontakt zu Künstlerkreisen und vor allem das Urteil der englischen Presse ist ihr wichtig. Diese starke Verankerung macht es ihr möglich, einen distanziert kritischen Blick, der neben aller Ironie auch Faszination und Begeisterung für fremde Kulturen enthält, auf ihr jeweiliges Gastland zu werfen und dies literarisch umzusetzen.

1889 lernt May Beauchamp den um 15 Jahre älteren deutschen Grafen Henning August von Arnim-Schlagenthin kennen. Seit dem Ende der Schule hat sie sich mit Musikstudien, der Gärtnerei und ihrem Traum von einem unabhängigen Leben in einem Landhäuschen beschäftigt. Als der Graf von Arnim, der später in den Romanen "der Grimmige" genannt wird, May Beauchamp offen den Hof macht, entwickelt sie sich langsam vom "nobody" in der Familie zu "somebody" und für einige Zeit sogar zu "everybody", wie sie stolz in ihrem Tagebuch vermerkt. 1891 heiratet das Paar und übersiedelt nach Berlin.

In Berlin muss May Beauchamp nun eine deutsche Gräfin von Arnim werden. Der Umstand, dass sie in vier Jahren drei Töchter bekommt, verbittert sie. Ihr Ehemann möchte unbedingt einen männlichen Erben haben und die Weigerung seiner Ehefrau, erneut schwanger zu werden, ist eine stete Quelle des Streits.

Die Abscheu vor den so schnell aufeinanderfolgenden Schwangerschaften wird literarisch verarbeitet; in den Romanen heißen die drei Töchter nur April-, Mai- und Junikind, um damit die Unausweichlichkeit ihrer Ankunft in rascher Folge, wie eben der drei aufeinanderfolgenden Monate, auszudrücken. 1896 wird der Wohnsitz auf das Gut Nassenheide bei Stettin in Pommern verlegt.

Seit 1896 unternimmt May von Arnim schriftstellerische Versuche und ein Jahr später beginnt sie mit den Arbeiten zu "Elizabeth and her German Garden". Hauptsächlich geht es darin um die Anlage und Pflege eines Gartens, verbunden mit der Darstellung des Lebens auf einem deutschen Gutshof. Das Buch entbehrt jeglicher Spannungselemente oder einer auf einen Höhepunkt hin angelegten Handlung, enthält aber bereits die Markenzeichen der Autorin: einfühlsame Naturbeschreibungen und die ironischen Darstellung der Hauptfiguren.

Der Roman erscheint 1898 anonym in London und markiert mit der Taufe der Protagonistin als "Elizabeth" auch die "Geburt" von "Elizabeth von Arnim", dem privat ebenso verwendeten Künstlerinnennamen. Das Buch wird ein Bestseller, insgesamt elf Auflagen werden alleine im ersten Jahr gedruckt.

Sarkastische Blicke

Die literarische Darstellungsweise, das Geheimnis um die Urheberin treffen den Zeitgeist und solcherart angespornt, beginnt die Autorin nun mit ihrem nächsten Roman, "Einsamer Sommer". Er ist, wie alle Werke in dieser Schreibphase, ähnlich wie der erste aufgebaut: Landschaftsbilder, spärliche Handlung, treffsichere Charakterisierung von Schwächen und Stärken "typischer" gesellschaftlicher Rollen - Ehepaare, Pastoren, Gouvernanten, unverheiratete Frauen . . . -, trotz dieser feststehenden Elemente werden Klischees meistens umschifft, um statt dessen ebenso amüsante wie scharfe bis sarkastische Blicke hinter die Fassaden der bürgerlichen Gesellschaft zu werfen.

Im Juli 1899 kommt die vierte Tochter und 1902 endlich der Sohn, Henning Bernd, zur Welt. Eine zeitweise Verhaftung ihres Ehemannes und seine Rehabilitierung verarbeitet Elizabeth von Arnim in "Anna Estcourt". Ihre Tantiemen werden für das Familieneinkommen immer bedeutender und in der Folge entstehen auf Gut Nassenheide noch weitere Romane im gewohnt graziös-frechen Stil.

