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Über Schlösser und Forts der alten Kolonialmächte in Ghana

Afrika: Verwaiste Bastionen

Von Thomas Veser

Frischen Fisch sucht man dienstags auf dem Markt von Elmina vergeblich. Wie überall an der ghanaischen Küste haben die Männer ihren fangfreien Tag und überholen die langgestreckten Pirogen mit ihren fantasievoll bemalten Außenwänden. Wenn die Fischer von Elmina unter den Palmen am Sandstrand ihre blauen Netze flicken, schlendern bald die legendären "Fisch-Mummies" herbei. Mit größter Selbstverständlichkeit mischen sie sich in die scherzende Männerrunde, zu der sich auch fremde Besucher gesellen dürfen. Rasch wird klar, dass diese resoluten Frauen ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Sie haben Haare auf den Zähnen und werden von den Männern respektiert. Über jede Bootsbesatzung wacht traditionell eine Fisch-Mummy, die für den Fischverkauf und die Finanzen zuständig ist.

Als sich die ersten Europäer Ende des 15. Jahrhunderts in den Handelsstützpunkten der Küste in die neue Wahlheimat einlebten, hielt sich ihre Begeisterung über die exotischen Reize in Grenzen. "Ich gebe bereitwillig zu, dass ich von Zeit zu Zeit ein gutes Glas Wein trinke und auch, dass ich mir in der Regel morgens ein Gläschen Branntwein genehmige", vertraute ein holländischer Buchhalter im Dienst der Westindischen Kompanie (WIC) 1703 seinem Tagebuch an. Für den Fall, dass ihn missgünstige Kollegen eines Tages bei der Kompanie denunzieren sollten, sah sich der unglückliche Tagebuchverfasser zu einer Rechtfertigung veranlasst: "Ich würde nur allzu gerne wissen, wer es mir in diesem tristen Land gleich täte; dies ist sogar nötig, will man nur seine Gesundheit bewahren."

Wie die meisten seiner Landsleute brachte der Kontorist aus Holland der Bucht von Guinea keine Sympathien entgegen. Die feuchtheiße Goldküste, wie der zu Ghana gehörende Landesteil früher hieß, bot ihm keine jener Annehmlichkeiten, an die er daheim gewohnt war.

Mit lautem Krachen brachen sich schon damals die Wellen des trügerischen Atlantik an den Felsen. In den Lagunensümpfen lauerten unbekannte Infektionskrankheiten sowie die Erreger der Malaria und des Gelbfiebers. Bis in unser Jahrhundert hinein nannten die Briten das Land am Meer "White man's grave" - das Grab des weißen

Mannes.

Und dennoch zog die unwirtliche Gegend lange Zeit geradezu magisch Kaufleute aus Europa an. Bis in das 19. Jahrhundert hinein erbauten sie auf einem knapp 200 Kilometer langen Küstenabschnitt rund fünf Dutzend Schlösser und Kontore. Während die größten Baudenkmäler zu ansehnlichen Gouverneurssitzen ausgebaut wurden, blieb von den einfacheren Handelsposten aus Holz und Lehm oft nicht die geringste Spur.

Ghana besitzt Schwarzafrikas dichtestes Netz an Handelsstützpunkten, die während der Blütezeit eine Art Einkaufsmeile bildeten. Meist befestigt und auf Sichtweite angelegt, dienten sie als Warenlager und Wohnungen. Kaufleute aus Europa tauschten Schießpulver und Waffen gegen einheimische Waren, vor allem Palmöl, Elfenbein, Gewürze und Gold.

Als die Edelmetallströme aus den Bergwerken bei der Stadt Obuasi auf geheimnisvolle Weise versiegten, nahm der Sklavenhandel an Bedeutung zu. Wagemutig stießen Portugiesen in das damals noch waldüberzogene Hinterland vor, um die begehrten Arbeitskräfte selbst zu fangen. Sie erregten damit die Wut der einheimischen Sklavenjäger, die viele der Eindringlinge umbrachten.

Das Fort, das die Holländer 1667 unweit der heutigen Hauptstadt Accra errichtet hatten, heißt Fort Goede Hoop. Der Name steht für ihre - letztlich enttäuschten - Hoffnungen, dass sich das einträgliche Geschäft mit Gold, auf dem Europas Wirtschaftssystem Jahrhunderte lang beruhte, doch noch wiederbeleben werde.

Anfänge des Schlösserbauens

Die ersten Europäer, die an der sagenumwobenen Goldküste an Land gingen, waren portugiesische Navigatoren, die einem Chronistenbericht zufolge ehrenvoll empfangen wurden. Häuptling Caramança, prachtvoll gekleidet und mit Goldschmuck bepudert, erklärte sich nach einigem Zögern bereit, den Gästen Gelände für den Bau einer Festung abzutreten.

Während die Arbeiten am imposanten Sankt-Georgs-Schloss in Elmina schon 1482 begannen, stammen die jüngsten Forts aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Die heute größtenteils kaum noch sichtbaren Bauwerke waren von den britischen Kolonialtruppen als Militärposten im Krieg gegen die Ashanti-Krieger errichtet worden. Bewaffnete Verbände aus der Ashanti-Hauptstadt Kumasi waren regelmäßig in Richtung Atlantik vorgestoßen. England betrachtete jedoch die Goldküste als Teil des entstehenden Kolonialreiches und übte Vergeltung. Schließlich zerstörten sie die Hauptstadt und brachen damit den Widerstand.

Mit Anbruch der Kolonialzeit gehörte der friedliche Güteraustausch vorangegangener Jahrhunderte der Vergangenheit an. Kein Land Westafrikas behandelt das europäische Architekturerbe sorgsamer als Ghana, das als erster schwarzafrikanischer Staat 1957 in die Unabhängigkeit entlassen wurde. Neben einem symbolischen Goldbergwerk ließ Gründervater Kwame Nkrumah ein stilisiertes Miniaturschloss in das Staatswappen aufnehmen.

Seither dient das repräsentative Schloss Christiansborg, das Dänen errichtet hatten, als Amtssitz des Staatspräsidenten. Die bekanntesten Schlösser, die auf der UNESCO-Welterbeliste stehen, wurden seit den fünfziger Jahren mit Hilfe europäischer Experten restauriert. Einige von ihnen, darunter Fort Oranje in Sekondi-Takoradi, dienen als Leuchttürme. Die Überreste von Fort Prampram wurden beim Bau eines schlichten Rest-House in das neue Gebäude mit einbezogen. Auf einem felsigen Vorgebirge hoch über dem Strand der Stadt Elmina erbaut, beherbergt das wuchtige Schloss des heiligen Georg, Schutzpatron der Ritter, den Sitz der nationalen Denkmalsverwaltung. Auch eine Sekundarschule und ein Kulturzentrum befinden sich in dieser größten Burganlage außerhalb Europas.

Wurde der Großteil des Baumaterials damals aus einem benachbarten Steinbruch herbeigeschafft, mussten die Backsteine für Türrahmen und Fensterwölbungen sowie Gips, Mörtel und Holzbalken mühsam per Schiff aus dem Mutterland importiert werden. Aus Furcht vor einem muslimischen Angriff trieben die Portugiesen, die im Hinterland reiche Goldminen vermuteten und ihre Gründung deshalb "Mina de Ouro" (Goldmine) tauften, die Arbeitskräfte zu höchster Eile an. Wie der Chronist berichtet, war die Trutzburg noch nicht vollendet, da begehrten die Einheimischen gegen die Bauherren auf. Sie warfen ihnen vor, sie hätten die lokalen Geister entzürnt. Der Volkszorn legte sich erst, als ausgerechnet die missionarisch auftretenden Portugiesen den Unzufriedenen erlaubten, in einem Kellergewölbe einen Schrein zur Besänftigung der Geister einzurichten.

Dass die hohen, kahlen Räume der Handelsburg einst bis zur Decke mit Waren gefüllt waren, kann man sich heute nur schwerlich vorstellen; als einzige Reminiszenz an jene Epoche bietet die Schlossboutique eine bescheidene Palette ghanaischer Kunsthandwerksprodukte an.

Längst verwaist sind die zwei Türme der Meeresbastion, in der die Briten den legendären Ashantehene (König) Prempeh mit seinem Hofstaat Ende des vorigen Jahrhunderts vier Jahre lang festgesetzt hatte. Der Monarch hatte sich geweigert, nach dem verlorenen Ashanti-Krieg die verlangte Reparationszahlung in Höhe von 50.000 Unzen Feingold auszuliefern. Nichts mehr erinnert an den später auf die Seychellen verbannten Ashantehene, dessen unfreiwilligen Aufenthaltsort der Wüstenwind Harmattan während der Wintermonate mit einer feinen Schicht Saharasand überzieht.

Das Georgs-Schloss

Das stark veränderte Georgs-Schloss, dessen Zinnen rundum mit verrosteten Kanonen bestückt sind, ist Ghanas zentrale Gedenkstätte für die Opfer des Sklavenhandels: "Mögen jene, die umkamen, die ewige Ruhe finden. Und mögen die Zurückgekehrten ihre Wurzeln wiederfinden", lautet die Inschrift einer Bronzetafel im bedrückend stillen Innenhof. Bis zur Abschaffung der Sklaverei Hauptumschlagplatz für Negersklaven, zieht das Georgs-Schloss besonders schwarze US-Besucher auf der Suche nach ihrer Herkunft an.

