Wiener Zeitung Homepage Amtsblatt Homepage LinkMap Homepage Wahlen-Portal der Wiener Zeitung Sport-Portal der Wiener Zeitung Spiele-Portal der Wiener Zeitung Dossier-Portal der Wiener Zeitung Abo-Portal der Wiener Zeitung Suche Mail senden AGB, Kontakt und Impressum Benutzer-Hilfe
 Politik  Kultur  Wirtschaft  Computer  Wissen  extra  Panorama  Wien  Meinung  English  MyAbo 
  Lexikon    Glossen     Bücher     Musik  

Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Vor genau 50 Jahren erschien das "Guinness-Buch der Rekorde" zum ersten Mal

Hauptsache Höchstleistung

30,5 Meter lang ist die Limousine, die im Guinness-Buch als

30,5 Meter lang ist die Limousine, die im Guinness-Buch als "längstes Auto der Welt" verzeichnet ist.

Die erste Ausgabe des Guinness-Buchs

Die erste Ausgabe des Guinness-Buchs

Der Watussi-Bulle trägt die dicksten Hörner.  Fotos:© guinnesworldrecords

Der Watussi-Bulle trägt die dicksten Hörner. Fotos:© guinnesworldrecords

Von Uschi Schleich

Wie klingt es, wenn 1504 Menschen synchron – pardon – furzen? Auf jeden Fall rekordverdächtig, dachten sich im Vorjahr die Programmdirektoren des BBC-Senders Xchange. Als sie auf einem Londoner Fußballplatz das größte Furzkissen-Sitzen der Welt organisierten, schafften sie damit prompt den Eintrag ins Guinness-Buch der Weltrekorde.

Der lautstarke Event ist nur ein skurriler Weltrekord unter vielen, die Jahr für Jahr im "Guinnes World Records Book" veröffentlicht werden. Als das Buch vor 50 Jahren, genaugenommen am 27. August 1955, erstmals herausgegeben wurde, waren derlei Extrem-Kuriositäten allerdings noch nicht darin verzeichnet.

Alles begann mit einem harmlosen Fehlschuss auf der Jagd. Dem sonst so treffsicheren Jäger Hugh Beaver, im Brotberuf Geschäftsführer der Guinness-Brauerei, entwischte ein kleiner Vogel, ein Goldregenpfeifer. Eine akzeptable Erklärung musste her. In Beavers Jagdclub wurden bald Wetten abgeschlossen, ob der Regenpfeifer nun das schnellste Federwild in Europa sei oder nicht. Doch zu seiner Enttäuschung fand Sir Hugh kein Buch, das ihm auf diese Frage eine exakte Antwort liefern konnte. So kam dem Guinness-Chef die grandiose Idee, ein Kompendium der Superlative zusammenzustellen. Er beauftragte die Zwillinge Norris und Ross McWhirter, die bereits damals eine Agentur in London betrieben und über sportliche Rekorde berichteten, mit dieser Aufgabe. Ein Jahr später konnte nach umfangreichen Recherchen über Bestleistungen aller Art die erste Ausgabe des "Guinnes Book of Records" verlegt werden.

Das 100-Millionen-Buch

Heute ist das Guinness-Buch selbst ein Weltrekordhalter geworden. Es konnte sich gewissermaßen in sich selbst verewigen: das Guinness-Buch wird im Guinness-Buch als meistverkauftes Buch der Welt im Rahmen der copyright-geschützten Veröffentlichungen geführt. Die Bibel und der Koran wurden noch öfter verkauft, aber die unterliegen nicht dem Urheberrecht. Das Guinness-Buch der Superlative wurde bereits in 37 Sprachen übersetzt und seit seiner ersten Ausgabe weltweit über 100 Millionen Mal verkauft. Längst dient das Kultbuch auch als Vorlage für spektakuläre Liveshows im Fernsehen.

