Fernsehanstalten bekommen im Zeitalter von Digital-TV eine neue Konkurrenz: die Internetprovider
Internet könnte bei der Zukunft des Fernsehens wichtige Rolle spielen
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Das Fernsehen steht vor einer großen Veränderung: Durch den Einzug von Digital-TV und hochauflösendem Fernsehen (HDTV) müssen die Kunden ihre Empfangsgeräte anpassen. Das gibt Neueinsteigern im Markt – wie Internetprovidern – Gelegenheit, den Konsumenten völlig neue Wege zum Fernsehen schmackhaft zu machen. dpa
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Das Fernsehen steht vor einer großen Veränderung: Durch den Einzug von Digital-TV und hochauflösendem Fernsehen (HDTV) müssen die Kunden ihre Empfangsgeräte anpassen. Das gibt Neueinsteigern im Markt – wie Internetprovidern – Gelegenheit, den Konsumenten völlig neue Wege zum Fernsehen schmackhaft zu machen. dpa
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Von Monika Jonasch
TV über Satellit, Kabel oder Antenne.
Fernsehen via Breitband-Web.
Inhalte zwischen regional und global.
Wien. Die Zukunft des Fernsehens ist mitten in einer Entscheidungsphase. Bildlich könnte man sich eine Momentaufnahme davon derzeit als eine Art Zangenbewegung vorstellen: In der Mitte sitzt der Zuschauer vor seinem altbekannten Fernsehgerät. Von der einen Seite drängt das Internet als Übertragungsmedium ins Wohnzimmer. Auf der anderen Seite werden die klassischen TV-Übertragungsmedien wie Kabel, Satellit und Hausantenne gerade für digitales Fernsehen aufgerüstet. Parallel dazu faszinieren Flachbild-Fernseher mit der Möglichkeit hochauflösende Bilder zu empfangen (HDTV) und locken zu Investitionen.
Für den Zuseher gibt es letztlich kein Entkommen, denn analoges Fernsehen, wie wir es heute kennen, hat ein Ablaufdatum. Über welches Übertragungsmedium das "neue Fernsehen" seinen Einzug hält, das darf man aber sehr wohl selbst entscheiden.
Mit einem Breitband-Internetanschluss sind den Inhalten, die das World Wide Web zu offerieren hat, theoretisch kaum noch Grenzen gesetzt. Warum also nicht fernsehen via Internet? Dabei wird der Fernseher ans Internet angeschlossen. Zusätzlich ergeben sich neue Möglichkeiten: interaktives Fernsehen mit Zuseherforen, Instant Messaging, individuell auswählbare Filme via Downloads (Video on Demand) und Videotelefonie – alles auf Grundlage des Internet Protokolls (IP). – Und natürlich alles aus einer Hand, vom Internetbetreiber.
Aber auch die klassischen Fernsehanstalten wollen ihre Zuseher behalten. Via Kabel und Satellit ist Digital-TV in Österreich bereits Realität, via Hausantenne (DVB-T) soll es ab 2006 schrittweise eingeführt werden. 2010 wird schließlich in ganz Europa nur mehr digital gesendet.
Für Digital-TV spricht ein wesentlich breiteres Programmangebot als dies das analoge Fernsehen von heute bietet, bessere Bild- und Tonqualität sowie ebenfalls interaktive Services und zusätzlich mobile Übertragungsmöglichkeiten.
"Technisch gibt es eigentlich keine Grenzen mehr die Wünsche der Zuseher zu erfüllen", resümiert Alois Miedl, Chef des Kundenservices bei der Telekom Austria (TA) kürzlich vor ausgewählten Journalisten in Wien. Nun müsse man erforschen, was sich die Kunden von der Fernsehzukunft wünschen. Personalisierung der Inhalte und individuelle Programmauswahl seien da Schlüsselbegriffe, so Miedl.
Regionaler Inhalt macht Web-TV interessant
Die Telekom Austria hat seit etwas mehr als einem Jahr ein Pilotprojekt im oberösterreichischen Engerwitzdorf laufen. Dort stellt sie eine interaktive Plattform im Internet zur Verfügung und die Bürger gestalten sich mit lokalen Inhalten und Nachbarschaftsthemen selbst ihr TV-Programm.
In Österreich skeptisch beäugt, erregte das Projekt international Aufsehen: BBC World, NTV und MSNBC berichteten vom Enthusiasmus rund um die neue Technik im Praxistest, von lokalen Inhalten aus eigener Erzeugung und vom daraus entstandenen, neuen Gemeinschaftsgefühl.