Mit einigen der für die heranwachsenden Kinder engagierten Hauslehrer teilt deren Mutter ihr literarisches Interesse, so mit M. E. Forster und Hugh Walpole. Bereits im Umgang mit den Hauslehrern zeigt sich das ambivalente Verhältnis Elizabeth von Arnims zu Männern: Einerseits gerät sie immer wieder an sehr dominate Männer, andererseits wählt sie sich um vieles jüngere Verehrer und Liebhaber, die sie zumindest eine zeitlang beherrscht.

Beide Vorgehensweisen kritisiert sie offen in ihren Romanen. In ihrem eigenen Leben gelingt es ihr nicht, diese weisen Einsichten umzusetzen. Nach der immer emotional aufwühlenden Trennung von einem Mann verarbeitet sie dies literarisch und aus dieser manchmal zornigen Abrechnung mit der Vergangenheit heraus entstehen ihre besten Werke.

Um 1907 beginnt der Ablösungsprozeß vom Ideal einer intakten Familie auf Nassenheide. Elizabeth von Arnim ist verstärkt in England und plant ein neues Leben. "Die Reisegesellschaft", ein Roman aus dieser Zeit, ist keine liebliche Landschaftsbeschreibung mehr, sondern eine bissige Satire. Die Teilnehmer einer Reisegruppe werden unbarmherzig gezeichnet, besonders scharf fällt die Karikatur eines deutschen Majors aus. Nicht nur Henning von Arnim kränkt sich über dieses vermeintliche Porträt seiner Person, im Ersten Weltkrieg kommt das Buch in Deutschland auf die schwarze Liste.

Trotz dieses Umstandes ist nicht zu übersehen, dass die Autorin in vielen ihrer Romane gegenüber Deutschland zwar kritisch, aber nie chauvinistisch ist. Sie erlebt innerhalb der eigenen Familie zu stark die Zugehörigkeit zu verschiedenen Kulturen. So wandern ihre beiden ältesten Töchter, deutsche Staatsbürgerinnen, aufgrund der antideutschen Ressentiments in England 1916 in die USA aus. Später folgt ihnen auch der einzige Sohn. Das Schicksal ihrer beiden Töchter verarbeitet Elizabeth von Arnim in ihrem Buch "Christopher und Columbus", einem Plädoyer gegen nationale Vorurteile.

1908 erfolgt die Trennung von ihrem Mann und Elizabeth von Arnim zieht mit den Kindern nach England. Die Schuldenlage zwingt Henning von Arnim, einige seiner Ländereien zu verkaufen, er erkrankt und stirbt 1910. Seine Witwe betrauert seinen Tod aufrichtig und die Jahre in Nassenheide mit dem "Grimmigen" bleiben in ihrer Erinnerung das irdische Gartenparadies, das sie immer wieder beschreibt. In späteren Jahren führen sie mehrere verzweifelte "Nostalgiefahrten" nach Pommern. Henning von Arnim, den sie 1908 für ein neues, unabhängigeres Leben verlässt, kehrt in ihrem letzten Roman, "Mr. Skeffington" (1940), als der einzig wahre Mann ihres Lebens wieder.

"Little e"

Als Witwe beginnt Elizabeth von Arnim aber vorerst ihr Leben neu zu gestalten. Sie frischt die Bekanntschaft mit H. G. Wells auf - "Little e" nennt sie der verheiratete und für seine Affären bekannte Autor. Nach einigen turbulenten Jahren endet die Liaison. Elizabeth von Arnim veröffentlicht in dieser Zeit - 1914 - nach längerem wieder einen Roman, "The Pastor's

Wife", und beginnt mit dem Bau des "Chalet Soleil" in den Walliser Alpen, in den nächsten Jahrzehnten der Treffpunkt von Freundinnen, Verehrern und Familienmitgliedern.