Coenradsburg, wie die Niederländer das gegenüberliegende Fort São João umgetauft hatten, soll künftig als Hotel der gehobenen Preisklasse Besucher beherbergen. Wie Fort Dixcove schon seit längerem als Pension benützt, wird das kleine Hügelfort nach historischem Vorbild restauriert. Inzwischen sind die Dächer mit traditionellen Rundziegeln portugiesischer Herkunft neu eingedeckt worden.

Schloss Cape Coast, das die Holländer 1630 auf den Trümmern eines portugiesischen Handelspostens neu errichtet hatten, beherbergt neben einer Schule das West Africa Historical Museum, in dem eine Ausstellung das Schicksal der Schlösser nachzeichnet. Auf die Portugiesen, die ihr Handelsmonopol schon gegen 1600 einbüßten, folgten die Engländer, die mit den Holländern bis Mitte des 17. Jahrhunderts um die Vorherrschaft rivalisierten. Zwischen 1710 und 1800 beteiligten sich Dänen, Schweden und Preußen an den Handelsgeschäften. Schon seltener kam es vor, dass man sich Schlösser verkaufte.

Ohne enge Zusammenarbeit mit den afrikanischen Nachbarn hätten die Kaufleute und Soldaten aus Europa selbst hinter den solidesten Festungsmauern nicht lange durchhalten können. So mussten sie sich bis zum Einbruch des Kolonialzeitalters mit den Einheimischen verständigen und sie wohl oder übel als ebenbürtig behandeln.

Keine europäische Macht hatte während der drei Jahrhunderte dauernden Koexistenz jemals versucht, die Angehörigen der Akan-Ethnie gewaltsam um ihr Land zu bringen; in der Regel handelte man mit den lokalen Würdenträgern einen Pachtzins für das Grundstück aus. Fast sämtliche Festungen entstanden mit Einverständnis der Schwarzen, die außerhalb der Mauern weiterhin ihr eigenes Leben führten. Nur in Axim, dessen Fort São Antonio heute als Postamt dient, hatten die verfeindeten Häuptlinge den portugiesischen Gouverneur ersucht, in Streitfällen die Schlichterrolle zu übernehmen. An anderen Orten konnten die Portugiesen die Bevölkerung zu Naturalabgaben verpflichten. Als die Konflikte zwischen den Handelsmächten zunahmen, fühlten sich die lokalen Herrscher nicht mehr länger an die Verträge gebunden; sie wechselten nach Belieben die Seiten. In einigen Fällen gelang es ihnen sogar, die Europäer auszuquartieren und ihre Handelsposten kurzzeitig zu besetzen.

Verglichen mit Portugiesen, Holländern und Dänen gaben die Kaufleute der "Churfürstlich-Brandenburgischen Compagnie" nur ein kurzes Gastspiel an Westafrikas Küste. Groß-Friedrichsburg, wie die Preußen ihren Handelsstützpunkt in Prince's Town nannten, wurde schon vor Jahren als Wohnheim für die Krankenschwestern des deutschen Spitals in Accra hergerichtet.

Warum die Brandenburger ihr Kontor 1716 fluchtartig aufgaben, bleibt ein Geheimnis. Nach ihrer Ankunft knapp ein halbes Jahrhundert zuvor hatte der preußische Gouverneur dem Pokesu-Häuptling als Gegenleistung für das Baugelände versprochen, niemals Frauen und Kinder aus dessen Stamm in die Sklaverei zu verkaufen. Mit einem Zaubertrank aus Branntwein und Schießpulver, so die Chronik, sei der Pakt sodann besiegelt worden. Wie die übrigen Europäer haben sich jedoch auch die Brandenburger am lukrativen Sklavenhandel bereichert.

Wie nachhaltig die drei Jahrhunderte dauernde Koexistenz die Bewohner in diesem Teil der westafrikanischen Küste geprägt hat, wird am selbstbewussten Auftreten vieler Bewohner von Elmina und Cape Coast gegenüber europäischen Besuchern deutlich. An der Goldküste, die von den britischen Herren gerne als Aushängeschild einer angeblich vorbildlichen Kolonialpolitik gerühmt wurde, brachen 1948 die Aufstände gegen die britische Herrschaft aus. Sie bereiteten das Terrain für Ghanas frühe Unabhängigkeit.

Vernachlässigt wirken neben den Vorzeigeschlössern Christiansborg, Elmina und Cape Coast die zwei bekanntesten Festungen im Stadtgebiet von Accra. Während das ausgeräumte Fort Crèvecoeur, noch bis vor einigen Jahren Haftanstalt, allmählich zerfällt, würde kein Besucher das benachbarte Fort Saint James freiwillig aufsuchen: Das düstere Gemäuer dient nach wie vor als Gefängnis.

Freitag, 23. November 2001

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