Im Herbst wird die "Guinness-Show" erneut auf RTL im deutschen Fernsehen gezeigt. Für hohe Einschaltquoten sorgte sie schon im Vorjahr: Damals wagte der Kandidat Danny Higginbottoms in der Liveshow einen Sprung aus neun Meter Höhe in ein, sage und schreibe, 30 Zentimeter seichtes Wasserbecken. Bei dem todesverachtenden Versuch hielten 5,6 Millionen Zuschauer den Atem an. Danny Higginbottoms landete einen meisterhaft ausgeführten Bauchfleck – einen Kopfsprung hätte er wohl kaum überlebt – der Weltrekord war geknackt. Der 44-jährige Holländer Wim Hof wiederum ließ sich – nur mit einer Badehose bekleidet, dafür aber unter ärztlicher Aufsicht – bis zum Hals in Eis eingraben und verweilte dort eine Stunde, sechs Minuten und 24 Sekunden. Womit er seinen eigenen Weltrekord um 56 Sekunden übertraf. Und schließlich sorgte auch der Deutsche Olaf Klinker für Gänsehaut bei den Zuschauern: Er legte sich in Shorts in einen Sarg – gemeinsam mit 22.000 Kakerlaken.

Der Wunsch, im Buch der Bücher einen Platz zu bekommen, spornt immer mehr Menschen zu Höchstleistungen an. Dabei gibt es weder Preisgelder noch Pokale zu gewinnen, auch der finanzielle und zeitliche Aufwand wird den Kandidaten nicht abgegolten. Dafür ist immerhin der Eintrag in das begehrte Buch kostenlos.

Jedes Jahr erhält die Guinness World Records Company in London 65.000 Anfragen von Rekordjägern, die im Guinness-Buch verewigt werden wollen. Viele von ihnen erreichen ihr Ziel mit mehr als kuriosen Leistungen und oft unter enormem Aufwand. Der Australier Les Stewart etwa schaffte mit der Hartnäckigkeit eines Besessenen einen bisher von niemand versuchten Weltrekord: Er tippte die Zahlen von eins bis eine Million auf einer mechanischen Schreibmaschine in Worten auf Papier. Stewart begann damit im Jahr 1982 und vollendete sein 19.990 Seiten umfassendes Werk 16 Jahre und sieben Monate später am 7. Dezember 1998. Für seinen Rekord verbrauchte er sie ben Schreibmaschinen, 1.000 Farbbänder und 20.000 Blatt A4-Papier. Die Motivation des zähen Polizeibeamten: Nach einer schweren Gehirnhautentzündung verlor Stewart seinen Job. Er war teilweise gelähmt und konnte nur noch mit einem Finger auf der Schreibmaschine tippen. So begann er an dem Weltrekordprojekt zu arbeiten. Um eine Seite zu beenden, benötigte Stewart zwei Stunden, jeden Tag schaffte er durchschnittlich drei Seiten. Am letzten Tag des Tippmarathons füllten Journalisten und Fernsehteams Stewarts Wohnzimmer, um beim Finale dabei zu sein und live zu berichten, wie er die letzten Worte tippte: "Nine hundred and ninety-nine thousand, nine hundred and ninty-nine. One million!" Der Rekord war geschafft. "Das einzige, was mich die letzten Monate beschäftigte, war, das Ziel zu erreichen. Ich war so überzeugt, dass ich es schaffen würde, ich musste nur in Schwung bleiben." Sein Rekord, der zu den 50 kuriosesten Rekorden der Welt zählt, verhalf Stewart zu unzähligen Auftritten in der Öffentlichkeit. Andere Rekordhalter nehmen ihr Leben lang körperliche Einschränkungen in Kauf, bloß um Mitglied der Guinness-Gemeinde zu werden. Die Amerikanerin Lee Redmond ließ ihre Fingernägel auf die Gesamtlänge von 7,51 Metern wachsen und ist seitdem gern gesehner Gast in TV-Shows.

Rekorde ohne Grenzen

Sich stundenlang in eine Badewanne zu legen, die mit Spinnen, Maden oder Kakerlaken gefüllt ist, Armbanduhren zu essen, 2.000-mal pro Stunde gegen einen Schaumstoffpolster zu treten – Rekordjäger kennen offenbar keine Grenzen. Egal welcher Rekordantrag von der Guinness-Zentrale in London genehmigt wird, die Beweise muss der Rekordanwärter selbst erbringen. Denn unabhängige Beobachter der World Guinness Records Company werden nicht entsandt. Rekordanwärter müssen ihren Versuch mit Fotos, Videos und Protokollen penibel dokumentieren. Die Versuche müssen überdies in der Öffentlichkeit stattfinden und von mindestens zwei unabhängigen Zeugen protokolliert und bestätigt werden.

