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Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach würdigt Karl Kraus

Kraus, Karl: Eine Kämpfernatur

Von Oliver Bentz

Seine Stellung in der Kultur- und Literaturgeschichte unseres Jahrhunderts ist wohl einzigartig. Er gilt als Seher, Prophet und unerbittlicher Moralist, der als
unermüdlicher Kämpfer gegen Korruption, Lüge und Dummheit seiner Zeit anschrieb. Die Plattform dafür bot dem Schriftsteller und Journalisten seine eigene Zeitschrift „Die Fackel", die er im
April 1899 in Wien gründete, in der er ab Ende 1911 bis zu seinem Tod 1936 nur noch allein schrieb und damit seinen bis in unsere Zeit überlieferten großen und gefürchteten literarischen Ruhm
begründete.

Diesem monomanischen Einzelkämpfer, Karl Kraus (1874 bis 1936), widmet das Marbacher Schiller-Nationalmuseum seine diesjährige Jahresausstellung. In zweimal zehn Kapiteln, die sein 1919 erschienenes
„Opus Magnum", „Die letzten Tage der Menschheit", symmetrisch umrahmen, gibt die Schau den Blick frei auf einen ebenso streitbaren wie zu seinen Lebzeiten umstrittenen Schriftsteller.

Schon der Vorraum des Marbacher Schiller-Nationalmuseums stimmt den Besucher in die Ausstellung ein, vermittelt einen Eindruck von der großen Faszination, die Kraus auf seine Zeitgenossen ausübte:
Während er von den Wänden dieses die Ausstellung einleitenden Bildersaals dem Besucher aus Fotografien sowie Zeichnungen und Gemälden seiner Zeitgenossen Oskar Kokoschka, Rudolf Schlichter und Max
Oppenheimer vielfach entgegenblickt, zeigt ihn der aus Anlaß seines sechzigsten Geburtstages 1934 hergestellte Tonfilm während einer seiner sendungsbewußt, mit expressionistischem · uns heute sehr
fremd klingenden · Pathos, vorgetragenen Rezitationen.

Die ersten zehn Kapitel im rechten Flügel der Ausstellung sind dem Publizisten und Satiriker gewidmet und dabei natürlich auf „Die Fackel" konzentriert. Der Name ist dabei durchaus
programmatisch: Sie sollte erleuchten, aber auch verbrennen. Es werden verschiedene Facetten aus der Geschichte der Zeitschrift gezeigt. So etwa ihre Gründung aus der Feindschaft gegen das
Pressewesen der Zeit, die Arbeitsweise von Kraus, sein mißlungener Versuch, die Zeitschrift in Berlin zu etablieren.

Auch die zentralen Angriffspunkte der mit geistreichem Witz, scharfer Polemik und unversöhnlicher Aggression in den 922 Nummern der „Fackel" vorgetragenen literarischen Attacken von Kraus werden in
der Ausstellung herausgestellt: Die jüdische Presse in Wien, der er böswillige und hinterlistige Volksverdummung attestierte, die inhaltsleeren Konventionen bei Hof und im Militär, der Bürokratismus,
die Doppelmoral in der Gesellschaft. So fordert Kraus beispielsweise auf Plakaten den Wiener Polizeipräsidenten Schober, gegen den er eine lange publizistische Kampagne führte, zum Rücktritt auf oder
stellt den korrupten Wiener Zeitungszaren Imre Bekessy an den Pranger.

Die Kapitel 12 bis 21 lenken den Blick auf die Lebenswelt des Künstlers und Menschen Karl Kraus. Gezeigt werden seine engen künstlerischen Beziehungen, etwa zum Dichter Peter Altenberg, an dessen
Entdeckung er maßgeblich beteiligt war und den er lebenslang finanziell unterstützte. Oder die Freundschaft zu Adolf Loos und Arnold Schönberg, den Erneuerern auf dem Feld der Architektur und Musik,
auf ihrem Gebiet ebensolche „Kämpfernaturen" wie Karl Kraus auf dem seinen.

Auch die Beziehung des Satirikers zu den Frauen ist in diesem Teil der Ausstellung thematisiert, so etwa zur Schauspielerin Annie Kalmar oder zur Schriftstellerin Mechtilde Fürstin Lichnowsky. Eine
langjährige leidenschaftliche Liebe verband Karl Kraus mit Sidonie Nádherny von Borutin. Besonders in diesem Teil der Ausstellung tritt auffällig die Diskrepanz zwischen der Person Karl Kraus und
dessen satirischer Stimme hervor. Es erweist sich, daß Kraus, wie es sein Biograph Edward Timms ausdrückte, „ein Schriftsteller von geteilten Loyalitäten war, konservativ in der persönlichen
Weltsicht, radikal hingegen in seiner satirischen Strategie."

Als Verbindung zwischen beiden Ausstellungsabteilungen steht die Sektion über „Die letzten Tage der Menschheit", in denen Kraus eine literarische Collage- und Montagetechnik anwendet, wie
sie später in der Kunst John Heartfields ihre Entsprechung findet. An Kraus' Arbeit am Stück kann man auch die Entwicklung seines Lebensweges beobachten, denn die nach 1917 mehrfach vorgenommenen
Überarbeitungen der Szenen sind das Ergebnis eines langwierigen und schmerzhaften Prozesses der Loslösung von Monarchie und Konservatismus · ausgelöst von der tiefen Enttäuschung von Kraus über die
politische Führungsschicht in Österreich ·, eines Prozesses, der in seiner zeitweisen Hinwendung zur Sozialdemokratie am Kriegsende seine Folge hatte. Doch auch sie stieß ihn bald nur noch ab, war
ihm zu „bürgerlich."

Nach dem österreichischen Bürgerkrieg im Februar 1934 unterstützte er die Linie des autoritären Kanzlers Engelbert Dollfuß, da er sich von ihm einen energischen Widerstand gegen die Nazis erhoffte.
Durch seinen Tod im Juni 1936 blieb ihm das Erleben der Ereignisse von 1938 erspart. Zum seit 1933 in Deutschland herrschenden Machthaber aus Braunau fiel Karl Kraus · als Gipfel vernichtender Kritik
· nichts mehr ein.

Karl Kraus · Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar. Bis 31. Oktober 1999, geöffnet tägl. 9 bis 17 Uhr.

Freitag, 25. Juni 1999

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