Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
  Lexikon    Glossen     Bücher     Musik  

Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Zum 20. Todestag des Drehbuchautors George Froeschel

Froeschl, George: Meister mehrerer Metiers

Von Rudolf Ulrich

George Froeschel, am 8. März 1891 in Wien geboren, aus einer jüdischen Bankiersfamilie stammend, durchlief eine überaus erfolgreiche Autorenlaufbahn. Er hatte seit
seinen frühesten Tagen ein immenses Interesse an Literatur. Zu den von ihm bewunderten Autoren gehörten Egon Friedell und Otto Soyka, von dem er nach eigenen Worten die Fertigkeit des Suspensestils
lernte. Als Verfasser amtlicher k. u. k.-Kriegsberichte im Ersten Weltkrieg, als Romanschriftsteller, Spitzenredakteur und Filmautor in Berlin und Hollywood zeigte sich Froeschel stets als Meister
seines Metiers.

Sein Werdegang begann 1908 mit der Vorlage der originellen und auf einen Caligari-artigen Effekt hinarbeitenden Novelle „Ein Protest". Seiner kompositionellen Fertigkeit sind neben dem
ansprechenden Erstlingswerk eine Reihe verdienstvoller Romanschöpfungen im Rahmen gehobener Unterhaltungsliteratur zu danken, so u. a. „Der wunderliche Hochstapler" (1918), wo eine seiner
wichtigsten und in mehreren Werken vorkommenden Repertoirefiguren vorgestellt wird.

Als Froeschel 1921 nach Berlin ging, hatte er bereits mehrere Bühnenstücke verfasst, von denen er hoffte, dass eines davon vielleicht am Burgtheater aufgeführt würde. Eine Hoffnung, die sich nicht
erfüllte. In Berlin war er von 1922 bis 1924 Chefdramaturg der UFA und danach Redakteur beim renommierten Ullstein-Verlag, bei dem er ab 1924/25 für die „B. Z. am Mittag" und ab 1927 für die
„Berliner Illustrierte Zeitung" schrieb. 1923 adaptierte er, zusammen mit Berthold Viertel, Henrik Ibsens „Nora"für den gleichnamigen Joe-May-Film, und nach seinen Werken entstanden
einige Stummfilme.

Die Ereignisse in Europa veranlassten ihn im Herbst 1936 zur Emigration in die USA. Es lag nahe, dass er als früherer Chefredakteur von Ullstein beim Zeitungswesen ein Unterkommen suchte. Über
Bekannte landete er bei der Zeitschrift „Esquire", die ihn an ihrem Sitz Chicago in der Reaktion ihres Digest-artigen Tochtermagazins „Coronet" beschäftigte. Vom November 1936 bis Anfang
März 1937 betreute der Exilant mit einem überaus bescheidenen Wochensalär dessen Bildredaktion. Als er um eine Gehaltsaufbesserung ansuchte, kündigte man sein Arbeitsverhältnis.

Anfang 1937 begab sich Froeschel nach Hollywood. Es folgten 25 Monate Enttäuschungen und harter Entbehrungen. Allein und in Zusammenarbeit mit Kollegen entwarf er Exposés und Filmdrehbücher, die
selbst mit Hilfe des etablierten Agenten Paul Kohner bei den Studios unverkäuflich waren. Die verzweiflungsvolle Übergangszeit endete im April 1939 mit einer Anstellung bei MGM durch den Produzenten
Sydney Franklin.

Damals sah sich Hollywood gerade mit der Reaktion auf die nazistische Ideologie und der Vorausahnung nahender Konflikte konfrontiert. Die amerikanische Filmindustrie nahm das Geschehen in Europa
durchaus wahr und reflektierte es in verschiedenen notablen Streifen. Nach dem Kriegseintritt der USA im Dezember 1941 schwollen die antifaschistischen Filme zu einer riesigen Welle an. Zwischen 1939
und dem Ende des Kriegs wurden an die 180 so genannte Anti-Nazi-Filme als ein neues Genre im patriotischen und manchmal grotesk unrealistischen Stil produziert. Für die als „refugees" ins Land
gekommenen europäischen Filmschaffenden boten diese Kriegsfilme hervorragende Beschäftigungs- und damit Überlebensmöglichkeiten.

Amerika griff auf die direkte Sachkenntnis der Hitler-Flüchtlinge zurück, die auf diese Weise Hitlers Reich indirekt bekämpfen konnten. Auch Froeschel galt als qualifizierter Kenner des Dritten
Reichs, insgesamt schrieb er mit verschiedenen Co-Autoren die Scripts für sechs Filme mit propagandistischen Impulsen, die den Patriotismus und die Wehrdienstfreudigkeit der Amerikaner stärken
sollten. Gleich sein erster Wurf, „The Mortal Storm" („Tödlicher Sturm", 1940) gehörte zu diesem Genre, ein Werk höchster Signifikanz für seine weitere Karriere. Der Film, als lang erwartete
Geste Hollywoods gegen Nazi-Deutschland gewertet, wurde von der „New York Times" unter die zehn Besten des Jahres 1940 eingereiht.

