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Namibia nach zehn Jahren Unabhängigkeit

Spiele von Licht und Schatten

Von Heimfried Mittendorfer

Diese ehemalige deutsche Kolonie, die 1990 ihre Unabhängigkeit gegenüber der Republik Südafrika durchzusetzen vermochte, konnte sich wirtschaftlich bis heute von seinen Strukturschwächen noch nicht erholen. Von Südafrika über Jahrzehnte als "fünfte Provinz" des Staates betrachtet, unterlag es als Rohstofflieferant einer regelrechten Ausbeutung und war, da man industrielle Entfaltung zu verhindern wusste, ein willkommener Markt für Konsumgüter aus Südafrika.

Zwar reich an Bodenschätzen, im besonderen an Uran und Diamanten, gingen die Gewinne auf Grund permanent sich abwärtsbewegender Rohstoffpreise immer mehr zurück. Die wirtschaftliche Belastung wuchs ins Unermessliche, da die Erträge aus dem Bergbau mit zirka 30 Prozent am Zustandekommen des Bruttosozialprodukts beteiligt sind. Dazu kommt noch, dass gerade dieser überaus wichtige Wirtschaftszweig sich nach wie vor nahezu zur Gänze in südafrikanischen Händen befindet.

Mit dem, in zunehmendem Maße expandierenden Tourismus, hat Namibias Wirtschaftsleben ein weiteres, heute nicht mehr wegzudenkendes Standbein erlangt. Seit dem Erreichen der Unabhängigkeit vor zehn Jahren setzt man, da die Subventionen von Seiten Südafrikas der Vergangenheit angehören, im Wirtschaftsleben verstärkt auf den Tourismus.

Für die meisten Fremden verfügt die Etoscha-Pfanne, seit 1907 zum Wildschutzgebiet erklärt, über die größte Anziehungskraft des Landes. Mit einer Fläche von zirka

22.000 km² umfasst dieser Nationalpark nur mehr ein Viertel seiner ehemaligen Ausdehnung, der Rest ist dem Anpassungsprozess an die Homeland-Politik Südafrikas zum Opfer gefallen.

Die Pfanne selbst ist, wie angenommen wird, einst aus einem durch den Kunene, dem Grenzfluss zu Angola, gebildeten See hervorgegangen. Heute, nachdem der Fluss sich weiter nordwärts verlagert hat, erscheint diese riesige Salztonebene nahezu wasserlos. Schuld daran ist der kalkhaltige Untergrund, der dafür sorgt, dass in der Regenzeit (Südsommer) das kostbare Nass versickert und unterirdisch nach Süden abfließt, wo es dann an den Rändern der Pfanne, in diversen Wasserlöchern zu Tage tritt.

Reiches Tierleben

Die weiten Ebenen, die an die Pfanne heranführen, besitzen ein reiches Tierleben. Durch diese, ständig zwischen Steppe und Savanne wechselnde Landschaft, führen mehrere Pisten, die die drei großen Rastplätze Okaukuejo, Halali und Namutoni sowie die vielen Wasserlöcher miteinander verbinden. Mit etwas Glück und Geduld kann eine Safaritour zu einem unvergesslichen Unterfangen werden. Bevorzugte Gebiete der Steppenzebra, der Weißschwanzgnus und Springböcke sind die Grassavannen mit ihrem süßen, nährstoffreichen Gras. Von den 114 Säugetierarten sind die Elefanten, die zu den größten des Kontinents zu rechnen sind, zweifelsohne der Stolz des Nationalparks. Allerdings haben sie relativ unterentwickelte Stoßzähne, was sich über den geringen Mineralhaushalt ihrer Nahrung erklären lässt. Giraffen, Löwen, Spitzmaulnashörner, Kudus, Oryxantilopen, Strauße u. a. lassen bei den Tierbeobachtern die Herzen höher schlagen. Als beste Beobachtungszeit gelten die Monate von Mai bis einschließlich August, in welchen durch die akute Trockenheit in der Pfanne die Tiere zum regelmäßigen Aufsuchen der Wasserlöcher gezwungen sind. Die beiden Camps Halali und Okaukuejo haben noch dazu den Vorteil, nicht nur über ein eigenes Wasserloch zu verfügen, sie lassen sogar Beobachtungen rund um die Uhr zu, da die Tiertränken auch beleuchtet werden. Eine kleine Vorstellung von der unermesslichen Weite dieses Naturparadieses kann man vom Tsumasa, einem winzigen Inselberg bei Halali und vom Wasserturm Okaukuejos gewinnen.