Ganz in der Nähe lässt sich 1921 Katherine Mansfield, die Cousine von Elizabeth von Arnim, nieder. Die Beziehung der beiden ist nicht restlos geklärt. Bevor Katherine Mansfield 1923 stirbt, schreibt sie jedenfalls einen ihrer letzten Briefe an Elizabeth von Arnim über deren im Herbst 1922 erschienenes Buch "Verzauberter April": "Es ist ein köstliches Buch; die einzige Person, die es noch geschrieben haben könnte, ist Mozart. Wie schaffst Du es, so etwas zu schreiben? Wie, wie?"

Ein neuer Mann

Nach der Trennung von H. G. Wells begibt sich Elizabeth von Arnim erneut auf die Suche nach einer "energisch lenkenden männlichen Hand" und findet diese überreichlich in der Person von John Francis Stanley Russell, Earl of Amberley, dem älteren Bruder von Bertrand Russell. Er nimmt vollkommen von ihrem Leben Besitz und die erfolgreiche Schriftstellerin, die bereits mehrere Ausbrüche aus gesellschaftlichen Konventionen hinter sich hat, ordnet sich ihm willig unter. Sie heiraten 1916. Die Beziehung vertreibt die letzte bei ihr verbliebene Tochter und im selben Jahr stirbt die jüngste Tochter mit 16 an einer Lungenentzündung in Bremen.

Der Verlust der Tochter und die unerträgliche Situation mit Francis Russell bewegen sie zur vorübergehenden Flucht in die USA, doch mit der Rückkehr nach England geht das unerträgliche Leben mit Francis Russell bis 1919 weiter. Dann erst hat sie die Kraft, ihren zweiten Ehemann zu verlassen.

Der lange Streit um das Mobiliar wird zur gerichtlichen Schlammschlacht. Elizabeth von Arnim erleidet ungeheure Qualen, allerdings stehen ihr als Schriftstellerin weitaus bessere Mittel der Abrechnung als Gerichte zur Verfügung. Sie schreibt "Vera", ein "mörderisches Werk" in seiner ungeschminkten Darstellung von Francis Russell, das sich ungemein gut verkauft.

Nach der Trennung von Fancis Russell zieht sich Elizabeth von Arnim in ihr Schweizer Haus zurück. Alexander Stuart Frere-Reeves, ein 24-jähriger Cambridgestudent, wird bis 1927 ihr um 30 Jahre jüngerer Liebhaber. Die Autorin ist zeitlebens eine gepflegte Erscheinung, die großen Wert auf modisches Äußeres legt. An der Seite eines jüngeren Mannes wird ihr Bemühen um ein jugendliches Aussehen zum Zwang. Die Tragik ihrer Situation wird in "Liebe" (1925), einer Beschreibung der Beziehung eines Paares mit großem Altersunterschied, thematisiert. Sie selbst betitelt das Buch in ihrem Tagebuch mit "Sie hätte es nicht tun sollen".

Mitte der zwanziger Jahre beginnt Elizabeth von Arnim wieder ihr unstetes Herumziehen und lässt sich schließlich in Südfrankreich ein neues Landhaus bauen. In der Provence treffen immer schlimmere Nachrichten über Deutschland ein, die Elizabeth von Arnim sehr ernst nimmt. Sie sieht viel früher als Zeitgenossen, dass sich "ihr" Deutschland verändert und mit ihm auch ein Teil ihrer eigenen Identität als einstige deutsche Gräfin.

Im Frühling 1939 verlässt sie Europa für immer in Richtung USA. Im August 1940 wird ihr letzter Roman, "Mr. Skeffington", veröffentlicht. Er ist eine Bilanz ihrer Beziehungen zu Männern. Grundtenor ist die Sehnsucht nach menschlichen Beziehungen. Diese Gefühle überwiegen nun jene gegenüber der Natur, jenes Charakteristikum ihrer ersten Romane und damals Ausdruck ihrer Einstellung zu einem glücklichen Leben, das sie vielleicht in einem deutschen Garten fand.

Freitag, 09. Februar 2001

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