Warum wählen? Joschka Fischer, ...

... Ulrike Folkerts ...

... und n-tv Geschäftsführer Johannes Züll sagen"Ja!" zum Wahlgang - und nennen gute Gründe.


Freitag, 16. September 2005

Nichtwähler zu Wählern
Wahl-Fang im Internet


Die Wahlbeteiligung in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten stetig abgenommen. Eine Entwicklung, die oft beklagt wird, aber nicht aufgehalten werden konnte. Dabei liegen heute so viele Daten über das Wahlvolk vor wie nie zuvor - sei es bezüglich Alter und Beruf, Einkommen oder Geschlecht. Derlei Statistiken mögen den Wähler gläsern erscheinen lassen, durchschauen kann man ihn und sein Wahlverhalten trotzdem nicht.
 
Könnte man, ließe sich erklären, warum bei der letzten Bundestagswahl 12 Millionen Wähler auf ihre Stimmabgabe verzichteten. Weil man genau das aber nicht weißt, werben vor der Wahl 2005 mehr als 80 Politiker, Journalisten und Prominente mit "guten Gründen" und der Kampagne "Wahl-Fang" um den Wahlgang potentieller Nichtwähler.
 
Warum wählen?
 
In Interviews geben sie auf www.wahl-fang.de unter anderem Auskunft darüber, warum sie wählen gehen. Und warum es wichtig ist, dass dies auch viele andere Leute tun. Das häufigste Argument für die Beteiligung an Wahlen ist, um es mit Günther Beckstein (CSU), Schauspielerin Ulrike Folkerts, IG-Metall-Chef Jürgen Peters oder Guido Westerwelle (FDP) zu sagen: Jede Stimme ist entscheidend für den Wahlausgang. Ganz korrekt ist diese 'Mehrheitsmeinung' indes nicht.
 
Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit, der entscheidende Wähler bei einer Abstimmung zu sein, nämlich äußerst gering. Denn entscheidend ist eine Stimme eigentlich nur dann, wenn die Wahl ohne sie unentschieden ausgegangen wäre. Bei rund 61,9 Millionen Wahlberechtigten in Deutschland ist es äußerst unwahrscheinlich, dass solch ein Fall eintritt.
 
Nicht wahlentscheidend, aber ein Privileg
 
Konkretes Beispiel: Bei einer Wahl mit 100 Millionen Teilnehmern ist es genauso wahrscheinlich, der entscheidende Wähler zu sein, wie auf dem Weg zum Wahllokal von einem Auto überfahren zu werden. Die Kosten des Wahlgangs übersteigen also aus dieser rein ökonomischen Sicht fast immer den Nutzen.
 
Weitergedacht erschiene vor diesem Hintergrund eine Wahlbeteiligung von rund 80 Prozent plötzlich nicht mehr als zu niedrig, sondern als viel zu hoch. Wozu dann also Kampagnen wie den "Wahl-Fang"? Weil das aktive Wahlrecht und die Wahrnehmung desselben beileibe nicht nur eine Möglichkeit ist, den eigenen Nutzen zu maximieren.
 
"Ich gehe wählen, weil ich unsere Demokratie bejahe", bringt etwa Schriftsteller Erich Loest den ideellen Wert des Wahlrechts auf den Punkt. Für Andrea Nahles (SPD) ist das Wahlrecht hingegen "ein großes Privileg", um das die Deutschen von Millionen Menschen weltweit beneidet werden.
 
"Wähler-Fang" statt "Wahl-Fang"
 
Doch nicht immer geraten die Antworten so kurz und prägnant. Vor allem bei Politikern sind sie oft viel zu lang. Statt Nichtwähler ganz allgemein überzeugen zu wollen, ihr Bürgerrecht wahrzunehmen und so aktiv die Demokratie zu fördern, scheint ein Nichtwähler mitunter auch ein guter Wähler zu sein. Dann nämlich, wenn er bei einem Wahlgang nicht die eigene Partei unterstützen würde.
 
Wer mit Wahlkampf-Parolen auf "Wähler-" und nicht auf "Wahl-Fang" geht, statt wie versprochen mit "guten Gründen", trägt nicht unbedingt zum Abbau der Politikverdrossenheit bei. Er tut auch nichts gegen mangelndes Interesse oder bröckelnde Parteibindungen. Gut gemeint ist die Kampagne trotzdem, zu unterstützen auf jeden Fall.
 
Denn der generelle Rückgang der Wahlbeteiligung hat nicht zu unterschätzende Folgen. Bei immer weniger aktiven Wählern reichen schließlich immer weniger Stimmen aus, um den Kurs der Gesellschaft zu bestimmen. So kann es kommen, dass eine Regierung zwar gewählt, nicht aber von der Mehrheit der wahlberechtigten Bevölkerung legitimiert wurde. Oder dass radikale Parteien profitieren. Denn je weniger Bürger wählen gehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass extremistische Parteien trotz ihrer absolut gesehen geringen Wählerschaft die Fünfprozenthürde überwinden.
 
Jede Stimme zählt
 
Die versprochenen "guten Gründe" wählen zu gehen, bieten die vielen durchaus lesenswerten Interviews in jedem Fall. Eine der zehn Fragen an die Nicht-Politiker und Nicht-Nichtwähler ist, ob sie denn gar nichts an der Politik ärgere. Uwe Vorkötters (Chefredakteur der Berliner Zeitung) Antwort darauf ist ebenso kurz wie treffend: "Doch, aber deshalb gehe ich ja wählen." Eine einzelne Stimme mag nicht entscheidend sein – aber sie zählt.
 
von Christoph Wolf
 




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