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Lucas Cejpeks Literaturtheorie und sein neuer Roman "Keine Namen"

Cejpek: Sprachkrimis ohne Lösungen

Von Werner Schandor

Einem Artikel über Lucas Cejpek muss ein Gespräch vorausgehen. Schließlich hat der ehemalige Hörfunkjournalist die letzten zehn Jahre seines literarischen Schaffens in zunehmendem Maße Gesprächsbüchern gewidmet. Angefangen hat es mit Paul Wührs Selbstauskünften "Wenn man mich so reden hört", die Cejpek 1993 aufgezeichnet und editiert hat. Für seinen 1996 erschienenen Gesellschaftsroman "Ihr Wunsch" hat Cejpek 50 Österreicher, in welchen sich nach demoskopischen Kriterien die Gesamtbevölkerung widerspiegelt, nach ihren Wünschen befragt. Die Interviews waren Ausgangspunkt für stark rhythmisierte Texte, aus denen sich ein literarisches Gesellschaftsporträt zusammensetzte.

Als Nächstes kamen poetologischen "Trippelconferencen": Im Auftrag der "Alten Schmiede" in Wien unterhielt sich Lucas Cejpek 1998/99 an 15 Abenden öffentlich mit je zwei Autoren über Poetik. Nachzulesen sind diese Begegnungen mit Schriftstellern wie Raymond Federman, Deszö Tandori oder Elfriede Czurda im Band "Zettelwerk. Gespräche über eine mögliche Form", erschienen 1999. Im Vorjahr kam dann Cejpeks fiktiver Gesprächsroman "Keine Namen" heraus, in dem sich ein Geheimnisträger aus dem Dunstfeld des beamteten Informationswesens in Andeutungen verliert. Und heuer im Frühjahr schloss sich der Kreis fürs Erste mit "Was ich noch vergessen habe", einer zweiten von Cejpek aufgezeichneten Selbstauskunft von Paul Wühr.

"Nach so vielen Gesprächen hatte ich den Wunsch, einmal ein fiktionales Gesprächsbuch zu schreiben", erzählt Cejpek über die Entstehung seines jüngsten Romans "Keine Namen". Nach den insgesamt 16.000 Kilometern, die der Autor für Recherche für "Ihr Wunsch" quer durch Österreich absolviert hatte, gab es nur zwei Prämissen für die Arbeit an "Keine Namen": "Erstens: Ich möchte nicht mehr reisen. Und zweitens: Ich möchte nicht einmal mehr das Zimmer verlassen." Also dient eine fiktive Interviewsituation im Wohnzimmer des Protagonisten - eines namenlosen Beamten des Innenministeriums, der unter der Hand Informationen verschachert - als Setting für Cejpeks jüngsten Roman. Dass den Beamten eine Journalistin interviewt - und was sie ihn fragt -, lässt sich lediglich aus den Antworten ableiten.

Das Gespräch, genauer gesagt: die Selbstauskunft des anonymen Helden kreist in Andeutungen um Information, Dechiffrierung und Geheimnisverrat. Angesprochen werden aber auch konkrete Dinge wie Wohnungen oder Autos, die ihrerseits nicht mehr sind als mögliche Schauplätze für mögliche Vorgänge. Je mehr der Protagonist andeutet, desto stärker bekommt man den Eindruck, dass er etwas Wesentliches verschweigt, dass er Informationen zurückhält. "Keine Namen" bietet auf diese Weise - wie die früheren Romane von Lucas Cejpek auch - einen großen Spielraum für Interpretationen. Allerdings schränkt Cejpek ein: "Ich glaube, man sollte bei 'Keine Namen' nicht zuviel interpretieren.

Der Witz dabei ist, dass die Sätze des Protagonisten viele mögliche Wahrheiten enthalten, dass sie in ihrer Fülle aber die Interpretationswut ad absurdum führen. Es ist letztlich wieder eine Form von Zerstreuung. Die Aussage, dass zuviel Sinn produziert wird, ist durchaus selbstreflexiv gemeint."

Für Cejpek ist "Keine Namen" ein Krimi ohne Lösung. Ein Sprachkrimi, in dem sich Spannung aufbaut, ohne sich zu entladen - und das mit Vorsatz. Cejpek sieht sich zwar gerne Krimis im Fernsehen an, hält das Genre aber letztlich für "höchst unintelligent". Wichtiger als eine konventionelle Krimihandlung sei in seinem Buch der Sprachrhythmus. In der Tat bestimmt das Arrangieren von Satzperioden, von Wiederholungen und anderen Aspekten der Sprachmusikalität Cejpeks Umgang mit literarischen Texten schon seit seinem ersten Roman "Ludwig" (1989).

Seinen Stil entwickelte er unter anderem aus den literarischen Traditionen des Noveau Roman und des Surrealismus. Dazu kamen außerliterarische Einflüsse, vor allem aus der Konzeptkunst.

Lucas Cejpek wurde 1956 in Wien geboren und wuchs in Graz auf. Er studierte Germanistik und dissertierte über Musils "Mann ohne Eigenschaften" als Kulturtheorie. Seine literarische Sozialisation hat er in den 80ern im Forum Stadtpark erfahren, wo er gemeinsam mit Walter Grond im Literaturreferat mitarbeitete und Theaterstücke inszenierte, etwa Jürg Laederachs "Han und Amin", mit dem 1985 der "steirische herbst" eröffnet wurde.

Seit 1990 lebt er als freier Schriftsteller, Theater- und Hörspielregisseur in Wien. Ästhetische Anregungen holt sich der Autor vor allem aus der gegenwärtigen Bildenden Kunst und Fotografie.

Beispielhaft für die literarische Methode Cejpeks in "Keine Namen" ist eine Szene, die auf einer der Vasen, die der Protagonist sammelt, erscheint: "Die Perlschnur, das Wellenband und das gegenläufige Blattornament, die Palmetten, das Eierstabkyma, die Mänade, die ihre Scham entblößt, der Mäander, die Perlschnur." Dieses kleine Motiv taucht - fallweise mit einem Satyr und einer Nymphe in allen erdenklichen Stellungen und etlichen, zum Teil unanständigen Hilfsmitteln ausgestattet - als Refrain an die 100 Mal zwischen den Selbstauskünften des Protagonisten auf. Im Geschehen zwischen Eierstabkyma und Mäander spiegelt sich mit Nymphe, Satyr und Mänade (das Lexikon sagt, es handle sich dabei um eine Bacchantin) die Erzählung des anonymen Helden. Wenn er etwa über seine Vasen spricht, hält plötzlich auch eine der Figuren eine Vase in der Hand. Wenn der Protagonist die sexuelle Annäherung an die Interviewerin erwägt, treiben es auch die Figuren auf der Vase heftig.

Cejpeks Verlagskollege Herbert J. Wimmer sieht im beschriebenen Typus des anonymen Beamten, der im Hintergrund die Informationsfäden zieht, den "herrn karl, redivivus: modern, zeitgemäß, zusammengesetzt aus den informationsgewohnheiten heutiger medien, (. . .) aber so opportunistisch wie eh und je." Gleich wie der "Herr Karl" drängt auch Cejpeks Anonymus auf die Bühne: Der Schauspieler Hermann Schmid hat eine Stückfassung von "Keine Namen" angeregt, die 2003 ihre Uraufführung in Wien erleben soll.

"Keine Namen", "Ihr Wunsch" und "Zettelwerk" sind im Sonderzahl-Verlag erschienen, die Gesprächsbücher mit Paul Wühr bei Droschl.

Freitag, 24. Mai 2002

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