Nach Skizzen in der „Times" und der weitgehend von Froeschel vorgegebenen Handlung entstand 1942 das Manuskript zu einem weiteren Streifen dieser Art, „Mrs. Miniver" mit Greer Garson in
der Titelrolle, der Präsident Roosevelt und Winston Churchill beeindruckte. Joseph Goebbels befand ihn als Lehrstück für die deutsche Filmindustrie, wie gute Propagandafilme gemacht werden sollten.
Froeschel und das Autorenteam James Hilton, Claudine West und Arthur Wimperis erhielten dafür den begehrten „Oscar". Der Film über das erste Kriegsjahr aus der Perspektive einer Londoner Hausfrau
fand begeisterte Aufnahme beim Publikum und veranlasste MGM 1950 zu einer Fortsetzung, „The Miniver Story", wofür der Wiener mit dem englischen Filmschriftsteller Ronald Millar erneut das
Drehbuch schrieb. Auch Franz Werfels „Me and the Colonel" (1958), im deutschsprachigen Bereich unter Werfels Originaltitel „Jakobowsky und der Oberst" bekannt, steht noch im Zusammenhang
mit den antifaschistischen Exilfilmen und zählte zu den erfolgreichsten Literaturverfilmungen.

Hollywoods Organisationsform bevorzugte die Arbeitsteilung, Froeschels Spezialität beim Schreiben im Team war die narrative Führung. Die Entwicklung von Handlungen zählte zu seinen besonderen
Stärken, wobei die Bedürfnisse der damaligen Filmindustrie und seine Begabung passend in Einklang gebracht wurden. Er errang zahlreiche Auszeichnungen, die „New York Times" nahm allein drei
Filme, für deren Drehbücher Froeschel mitverantwortlich war, in die Liste der jährlichen „10 best" auf.

„I am at the Stars", die Story des Raketentechnikers Wernher von Braun war 1960 seine letzte Filmarbeit vor dem Ruhestand. Neben der erfolgreichen Karriere als Filmschriftsteller verfasste er
noch zwei Bühnenwerke, zwei Romane und ein Kinderbuch.

Im privaten Bereich stieß Froeschel in Hollywood auf Vicki Baum, die langjährige Kollegin aus der Zeit bei Ullstein, zum engeren Freundeskreis gehörten anfänglich Frederick (Fritz) Kohner, Billy
Wilder, Gina Kaus, Ernst Deutsch und Leopold Jessner. Mit Alfred Polgar und Alfred Döblin hatte er Kontakte, solange er ihnen bei MGM vorstand. Nach 1940 pflegte er Verkehr mit den Werfels und
Feuchtwangers, als beste Freundin der Familie galt Fritzi Massary. Der Bekanntenkreis umfasste Hans Habe, Friedrich Torberg, Hans J. Salter und den Budapester Künstleragenten Georg Marton. Der Wiener
Autor, in seinem Gastland gezwungenermaßen auf eine neue schriftstellerische Domäne gedrängt, überwand das äußere Exil durch Assimilation und das innerliche durch die Konzentration auf den
Lebensabend in Südkalifornien. Froeschel lebte mit seiner aus Berlin stammenden Gattin Else in einem Bungalow in einem schön gelegenen Canyon von Beverly Hills, er starb am 22. November 1979 in Los
Angeles.

Literatur:

Hans-Bernhard Moelle: George Froeschel, aus „Deutsche Exilliteratur seit 1933", Teil 1 von John M. Spalek und Joseph Strelka, Francke- Verlag Bern und München, 1976.

Johanna W. Roden, California State University, Long Beach: George Froeschel, A Successful Film Writer in Hollywood, ohne Datum.

Rudolf Ulrich: Österreicher in Hollywood, EDITION S, Wien 1993.

Freitag, 12. November 1999

Aktuell

Kollidierende Kleinplaneten
Japan greift sich mit der Weltraummission "Hayabusa" ein Stück des Asteroiden Itokawa
Zu Fuß zum Schneeberg
In drei Tagen von Wien auf den Gipfel – Wandern wie vor 200 Jahre n
Countdown für Olympia 2014
Mit Kreativität könnte sich Salzburg gegen das favorisierte PyeongChang durchsetzen

1 2 3

Lexikon



Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum