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Artikel aus dem EXTRA LexikonDrucken...

Afrika-Bilder in unseren Köpfen

Konflikte, Katastrophen, Krisen

Von Harald Pichlhöfer

Die Mehrzahl der Österreicherinnen und Österreicher war nie in Afrika. Dennoch haben viele von ihnen ganz konkrete Vorstellungen, wenn es um Afrika geht und nehmen Bezug auf Erfahrungen, die wesentlich über die Medien bestimmt sind. Zu ihrem Nachteil.

Geprägt vom eisernen Grundsatz der Berichterstattung: "bad news is good news", werden hauptsächlich Bilder vermittelt, deren erste Funktion es ist, einen Gegenentwurf zur vorherrschenden Erfahrungswirklichkeit des österreichischen Publikums zu bilden. Folglich ist auch die Bereitschaft gering, sich mit Afrika differenziert auseinanderzusetzen.

Gut, manche verweigern sich überhaupt jeder Auseinandersetzung mit dem Thema, ganz nach dem Motto: "Was soll ich mit Afrika, es gibt dort nur Krankheiten, Kriege und Katastrophen?" Besonders eindrucksvoll belegen das in diesem Zusammenhang Grafiken, die Afrika mit einer Kombination folgender Kriterien darstellen: Konflikte, Katastrophen, Krisen. Es zeigt sich, dass die Art der Fragestellung bereits die Form der Antworten mitbestimmt. Stellen Sie sich einmal ein solche Karte von Europa vor (nicht nur der EU) - wo sie da nicht überall ein Land mit unterschiedlicher Farbe markieren müssten, von Nordirland, über das Baskenland, Kosovo, Ungarn, Rumänien, Tschetschenien usw . . .

Wir sehen also, Afrika taugt als Gegenbild zu der von uns wahrgenommenen Wirklichkeit eigentlich nur, wenn wir unser Wissen (sowohl von uns als Europäern und Europäerinnen als auch von "den Anderen") möglichst einschränken. Es gibt also im Grunde zwei Möglichkeiten: Wenn wir davon ausgehen, unsere wäre eine relativ "heile" Welt, dann macht es Sinn, Afrika als "das Andere" möglichst kaputt zu zeigen. Gehen wir hingegen von der Annahme aus, dass unsere Welt die kaputte ist - und Gründe dafür ließen sich finden - dann macht es durchaus Sinn, Afrika als "das noch heile, vielleicht letzte Paradies" zu beschreiben. In der österreichischen Gesellschaft dürften wohl beide Haltungen anzutreffen sein, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Allerdings immer dort, wo gewollt oder unbewusst auf Wissen über Afrika verzichtet wird.

Europa in der Rolle

des Überlegenen

Eine Rolle, in der wir Österreicher und Österreicherinnen uns gerne sehen, ist die der Helfenden. Wir helfen bei Katastrophen und bei der Verhütung von Konflikten. Nicht dass das nicht wünschenswert wäre. Aber wir übersehen dabei gerne, dass nur allzu oft wir selbst es sind, die dieselben entweder (mit)verschuldet haben, oder zumindest alles unterlassen haben, um deren Ausbruch zu vermeiden. Uns scheint überhaupt die globale Sicht der Dinge zu fehlen. Nur so ist es zu erklären, dass ein europäischer Kanzler zu afrikanischer Kritik, bei der alle Formen des politischen Extremismus und insbesondere beleidigende, fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen verurteilt werden, "nur schmunzeln" kann, weil er sein Land für so sicher und tolerant hält und im gleichen Atemzug die Dramatik der "Schuldenfalle" sehr wohl erkennt. So geschehen beim euro-afrikanischen Gipfel in Kairo zu Beginn dieses Monats.

Es ist erschreckend, wie wenig uns die Vielfalt Afrikas bewusst ist. Das ist ziemlich unabhängig vom Bildungsgrad. Es scheint eher so zu sein, dass die Angehörigen der Bildungselite eher dazu neigen, ihr Unwissen mit prompten Zuordnungen und Beurteilungen zu kaschieren. Doch prägt die Bildungselite den öffentlichen Diskurs, wie von und über Afrika zu sprechen ist, wesentlich mit. Auch und gerade wenn sie nichts davon versteht - in den Redaktionen von Zeitungen und Zeitschriften, bei informellen Gesprächen oder, und das ist dann am gefährlichsten, in politischen Ämtern.