Doch nicht alle Anträge werden positiv beantwortet. Die Londoner Zentrale gibt dazu Richtlinien vor, die übrigens auf der Homepage der World Guinness Records Company veröffentlicht sind. "Rekorde müssen für die Öffentlichkeit interessant genug sein", heißt es da. Oder: "Rekordleistungen sollten besondere Fähigkeiten erfordern, messbar und vergleichbar sein und ungewöhnliche Dimensionen erreichen." Von Versuchen, die die Gesundheit der Teilnehmer gefährden könnten, wird abgeraten.

Was trotzdem viele nicht daran hindert, sich selbst oder andere in ihrer Rekordsucht lebensgefährlichen Situationen auszusetzen. Die Manager des Vergnügungsparks "Flying Dragon World" in der südchinesischen Provinz Guangdong wollten unbedingt einen Eintrag im "Guinness-Buch der Rekorde", um damit später für ihren Park werben zu können. Sie sperrten einen Mann, drei Frauen, ein dreijähriges Kind und ein Baby gemeinsam mit 38.888 teilweise giftigen Schlangen in einem 200 Quadratmeter großen Glashaus ein, in dem die sechs – natürlich freiwillig – 99 Tage verbringen sollten. Der Rekordversuch wurde zum Alptraum: Als die Gruppe das Experiment abbrechen wollte, weil die Schlangen schon mehrmals zugebissen hatten, lehnten die Manager das brüsk ab. Als Weltrekord wurde der Versuch von Guinness World Records letztlich nicht anerkannt. "Wir ermutigen Leute nicht, ihr Leben für Rekorde zu riskieren" , kommentierte die Zentrale das skandalöse Unterfangen.

Während die einen ihr Leben aufs Spiel setzen, um in das Rekordverzeichnis zu kommen, geraten andere völlig unfreiwillig hinein wie der Österreicher Andreas Mihavecz. Er wurde am 1. April 1979 in eine Zelle der Bezirksverwaltung Höchst gesteckt und dort vergessen. 18 Tage später wurde er, dem Tode nahe, entdeckt. Heute steht sein Name unter der Rubrik "Glück im Unglück" im Guinness-Buch, er gilt als der "Mensch, der am längsten ohne Nahrung und Wasser überlebt hat" .

Die Freakshow

Zum Teil erinnert das Guinness-Buch der Rekorde auch an jene Kuriositätenkabinette und Freakshows aus dem Mittelalter, in denen missgebildete Menschen zum Gaudium des Publikums zur Schau gestellt wurden. Riesen, Zwerge, Bartfrauen, "Bärenweiber" und "Halbmenschen" wurden den staunenden Zirkusbesuchern vorgeführt. Heute präsentiert das Guinness-Buch den größten Mann aller Zeiten, den kleinsten Menschen, die seltsamste Form bei siamesischen Zwillingen, die behaarteste Familie und ähnliches mehr.

Das Guinness-Buch ist letztlich aber nicht nur ein Sammelsurium von verrückten Ideen, wenngleich der Unterhaltungswert für viele die eigentliche Motivation ist, das Buch zu kaufen. Selbstverständlich fehlen im Buch der Rekorde auch die ganz "normalen" Höchstleistungen aus Sport, Wissenschaft, Architektur, Technik, Kunst und Kultur nicht. Ja sie machen sogar den Großteil der Einträge aus. Das größte Gebäude, die breiteste Kinoleinwand, der flachste Stern sind hier verzeichnet und sogar die "Wiener Zeitung" hat mittlerweile Eingang in das Guinness-Buch der Rekorde gefunden: als die älteste bis heute bestehende Tageszeitung der Welt.

Siehe auch: http://www.guinnessworldrecords.com

Uschi Schleich , Jahrgang 1964, lebt als Journalistin und Universitätslektorin in Wien und Graz.

Freitag, 26. August 2005

Aktuell

Hauptsache Höchstleistung
Vor genau 50 Jahren erschien das "Guinness-Buch der Rekorde" zum ersten Mal
"Eine normale Familie"
Cecelia Ahern über Dublin, ihren Vater und ihre Erfolgsbücher
Wahl einer Zweitkultur
Von der wiederkehrenden Sehnsucht, Brite zu sein – Englische Reisen

1 2 3

Lexikon



Wiener Zeitung - 1040 Wien · Wiedner Gürtel 10 · Tel. 01/206 99 0 · Impressum