Die Namib, eine typische Küstenwüste, nimmt die gesamte westliche Küstenlandschaft von der angolanischen Grenze im Norden, bis an den Oranje, dem Grenzfluss zu Südafrika ein. Diese älteste Wüste der Welt, wird in der Sprache der Nama bezeichnenderweise als "Ort, an dem nichts ist", beschrieben. Von Swakopmund werden Wüstenausflüge in den Namib-Naukluft-Park, dem größten Naturschutzgebiet des Landes, angeboten. Die Landschaft wechselt vom erhabenen Gebirgsmassiv zu Wüstenebenen, welchen hohe Dünen aufgesetzt sind, von tiefen Schluchten zu Gezeiten ausgesetzten Lagunen. Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Wüste nicht unbedingt Öde bedeuten muss, denn die Begeisterung des rätselhaften Spiels von Licht und Schatten, das je nach Tageszeit und Lichteinfall die Landschaft in ständig neue Farben und Kontraste taucht, kennt bald keine Grenzen. Viele Pflanzen- und Tierarten versorgen sich über den Nebel und nächtlichen Tau mit dem kostbaren Nass. Die Wüste lebt im wahrsten Sinn des Wortes; Akazien, Kameldornbäume und Tamarisken begleiten unsere Piste. Dann sind wir plötzlich umgeben von fossilen Pflanzen. Die Welwitschia mirabilis mit ihren am Boden liegenden Blättern, im Aussehen einer abgestorbenen Agave ähnlich, soll bis zu 2.000 Jahre alt werden und ist unter den Sukkulenten Namibias, da endemisch, etwas ganz Besonderes.

Anderorts entdecken wir Flechten in den Farben gelb, grün und rot. Nicht weniger als 80 verschiedene Arten soll es allein in der Namib geben. Ihr Wachstum von 4 bis 5

mm im Zeitraum von 10 Jahren kann durchaus als bescheiden bezeichnet werden. Eine nahezu riesenhafte Ausdehnung besitzen hingegen die bis zu 7 m hohen Köcherbäume, deren Name auf die San (Buschmänner) zurückzuführen ist, die aus den Ästen dieser sonderbaren Bäume Köcher für ihre Pfeile fertigten.

Bei Sossusvlei haben wir angeblich die höchsten Dünen der Welt vor uns. Der Sand hierfür wurde vor Millionen von Jahren über den Oranje aus den Lesotho-Hochebenen westwärts zum Atlantik verfrachtet und anschließend durch den Benguelastrom entlang der Küste aufgeschüttet. Das Ergebnis waren riesige, bis zu 300 m hohe, Küstendünen. Allerdings sind diese nicht ortsgebunden, sondern unter dem kräftigen Einfluss des Südwesters entwickelten sich daraus Wanderdünen, die sich zirka 20 m in einem Jahr landeinwärts verlagern. Dieses Gebiet ist, so weit das Auge reicht, ein einziges Märchen aus Sand. Die Farbschattierungen variieren von blassgelb bis zu leuchtenden Rot- und Orangetönen, wobei die Kontraste in den Morgen- und Abendstunden sicherlich am stärksten zur Geltung kommen. Ungefähr 1 1/2 Autostunden nördlich von Swakopmund, am Kreuzkap, jenem Ort, an dem 1486 der portugiesische Seefahrer Diego Cao als erster Europäer die Küste Namibias betreten und zur Erinnerung an diese historische Gegebenheit ein Steinkreuz errichtete hatte, befindet sich neben dieser Gedenkstätte, die für diese Region weitaus größere Attraktion, das Robbenreservat. Viel Zeit sollte man auf alle Fälle für diesen Besuch einplanen.

