Die rot abgebildeten Kraftwerke sind noch in Betrieb, die gelben bereits abgeschaltet oder vor der Stillegung.

Der Atommeiler Biblis in Südhessen.



Mittwoch, 7. September 2005

Themen zur Wahl
Renaissance des Atomstroms?


"Für den Atomausstieg. Gegen neue Atomkraftwerke." Das ist der Titel eines Wahlkampfplakats der SPD. Die Umwelt- und Energiepolitik ist zum dominanten Thema geworden. Öl und Benzin sind teuer wie nie zuvor, die Ölreserven gehen zur Neige, die Gaspreise steigen. Die Diskussion um Kernkraft ist neu entfacht.
 
Seit April 2002 ist es besiegelt: Deutschland schaltet seine Atomkraftwerke nach und nach ab. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) setzt seit drei Jahren den Atomausstieg um. Einige Bürger können ruhiger schlafen, seit in Deutschland der Atomstrom reduziert wird. Die Katastrophe von Tschernobyl 1986 ist vielen noch in Erinnerung. Mit Halbwertzeiten von teilweise mehreren Milliarden Jahren bleiben die Reststoffe für hunderte von Generationen gefährlich.
 
Kritiker des Ausstiegs betrachten Kernkraftwerke als sauberer als alle anderen großen Energiequellen: fast emissionsfrei, sicher und zukunftsfähig, wenn die fossilen Brennstoffe ausgehen. Deutschland müsse ohne Atomkraft Strom aus Nachbarländern dazukaufen oder neue Kraftwerke bauen, meinen CDU und CSU. Den Ausfall an Strom durch den Ausstieg könnten erneuerbare Energien nicht kompensieren.
 
Rot-Grün behauptet das Gegenteil. Sie hat in beiden Amtzeiten besonders die Nutzung von Windkraft und Biokraftstoffen ausgebaut. Im Jahr 2004 betrug der Umsatz mit erneuerbaren Energien ca. 11,6 Milliarden Euro. Trotzdem hielten sie im letzten Jahr insgesamt nur einen Anteil von 3,6 Prozent am Primärenergieverbrauch.
 
Öl weiter wichtigste Energiequelle
 
Mit einem Anteil von 36,4 Prozent am Energieverbrauch war 2004 Öl der größte Energieposten in Deutschland. An zweiter Stelle steht das Erdgas mit 22,4 Prozent. 13,4 Prozent unseres Stroms und unserer Wärme kamen aus der hoch subventionierten Steinkohle, 11,4 Prozent aus Braunkohle. Der Anteil der Kernenergie am Verbrauch betrug 2004 nur 12,6 Prozent.
 
Zusammengerechnet verlassen wir uns also zu über 80 Prozent auf fossile Brennstoffe, die immer weniger vorhanden sind. Ähnlich verhält es sich allerdings mit Uran, aus dem der Brennstoff der Atommeiler gewonnen wird. Auch die brauchbaren Uran-Vorkommen werden nach heutigen Schätzungen in 80 bis 100 Jahren vollständig abgebaut sein.
 
Bis 2020 will die rot-grüne Bundesregierung alle deutschen Atomkraftwerke abgeschaltet haben. Mülheim-Kärlich, Stade und das älteste Kraftwerk Obrigheim wurden bereits vom Netz genommen. Sobald sie die im Gesetz festgelegte Strommenge pro Anlage erzeugt haben, werden auch die anderen Kraftwerke Schritt für Schritt abgeschaltet.
 
Kanzlerkandidatin Angela Merkel will den Ausstieg im Falle eines Wahlsieges rückgängig machen und erntet damit bei ihren Anhängern Zustimmung. Auch andere Länder hätten Atomkraftwerke und von diesen würden wir den Strom später kaufen. Unsere Kraftwerke sind sicher – warum überlassen wir den anderen Nationen den Atomstrom? "Der Ausstieg aus der Kernenergie ist umweltpolitisch und auch technologisch verheerend. Die dadurch aufgerissene Stromversorgungslücke in Deutschland kann nur mit zusätzlichen fossilen Kraftwerken und mehr schädlichen CO2-Emissionen geschlossen werden. Mit Wind- und Solarenergie allein ist der drastisch steigende Energiebedarf nicht in Einklang zu bringen", steht im Parteiprogramm der CDU. "Ich will nicht, dass Frankreich und die USA allein die Aufträge kriegen", sagte Merkel im Hinblick auf den Rückbau der Branche.
 
Keine klaren Konzepte
 
Tatsächlich ist Deutschland nicht das einzige Land, das sich von der Kernenergie abgewendet hat. Schweden (1980), Italien (1987) und Belgien (1999) haben den Ausstieg besiegelt. Österreich, die Niederlande, Spanien, Australien, Dänemark, Griechenland, Irland, Norwegen und Polen haben sich per Gesetz verpflichtet, keine Kernkraftwerke mehr zu errichten. Neuseeland bezeichnet sich selbst als atomfreie Zone. Die deutsche Bundesregierung hat jedoch keine klaren Konzepte, welche Energien die 12,6 Prozent Atomstrom ersetzen sollen.
 
"Die durch längere Laufzeiten der Kernkraftwerke resultierende höhere Rendite muss sich auch in niedrigeren Strompreisen niederschlagen", lässt das Regierungsprogramm der Union verlauten. Der Verband der Industriellen Energie- und Kraftwirtschaft (VIK) sieht das genauso. "Verlängerte Laufzeiten müssen zu niedrigeren Preisen führen. Die Kernkraftwerksbetreiber haben im Rahmen des Ausstiegs mit anderen Preisen kalkuliert. Mit längeren Laufzeiten lässt sich nun auch länger Geld verdienen und die Anlagen sind bereits abgeschrieben. Die Einsparungen der Betreiber sollten den Kunden zu Gute kommen", sagt Pressesprecher Roland Schmied.
 
Falls es unter einer neuen Regierung zu längeren Laufzeiten käme, müsste diese Auflagen mit den Stromfirmen aushandeln, um eine Senkung der Preise für die Bürger zu erreichen.
 
Jahel Mielke
 


Bilderserie Da waren es nur noch 17: Deutschlands Atomkraftwerke




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