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Weinheber: Lügen wie gedruckt

Von Manfred A. Schmid

In der farbigen Sonntagsbeilage einer Tageszeitung fand sich unlängst eine Würdigung des österreichischen Dichters Josef Weinheber. Der Autor von einst
geschätzten Gedichtbänden wie „Adel und Untergang" oder „O Mensch, gib acht" ist seit Kriegsende in Vergessenheit geraten. Nur seinen lyrischen Milieu- und Charakterstudien mit dem Titel „Wien
wörtlich" begegnet man hin und wieder bei literarischen Lesungen. Einer der hinreißendsten Interpreten dieser köstlichen Texte war Oskar Werner. Wie er die Zeilen „Wann i, verstehst, was z'redn
hätt, i schoffert olles o" vortrug, ist mir unvergessen. Es wäre also nichts dagegen einzuwenden, auf diesen Autor wieder einmal hinzuweisen, vorausgesetzt, man spart bei dieser Gelegenheit die
problematische Seite des Schriftstellers nicht aus. Diese hat nämlich ursächlich damit zu tun, warum Weinheber nach 1945 vielen nicht mehr tragfähig und zitierenswert erschien.

Literatur und Politik sind im Schaffen Josef Weinhebers eine verhängnisvolle Allianz eingegangen. Er war darin leider kein Einzelfall, wie man der Untersuchung „Literarisches Leben im
Austrofaschismus" von Friedbert Aspetsberger entnehmen kann. Als „Kollegen" zu nennen wären weiters Max Mell, Gertrud Fussenegger, Richard Billinger, Friedrich Schreyvogl, Paula Grogger, Franz Karl
Ginzkey, Bruno Brehm, Karl Heinrich Waggerl, Franz Tumler, Erich Landgrebe, Josef Friedrich Perkonig, Agnes Miegel oder Franz Nabl.

Von dieser unheilvollen Verstrickung Weinhebers zunächst in den Austrofaschismus und dann in den Nationalsozialismus weiß natürlich auch der ungenannte Redakteur des Eintrags in besagter Sonntagsbeilage. Dort liest sich das dann
allerdings so: „Wie kaum ein anderer erlitt er die deutsche Tragödie des Zweiten Weltkrieges. Er wuchs im Elend von Erziehungs- und Waisenanstalten auf und wurde dann ein kleiner Postbeamter.
Natürlich wurde er, als man seine dichterische Genialität erkannt hatte, vom Ständeregime und später von den nationalsozialistischen Machthabern hofiert. Als am 8. April 1945 die Rote Armee auf ihrem
Plünderungs- und Vergewaltigngsdfeldzug nach Wien kam, nahm sich Josef Weinheber das Leben."

Davon stimmt nur der zweite Satz über Weinhebers Kindheit und Berufswahl. Alles übrige ist eine schamlose Verdrehung der Tatsachen. Dass er von den Faschisten hofiert wurde, ist nur die halbe
Wahrheit, dass er · was gar nicht so „natürlich" ist · dem Werben auch nachgegeben hat und „Führer" und „Anschluss" hymnisch bejubelt hat, wird unterschlagen. Und seinen Selbstmord mit dem Herannahen
der plündernden und vergewaltigenden Sowjetarmee zu begründen, ist einfach grotesk. Weinheber ist aus Verzweiflung und Scham aus dem Leben geschieden, weil er erkannt hat, an welche Ideologie er sich
verraten hat und was für Unrecht in deren Namen begangen worden ist. Die Tendenz des Redakteurs aber, die Gräuel der Nationalsozialisten erst gar nicht mehr zu erwähnen, sondern nur die Schandtaten
der Roten Armee anzuführen, setzt dem Ganzen die Krone auf. Dafür aber ist im ersten Satz bedeutungsschwanger von der „deutschen Tragödie des Zweiten Weltkrieges" die Rede, unter der Weinheber
gelitten haben soll wie kaum ein anderer. Und die, die nicht erst zum ausweglosen Schluss Selbstmord verübt haben, sondern schon vorher und unfreiwillig ihr Leben lassen mussten?
Wenn ich etwas zu reden hätte und etwas abschaffen könnte, dann bewusst und böswillig verbreitete Lügen und Geschichtsfälschungen in den Medien.

Freitag, 12. November 1999

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