Schätzungsweise 150.000 Zwergpelzrobben leben hier, für die der fischreiche Benguelastrom die Lebensgrundlage bildet. Tausende Muttertiere liegen träge im Sand, umgeben von Jungen, die sich durch Lärmmachen und Spielen die Zeit vertreiben. Die Weibchen, die sich zwischendurch ins Meer zur Nahrungsaufnahme begeben haben, versuchen, den Rufen ihrer Jungen folgend, auf direktem Weg, oft über in der Bahn liegende andere Tiere hinwegrobbend, den angestammten Platz wieder zu finden.

Sozialer Zündstoff

Der Vielvölkerstaat Namibia wird zahlenmäßig von den, im äußersten Norden des Landes lebenden, Ovambo dominiert (800.000). Obwohl die Weißen nur ein Zehntel dieser Größenordnung (80.000) für sich in Anspruch nehmen können, haben sie in ökonomischer Hinsicht auch noch nach der Unabhängigkeit das Ruder fest in der Hand. Zur Zeit ist man um Versöhnung bemüht. Dieses Programm, für dessen Umsetzung Staatspräsident Nujoma eintritt, sieht keine Veränderung der bestehenden Besitzverhältnisse vor. Wie lange das noch gut gehen kann, wird sich weisen, denn Zündstoff ist zur Genüge vorhanden. Bei dieser ausgeprägten Gratwanderung wird es sehr schwer sein, weiterhin die Balance zu finden. Zu ungleich ist das Verhältnis, auf der einen Seite 10 Prozent weiße Besitzer, auf der anderen Seite 90 Prozent schwarze Besitzlose. Die Apartheid, 1990 offiziell abgeschafft, ist in den meisten großen Städten des Landes noch immer zugegen. Es gibt sie noch immer die berüchtigten Viertel der Schwarzen, durch Brachland oder sogenannte Industriezonen von den Villenvierteln der Weißen getrennt. Die Armut der Menschen ist nur vor Ort zu begreifen.

Nur fünf Autominuten vom Zentrum Windhuks entfernt, liegt weit an den Stadtrand gedrängt, Katutura, der Siedlungsraum der Schwarzen. Blech- oder Papphütten ohne Fenster erweisen sich als menschenunwürdige Unterkünfte, die noch dazu hoffnungslos überfüllt sind. Die Landflucht bewirkte in den größeren Städten ein akutes Anwachsen der schwarzen Bevölkerung. Die größte Zuwanderungsrate verzeichnen hierbei die Ovambo aus dem Norden. Fäkalien und sonstiger Unrat füllen die Straßen, eine Rauchglocke liegt über dem Viertel, hervorgerufen durch die zahllosen offenen Feuer, die die einzige Koch- bzw. Heizmöglichkeit bieten. Auffallend sind die vielen Arbeitslosen (hauptsächlich sind es Männer zwischen 15 und 30 Jahren), die sich in Gruppen die Zeit mit Alkohol vertreiben, andere versuchen über Drogen ihre Aussichtslosigkeit kurzzeitig vergessen zu können. Trotzdem muss man aber auch feststellen, dass sich gewisse Teilbereiche von Katutura im Aufschwung befinden, indem z. B. die Staubstraßen verschwinden, die heißersehnte Straßenbeleuchtung montiert wird, indem einfache Häuser entstehen. Manche davon sind bereits mit kleinen Gärten ausgestattet. Man ist also vielerorts auch hier auf dem Weg aus Katutura, "dem Platz an dem wir nicht leben wollen", ein Matutura, "einen Platz an dem wir bleiben wollen" entstehen zu lassen.

Freitag, 28. April 2000

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