"Die Menschen wollen nicht in Formate gepresst werden, vielmehr brauchen sie Plattformen, um selbst einen Weg zu finden, die technischen Möglichkeiten für sich zu adaptieren," fasst Armin Sumesgutner, verantwortlich für Portfolio und Innovation bei der Telekom, die Erfahrungen aus Engerwitzdorf zusammen. Chancen, künftig Seher vom Fernsehen via Internet zu überzeugen, sieht er daher bei Spezialprogrammen für bestimmte Gruppen, zusätzlich zum klassischen Fernsehprogramm.
Bei Filmrechten haben TV-Anstalten Vorsprung
Aber auch bei den Fernsehanstalten gibt man so schnell nicht auf. Alberto Sigismondi, Chef des Contentmanagements und der Forschungsabteilung beim italienischen Medienkonzern Mediaset, glaubt an die Zukunft der klassischen Fernsehanstalten: "Das alte, lineare Fernsehen wird mit Digital-TV bereichert durch mehr Programmvielfalt, Interaktivität und Prepaid TV. Wir können da durchaus mit dem Web mithalten."
Podcasting (Audioinhalte zum Download für unterwegs, also für iPod & Co., Anm.) seien zwar interessante neue Möglichkeiten. Bei visuellen Inhalten werde dies jedoch nicht so einfach funktionieren. Dort sei Qualität immer noch das entscheidende Argument.
Sigismondi und seine Kollegen von den Fernsehanstalten weltweit können leicht reden, haben sie doch immer noch einen Vorsprung, was die Film- und Übertragungsrechte angeht. Für die Studios in Hollywood ist es derzeit schwer vorstellbar, Filmrechte an Internet-Provider zu verkaufen. Das Web wird mit Copyright-Verstößen gleichgesetzt, zu groß ist die Angst vor der Piraterie im Netz. Die Musikindustrie und die Affäre rund um Napster & Co. haben sich in den Köpfen der Studiobosse als abschreckende Beispiele festgesetzt.
Dennoch gibt es bereits Grenzgänge, weiß Sigismondi: So hat Mediaset der Telecom Italia-Tochter RossoAlice die Online-Übertragungsrechte für die Fußballspiele der italienischen Serie A und B verkauft.
"Wir haben keine Angst," gibt sich Sigismondi sorglos in Bezug auf die TV-Konkurrenz aus dem Internet. Für die Telecom Italia sei dies nur ein Weg, neue Kunden für ihr DSL-Angebot zu gewinnen. Geld werde damit keines gemacht, meint er. Mediaset andererseits habe durch den Verkauf der Online-Rechte Geld gemacht. Und selbst hätte man bei Mediaset sowieso nicht online übertragen.
"Telefonfirmen haben außerdem keine Ahnung von Unterhaltung", witzelt Dennis Gonier, Geschäftsführer von AOL (America Online). Zwar hätte der US-Internetbetreiber einst das interaktive Kommunikationsservice Instant Messenger erfunden, dann aber das Gespür für Kundenwünsche verloren, gibt er zu: "Kabelbetreiber sind da besser unterwegs. Und wir müssen wieder besser werden."
Tastatur ist interaktiver als Fernbedienung
Einen Vorteil für die Internetprovider sieht der AOL-Chef aber auf jeden Fall: Mit einer PC-Tastatur seien interaktive Services leichter zu bedienen als mit einer Fernbedienung. – "Und wer will schon E-Mails am Fernseher lesen und schreiben? Umfragen haben gezeigt, dass das weitab von den Kundenwünschen ist."
Der Konsument werde jedenfalls in Zukunft eine Firma brauchen, der er vertrauen könne, dass sie ihn durch die komplexen technischen Neuerungen durchführen werde. Der Übergang in die neue Welt des digitalen Fernsehens müsse so einfach wie möglich gestaltet werden, betont er.
Wie die digitale Fernsehzukunft tatsächlich aussehen wird, lässt Gonier offen. "Das wird sich von Land zu Land stark unterscheiden und hängt von regulatorischen Rahmenbedingungen ebenso wie von kulturellen Prägungen ab. In den USA wäre zum Beispiel Pay-per-Use unmöglich. Die Amerikaner wollen einmal zahlen und das Service dann uneingeschränkt nützen können. In Italien ist die Bezahlung pro Film hingegen eine echte Erfolgsgeschichte."
Man müsse abwarten, wie der Konsument entscheide und Geduld haben, denn: "Gelerntes Verhalten wird nicht so schnell geändert. Und nur weil wir etwas technisch können, heißt das noch lange nicht, dass es die Zuseher auch wirklich wollen."
Mittwoch, 07. September 2005