Afrika in der Rolle

des Unterlegenen

Bei einer Studie, die 1996 unter den Studierenden der Universität Wien durchgeführt wurde, wusste nicht einmal die Hälfte aller Befragten annähernd, wie viele Sprachen in Afrika gesprochen werden, oder wie viele selbständige Staaten es in Afrika gibt. Mehr als die Hälfte aller Befragten war nicht im Stande, fünf afrikanische Politiker oder Politikerinnen oder vier Kunst- und Kulturschaffende zu nennen. Ganz zu schweigen von ökonomischen oder kulturellen Details. Dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, war die überragende Mehrzahl der Befragten in den Beschreibungen von Bildern von Afrika schnell mit wertenden Zuschreibungen bei der Hand. Die beliebtesten der dabei verwendeten Formeln waren: "Man weiß doch, dass . . .", "es ist allgemein bekannt, dass . . .", oder "ich bin ja kein Rassist, aber . . .". Das ist der Hintergrund, auf dem die altbekannten Bilder von Afrika fröhliche Urstände feiern.

Interessant ist jedoch, welche Elemente für die Bedeutung dieser Bilder ausschlaggebend sind: Sitzt etwa ein afrikanisches Kind auf einem Stein, dann meint einer der Betrachter gleich: "Das sieht man selten, zum Beispiel in Europa, ich mein' deswegen sieht man auch gleich, dass es aus einem unterentwickelten Staat is', net." Sehen wir zwei Männer inmitten von Regenwald im Safari-Outfit, so sehen wir "Touristen", "Techniker" oder "Forscher, die den Regenwald in irgendeiner Form nutzen, benutzen wollen". Sind in einem Bild im Hintergrund Häuser zu sehen, wobei der Vordergrund durch eine Gruppe geschminkter und in Decken gehüllter Männer dominiert wird, so werden diese zwar kleinen, aber doch deutlich sichtbaren weißen Häuser bei der Bildbeschreibung nicht genannt, denn sie passen nicht in unseren Plan, Afrika und seine Bewohner und Bewohnerinnen zu marginalisieren.

Noch besser wird es, wenn die Betrachtenden nicht genau erkennen können, was abgebildet ist. Ob der "Stein im Hintergrund ein Kultstein is' oder so" (tatsächlich ist es eine Plane, auf der "tent" zu lesen ist) "ob das irgendein Symbol, möglicherweise Phallus, oder ein anderes Symbol darstellt" - das ist die Frage für eine der Betrachterinnen. Diese Fragestellung zeigt, welches Schema hier zu aktivieren ist, das des sexualisierten Afrikaners nämlich.

Ein anderes Bild dieser Studie operierte mit dem klassischen Klischee des "armen Afrikaners". Dieser ist so ins Bild gesetzt, dass die Betrachtenden offensichtlich Schwierigkeiten hatten, den Dargestellten mit den ihm umgebenden Reichtum in Verbindung zu bringen, trotz des beschreibenden Begleittextes.

Ein "reicher Afrikaner" ist für unsere Köpfe so ungewöhnlich, dass wir ihn eher mit Amerika assoziieren. Einem der Befragten geriet dabei die Geographie vollends durcheinander: "Außerdem hätt' ich ihn nicht unbedingt auf Afrika mich einschätzen getraut" - Zwischenfrage: Wo sonst?" . . . - ich hätt's auch schätzen können auf Ägypten."

Es scheint einen Zusammenhang zu geben zwischen der Darstellung eines Reichen aus Afrika und der Verwendung des beleidigenden Wortes "Neger".

In der Studie taucht es bei diesem Bild zum ersten Mal auf. Offensichtlich muss durch dieses Wort wieder das richtige Machtverhältnis hergestellt werden, in dem den Betrachtenden die machtvolle Position zugedacht bleibt. Interessant und symptomatisch für die vorherrschende, grundsätzlich heterophobe Einstellung dabei ist auch, wie der Begriff der Abstammung mit dem der Nationalität vermengt wird, so als hätte das eine ursächlich mit dem anderen zu tun.

