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Leopold Federmair, der Übersetzer Houellebecqs, gibt Lesehilfen

Houellebecq: „Es ist eben ein neuartiger Roman"

„W. Z.": Wie war dein erster Eindruck von dem Buch?

Leopold Federmair: Anfangs hatte ich Schwierigkeiten, gewisse Aspekte zu akzeptieren, das betrifft vor allem den Trash-Aspekt, daß man manchmal schwer sagen kann, ob es absichtlich schlecht
geschrieben ist oder ob es besonders schlau geschrieben ist. Es gibt parodistische Passagen, in denen er vielleicht nicht unbedingt einen konkreten Autor, aber bestimmte Genres parodiert, was den
Effekt hat, daß er überhaupt die Genres aufbricht und somit schwer einordenbar wird. Es ist eben ein neuartiger Roman, der letztendlich von vielen Lesern eine Umstellung verlangt.

Beispielsweise parodiert er die Tierfabel. Es gibt ganz offensichtlich eine Anknüpfung an La Fontaine. Er schreibt diese Tierfabel einerseits klar in dieser Tradition, andererseits auf eine ganz
abstruse und absurde Weise. Letztendlich ermöglicht sie jedoch einen kleinen Erkenntnisgewinn, wirft ein Licht auf den gesamten Roman, auf die hauptsächliche Geschichte. Aber der Leser wird vorerst
verunsichert und nicht von vornherein in seinen Lesegewohnheiten bestärkt. Diese Literatur ist für mich sehr oft, nicht immer, aber sehr oft interessanter als eine ordentlich erzählte Literatur.

„W. Z.": Hast du das Gefühl, wir haben es hier mit etwas Neuem zu tun?

Federmair: Ja, ich könnte es mit nichts vergleichen. Ich sehe hier keine bestimmte Traditionslinie. Houellebecq verwendet Material und dreht es durch seinen literarischen Fleischwolf. Es gibt
weder Imitation noch Anlehnung.

„W. Z.": Liegt nicht beispielsweise die Assoziation mit Camus „Der Fremde" nahe?

Federmair: Während des Übersetzens habe ich nicht daran gedacht, aber wenn du es sagst, merke ich, daß diese Parallele möglich wäre. Nur ist die Machart wieder ganz anders. Die Stimmung und die
Atmosphäre ist in mancher Hinsicht ähnlich, z. T. auch die Präsentation der Handlung, einerseits zurückhaltend und andererseits doch sehr erschütternd. Houellebecq ist aber bestimmt kein
Existentialist. Darüber hinaus gibt es bei Camus keine Stilschwankungen, bei ihm aber dauernd. Teilweise ist es ein sehr trockenes Erzählen, sehr gegenwartsbezogen, ein die Dinge direkt benennendes,
manchmal ist es aber sehr überhöht, pathetisch, ganz konträr zu dem trockenen Stil, der mehr oder weniger dominiert.

„W. Z.": Steht dahinter ein philosophisches Konzept?

Federmair: Es ist sicherlich ein weniger geschlossenes Denken. Man kann zwar feststellen, welches Denken hinter bestimmten Fragmenten steht, dennoch hat es etwas Multiformes. Es wird vielleicht
Kritiker geben, die sagen werden, es fehlt. Für mich fehlt es nicht.

„W. Z.": Manche haben bereits gesagt, er wäre ein Nihilist.

Federmair: Ich würde es nicht sagen, denn er macht es sich nie einfach. Ich glaube, daß es in dem Roman Stellen gibt, ganze Kapitel, die von einem starken Bedürfnis nach Menschlichkeit, nach
menschlichem Umgang, nach einer besseren Art von Kommunikation, nicht in technischer Hinsicht, sondern zwischenmenschlicher Kommunikation, getragen sind. Und so eine Sehnsucht steht hinter seinem
antisozialen Haß, der sich gegen alle Gesellschaften richten mag. In einzelnen Erzählpassagen wird schon klar, daß er sich eigentlich gegen eine kapitalistische, neoliberale Kultur richtet, wobei das
Ökonomische immer wieder reinkommt.

Mit Leopold Federmair sprach Manuel Chemineau.

Freitag, 02. April 1999

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