Eine gewisse Erotik

Sehen wir Bilder von afrikanischen Leichtathleten, dann werden diese leicht zu "Negern, die im Leistungssport sich beschäftigen", wobei auch eine gewisse erotische Wirkung, vor allem auf die Betrachterinnen festzustellen ist. Wiederum lässt sich eine stereotype Zuschreibung beobachten. "Die sind ja von Natur aus die besseren Läufer, weil die immer barfuß durch die Gegend laufen." Eine nackte, schwarze Frau, die Werbung für Kaffee macht, gilt einigen als "Metapher für Unterprivilegiert-Sein" oder als "Symbol für Hilflosigkeit", kann aber auch "den Geruch von Kaffee ersetzen". Eine Überraschung stellt die Frau für manche höchstens dergestalt dar, dass "man im Hinterkopf nicht ‚Neger-äh-schiach-häßlich' " denkt, weil die Person als schön empfunden wird.

In den Bildinterpretationen der Studie lässt sich wiederholt beobachten, wie wir aus einer machtvollen Position heraus versuchen, den dargestellten Afrikanern und Afrikanerinnen grundsätzliche Nacktheit, Unzivilisiertheit und Naturhaftigkeit zuzuschreiben - immer im Gegensatz zum eigenen Selbstverständnis. Mit dieser Zuschreibung geht auch immer eine negative Bewertung einher. Zumindest in dieser Studie wurden diese Stereotype nie als etwas Positives genannt. Mit großer Sicherheit wird hingegen auf kulturelle Differenzen verwiesen, wobei die festgestellten Unterschiede ausnahmslos dazu dienen, die andere Kultur abzuwerten.

Im Diskurs der Bildungselite wird das Konzept "Rasse" seltener aktiviert. Taucht es jedoch auf, dann ist es meist bedrohlich. Biologischen Unterschieden wird dabei weniger Bedeutung zugewiesen. Sie werden seltener genannt und manchmal auch bewusst verschwiegen. Mit einem sonderbaren Argument wurde ich kürzlich in einer Diskussion konfrontiert: "Es gäbe keinen Rassismus, weil es ja keine Rassen gibt." Es stimmt natürlich, dass "Rasse" ein soziales Konstrukt ist und keine "biologische" Kategorie, wofür sie gemeinhin gehalten wird. Denn was sind schon die Merkmale einer "Rasse"? Die Hautfarbe oder die Form der Ohrläppchen? Trotzdem, es bleibt das Paradox: obwohl es "Rasse" an sich nicht gibt, laufen Leute auf Grund einer ihnen zugeschriebenen "Rasse" Gefahr, zu Tode zu kommen; wie das zum Beispiel in Österreich auch mehrfach passiert ist.

Unnötig zu sagen, dass es sich erübrigt, mit "Rasse" zu argumentieren, wenn schon die "andere Kultur" zum entscheidenden Merkmal der Minderwertigkeit geraten kann. Ja, und dann gibt es noch die Stereotype neueren Datums, wie "alle Afrikaner sind Drogendealer" und "alle Afrikanerinnen sind Prostituierte".

Dabei wird übersehen, dass unsere Gesellschaft die Bedingungen dafür schafft, dass manche tatsächlich auf diese Weise zu überleben versuchen. Und es fehlt in unseren Köpfen ein Bewusstsein, dass es auch noch ein ganz anderes Afrika gibt, eines, das uns ähnlich ist, das Ernst zu nehmen sich lohnen würde und von dem wir noch eine Menge lernen könnten. Solche neuen Bilder von Afrika werden wir dringend brauchen, denn viele Probleme (z. B. in Ökologie, Ökonomie, Migration) werden nur gemeinsam zu lösen sein. Es wird uns also nichts anderes übrig bleiben, als uns für dieses Afrika zu interessieren und uns differenzierter darüber zu informieren.

Der Afrikanist Harald Pichlhöfer ist Autor des Buches "Typisch Afrika", das im Wiener Sonderzahl Verlag erschienen ist. In dieser "semiotischen Studie" untersucht der Autor auch der Spur die Afrikabilder, die von den Medien in Europa vermittelt werden. In der Zusammenschau ergeben sie von einem in Wahrheit äußerst heterogenen Kontinent immer die gleiche, unveränderte Botschaft. Diese Auswirkungen der Medienberichterstattung untersucht Pichlhöfer und er versucht dabei, einem Überdenken der Stereotypen das Wort zu reden.

Harald Pichlhöfer: Typisch Afrika. Über die Interpretation von Afrikabildern. Sonderzahl Verlag Wien 1999.

Freitag, 28. April 2000

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